Re: Radreise Paris-Barcelona

von: Tom72

Re: Radreise Paris-Barcelona - 04.01.17 20:03

19. Tag, Puigcerdà – Ripoll

Jetzt sind es nach meinem Plan nur noch zwei Tage bis Barcelona. Da ich bei der Ankunft am Ziel der Tour nicht noch Zeit mit der Suche nach einer Unterkunft verbringen will, sollte ich bereits jetzt einen Schlafplatz organisieren. Da ich noch kein internetfähiges Handy habe, suche und finde ich in Puigcerdà ein Internetcafé und buche online ein Bett in einem preiswerten Hostel (Mehrbettzimmer) direkt in der Innenstadt von Barcelona.

Von Puigcerdà im Hochtal der Cerdanya aus muss ich noch einen Pass überqueren, bevor ich abwärts Richtung Küste und Barcelona fahren kann. Ich habe mir den ca. 1920 m hohen Coll de la Creueta ausgesucht, der mir hier im Forum empfohlen wurde. Ich habe also heute den höchsten Pass der Reise vor mir, von Puigcerdà aus noch etwa 900 Höhenmeter.

Zunächst geht es über Hauptverkehrsstraßen (N 260 und E 9) durch die flache Landschaft der Cerdanya, dann folge ich einer deutlich weniger befahrenen Straße (GIV-4082) parallel zu der Bahnstrecke, die vom gestern besichtigten Grenzbahnhof Latour-de-Carol nach Barcelona führt, aufwärts nach La Molina.



La Molina ist ein offenbar recht bedeutender Skiort, der jetzt, im Sommer, mit seinen riesigen Hotelanlagen natürlich keinen sehr reizvollen Anblick bietet. Die Straße führt steil durch den Ort aufwärts, und obwohl er zu dieser Jahreszeit ziemlich verlassen wirkt, finde ich ein geöffnetes Bistro, in dem ich mich für den Passanstieg stärken kann. Vorbei an leerstehenden Hotels und Skiliften erreiche ich den oberen Ortsausgang.





Hier beginnt der Anstieg zum Coll de la Creueta, weiterhin auf dem nun praktisch völlig verkehrsfreien Sträßchen (zunächst GI-400, dann BV-4031). Ein Schild verkündet auf Katalanisch, dass die Passstraße geöffnet ist – nicht wirklich überraschend um diese Jahreszeit.



Ich genieße die Auffahrt durch die einsame, grandiose Hochgebirgslandschaft. Ich habe die Baumgrenze hinter mir gelassen und gewinne bei durchweg mäßiger Steigung vorbei an saftigen Kuhweiden langsam und gemütlich an Höhe. Ein landschaftlicher Genuss!







Jetzt noch ein paar Kurven, dann ist die Passhöhe erreicht.





Warum das Schild oben auf dem Pass nur eine Höhe von 1888 m anzeigt, obwohl ich im Internet verschiedenen Quellen eine Höhenangabe von gut 1900 m entnommen habe, weiß ich nicht. Jedenfalls ist der Coll de la Creueta nicht nur der höchste Punkt der Reise, sondern der höchste Pass überhaupt, den ich bis dahin mit dem Rad befahren habe. Die 2000 m habe ich auf dieser Tour also knapp verfehlt. Meine ersten 2000er waren dann in den darauffolgenden Jahren zunächst ebenfalls in den östlichen Pyrenäen, nicht allzu weit von hier, der Col de Pailhères (2000 m), dann weiter westlich der Col de la Bonaigua (2072 m) und schließlich der Col de la Cayolle in den französischen Alpen (2326 m).



Ich befinde mich jetzt im Naturpark (Parque Natural) del Cadí-Moixeró. Da heute hier oben auf der Passhöhe wohl noch kaum jemand vorbeigekommen ist, errege ich das Interesse einer ziemlich großen Kuhherde. Die Tiere beäugen mich neugierig, als sie sich nach und nach vor mir am Weidezaun versammeln.



Die Abfahrt ist landschaftlich fast noch beeindruckender als die Auffahrt. Ich habe die Serpentinen praktisch völlig für mich allein.



Schließlich hat man in der Ferne einen Blick auf das malerische Bergdorf Castellar de n’Hug.





Der Ort ist wirklich sehenswert, so dass ich hier eine kurze Pause einlege und mich für die Passquerung mit einer Cerveza belohne.



Unterhalb von Castellar de n’Hug hätte ich weiter auf der BV-4031 bis La Pobla de Lillet bleiben können. Ich finde in meiner Karte aber ein vielversprechendes winziges Sträßchen, auf dem ich nun weiter gemütlich abwärts rolle und das sich als hervorragende Wahl erweist. Ich begegne niemandem, und fast kommt es mir vor, als schlängle sich das schmale Asphaltband extra für mich durch die herrliche, einsame Bergwelt.





Ich treffe nun wieder auf eine größere Straße (GI-402 bzw. 401), auf der es mit mäßigem Gefälle weiter abwärts geht und die mich in Campdevànol, etwas oberhalb von Ripoll, auf die auf direkterem Wege aus der Cerdanya kommende Nationalstraße (N 260) führt. Die heutige Etappe beende ich im hübschen Städtchen Ripoll, auf knapp 700 m Höhe gelegen. Am unteren Ortsausgang gibt es ein Hotel mit angegliedertem Campingplatz. Ich baue mein Zelt unter den neugierigen Augen einiger Pferde auf, die auf einer direkt angrenzenden Koppel grasen.

In der Innenstadt von Ripoll sehe ich mich etwas um (das Foto ist allerdings vom kommenden Tag).



Zum Abendessen setzte ich mich auf die Terrasse einer Pizzeria. Hier werde ich auf kuriose Weise daran erinnert, dass ich mich nicht „wirklich“ in Spanien, sondern in Katalonien befinde. Das Restaurant zielt auf ein touristisches Publikum ab, und es gibt Speisekarten auf Katalanisch, Englisch, Französisch und Deutsch. Als ich aber nach eine Karte auf Spanisch (Español bzw. Castellano) frage, erfahre ich, dass es eine solche nicht gibt. Ich stelle mich der Herausforderung und konsultiere die Karte auf Català; das Katalanische ist mit etwas Fantasie, ausgehend vom Spanischen und Französischen, recht gut lesend zu verstehen, zumal eine Pizzakarte ja auch überall weitgehend denselben vertrauten Inhalt aufweist und keine großen Überraschungen erwarten lässt.

Morgen steht dann also die letzte Etappe der Reise auf dem Programm. Eigentlich geht es laut meiner Karte nun im Wesentlichen auf direktem Wege, überwiegend abwärts, wenn auch wohl über verkehrsreichere Straßen, in Richtung auf mein Ziel, Barcelona. Dass das doch nicht ganz so einfach sein wird, werde ich dann morgen feststellen.

Fortsetzung folgt…