Kanada & USA 2016 - southboundcycling

von: Gastronaut

Kanada & USA 2016 - southboundcycling - 15.11.17 20:49

Hallo zusammen,

ich lese hier schon seit über zehn Jahren mit. Viele von euch haben mir mit euren Beiträgen sowohl beim Schrauben an meinem Rad als auch bei der Planung vieler Reisen sehr geholfen – vielen Dank dafür! Nachdem seit 2004 Radreisen für mich die wichtigste und schönste Art zu Urlaub zu machen ist, habe ich letztes Jahr mit meiner Freundin die erste große – also über drei Wochen dauernde - Radreise unternommen. Darüber folgt ein kleiner Bericht…

Wir sind eher Freunde von vielen Bildern und wenigen Worten, und so haben wir auch unseren Blog gestaltet, der in rückblickender Chronologie zu jedem Tag unserer Reise einen Eintrag mit Fotos enthält. Ein Besuch lohnt sich bestimmt: https://southboundcycling.wordpress.com/category/2016/

Da der Blog nicht explizit an Reiseradler adressiert ist, schreibe ich hier noch ein bisschen mehr.

Idee und Streckenplanung:
Nach einer dreiwöchigen Tour an der Loire war 2011 die Idee zu einer großen Radreise geboren. Nach Lektüre des Fahrrad-Weltführers und zahlreicher Reiseberichte war der Favorit ganz klar die Panamericana von Anchorage nach Ushuaia. Aber wie das so ist…zunächst fehlte das Geld, dann waren 18 Monate gemeinsamer Urlaub nicht drin, und so wurde der Plan immer weiter geändert und angepasst. Im Laufe der Zeit wurde klar, dass die Reise kürzer sein wird und so entschieden wir uns für eine USA-Durchquerung, am ehesten entlang des Transamerica Trail. Aber auch dieses Vorhaben war zeitlich nicht realisierbar und außerdem wollten wir unbedingt einige Orte in Kanada und den USA sehen, die diese Strecke nicht passierte. Letztendlich bastelten wir einen Track aus den ACA-Routen Great Parks North, Norther Tier und Pacific Coast zusammen, der von Canmore nahe Banff in Kanada durch die Rockies zum Glacier National Park in Montana, von dort zur West Coast auf die San Juan Islands und dann entlang der Küste bis San Diego führte. Zunächst hatten wir vor, auf Papierkarten zu verzichten und nur mit GPS zu fahren. Die ACA-Karten sowie der Führer Cycling The Pacific Coast waren jedoch unglaublich hilfreich und es macht einen Riesenspaß, die Karten anzuschauen. Dank der Karten und des Führers wussten wir immer, welche Highlights auf uns warten, wo der nächste Campground, das nächste Restaurant oder der nächste Radladen ist.

Karte mit Track

Route und Wetter:
In jeder Hinsicht hat sich die Strecke als voller Erfolg erwiesen. Landschaftlich enthielt sie sehr viel Abwechslung – von den Bergen Kanadas und den nördlichen USA mit dazwischen liegendem Hügelland über die abwechslunsgreiche, wunderschöne Küste Washingtons und Oregons zu den legendären Küstenhighways 101 und 1 in Kalifornien. Es gab keinen einzigen langweiligen Tag, keine länger dauernden unansehnlichen oder hässlichen Abschnitte. Das Wetter hat zu 99% mitgespielt – im Norden war es noch sommerlich warm, in den Cascades sehr heiß und in Südkalifornien im Herbst erträglich warm. Wenn man von einigen nebligen Tagen absieht – und die gehören in Oregon und Nordkalifornien irgendwie dazu – gab es kaum schlechtes Wetter, nur zwei richtige Regentage, nur einmal mussten wir eine Etappe vorzeitig abbrechen.

