Re: Ost-Kanada/USA - Plan und Wirklichkeit 2019

von: Britta

Re: Ost-Kanada/USA - Plan und Wirklichkeit 2019 - 14.12.19 11:56

Tag 20: Syracuse - Schleuse 20 92 km
Beim Frühstück merken wir schnell wieder, was uns an diesem Land so missfällt. Es gibt lauter fettigen Süßkram – Pfannkuchen, Waffeln, Muffins und wieder mal alles auf Papptellern mit Einwegbesteck. Die Mülleimer quellen schon nach kurzer Zeit über.
Auch die Strecke aus Syracuse raus ist nicht wirklich schön. Den Erie-Canal Trail haben wir irgendwie verloren und brauchen eine ganze Weile, bis wir wieder am Kanal sind. Dort angekommen geht es aber wieder bei Sonnenschein und auf schönstem Flussradweg weiter.



Für einen kurzen Schreckmoment sorgt dieser Kandidat hier, der einem vorbeigehenden Spaziergänger blitzschnell fast ins Bein schnappt.


…schaut auch ganz grimmig….

Der Weg bleibt jetzt aber wieder lieblich, bei Sonnenschein am alten Kanal entlang. Wir passieren ein kleines Freilichtmuseum, in dem man sich über die Geschichte des Kanals informieren kann.




…schaut wesentlich freundlicher als sein gepanzerter Kollege….

Heute ist die Wegführung etwas abwechslungsreicher – Kanalweg, Straße und Waldwege wechseln sich in schöner Regelmäßigkeit ab.






…was soll man dazu sagen….



Vorsicht ist dennoch immer geboten. Auch wenn sich in Amerika doch zahlreiche Warn- und Verbotsschilder finden – manchmal muss auch ein Autoreifen reichen.



Wir steuern Schleuse 20 für die Nachtruhe an und stolpern kurz vorher noch über diese entzückende Einrichtung – eine Hundewaschanlage.





Die Schleuse haben wir für uns alleine. Es gibt Grillplätze und Sitzgruppen, nur die Sanitärgebäude für Radfahrer sind leider schon geschlossen. Für Notfälle ist aber immerhin noch ein Dixi-Klo vorhanden.



Tag 21: Schleuse 20 – Schleuse 12 107 km
Da die Schleuse in Nähe einer größeren Ortschaft liegt, machen wir uns am nächsten Morgen auf die Suche nach einem Café, um ein kleines zweites Frühstück einzunehmen.
Es besteht die Wahl zwischen Donuts, Donuts, Pizza, Burger, Donuts...





Wie zuvor auch schon reihen sich an den Ortseinfahrten die Fast Food Restaurants nur so aneinander. Uns kommt der Mampf langsam aus den Ohren raus.
Für eine ganze Weile verläuft der Radweg jetzt über Landstraßen und Städte. Zum Teil wird er sogar über autobahnähnliche Schnellstraßen geführt. Die verlassen wir gleich an der nächsten Abfahrt wieder und schlagen uns parallel dazu durch, das ist dann doch nicht wirklich spaßig.
Auch als es dann später wieder auf einem separaten Radweg weitergeht, bleibt der Wegverlauf eintönig und wenig spannend, noch dazu immer direkt parallel zur Autobahn. Dieser Abschnitt heute ist nicht wirklich ein Höhepunkt.
Einzig für Unterhaltung sorgen Situationen wie diese:



Ein Mc Donalds drive thru – mit langer Warteschlange außen. Der Laden drinnen ist gähnend leer. Würden die Herrschaften sich aus dem Auto bequemen und zu Fuß ihren Hamburger abholen, wären sie in 3 Minuten fertig. So stehen sie lieber eine viertel Stunde mit laufendem Motor in der Warteschlange.
Ich lese während des Urlaubs gerade das Buch „Streiflichter aus Amerika“ von Bill Bryson. Es ist verrückt - immer wieder denke ich mir „jetzt übertreibt er aber“ - und erlebe dann gleich am nächsten Tag die beschriebene Situation. Auch diese Mc-Donalds Szene ist darin beschrieben. Das Buch kann ich nur empfehlen, es gibt wirklich ein sehr treffendes Bild dieses Landes wieder. schmunzel

Es gibt aber auch einige schöne Abschnitte am heutigen Tag, und immer mal wieder finden sich Versorgungsmöglichkeiten für Radler.





Immerhin, die letzten Kilometer zur nächsten Schleuse sind frisch geteert und so rollen wir geschwind die letzten Meter, um gerade so bei Einbruch der Dunkelheit unser Zelt aufzustellen.





Tag 22: Schleuse 12 – Albany 85 km
Letzte Nacht im Zelt – wir schlafen nochmal selig und rollen gegen 9:00 wieder los.



Heute ist der Weg wieder deutlich attraktiver als gestern. Es geht auf schönen Radwegen durchs Grüne und es gibt zahlreiche Informationstafeln und alte Rudimente des Kanals, die über die Geschichte hier in der Gegend erzählen.





Und auch wenn wir ja gleich in unserer ersten Nacht der Tour recht intensiven Kontakt mit den nordamerikanischen Güterzügen hatten – die Massen, die hier bewegt werden beeindrucken uns bei jedem Zug den wir sehen immer wieder.



Langsam nähern wir uns Albany. Wir passieren das kleine, durchaus nette Städtchen Schenectady, offensichtlich ein Forschungsstandort mehrerer Großunternehmen. Hier sehen wir dann das erste Mal auch Radler, die etwas sportlicher unterwegs sind und hier ihre Nachmittagsrunde auf dem Erie-Kanalweg fahren.





