Re: Westliche Pyrenäen 2019

von: Tom72

Re: Westliche Pyrenäen 2019 - 02.02.20 00:09

18. Tag (17.07.2019), Aínsa – Cañón de Añisclo – Aínsa
Strecke: ca. 60 km
Höhenmeter: ca. 930


Entsprechend dem gestern gefassten Plan steht heute die Fahrt durch den Cañón de Añisclo auf dem Programm, wo ich auch eine Wanderung vorgesehen habe. Abends werde ich dann wieder nach Aínsa zurückkommen. Ich lasse also mein Zelt stehen und nehme nur eine Packtasche mit meinen Wanderschuhen und meinen Rucksack mit Picknick-Proviant mit.



Ich fahre zunächst von Aínsa nordwärts ein Stück auf der A-138, einer der Hauptverkehrsachsen zwischen Spanien und Frankreich, die den Pyrenäen-Hauptkamm oberhalb von Bielsa durch einen mehrere Kilometer langen Tunnel unterquert (der übrigens, was ja hier im Forum schon mehrfach thematisiert wurde, für Radfahrer gesperrt ist). Ich folge dieser hier im unteren Bereich nur sanft ansteigenden Hauptstraße aber nur etwa 10 km bis Escalona.



In Escalona zweigt das winzige Sträßchen (HU 631) nach Westen ab, das durch den Cañón de Añisclo führt. Ab dem nächsten Ort, Puyarruego, gilt talaufwärts, also Richtung Westen, durch die Schlucht eine Einbahnregelung (was ich aber vorher wusste und eingeplant habe); für die Rückfahrt werde ich daher eine südlich parallel und wesentlich höher verlaufende Alternativstrecke nehmen, so dass ich ab hier eine Schleife fahre, die mich wieder hierher zurückführen wird.

Die Fahrt durch die enge Schlucht mit teilweise überhängenden Felswänden ist grandios. Unten fließt der Río Bellós.







Ich erreiche den Parkplatz, an dem die im Wanderführer (Rother-Verlag, „Pyrenäen 1“, Tour 28) mit drei Stunden angegebene Wanderung beginnt. Ich bin jetzt wieder im Parque Nacional de Ordesa y Monte Perdido, in dem ich bereits vorgestern von Torla aus gewandert bin, wenige Kilometer Luftlinie von hier entfernt.

Der Wanderweg führt zunächst ein Stück weiter in den Cañón de Añisclo hinein. Ich komme an der Ermita de San Úrbez vorbei, einer historischen Einsiedelei, deren Mauern sich in eine Spalte unter der auskragenden Felswand schmiegen.



Ich folge der Schlucht noch etwa einen weiteren Kilometer, dann führt mich ein steiler Pfad an den Hängen des Canyons hinauf auf eine Hochebene und zum verlassenen Dorf Sercué, in dem aber einige Häuser von offenbar Neuhinzugezogenen wieder hergerichtet wurden. Die Fauna bietet heute mal etwas Anderes als Schafe, Pferde und Kühe:



Die Aussicht in die Añisclo-Schlucht ist fantastisch.



Auf dem Abstieg zurück zur Straße komme ich über ein verwunschen wirkendes uraltes Brückchen (Puente de la Espucialla).



Ich erreiche den Parkplatz, auf dem mein Rad auf mich wartet. Nun geht es heftig aufwärts. Es ist nicht mehr weit bis zu der Stelle, wo ich die westwärts führende Straße (HU 631), auf der ich, wäre ich ihr weiter gefolgt, nach Broto gelangt wäre (wo ich ja gestern durchgefahren bin), verlasse und auf das Sträßchen abbiege, das mich Richtung Osten zurück nach Puyarruego bringt. Es geht ein paar hundert Höhenmeter weiter aufwärts,



bis sich kurz vor dem höchsten Punkt der Straße ein einmaliger Blick in den Cañón de Añisclo bietet, in dem ich vorhin auf meiner Wanderung unterwegs war: Tief unten der Río Bellós und (am unteren Bildrand in der Mitte) die Ermita de San Úrbez, links oberhalb der Schlucht die Hochebene, auf der auch das durchwanderte Dorf Sercué liegt, und unten links die Straße, auf der ich hier heraufgefahren bin. Im Hintergrund wäre wohl, wenn nicht Wolken die Sicht versperren würden, das Massiv des Monte Perdido zu sehen. Das Valle de Ordesa, wo ich vorgestern gewandert bin, befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Añisclo-Schlucht.



