Re: Radreise Paris-Barcelona

von: Tom72

Re: Radreise Paris-Barcelona - 27.08.16 11:21

6. Tag, Zugfahrt nach Vichy und Vichy – Olliergues

Ich beschließe, von Moulins nach Vichy den Zug zu nehmen, das sind etwa 50 bis 60 km, da ich mit meinem Zeitplan etwas im Verzug bin und um noch genug Zeit für die interessanteren Teile der Tour zu haben. Ich erinnere mich nicht mehr, ob es sich bei dem Zug um ein Produkt des Regional- oder des Fernverkehrs handelte, jedenfalls bot er die Möglichkeit der problemlosen Fahrradmitnahme.





Im berühmten Kurort Vichy, wie Moulins ebenfalls am Allier gelegen, sehe ich mich vor der Weiterfahrt noch etwas um. Hier die architektonisch eindrucksvolle Trinkhalle (Centre Thermal des Dômes)





Ich stelle fest, dass am Gepäckträger eine Strebe gebrochen ist, zum Glück eine für die Statik nicht zwingend erforderliche. Also muss ich zunächst in einem großen Einkaufszentrum am Stadtrand eine Rolle Fil de fer (Draht; die Vokabel war neu für mich) besorgen und den Schaden provisorisch flicken, bevor ich weiterfahren kann. Das Provisorium sollte sich dann aber noch ungefähr zwei Jahre bewähren, bevor ich schließlich den Gepäckträger ausgewechselt habe…



Vichy liegt schon recht nah am Zentralmassiv, in das mich mein Weg nun führt. Die Gegend zählt zwar zur Auvergne, der bekanntere Teil der Auvergne mit den markanten Vulkankegeln liegt aber westlich meiner weiterhin ziemlich genau südwärts verlaufenden Route, die mich durch den Naturpark Livradois-Forez führen wird. Um möglichst zügig voranzukommen, habe ich mich entschieden, bis kurz vor Le Puy-en-Velay den direktesten Weg zu nehmen, das heißt die D 906, eine bedeutende und recht stark befahrene Hauptstraße, aber für die landschaftlich sicher noch reizvolleren Alternativen über Nebenstraßen mit entsprechend mehr Kilometern und Höhenmetern fehlt mir die Zeit.

Zunächst noch recht flach nähere ich mich auf der D 906, die überwiegend breite Seitenstreifen hat, auf denen es sich gut und weitgehend ungestört vom Kfz-Verkehr fahren lässt, dem Zentralmassiv.



Langsam wird es hügeliger, und es sind die ersten Höhenzüge am Horizont zu sehen.



Hinter Thiers fängt es an, landschaftlich interessant zu werden.





Die D 906 verläuft nun im hier recht engen Tal der Dore, einem Nebenfluss des Allier, der ich nun noch ein ganzes Stück flussaufwärts folgen werde, so dass ich mich immer noch im Einzugsgebiet der Loire befinde. Im unscheinbaren Ort Olliergues soll es einen Campingplatz geben, so dass ich beschließe, hier zu übernachten.



Einen Campingplatz gibt es tatsächlich, ich muss aber das Tal der Dore auf einer steilen Straße verlassen; der Platz ist recht nett gelegen auf einer hügeligen Hochebene abseits jeglicher Ortschaften. Ich finde ihn nur aufgrund der Konsultation Einheimischer, die aber auch meinen, ich solle mich beeilen, da es gleich heftig regnen werde. Kann ich mir nicht so recht vorstellen… Der Zeltplatz wird von einer sehr netten und sehr engagierten niederländischen Familie geführt, die auf dem Platz auch ein einfaches Restaurant betreibt. Allerdings teilt mir Madame mit, dass sie das Restaurant gleich schließen werden – es sei eigentlich jeden Abend geöffnet, aber ausgerechnet heute Abend seien sie bei einer befreundeten Familie eingeladen. Sie bietet mir aber sofort von sich aus an, da ich ja mit dem Rad unterwegs sei und es weit und breit keine sonstige Gastronomie gebe, mir noch schnell, bevor sie losfahren, etwas zuzubereiten. Was ich denn möchte? Sie schlägt mir ein Steak mit üppiger Beilage vor. Super, ich bin gerettet und zufrieden. Da es nun tatsächlich anfängt zu tröpfeln, baue ich mein Zelt auf, während mein Steak zubereitet wird. Ich möchte das Zelt stehen haben, bevor der Regen richtig losgeht.