Landschaftliche Highlights und Natur:
Da es überall wunderschön war, fällt es schwer, einzelne Abschnitte herauszustellen. Die Rockies in Kanada, Waterton und Glacier, die Inseln der Küste (Die San Juan Islands im Norden und die Channel Islands im Süden) sind ganz vorne mit dabei, ebenso die gesamte Oregon Coast mit atemberaubenden Buchten und Felsformationen als auch die Central Coast in Kalifornien um Big Sur sowie die Redwoods. Ein ganz großes Highlight war der Highway 20 über die Cascades in Washington mit atemberaubenden Pässen und dazwischen liegenden kargen Ebenen mit sympathischen kleinen Städten. Wir hatten das Glück, einen Grizzlybären in freier Wildbahn und viele andere wilde Tiere wie Robben, Seeelefanten und Pelikane zu sehen.

Städte:
Am meisten genossen haben wir das Naturerlebnis, aber gelegentlich waren große Städte eine willkommene Abwechslung. Seattle und San Francisco eignen sich super für einen Besuch mit dem Fahrrad. Auch Los Angeles – hier hatten wir Gegenteiliges gehört – ist genial, 108 km durch eine Stadt fahren und dabei fast nur auf einem ausgewiesenen Radweg am Strand ist ein tolles Erlebnis. Wunderschön ist Astoria/Oregon. Faszinierend waren auch viele Kleinstädte wie z.B. Whitefish/Monata, Twisp/Washington, Cannon Beach/Oregon usw., die man in Europa wohl eher Dörfer nennen würde.

Unterkunft, Verpflegung, Begenungen:
Wir haben fünf Mal mit Warmshowers übernachtet und wurden ein Mal eingeladen. Die restlichen Nächte haben wir etwa zur Hälfte im Zelt oder in Motels verbracht. State Park Campgrounds mit Hiker & Biker Sites sind ausnahmslos wunderschön und sicherlich vielen von euch bekannt. Wir haben uns häufig selbst verpflegt, jedoch auch oft kleine Restaurants genutzt und dabei auch als Vegetarier ausnahmslos sehr gut gegessen. Sehr genossen haben wir vielerorts die lokale Craft Beer-Szene und regionale Weine. Fast alle Menschen waren sehr freundlich, hilfsbereit und interessiert. Man wird jeden Tag mehrfach von anderen Radfahrern, motorisiert Reisenden und Fußgängern angesprochen.

Straßen, Verkehr und unsere Räder:
Wann immer möglich, führen die ACA-Routen über Nebenstraßen. Wir haben den Autoverkehr nie als störend empfunden, im Inland ist meist wenig los, an der Küste hielt es sich auch in Grenzen, was sicherlich auch daran lag, dass wir an beliebten Abschnitten wie Big Sur und den Redwoods nach Labor Day vorbei kamen. Es gab keine unangenehme Begegnung mit Autofahrern. Die Straßen sind zu 99% befestigt, fast immer mit mehr oder weniger breitem Randstreifen. Wir waren mit unseren Stahlrahmen-Reiserädern mit Rohloff und Scheibenbremsen unterwegs. Außer Reifenpannen (ca. 1x/Reifen/2000 km) gab es keine technischen Probleme.

Die Technik:
Wir hatten ein 7“ Tablet dabei, welches uns mit den Apps Warmshowers, AirBnB, Booking.com, Lightroom Mobile, WordPress und den Apps für unsere Kameras sehr gute Dienste geleistet hat. Eine SIM-Karte hatten wir jedoch nicht – auf WhatsApp und SMS wurde bewusst verzichtet. Fotografiert wurde mit einer Olympus OMD-EM1, überwiegend mit dem Panasonic 14-140 sowie einer Sony-RX100 III.


Jetzt noch ein paar Eindrücke von unserer Reise:






Nach ein paar Tagen in Canmore haben wir uns erstmal den Banff National Park angeschaut und ein paar Wanderungen unternommen, u.a. am Moraine Lake.