Und dieses Banner zeugt davon, dass es in diesem Land offensichtlich auch noch was anderes als Trump-Anhänger gibt. schmunzel



Hinter Schenectady führt uns der Weg tatsächlich eine kurze steile Anhöhe hinauf, gefolgt von einer kurzen Abfahrt. Wir wären nicht in Amerika, würde vor dieser riskanten Abfahrt nicht entsprechend gewarnt…



Das ist aber auch steil! :


Und wo wir grad bei Warnhinweisen sind – auch gut zu wissen, dass diese Schutzhütte bei schlechtem Wetter keinen Schutz bietet.



Kurz vor Albany machen wir in einem kleinen Ort in Ermangelung alternativer Versorgungsmöglichkeiten in einem Dunkin Donuts halt. In der irrigen Annahme, aus der Auswahl irgendwas einigermaßen gesundes rauszusuchen, bestelle ich einen Blaubeermuffin. Dass der eine panzerdicke Zuckerkruste trägt, war tatsächlich auf den ersten Blick auf die Auslage nicht zu erkennen.



Am späten Nachmittag rollen wir bei Alex Familie vor der Haustür vor. Wir laden ab, freuen uns auf die Dusche und erzählen noch eine Weile, bevor wir dann ins kuschelig weiche Gästebett springen.

Tag 23-26: Albany – Boston - Berlin
Den nächsten Tag – Samstag – nutzen wir dazu, noch einmal mit dem Rad bis nach Albany Zentrum zu fahren. Der Weg führt weiterhin sehr schön entlang des Wassers - hier jetzt entlang des Hudson Rivers. Und wieder sind wir verblüfft, wie wenig Menschen wir sehen. Es ist Samstag, herrliches Spätsommerwetter, aber die Personenzahl, die sich im Park am Fluss die Zeit vertreibt ist überschaubar.





Auch der Platz mitten im Zentrum ist leer gefegt und erinnert uns architektonisch entfernt and den zentralen Platz vor dem Palast in Ulan Bator...



Am nächsten Tag machen wir noch einen Ausflug nach Saratoga – quasi dem Baden-Baden von New York. Leider bei strömendem Regenwetter. Hier sind dann allerdings tatsächlich eine Menge Menschen anzutreffen. Sie sitzen in den Cafés und Restaurants und essen Kuchen, Burger und Sandwich. Wir auch – übrigens, das war die erste Radreise, bei der wir kein einziges Gramm abgenommen haben – um nicht zu sagen…. träller erstaunt
Am Montag dann geht es für uns nach Boston. Wir haben einen Mietwagen gebucht, in dem wir – diesmal ganz ohne Tetris zu spielen– die Räder und Gepäck unterbringen und die letzten Kilometer zum Flughafen fahren.



Unser Flug geht erst am nächsten Tag, so bleiben uns auch noch 1 ½ Tage Zeit, um noch ein bisschen durch Boston zu schlendern. Eine deutlich lebendigere Stadt als die sonst auf dieser Reise von uns passierten Städte.



Auch in Boston wird gegen zu hohe Mieten demonstriert, allerdings in sehr überschaubarem Ausmaß.



Und auch in Boston können wir dem Müll nicht entgehen. Das hier ist die absolut landesübliche Servierweise von 2 Sandwiches, ein Stück Kuchen und 2 Kaffee/Tee zum HIER ESSEN. Schön, dass bei uns jetzt die Plastikstrohhalme verboten sind.





Und so geht sie zu Ende, die Reise. Der Rückflug klappt problemlos. Pünktlich landen wir in Berlin und nach den letzten Kilometern vom Flughafen nach Hause schließen wir nachmittags um zwei wieder unsere Haustüre auf.

Eigentlich war es eine schöne Tour – leider dominiert in der Erinnerung die verkorkste erste Woche.
Ein paar Worte zur Statistik:
Von 25 Urlaubstage haben wir ganze 12 auf dem Rad verbracht. Wir sind in Summe etwa 1150 km gefahren. - Davon immerhin 190 mit dem Carbon-Renner. lach Keine Pannen oder Defekte.
Im Auto haben wir auf dieser Reise mehr Kilometer zurückgelegt, als wir das sonst im gesamten Jahr tun. Die Ernährung mit den unausweichlichen Burgern, Sandwiches oder Wraps in Kombination mit Pommes, Chips oder in Einzelfällen auch Salat kam uns schon sehr bald aus den Ohren raus.
Erstaunlich auch, welche Berge an Verpackungsmüll sich so bei Einkaufen und Essen gehen ansammeln. Berge! – und das nicht in Summe sondern bei einer einzigen Rast. schockiert
Absolut positiv allerdings die unbedingte und spontane Hilfsbereitschaft der Kanadier in unserer Busreisewoche – der B&B Inhaber der mal eben 170km fährt, um uns unsere Taschen zu bringen, der Verkäufer, der uns ohne zu zögern seine Bikepacking-Ausrüstung leiht, oder auch die Hotel-Eigentümer, die dann mitten in der Nacht unser zweites Rad entgegengenommen haben. bravo
Ganz deutlich wurde aber auch: die Sandpisten, das Schwitzen, das Frieren und das Fluchen haben uns echt gefehlt! Beim nächsten mal darf es wieder Piste sein. lach

Britta