Re: Tour de France: Pyrenäen - Auvergne - Jura

von: veloträumer

Re: Tour de France: Pyrenäen - Auvergne - Jura - 11.02.19 21:02

TdF-4 Verwegene Geierschluchten, entlegene Bergdörfer, rauschende Kaskaden: Die aragonesischen Pyrenäen mit einer Wanderexkursion im Nationalpark Ordesa

Di, 29.6. Laruns – Col du Portalet (1794m) – Biescas – Puerto de Cotefablo (1423m) – Torla/Camping Ordesa (92 km)

Morgens hat sich die Wetterlage nur unwesentlich verbessert. Dicke Nebelschwaden liegen immer noch über dem Tal. Wie einem tropischen Regenwald entsteigt den waldreichen Berghängen im herrlichen Ossau-Tal die dampfende Feuchtigkeit. Zwar fehlen die tropischen Temperaturen, doch ist es angenehmer als am Vortag. Nochmal taucht ein alter Kurort auf, les Eaux-Chaudes. Dieser wirkt völlig verlassen, nicht ein einziges Hotel kann ich ausmachen. Nach einem ersten steilen Stück merke ich, dass meine Kraftreserven angefressen sind. Am Straßenrand finde ich Walderdbeeren, von denen es hier viele zu geben scheint.

Mein Schweiß scheint die Fliegen anzulocken, was für einige Kilometer sehr lästig wird. Einer späteren Beobachtung zufolge glaube ich, dass sie nicht allein das Wasser in kleinen Tröpfchen absaugen, sondern dass es das Salz ist, was sie begehren. Immer noch von der kleinen Plage begleitet durchfahre ich die letzte Ortschaft in Frankreich, Gabas. Von hier aus brechen viel zu Exkursionen zum Pic du Midi d’Ossau und den darunter gelegenen Bergseen auf. Nach einem weiteren Steilstück erreiche ich eine Staumauer. Von der anderen Seite des Stausees führt Kabinenbahn zu dem Ausgangspunkt eines Hochgebirgspanoramazuges, der Touristen zum Lac d’Artouste bringt.

Vorbei am See, führt die Straße in ein offenes Berggelände, Ziegen weiden an den Hängen, ein VW-Bus parkt direkt am Gebirgsfluss zum Picknick, nach oben erscheinen die Berge, die die Passhöhe verraten. Bei einer weiteren kleinen Pause nähert sich ein österreichisches Radlerpaar. Die sympathischen Wiener touren von Lourdes nach Barcelona, sind also noch am Anfang. Sie haben ebenso mit Fliegen zu kämpfen gehabt, die aber jetzt in der Höhe verschwunden sind. Wir spekulieren über die Wetterentwicklung. Möglicherweise ist der Pass auch eine Wetterscheide. Die beiden rasten noch ein wenig, während ich weiterfahre. Der obere Teil ist nun einfacher zu fahren als der untere. Dann bricht die Sonne durch, es wird richtig heiß. Den Pass in greifbarer Reichweite, wachsen meine Kräfte wieder.

Auf dem Col du Pourtalet gibt es sowohl auf französischer als auch auf spanischer Seite ein Lokal. Auf der spanischen ist offenbar mehr Betrieb. Ich bleibe noch vor der Grenze und stärke mich mit Sandwich und Eis. Schließlich treffen auch die Österreicher ein, mit denen ich noch ein nettes Gespräch führe. Danach stürze ich mich in die Abfahrt, die zunächst etwas holprig hinunterführt. Durch eine Baustelle bekomme ich noch einige lästige Matschspritzer ab. Die spanische Talseite ist betriebsamer und stärker bevölkert als die französische. Der Straßenzustand wird weiter unten besser. Ich drücke auf das Tempo, steht doch noch etwa die Häfte der Etappe mit unbekanntem Schwierigkeitsgrad aus.