Danach ging es weiter nach Radium Hot Springs und zum Waterton National Park. Nach Überquerung der Grenze in die USA folgte der Glacier National Park mit der Going To The Sun Road, die zurecht als eine der schönsten Straßen der USA gilt.








Gleich hinter den Kootenai Falls passiert die Route die Idaho Panhandle, hier hat uns der Lake Pend Oreille besonders gut gefallen. Im Nordwestern der USA gibt es überall Espresso Drive Ins, die wir ausgiebig genutzt haben.







In Washington führt die ACA-Route Northern Tier über die Cascade Mountains. Fast täglich steht ein neuer Pass an. Zum Sherman Pass, dem mit 1370 m größten Anstieg der Reise, brachen wir um 05:00 Uhr auf, um bei den mittäglichen knapp 40 °C schon oben zu sein. Die Landschaft ist sehr karg, denn anders als an der Küste regnet es hier sehr wenig.



Nach einem kleinen Abstecher nach Vancouver verbrachten wir einige Tage auf Orcas Island, der bergigsten der San Juan Islands.



Die Pazifiküste in Washington, im Hintergrund die Olympic Mountains.



Mount Rainier, der Hausberg von Seattle.







In Seattle haben fünf Tage gerade gereicht, um neben dem Zentrum u.a. die Viertel Ballard, Capitol Hill, die Space Needle und das EMP-Museum zu besichtigen.



Dinner time at Belfair State Park.





Am atemberaubenden Columbia River geht es weiter nach Astoria, der ältesten Siedlung der westlichen USA.



Nach etwas über der Hälfte der Gesamtstrecke endlich richtig am Meer, hängen wir in Cannon Beach/Oregon erstmal fünf Tage am Strand ab.















Die Oregon Coast fasziniert mit unzähligen Buchten, Stränden, Dünen und Felsformationen.



In Kalifornien sind wir von den Redwoods so überwältigt, dass nach einem anstrengenden Fahrtag noch 20 km Wanderung anstehen. Die Campingplätze überzeugen mit absoluter Ruhe.









An der Central Coast geht es ständig auf und ab, was unzählige Aussichten beschert.











Für San Francisco blieb nur gut ein Tag Zeit. Am nächsten Morgen geht es nach einer Besichtigung des kürzlich eröffneten MOMA weiter nach Süden.











Big Sur stellt landschaftich so ziemlich alles in den Schatten. Der State Park Campground ist wegen Waldbrand geschlossen, es gibt kaum Übernachtungs- oder Einkaufsmöglichkeiten. Weiter geht's nach Südkalifornien.





Die Channel Islands sind ein einzigartiger Nationalpark, dort findet man u.a. Island Foxes, die anders als ihre Festlandverwandten überhaupt nicht scheu sind.



LA durchfahren wir an einem Tag, vom frühen Morgen bis zum Abend führt der Radweg bis auf einen kurzen Abstecher immer am Strand lang.





In San Diego ist die Reise auch schon zu Ende. Wir sind uns einig, dass wir am liebsten sofort nach Mittel- und Südamerika weiterfahren würden…


Kann man diese Reise weiterempfehlen?
In jedem Fall uneingeschränkt! Für uns war es die beste Zeit des Lebens. Jeder Tag war ein Erlebnis, die Strecke ist gut fahrbar und ausnahmslos wunderschön. Aufgrund der sehr guten Infrastruktur ist es für manchen erfahrenen Reiseradler vielleicht nicht so ein Abenteuer wie durch Alaska oder die Anden zu fahren, uns hat das jedoch keinen Abbruch getan.


Wie geht’s weiter?
Die nächste große Reise ist schon in Planung und eins steht fest, es geht wieder nach Nordamerika. Das genaue Ziel ist noch unklar…ich werde in Kürze ein paar Ideen in diesem Forum vorstellen und bin gespannt auf euer Feedback! Vorher soll es 2018 erstmal nach Taiwan gehen…