Die Straße führt hinauf bis auf etwa 1300 m; die Landschaft begeistert, Kfz-Verkehr findet fast überhaupt nicht statt (allerdings ist die Straße leider voller Schlaglöcher).



Schließlich kann ich eine wunderbare Serpentinenabfahrt nach Puyarruego genießen, wo sich die Runde schließt.





Zurück geht es dann wie auf dem Hinweg; in Escalona treffe ich wieder auf die Hauptstraße A-138, die mich abwärts zurück nach Aínsa führt. Heute Abend bleibe ich auf meinem Campingplatz; nachdem ich ja gestern in der Altstadt von Aínsa zum Abendessen war, genieße ich jetzt ein Steak auf der Terrasse des Campingplatzrestaurants mit Blick auf Aínsa.



Beim Abendessen fasse ich auch endlich den endgültigen Plan für die verbleibenden drei Tage (plus zwei Bahn-Rückreise-Tage): Morgen verlasse ich erstmal die Pyrenäen Richtung Südwesten durch den Parque Natural de la Sierra y los Cañónes de Guara, ein den Pyrenäen vorgelagertes kleines Gebirge, das mich in meiner Michelin-Karte neugierig gemacht hat; Tagesziel Huesca. Übermorgen fahre ich dann von dort mit dem Zug nach Canfranc-Estación auf etwa halber Höhe des Somport-Passes, und über-übermorgen überquere ich den Somport, verbunden mit einer letzten Wanderung, und beende die Reise auf der französischen Seite in Oloron-Sainte-Marie. Zug-Rückfahrt von Pau, TGV nach Paris, dort Übernachtung, ICE zurück nach Deutschland.

Die Buchungen mit dem Smartphone für den TGV Pau-Paris und den anschließenden ICE (in Frankreich herrscht im Fernverkehr ja Reservierungspflicht) sowie für das Hotel in Paris kosten mich bei der wackligen W-LAN-Verbindung auf der Terrasse des Campingplatzrestaurants noch Einiges an Zeit, Nerven und Flüchen. Aber schließlich gelingt es, und ich habe eine optimale Planung für den Rest der Reise unter Dach und Fach.

19. Tag (18.07.2019), Aínsa – Huesca
Strecke: ca. 110 km
Höhenmeter: ca. 1380


Die heutige Etappe wird mit etwa 110 km die längste der Tour. Es geht durch die den Pyrenäen südlich vorgelagerte Gebirgslandschaft der Sierra de Guara bis Huesca, um von dort morgen mit dem Zug wieder in die Pyrenäen hinein nach Canfranc-Estación auf etwa halber Höhe des Puerto de Somport zu fahren, dessen Überquerung dann übermorgen auf dem Programm steht. Wie viele Höhenmeter mich heute erwarten, ist anhand meiner Michelin-Karte nur schwer abzuschätzen, jedenfalls ergibt sich aus ihr, dass das Sträßchen, das ich ausgewählt habe und das den Parque Natural de la Sierra y los Cañónes de Guara ganz im Osten in Nord-Südrichtung durchquert (A-2205), durch die entsprechende grüne Markierung als landschaftlich reizvoll ausgewiesen ist und über zwei Pässe von 860 und 810 m führt.

Vor diesem Hintergrund ärgert es mich, dass es fast 13 Uhr ist, als ich vom Campingplatz in Aínsa endlich loskomme (das beginnt damit, dass ich erstmal lange ausschlafe). Zunächst genieße ich ein ausgiebiges Frühstück auf der Terrasse des Restaurants des Campingplatzes.



Zudem muss ich erst noch eine der beiden gestern Abend online getätigten Fahrkarten-Buchungen für die Rückfahrt wiederholen, weil es gestern doch nicht geklappt hat. Das kostet bei schwachem W-LAN wieder Zeit und Nerven. Eine der beiden Fahrkarten ist auch kein Handy-Ticket, sondern muss ausgedruckt werden, was aber der hilfsbereite Señor in der Campingplatz-Rezeption problemlos für mich erledigt. Das verzögert meinen Aufbruch aber weiter.

Ich lasse Aínsa auf dem winzigen Sträßchen A-2205 hinter mir und bin kurz darauf in einer beeindruckend einsamen und kargen Landschaft. Die Sierra de Guara weist zwar nicht mehr den Hochgebirgscharakter der Pyrenäen auf (die man beim Blick zurück in der Ferne sehen kann), hat aber aufgrund ihrer Abgeschiedenheit und extrem dünnen Besiedelung einen ganz eigenen Charme. Auf der A-2205, die mich in den Naturpark hineinführt und auf der sich ständig kurze, anstrengende Anstiege mit kurzen Abfahrten abwechseln, begegnen mir nur äußerst selten Fahrzeuge.



