Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen

von: veloträumer

Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen - 30.03.19 20:44

EUS-10 Salinenterrassen, Hauptstadteleganz, Weingutland und Regenbogen: Von Gesaltza-Añana über Vitoria-Gasteiz durch Rioja Alavesa und den Izki-Naturpark nach Salvatierra

Do 12.7. Gesaltza Añana – Alto de Montevedado/La Tejera (744 m) – Pobes – via Nebenpiste zur A-1/A-3302 – A-4102/4164/4163 (Nebenstraße zur N-102) – Vitoria-Gasteiz – Puerto de Vitoria (758/778 m) – Armentia – Urizaharra – Puerto de Herrera (1104 m) – Laguardia – Elvillar (+)
100 km | 11,8 km/h | 1710 Hm
Ü: C frei
AE (Laguardia): Bodegas Mayor de Migueloa: Kart./Wurst-Auflauf à la Rojana; Lammkotelett, Pommes, Paprikagem.; Cuajada; Rotwein, Café 29,60 €

Fr 13.7. Elvillar (+) – Kripan – Meano – Puerto de Bernedo/Alto de la Aldea (992/990/1000 m) – Bernedo – Quintana – Corres – Arraia-Maeztu – Puerto de Azáceta/Azazeta (887 m) – Eguileta – Adana – Salvatierra-Agurain
78 km | 10,9 km/h | 1240 Hm
Ü: C frei
AE: Cannelloni; Hähnchenschenkel, Pommes, Salat; Cuajada; Rotwein, Café 12,25 €

Selbst in der Salzstadt Gesaltza-Añana – immerhin tagsüber ein Spa-Bereich zu besuchen wie auch Führungen durch die eindrucksvoll am Berg liegenden terrassenartig gestapelten Salzstöcke – waren nicht mehr als ein paar fade Kartoffeltortillas als Snackzugabe zum Bier zu bekommen. Irgendwie erscheinen die ländlichen Flächen zwischen Hauptstadt und Rioja-Land wie ein verarmtes Nirvana zwischen zwei Wohlstandszonen. Ein wenig verzerrt ist diese Ansicht, denn kleinbürgerliche Besiedlung ist zu finden und der Pendlergürtel von Vitoria-Gasteiz offenbar hier weit gezogen, ohne dass es optisch ins Auge fällt.



Ich war ob meiner leicht wackelnden Kurbel etwas verunsichert. Schon meine Exkursion nach Igorre, mit der ich meine Gorbea-Runde unterbrach, sollte Abhilfe schaffen. Ein Minimarktbetreiber in Artea meinte eine Radwerkstatt in Igorre zu kennen. Der Laden erwies sich aber als Werkstatt für Sägemaschinen und Rasenmäher und ehrlicherweise weigerte sich der Monteur, am edlen Rad Hand anzulegen. Noch am selben Tag hätte ich gleichwohl Vitoria ansteuern können, wenn ich die nun hinterliegende Südwestschleife verschoben hätte. Dafür war mir der Defekt aber nicht ernst genug. Dennoch wollte ich nun die ausgesuchte Zaldiaran-Passroute nach Vitoria auslassen, um den schnellsten Weg zu fahren, um den eventuell längeren Werkstattaufenthalt auszugleichen. Die trübe Witterung erleichterte diese Entscheidung. Aber die angeblich schnellste Route ward doch mühseliger, die Anfahrt nach Vitoria nerviger, der Werkstattbesuch kurzweiliger als gedacht, sodass die Zaldiaran-Route vielleicht klüger gewesen wäre zu fahren, auch kaum mehr Zeit beansprucht haben dürfte.

Die zur Einfahrt nach Vitoria offenstehende Straße und in Teilen Piste schleicht meist parallel zur radfahrverbotenen Schnellstraße bzw. Autobahn, ist jedoch nicht ausgeschildert. Begleitet wird die Fahrt über die Hochebene von sich weit ausbreitenden Gewerbeparks neben horizontsprengenden Weizenfeldern – nicht gerade ein Schaufenster der Schönheit, mehr ein Zeugnis autogerechter Gewerbekultur. Das beißt sich ein wenig mit Vitoria-City, einer durchaus fahrradfreundlichen und lebenswerten Stadt, besonders in den modernen und sehr aufgeräumt wirkenden Wohngebieten, derweil in der City auch mal eine Luftpumpe kostenlos zur Verfügung steht.