Noch vor dem größeren Ort Biescas zweige ich auf die N 260 nach Torla ab. Es geht gleich wieder steil bergan. Mühsam suche ich in der noch heißen Nachmittagsluft einen guten Rhythmus. Nur wenige Autos passieren die Straße – Ruhe, um die schöne Landschaft zu genießen, die mit Büschen und lichten Wäldern südländischer wirkt als die Nordseite der Pyrenäen. Von den Mühen des Anstiegs werde ich dann doch etwas überraschend erlöst, als unvermittelt der kleine, sogar beleuchtete Tunnel am Puerto de Cotefablo auftaucht. Auf der anderen Seite wechselt das Landschaftsbild zu einer Kulturlandschaft, mit grünem Weideland im Tal. Die herrlische Abfahrt könnte man noch weiter nach Ainsa fortsetzen, aber ich möchte ja den Ordesa-Nationalpark besuchen. Noch vor dem unten liegenden Broto wendet eine Straße nach Norden Richtung Torla. Direkt fällt der Blick auf ein in der Abendsonne leuchtendes Bergpanorama, das dem Bergort Torla ein charakteristische und eindrucksvolle Kulisse liefert.

Torla verdankt seine Bedeutung dem Wandertourismus zum Ordesa-Nationalpark, der als der schönste unter denen in den Pyrenäen gilt. Entsprechend umfangreich sind die Unterkunftsmöglichkeiten. Da staune ich zuweilen, wenn z.B. ein Hotel mit dem Namen „Edelweiss“ wohl um Bergtouristen aus der Alpenregion buhlt. Dennoch strahlt der Ort einen natürlich anheimelnden spanischen Charme aus. Zumindestens jetzt ist nichts überlaufen. Alles wirkt bodenständig. Ich entscheide mich für den vorletzten Camping, der an das Hotel Ordesa angegliedert ist. Im Ort finde ich abends gutes Essen in einem Restaurant mit rustikaler Atmosphäre.

Mi, 30.6. Torla – Valle de Ordesa (~1400 m, Wanderung, 7h) – Torla – Fanlo (1352 m) – Valle Anisclo – Puyarruego (58 km)

Wanderungen als Teil einer Radtour sind ein etwas schwieriges Unterfangen. Eigentlich verlangt das erlebnisreiche Bewandern eines Gebirges wie der Pyrenäen mehr Zeit. Mit meinen zwei Wandertouren von Gavarnie und Ordesa werfe ich nur einen kleinen Blick in die Welt des staunenden Fußritters, der nochmals langsamer und bedächtiger die Natur erlebt als dass ein Radler tun kann. So ist die stramme Wanderung von ca. 6-7 Stunden im Ordesa-Nationalpark für mich auch eine eher hektische Strapaze, drückt mich doch immer wieder der Zeitschuh für die noch anstehende Weiterfahrt. Für viele Autotouristen ist es indes nicht umso weniger anstrengend, wovon etliche erschöpfte Gesichter zeugen.

Vom Camping sind es nochmal knapp acht Kilometer bis zum letzten Parkplatz am Nationalpark, von wo es nur noch zu Fuß weitergeht. Ich deponiere zunächst mein Gepäck im Hotel, um es am Nachmittag wieder abzuholen. Die Straße steigt bald steil an. Nach einem ersten Parkplatz mit einem am frühen Morgen noch geschlossenem Info-Zentrum zum Park wird die Straße noch schlechter und steiler. Jetzt schillern moosflankierte Felswände am Rande, über die Wasser heruntertropft, das die Sonnenstrahlen des Morgens in eine strahlende Glitzerwelt verwandelt. Unten rauscht der Rio Arazas, hinter mir leuchten die stumpfen Bergriesen, die ein Canyon-Massiv als steile Bergwand bilden – und nach Norden die Grenze zum Nachbarn Frankreich markieren.