Ich komme durch die Dörfer Guaso, Arcusa und Eripol, kurz darauf erreiche ich den ersten der beiden heutigen Pässe, den Collado de Eripol mit (im Vergleich zu den Pyrenäenpässen der vergangenen Tage bescheidenen) 860 m. Mir kam das ständige Auf und Ab bis hierher aber schon recht anstrengend vor.



Mir steht daher der Sinn nach einer Einkehr, aber alle Orte, durch die ich komme, weisen keinerlei Gastronomie auf. Zum Glück habe ich zu Not noch eine Chorizo und etwas Baguette als Proviant dabei. Etwas abseits der Straße, bei dem Dorf Lecina, steuere ich einen in meiner Karte verzeichneten Campingplatz mitten im Nirgendwo an in der unrealistischen Hoffnung auf ein Restaurant, und tatsächlich, hier bekomme ich wider Erwarten ein kühles Bier und dazu ein paar Oliven und Erdnüsse (warmes Essen hätte es wohl auch gegeben, aber ich habe noch einiges an Strecke vor mir, daher will ich mich nicht allzu lange aufhalten).

Auch die Sierra de Guara kann mit Schluchten aufwarten. Obgleich die Gegend sehr einsam wirkt und tatsächlich extrem dünn besiedelt ist, hat sie eine gewisse touristische Bedeutung, offenbar vor allem bei Wanderern, von denen mir ganz vereinzelt ein paar auffallen.



Schließlich ist der zweite Pass erreicht, der 810 m hohe Collado de San Caprasio, von dem sich ein weiter Blick über die Sierra de Guara bietet.



Ich kann eine schöne, relativ lange Abfahrt in ein tief eingeschnittenes Tal genießen, dann geht es auf der anderen Seite nochmal aufwärts zum Dorf Colungo.







Ab hier hatte ich die Karte eigentlich so interpretiert, dass ich jetzt abwärts aus der Sierra de Guara herausrolle und dann auf der restlichen noch recht langen Strecke bis Huesca nicht mehr mit allzu vielen Höhenmetern zu rechnen ist. Doch weit gefehlt. Es geht weiterhin ständig auf und ab. Nach den Dörfern Adahuesca und Abiego habe ich zwar das eigentliche Gebirge verlassen, aber auch die nun direkt Richtung Huesca parallel der Autobahn (Autovía 22) verlaufende Nationalstraße A 240, die in der Karte recht „flach“ wirkte, zieht sich in mehreren langen, wenn auch nicht allzu steilen Anstiegen von Höhenrücken zu Höhenrücken durch mehrere dazwischenliegende Täler. So habe ich, als ich auf die Nationalstraße treffe, noch gut 30 sich endlos anfühlende öde Kilometer ohne landschaftlichen Reiz vor mir, und es ist schon nach 19.30 Uhr.



Als ich mich schließlich Huesca nähere (die erste Großstadt seit Bayonne vor gut anderthalb Wochen), hat sich die Nationalstraße zu einer verkehrsreichen Schnellstraße mit autobahnähnlichen Ausfahrten entwickelt. Ich bin froh, sie an einer geeignet erscheinenden Ausfahrt verlassen zu können (es ist versehentlich eine später als nötig). Es ist fast 21 Uhr. Recht unproblematisch finde ich den Weg in die Innenstadt von Huesca und treffe auf Wegweiser zu mehreren Hotels. Das erste, auf das ich stoße, das große, moderne Hotel Abba Huesca, hat vier Sterne und ist dementsprechend teuer. Aber ich bin nach 110 km und fast 1400 Höhenmetern erschöpft, es ist spät, und ich habe Hunger und keine Nerven mehr, nach einer preiswerteren Alternative zu suchen. Also quartiere ich mich hier ein. Mein Zimmer entpuppt sich als regelrechte kleine Suite mit separatem Wohn- und Schlafraum (beide Räume haben einen Fernseher) und einem Bad mit in die Badewanne integriertem Whirlpool. Man gönnt sich ja sonst nichts... Das Rad kann mit aufs Zimmer. Nun ist es nach 22 Uhr, es ist mir zu spät, um noch zum Abendessen in die Altstadt zu gehen oder zu fahren, und so bin ich froh, dass das Hotel eine recht lange geöffnete Tapas-Bar hat.

Fortsetzung folgt…