Nach einem ersten Fehlversuch in einem Rennradladen (wollte mich auf eine Reparatur am nächsten Tag vertrösten), löste der zweite Radhändler mein Kurbelproblem mit wenigen Schraubgriffen und gleich kostenlos. Der freundliche und kompetente Mechaniker von Green City Cycles verwies darauf, dass Vitoria eine typische Stadt für Alltagsradler wäre, weniger für Rennradler. So wäre jede Stadt im Baskenland auch im Profil der Radläden etwas anders, so auch sein Sortiment mehr an City- und Tourenradlern orientiert sei, Schwerpunkt sei die Marke Kalkhoff, auch velotraum war ihm ein Begriff von einem Händler in Pamplona. Kinderräder- und -hänger gehören ebenso zum Sortiment wie E-Bikes, beim Zubehör liegt u.a. Vaude und Ortlieb vor. Der Radhändler gestand dann auch noch, dass ihn eine Radreise in Deutschland, im Besonderen im Schwarzwald reizen würde.

Vitoria zeigte sich als edle Einkaufsmetropole und lebenswerte Business-City, nicht aber ohne zahlreiche Sehenswürdigkeiten, Museen und viel Kultur. Breite Fußgängerzonen, farbige Fassaden, weiträumige Parks und geben hier viel Raum für Freizeit und Genuss im Spiegel einer geschäftigen Wohlhabenheit. Viele Lokalitäten laden zum Schlemmen beim Plausch oder zum Schauen ein. Dem Jazz Festival zollt ein Denkmal und ein Hotel Tribut, wird auch vom Tourismusbüro sichtbar als Aushängeschild angekündigt, deutlicher als in Getxo. Einen Abend in der Stadt zu erleben wäre sicherlich reizvoll, wenngleich an der verkehrsträchtigen Einfallstraße liegender Camping mir eher eine ungünstige Basis zu sein scheint.



Hat man nach Süden die Randgebiete Vitorias hinter sich, könnte der Kontrast kaum größer sein. Rar gestreut finden sich kleinste Dörfer mit ärmlicher Infrastruktur, es scheint kein urbanes Umland zu geben. Insofern sind die südlichen Ein- und Ausfahrten über die Montes Vitoria die beste Wahl. Die Pässe hier sind eigentlich selten schwer, durch zahlreiche Auf und Abs kommen dennoch mehr Höhenmeter zusammen als zu vermuten sein mag. Die Pässe Herrera und Bernedo setzen eine landschaftlich ebenso reizvolle wie markante Grenze zur Region Rioja Alavesa, mit weitreichendem Panorama über die Rebenhänge, die in der Ferne in die nur leicht hügelige Ebro-Ebene auslaufen. Rioja – kleine, aber durch seinen Wein weltberühmte südliche Anschlussregion an Euskadi, ist als Weinbaugebiet auch noch Teil der Provinz Álava, einem weitgehend kastilisch geprägten Landstrich, und doch eine weitere, wenig bekannte Facette des Baskenlandes.

Hier ändert sich gleich die Mentalität und das Essen in Restaurants mit festem Tisch und Menü wird zur Regel, Stehkneipen mit Pintxos sind seltener. Zwischen den Rebenhängen fügen sich luxuriöse Bodegas mit Hotel- und Restaurantbetrieb. Ein städtisches Schmuckstück auf einer Hügelerhebung bildet Laguardia mit engen Pflastergassen und zahlreichen Lokalitäten. Eine typische Festungsstadt kastilischer Prägung – lange Zankapfel zwischen Kastilien und Navarra, bevor sie Teil von Euskadi wurde.



Unmittelbar jenseits der Stadtmauern und Wachtürme herrscht wieder tiefe Einsamkeit, kleinste Dörfer, wo allenfalls mal ein Bäckerwagen zur Versorgung hält. Nördlich von Bernedo taucht man wieder mehr in Wald ein und erreicht den Naturpark Izki, dessen Informationszentrum sich erst in Corres befindet. Dort ließe sich mit Rad eine Piste weiter durch den Park nach Antonaña (nahebei ein Wasserfall) fahren, konnte ich aber nicht mehr einbauen, weil ich die Info hier zu spät erhielt. Eine gesicherte, wenngleich nicht üppige Versorgung gibt es jenseits von Laguardia erst wieder in Arraia-Maeztu, quasi die dezente touristische Basis des eher wenig bekannten Izki-Parks.

Die extrem schwüle Luft des Tages ballte sich immer mehr in Gewitterwolken zusammen, die sich zunächst nur leicht entluden, zur Nacht dann aber in Salvatierra in einem lang anhaltenden Wolkenbruch endeten. Auf seltsame Weise reihen sich in Salvatierra zwar zahllose Pintxo-Bars aneinander, die schon wegen eines Musikfestes in den Straßen gut besucht waren, jedoch konnte ich in dieser eigentlich größeren Stadt – quasi im Einzugsbereich von Vitoria – keinerlei Hotel finden, zumindest nicht, nachdem die ausgeschilderte Pilgerherberge nicht öffnete und unter den besonderen Umständen des Wolkenbruchs ich mich nicht mehr durchfragen konnte. So endete meine Nacht(un)ruhe auf etwas skurrile Art unter einem antiken Brückenbogen.

Bildergalerie EUS-10 (77 Fotos, bitte Bild anklicken):



Fortsetzung folgt