Während ich auf der überdachten Terrasse des Campingplatzrestaurants mein leckeres Steak genieße, wird der Regen immer stärker und entwickelt sich zu einem heftigen Unwetter mit Gewitter; der Himmel öffnet seine Schleusen, wie ich es auf meinen Radreisen bisher noch nicht erlebt habe, und das Ganze dauert auch noch mehr als eine Stunde. Ich beginne, zu bereuen, mein Zelt schon aufgebaut zu haben – es hat zwar schon einiges an Regen problemlos überstanden, aber ob sich die Herstellerangaben hinsichtlich der Dichtigkeit auch bei solch einem extremen und langanhaltenden Wolkenbruch in der Praxis bewahrheiten, dazu habe ich bisher keine praktischen Erfahrungen. Als die Elemente sich endlich beruhigen, begebe ich mich besorgt zu meinem Zelt – alles gut, kein Tropfen Wasser ist eingedrungen, Innenzelt und Gepäck sind absolut trocken. Ich verbringe dann trotzdem noch einige Zeit auf der Terrasse des Campingplatzrestaurants, um gemütlich im Schein der Stirnlampe und bei einer halbvollen Flasche Wein, die ich noch im Gepäck habe, meine Karten und Reiseführer für die Detailplanung der kommenden Tage zu studieren.

7. Tag, Olliergues – Le Puy-en-Velay

Vor der Weiterfahrt kann ich im nun wieder geöffneten Restaurant meines Campingplatzes und bei wieder besserem Wetter ein üppiges Frühstück genießen.



Ich folge der D 906 und dem Tal der Dore weiter südwärts durch die Auvergne und den Naturpark Livradois-Forez.



Die Dore führt nach den heftigen Regenfällen der vergangenen Nacht schlammige Wassermassen.



Nachdem meine Route die ersten Tage überwiegend flach verlaufen ist, geht es, seit ich gestern die Auvergne erreicht habe, ständig bergauf und bergab, so dass ich nun erstmals in nennenswertem Umfang Höhenmeter sammle.



Ich komme durch das nette Städtchen Ambert.



Hier weitet sich das Tal der Dore, und die D 906 verläuft über Arlanc und Dore-l’Église ein ganzes Stück recht flach und ziemlich geradlinig. In Dore-l’Église wird im folgenden Jahr die Strecke meiner Radreise in Ost-West-Richtung (von Lyon nach Nordspanien) meine jetzige nord-südwärts verlaufende Route kreuzen (siehe dazu den oben im Prolog verlinkten Reisebericht unter Tag 4).

Nach dem eher mäßigen Auf und Ab seit Vichy beginnt nun der erste längere Anstieg der Tour hinauf in den auf ca. 1100 Metern gelegenen Ort La Chaise-Dieu.





Somit erreiche ich das erste, aber nicht das letzte Mal auf der Reise die 1000-Höhenmeter-Marke.



In La Chaise-Dieu überquere ich den ersten nennenswerten Pass der Reise (gut 1100 m); dass es hier auch eine sehenswerte Abtei zu besichtigen gibt, lese ich leider erst später.



Von La Chaise-Dieu geht es wieder abwärts durch die reizvolle Landschaft der Auvergne.



Ich verlasse schließlich die D 906 und fahre, weiter überwiegend abwärts, Richtung Le Puy-en Velay. Wo genau sich mir dieser herrliche Ausblick geboten hat, kann ich leider nicht mehr genau nachvollziehen:



Schließlich führt eine recht steile Straße hinunter zu meinem heutigen Etappenziel Le Puy-en-Velay. Von der Höhe habe ich einen traumhaften Blick; das Stadtbild ist geprägt von der Kathedrale und zwei Felskegeln aus Basaltgestein. Auf der Spitze der einen Felsnadel sitzt recht spektakulär die Kirche Saint-Michel d’Aiguilhe, auf der anderen Basaltkuppe steht eine 1860 errichtete 16 m hohe Marienstatue (im Bild, aber leider schlecht zu erkennen).



Saint-Michel d’Aiguilhe; der zentral gelegene Campingplatz, auf dem ich mein Zelt aufschlage, befindet sich am Fuß des Felsens, auf dem die Kirche thront.







Fortsetzung folgt…