Re: Nochmal Deutschland Nord-Süd

von: Holger

Re: Nochmal Deutschland Nord-Süd - 03.10.20 09:43

Montag, 22. Juni. Langenhagen – Friedland.

So, weiter ging es. Auf das Hotelfrühstück verzichtete ich, 13 EUR für einen Frühstücksbeutel auf dem Zimmer – nein danke. Die ersten 15 Kilometer waren etwas zäh, Stadtgebiet, Hannover war aber die größte Stadt auf der Reise, von daher konnte ich damit leben. Einen netten Frühstücksplatz fand ich erst in Pattensen.


Frühstück am Friedhof.

REWE-Einkauf, Bank vor dem Friedhof. Radreisefrühstück. „Keine Knochen abknabbern“ bekam ich noch als Ratschlag. Und dann kamen Berge und Wolken. Beides nicht so wild, die Berge nicht so hoch, die Wolken nur kurz und ohne Regen. Aber immerhin, nix mehr flach.


Berge.

Aber gut, geplant hatte ich natürlich möglichst flach, daher blieben die Berge meist rechts und links. Ich folgte der Leine, Mittelgebirgslandschaft im Frühsommer, schon recht warm. Selten Bundesstraße, meist kleinere Straßen. Eine kurze Zweitfrühstückpause in Alfeld, und weiterkurbeln.


Im Leinetal.



So langsam näherte ich mich dem Kilometer 100 für heute, überlegte, in Göttingen zu übernachten. Das wäre aber noch recht früh, zudem kam externe Überredung, also noch ein paar Kilometer weiter. Daher musste ich aber vorher unbedingt noch eine Pause machen. Und ich suchte mir Northeim aus. Die Stadt, in der Loriot sein Abitur machte. Schöne Altstadt, das Fachwerk ist inzwischen holzweiß und nicht mehr holzrot wie weiter oben in Deutschland. Und vor allem: Es gab eine Eisdiele.




Versteinerung in der Fußgängerzone

Göttingen durchquerte ich rasch, obwohl es auch eine der größeren Städte waren. Hinein ging es auf einer phänomenalen Fahrradstraße, man merkt, dass es eine Studentenstadt ist. Raus ging es dann auf dem Radweg entlang der B27. Sozusagen die Heimatbundesstraße, der ich so ungefähr in den nächsten Tagen weiter folgen werde. Heute aber nur noch bis Friedland, bis zum Landhaus Biewald. Eines der schönsten Hotels der Reise, mit leckerem Essen, tollem Frühstück – Empfehlung!


Der letzte Bahnhof der britischen Besatzungszone. Deshalb wurde Friedland das „Tor zur Freiheit“, hier kamen Heimkehrer aus Kriegsgefangenschaft an, Vertriebene aus den Ostgebieten, später für Übersiedler aus der DDR und nun Asylbewerber.


Dienstag, 23. Juni. Friedland – Marbach.

Nach dem Frühstückt ging es los. Okay, das ist nix Besonderes, aber das Frühstück war klasse, daher möchte ich nochmal das Landhaus Biewald empfehlend erwähnen. Nach wenigen Kilometern war ich in Thüringen, nur für ein paar Kilometer. Die einzigen in den neuen Bundesländern auf dieser Reise. Gemerkt habe ich es erst, als ich wieder an der Grenze war und ein großes Schild darauf hinwies.


Ohne das Schild merkt man nix.

Und dann beging ich einen Fehler und folgte der geplanten Route, die die Straße verließ. Eher schlechter Weg, ein bisschen hoch und runter und dann war ich auf dem Kolonnenweg – errichtet für die Grenzer, die jeden Punkt der Grenze schnell erreichen wollten. „Im Gegensatz zum Rest der Grenzanlage ist der Kolonnenweg auch Jahrzehnte nach dem Ende der DDR noch weitgehend erhalten und dient heute als Wander- und Radweg entlang der ehemaligen Grenze, obwohl die Fortbewegung auf der durch Ausspülungen der Betonhohlräume recht unebenen Oberfläche mitunter sehr beschwerlich ist.“, schreibt Wikipedia. Hm, ja, mitunter beschwerlich. Dazu kommen noch extreme Steigungen, da der Weg logischerweise nicht der Topographie, sondern der Grenze folgte. Was bedeutet das für eine Reise auf schmalen Rennradreifen? Bergauf und bergab schieben...