Am obersten Parkplatz bekomme ich ein paar Kleinigkeiten zum Essen und Trinken. (Eigenvorsorge ist jedoch vorzuziehen, unten waren die Supermercados aber noch geschlossen.) Die Schönheit des Ordesa-Nationalparks wird in den Reiseführer als einzigartig hervorgestrichen – ein Urteil, dem ich mich als nun etwas stolpernder Wanderer nur anschließen kann. Dabei ist der schönste Teil vielleicht der untere (auf der vom Parkplatz aus gesehen linken Flussseite). Zu den immer wieder faszinierenden Blicken auf den Felscanyon und die Flusskaskaden gesellen sich die Eindrücke von einer eigentümlichen Vegetation. Manche Bäume nehmen archaiche, ja künstlerische Formen an, öffnen kleine Fenster auf die Berge, spannen weite Torbögen, weil sie ihr Leben lang nach dem günstigstes Winkel zum Licht hin gesucht haben. Der Weg ist meist schattig, später sogar mit dichter Krone. Treppen und Stege führen nahe an die stürzenden Wasserfälle Cascada de la Nueva und Cascada del Estrecho heran.

Wenn der ansteigende Weg aus dem Wald herausführt, brennt die Sonne nun ungeschützt herunter. Der Fluss verläuft nun in fast regelmäßigen, kleinen Kaskaden neben dem Weg. Links leuchten blaue und rote Fingerhüte in der Bergwiese. An den Cradas de Soaso glaubt man sich vor eindrucksvollen Kaskaden am Ende der Wanderung, doch der Cola de Caballo, der Wasserfall mit Ähnlichkeiten zu einem breiten Pferdeschwanz, liegt noch ein gute Strecke weiter weg. Dazu steigt man über ein felsigen Pfad zunächst nach oben, um dann eine weit geöffnete, durch die vielen Bäche durchzogen leicht sumpfige Wiese zu queren. Im Blick liegt nun immerzu der 3355 m hohe Monte Perdido, die Krone der spanischen Pyrenäen. Unterhalb des Berges liegt auch das erstrebte Ziel, der Wasserfall, wie eine Sackgasse in einen Talkessel stürzend. Über die Bergflanke sehe ich jedoch etliche Wanderer, die sich über die Goriza-Hütte entweder in Richtung Breche de Roland nach Frankreich oder zum Gipfel des Monte Perdido oder hinüber zum Valle Anisclo durchschlagen. Dazu wären dann aber schon echte Bergschuhe von Nöten. Ich wäre mit meinen zwar lauffähigen Radschuhen auf glatten Steinplatten oder in Geröllfeldern dafür nicht vorbereitet. (Schon auf dem leichten Weg hierher muss ich manchmal viel Kraft aufwänden, um das Rutschen mit den Klickies in der Schuhsohle auszubalancieren.)

Nach kurzer Rast geht es zurück. Noch im oberen Wiesenbereich gönne ich mir jedoch ein kurzes Bad in einer breiten Gumpe. Es wundert mich sehr, dass nahezu niemand sonst die Badegelegenheiten nutzt. (Es ist mir auch nicht bekannt, dass dies ausdrücklich verboten ist.) Mein kleiner Indio-Rucksack – explizit wegen der Wandertouren mitgenommen – zieht leider stark in der Schulter und ist nicht unbedingt wandertauglich. An einem der unteren Wasserfälle führt nochmal ein Weg auf der anderen Flussseite zum Parkplatz zurück. Meine Füße sind müde gelaufen und ich fürchte die Fortsetzung meiner Tour mit ausgezehrtem Körper.

Die Straße erscheint mir beim Runterfahren noch steiler als beim Rauffahren. Der schlechte Straßenzustand erfordert ständiges Bremsen – kein Erholung bergab. Ich lade aus dem Hotel meine Packtaschen auf und verpflege mich noch im Ort Torla. Danach kann ich ein kurzweiliges Abfahrtserlebnis nach Broto genießen, muss aber schon wenig später wieder hinauf. Bei Sarvisé geht eine kleine Straße nach Fanlo. Die schmale, aber zunächst noch aktzeptabel aphaltierte Straße führt entlang eines Tales durch dichtes Laub von Büschen und Bäumen. Irgendwo sorgen Kinder von einem Zeltlager für Lärm, sonst wäre es hier tief einsam. Der über weite Teile gemütliche Anstieg mit kleinen Abschüssen beunruhigt mich – immerhin soll der höchste Punkt bei Fanlo bei 1352 m liegen. – Gedacht, schon kommt er: Plötzlich geht es rampenartig nach oben, mindestens 15 % Steigung, und die Straße, gerade im Bau befindlich, wird zur Schotterpiste. Nur an ausgewählten Stellen finde ich genug Halt ohne wegzurutschen.

Auch diese Tortur nimmt eine Ende, aber es ist später als geplant. In der Abendsonne stürze ich hinunter ins Valle de Anisclo. Der fahrbare Teil dieser Schlucht ist atembraubend. Eine sehr schmale Straße führt durch eine engen Canyon, überhängendes Grün bildet Vorhänge, rauschende Kaskaden wechseln mit grünfarbenen Wasserbracken in natürlich geformten Gumpen, eine Mühle, ein Brücklein, irgendwo versuchen Fischer ihr Glück, natürliche Torbögen fressen den Weg durch mächtige, senkrechte Felswände, reflektierendes Sonnenlicht malt weiche Sandfarben auf das Gestein. Wegen kleiner Gegenhänge und dem Straßenzustand ist die Fahrt allerdings nicht ganz einfach – ich muss sehr viel schalten und sehr wachsam auf den Straßenbelag achten, der Genuss wischt aber alle Schweißperlen weg. Dass man dies fast ungestört genießen kann, ist einer zweiten Straße zu verdanken, die den Großteil des Verkehrs um das Tal herumführt und in Puyarruego wieder mit dieser zusammenstößt. Hier liegt einladend noch vor dem Ort auf der anderen Flusseite ein Camping. Für die geplante Weiterfahrt bis nach Ainsa ist es auch bei einfacher Fahrt reichlich spät. So verweile ich auf der Terrasse des Camping-Restaurants bei romantischer Abendstimmung mit dem untergehendem Glutball der Sonne und dem sich in den Nachthimmel hineinmalenden Vollmond, der sich im rauschenden Rio Vellos spiegelt.

Do, 1.7. Puyarruego – Ainsa – Boltaña – Puerto del Sarrablo (1291 m) – Sabiñánigo – Jaca (113 km)

Die folgende Strecke über Escalona bis Ainsa ist völlig anders als die am Vorabend. Der Rio Cinca fließt in einem breiten Kiesflussbett geruhsam durch das weit geöffnete Tal. Von Norden ist die Straße durch den Bielsa-Tunnel ein wichtige Verbindung zu Frankreich, entsprechend ist die Verkehrsdichte höher. In der Flussaue tauchen hin und wieder Industrieanlagen auf. Nach Süden fehlt jeder Horizont.

Ainsa hat eine moderne Unterstadt und eine historische Oberstadt mit der schmucken Plaza Mayor. Immerhin war Ainsa im 11. Jahrhundert Hauptstadt des Königreich Sobrarbe, in dem blutige Kämpfe zwischen Christen und Mauren tobten. Es gibt hier kaum Geschäfte, aber einige gute Restaurants (nach der Speisekarte zu urteilen), der Platz bevölkert sich aber erst abends. Durch pittoreske Gassen gelangt man nach unten, wo an der Hauptstraße Geschäfte mit leckeren aragonischen Spezialitäten locken – Schinken, Pasteten, Gebäck, Torrone, kandierte Früchte – besonders lecker sind die Orangen in Schokolade gehüllt!