Bergab schieben.

Zum Glück ging es auch auf einer schönen Straße noch etwas bergab, dann war ich im Werratal. Dort musste ich für ein paar Meter auf die B27, da war sie wieder, weil der Radweg wieder mal nicht rennradgeeignet war. Und das hieß: Wieder BRD. DDR war auf der linken Werraseite. Kurz vor Bad Sooden-Allendorf wechselte ich wieder nach Thüringen. Dass Bad Sooden-Allendorf so nah an der DDR lag, wusste ich nicht – nichtmal ein Kilometer.


Gradierwerk Bad Sooden-Allendorf.

In Bad Sooden machte ich eine Supermarktpause, dann fuhr ich weiter. Der nächste Berg wartete, der Pass zwischen Werra und Fulda. Auf halbem Weg zur Passhöhe liegt Sontra, ich machte eine Pause. REWE. Getränke. Kühl. Es war schon arg heiß.


Maibaum Sontra.

Hinter Sontra verließ ich die B27, es ging auf sehr schönen kleinen Straßen durch sehr ländliches Gebiet erst noch ein bisschen hoch, dann herunter ins Fuldatal nach Bebra.


Runter ins Fuldatal.

Für den Rest des Tages folgte ich der B27. Selten direkt auf der Straße, häufiger auf Radwegen oder auf kleinen Straßen im Haunetal. Und ich kam der Heimat immer näher, Bad Hersfeld, Rothenkirchen, Burghaun, Hünfeld, Rückers, Marbach. Hier bin ich aufgewachsen und durchaus in jungen Jahren häufiger Rad gefahren. Daher heute auch kein Hotel, sondern eine Übernachtung sozusagen in meinem Jugendzimmer.


Heimat„fluss“.




Mittwoch, 24. Juni. Marbach – Veitshöchheim.


Marbach.

Heute verließ ich die alte Heimat wieder. Zunächst in Richtung Rhön, immer noch auf Straßen, die ich vor vielen Jahren etwas häufiger befahren habe. Und dennoch mit neuen Entdeckungen: Einen Radweg hinein nach Fulda. Der ist aber murx, schmal, verwinkelt, holprig. In Fulda eine kurze Fotostopppause, dann schnell weiter – habe schon genug getrödelt und ich hatte gerade erst 10 km geschafft.


Milseburg und Wasserkuppe.


Dunkles Rad vor hellem Dom.

480 Meter, der höchste Pass der Reise. In der Rhön, grob gesagt vom Fulda ins Sinntal. Kurz vorher machte ich nochmal kurze Pause, Uttrichshausen, bekannt durch den gleichnamigen Rasthof an der A7 und geprägt von eben jener A7. Einkauf im Edeka, Verzehr sozusagen unter der arg hohen Autobahnbrücke. Die Rhön ist nicht überall schön. Abseits der Autobahn ist es aber schön, die Straße nicht wahnsinnig befahren und sie führte auch bald wieder bergab, hinunter ins Sinntal. Das Gefälle machte den Gegenwind erst noch etwas wett, dann musste ich schon etwas gegen ihn kämpfen. Und ich war kurze im Main-Kinzig-Kreis, näher an die aktuelle Heimat Frankfurt kam ich nicht mehr.


Brückengitarrist über der Sinn.

In Gemünden war ich dann am Main. Mein Ziel stand so langsam auch fest: Veitshöchheim, Hotel am Main. Bis dahin war ich auf einem Radtouristikhotspot unterwegs, sozusagen, wenn man einen Weg als Spot bezeichnen kann. Der Mainradweg ist gut ausgebaut, gut beschildert und auch gut genutzt. Viele Reiseradler, viele mit e. Und nicht immer, aber schon häufig direkt am Main. Von meinem Hotelzimmer sah ich ihn auch. Das Hotel war gut auf die Zielgruppe Radfahrer eingestellt, Radkeller, Ladestation für die e's etc. Und zentral gelegen in Veitshöchheim. Es gab was fränkisches zu essen, mjam. Der Dialekt ist seltsam, aber die Küche gefällt mir sehr. Und im Anschluss machte ich einen kurzen Stadtrundgang, und lief ein wenig durch den Garten des überraschend großen barocken Schlosses - bevor er schloss.


Regional essen.


Schloss Veitshöchheim.


Mainromantik.