Mittlerweile ist es wieder heiß geworden und kurz hinter Ainsa führt eine Abzeigung hinauf auf einsamer Straße zum Puerto del Sarrablo. Der erste und härteste Anstieg führt hinauf durch ein trockeneres Gebiet, auf der Anhöhe befinden sich über dem Quellgebiet eines kleinen Flusses ein paar Gehöfte. Dann geht es in Kehren über eine Art Höhenstraße mit Panoramablicken in das südliche Aragonien, in der dunstigen Ferne einzelne Türme von spanischen Burgen, neben der Straße immer wieder gelber Ginsterbewuchs, viel Kiefernwald. Der eigentliche Pass folgt dann später, etwas unvermittelt, an einer Wetter- oder Sendestation gelegen. Oberhalb von Laguarta, ein unscheinbares Dorf, liegt das Quellgebiet vom Rio Guarga, dem ich nun nach unten ins Tal folge. Wenn die Straße bereits flacher wird, bietet der Fluss einige gute Bademöglichkeiten mit kleinen Becken oder Sandbuchten, von lichtem Laubwald umgeben.

Der folgende Teil wird nun landschaftlich weniger reizvoll. Auf der N 330 nach Sabiñánigo herrscht starker Verkehr. Es geht zäh gegen den Wind aufwärts. Sabiñánigo umfahre ich auf dem Weg nach Jaca. Vom immer heftiger gewordenen Gegenwind abgekämpft erreiche ich Jaca, dessen kleiner Camping am westlichen Ende an der Hauptstraße liegt. Obwohl die Stadt eine große Geschichte hat, ist die Altstadt eher schlicht und einfach gebaut. Gute Infrastruktur und Einkaufsmöglichkeiten, modernes Zentrum für touristische und sportliche Aktivitäten in den Pyrenäen sowie die naheliegenden Berge hat die Stadt veranlasst, sich schon mehrfach (allerdings noch vergeblich) um die Olympischen Winterspiele zu bewerben. Um mich von den Widrigkeiten des Tages zu erholen, speise ich in einem besseren Restaurant – gut, aber nicht überragend.

Fr, 2.7. Jaca – Puente la Reina – Berdún – Ansò – Zuriza – Alto Zuriza (1290 m) – Isaba – Burgui – Puerto Las Coronas (950 m) – Navascues – Puerto Iso (670 m) – Lumbier (147 km)

Der Start verläuft schon mal gut. Bei kühlen Temperaturen (lange Hose!) komme ich gut voran. Neben der Straße verläuft einige Zeit eine Wanderpfad, der sich als der klassische Jakobsweg entpuppt. Einige asketisch wirkende Pilger marschieren dann auch daher durch offenes Wiesenland und in Tuchfüllung mit den Autos. In Puente la Reina (de Jaca) kreuzt die Straße den Rio Aragón. Tankstellen und Motels vermitteln das Bild eines Transit- oder Truckertreffs. Es gibt aber keinen Supermarkt für Proviant. Eine Rennradgruppe startet gerade zu einer Tour Richtung Westen, bleiben allerdings hinter mir zurück. Bei Berdún biege ich ins Ansò-Tal ab. Weiter ohne Frühstück folgt eine beschwerliche Fahrt ohne Verpflegungsmöglichkeit. Doch die Schönheit zollt dem Schweiß Tribut: Die Foz de Biniés erweist sich als lohnenswerter Abstecher von der Hauptroute Richtung Westen. Über der Schlucht kreisen Greifvögel, darunter auch Geier, deren Schreie in den Felsen widerhallen. Im unteren Teil erfreut ein geschwätziges Vogelgezwitscher meine Ohren. Ein natursteinerner Torbogen bildet die Pforte. Der teilschattige, feuchte untere Teil geht dann in einen über der Schlucht liegenden, trockeneren, felsigen Teil über. Dann folgen Wiesen- und Weidehänge. Die Auf und Abs sorgen für zusätzliche Höhenmeter der ohnehin steigenden Strecke.

Das kleine, aus grauen Steinhäusern gebaute Ansò wirkt in der Totalen geradezu abweisend und eigenbrödlerisch. Aber es gibt Versorgung. Ein Sandwich in einer Bar sowie Früchte und Joghurts aus dem Supermarkt stopfen endlich die Löcher in meinem Magen. Etwas weiter hinauf finde ich Badestellen am Rio Veral. Das Tal wird enger, aber auch dichter bewaldet mit Eichen, Kiefern und Fichten. Nach der Bade- und Verzehrpause folgen einige schwere Rampen nach oben. Zwischendrin gibt es versteckt nette Fischrestaurants. In Zuriza schließlich öffnet sich ein grünes Wiesental. Viele Wanderer sind unterwegs, am Ortsrand gibt es sogar einen Campinplatz. Am offenen Hang noch eine kurze, heftige Steigung und ich überquere den Pass hinüber ins Roncal-Tal. Dabei überholt mich ein wild reintretener Mountainbiker, einer von hier vielen Aktivtouristen – aber des Grüßens nicht fähig.

Die Abfahrt wird von mehreren Gegenanstiegen unterbrochen. Auf der gut ausgebauten Straße im Roncal-Tal kann ich dann bei leichtem Gefälle auf Tempo fahren. Die Landschaft ist nett anzuschauen, aber nicht spektakulär. In Burgui geht es dann zum Puerto Las Coronas wieder hinauf. Die Straße ist mit ca. 6-7 % nicht übermäßig steil, aber meine Kräfte scheinen verbraucht. Ein bissiger Gegenwind fordert zusätzlich Tribut. Dem Nadelwald entwachsen, öffnet sich vom Pass aus ein Panorama auf die Bergkette der Pyrenäen – der Blick, der mir von Pau aus auf der anderen Seite so leidig verwehrt blieb. Wieder hinunter erreiche ich auf guter Straße bald die nächste Talsohle. Eine ebenfalls mäßige Steigung bei immer noch schwachen Kräften führt zum Aussichtspunkt über die Foz de Arbayun. Diese Schlucht mit 400 m steilen Felswänden ist nicht nur eine imposante Canyon-Kulisse, sondern auch ein besonders reges Tierparadies. Um das aber eingehend zu studieren, sollte man eine Wanderung durch die Schlucht machen. Von hier oben erblicke ich in der ausgehenden Abendsonne nur einige entfernt schwebende Greifvögel.

Nochmal gewinne ich gutes Tempo bei der Fahrt nach Lumbier durch die goldgelben Weizenhügel der Region. Die Windräder am Horizont aber sagen es mir: Ich werde zum radelnden Don Quijote, denn mein Feind – der Wind – bläst wieder kräftig von vorne. Die Stadt Lumbier liegt wie üblich auf einem Hügel, der Campingplatz aber hinter dem Hügel auf der anderen Seite des Flusses. Noch stehen hier gerade gepflanzte Bäume, sodass der Platz etwas kahl wirkt – wird in ein paar Jahren ein schöner Platz. Erstaunlich ist jedoch das Klima. Hier im spanischen Hinterland, mitten im Sommer, herrscht Herbststimmung. Alle Camper sind am frösteln, haben sich mehrere Kleiderschichten übergelegt, die die kalte Luft, die der bohrend heftige Wind unter die Haut treibt, abhalten soll. Ich versuche mein Glück in Richtung Zentrum, um ein Restaurant zu finden. Doch Lumbier ist tiefste spanische Hinterweltprovinz. Kein einziges Restaurant liegt in der Altstadt, das einzige (mit Hotel) im Unterteil ist geschlossen. Für einen Ort mit Canyon-Tourismus doch überraschend, wenngleich in der spanischen Provinz nicht selten. Zurück zum wenig einladenden Camping-Restaurant, ist jetzt auch dort Feierabend. An der Bar gibt’s etwas Dosennahrung –Tintenfisch, Oliven, Erdnüsse und ein Bier, dazu noch Süßvorräte aus meinen Taschen. Mit etwas Frust und Frost schließt der Abend.

Fortsetzung folgt