Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France

von: Holger

Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France - 21.02.16 12:00

Weiter geht's


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Dritter Teil Teil: PACA – aus den Alpen ans Mittelmeer
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Mittwoch, 15. Juli: Briançon - Embrun
  • Kilometer: 80,0
  • Sattelstunden: 5:37
  • Höhenmeter: 1.157
  • Ausgaben für Getränke: 15,16 EUR

Frühstück war nicht im Zimmerpreis, hätte nochmal 10 EUR gekostet. Daher hatte ich mich gestern im Riesen-Géant schon eingedeckt und genoss frühmorgens mein Hotelzimmerfrühstück. Um 6:50 schwang ich mich dann auf den Sattel, die Motorradreisenden lagen noch tief schlafend … nein, sie saßen am Frühstückstisch. Sowas, auch Frühaufsteher. Ich wollte ja zwei Pässe bezwingen heute, den Izoard und den Vars, daher der frühe Aufbruch. Es war noch sehr frisch, ich warf ein paar Blicke auf die Festung und dann ging es schon bergauf. In Cervières machte ich die erste kurze Müsliriegel-Pause, ehe es dann nach Süden weiterging.


Saint-Michel, laut Wikipedia eine Sehenswürdigkeit von Cervières aus dem 15. Jahrhundert.

Dann überholten mich die Motorradler aus dem Hotel, ziemlich viele waren es. Und Rennradler überholten mich. Und Fliegen überholten mich nicht, sondern nervten um mich herum. Trotz Anti-Brumm. Und irgendwie war ich nicht so toll in Form, brauchte ziemlich viele Pausen.


Widerstandskämpfer gegen die Erosion.



Zum Glück kamen bald ein paar Serpentinen, eng übereinander, da macht man schnell und sichtbar Höhe. Und dann wurde der Wald lichter, hörte irgendwann ganz auf, und dann kam das Réfuge Napoléon. Ich musste wieder eine Pause machen, die nutze ich mal für einen kleinen Exkurs.

Wieso heißt das Réfuge Napoléon Réfuge Napoléon? Hier war er doch gar nicht. Nein, war er nicht. Er kehrte aus seinem Exil Elba 1815 zurück nach Paris, allerdings auf einer nicht so bergigen Strecke, der heutigen Route Napoléon. In Gap wurde er sehr freundlich empfangen, das freute ihn und er schenkte dem Département Hautes Alpes sechs solcher Réfuges, die in den Alpen die Unglücklichen aufnehmen sollten, die von Unwettern oder Lawinen aufgehalten wurden. Sein Neffe Napoléon III ließ die sechs Réfuges errichten, das höchstgelegene ist dieses hier am Col d’Izoard.


Réfuge Napoléon.

Sturm oder Lawinen hielten mich nicht auf, ich fuhr weiter auf die Passhöhe. Da gab es wieder einen ordentlichen Passfotostau, erschwert dadurch, dass man einige Schritte zurückgehen muss, um das Passschild aufs Foto zu bekommen. Wenigstens ist es nicht von Aufklebern versaut.


Unförmiges Passschild.


Sie haben es fast geschafft.


Mondlandschaft mit Straße.


Denkmal für zwei Helden der Tour: Fausto Coppi und Louison Bobet.

Dann ging es auf die Abfahrt und durch eins der landschaftlichen Highlights der Reise, die Casse Déserte. Schon direkt nach der Passhöhe ist es viel weniger grün als auf der Nordseite, weniger Gras, mehr Geröll. Und in dem Geröll dann die beeindruckenden Felsnadeln. Ich blieb dauernd stehen, um Fotos zu machen. Taktisch unklug, denn in der Casse Déserte gibt es eine böse Gegensteigung, mit 9 % Steigung. Ohne den Schwung der Abfahrt auszunutzen, musste ich weit runterschalten und mich zu einem Point de Vue hochkämpfen.


Casse Déserte.


Okay, Mondlandschaft mit ein paar Bäumen.

Wegen der vielen Pausen und der langsamen Auffahrt war es viel später, als ich dachte. Und ich war k.o. Da fiel die Entscheidung nicht schwer, den Col du Vars bleibenzulassen und außenrum nach Jausiers zu fahren. Heute wollte ich nicht mehr so viel fahren, zumal noch Gegenwind dazukommen sollte. Auf der Abfahrt überholte ich einen Rennradler, das gab’s auch nicht so häufig. Der gehörte zu einer Gruppe amerikanischer Rennradler, die es schön ruhig angehen ließen – bis Guillestre fuhren wir fast gemeinsam. Ich warf einen kurzen Blick auf das Chateaux Queyras und fuhr durch die gleichnamige Combe nach Guillestre. Dort Mittagspause.


Ich hoffe, sie können besser kochen als zeichnen.



Also weiter nach Embrun. Ich entschied mich für die N 94, trotz des zu erwartenden Verkehrs – die Alternativstrecke auf der anderen Seite der Durance erschien mir zu höhenmeterträchtig und ich wollte mich nicht mehr anstrengen. Es war auch so heiß genug. In Embrun kaufte ich mir viel eiskaltes Getränk und lief ein wenig fahrradschiebend durch die Innenstadt. In der Fußgängerzone kotzte eine Frau.


Marktplatz von Embrun.


Embrun.

Den Campingplatz „le Petit Liou“ erreichte ich gegen 16 Uhr und war überrascht: Campingplatz mit Animation, Schwimmbad, Bar, Supermarkt – und es gab keinen festen Stellplatzpreis, ich zahlte für Zelt und mich gerade mal 11,80 EUR und hatte einen schönen Schattenplatz. Dafür aß ich in der Bar einen Burger Montagne, Hunger hatte ich schon. Abends gab es noch Disco, aber ich war zum Glück weit weg und schlief sehr gut.

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Donnerstag, 16. Juli: Embrun – Jausiers
  • Kilometer: 67,1
  • Sattelstunden: 4:06
  • Höhenmeter: 656
  • Ausgaben für Getränke: 11,41 EUR

Heute also eine Transferetappe ohne Pass. Aber nicht ohne Steigung, ich startete unter 800 m und muss bis Jausiers auf über 1.200 m, dazu noch über 200 m Anstieg nach La Sauze-du-Lac. Aber der Reihe nach. Los geht es mit Frühstück am Campingplatz. Und dann mit 10 km auf der N 94 – die waren nicht schön. Viel Verkehr, viel LKW. Doch diese Qual ist in Savines-le-Lac vorbei. Die N 94 biegt über den See ab nach Gap, ich fahre geradeaus weiter. Gut, ganz „geradeaus“ ist es nicht, viele Kurven und – wie erwähnt – 200 Höhenmeter. Fast am Ende der Steigung erwartete mich eine Natursehenswürdigkeit, genaugenommen Natursehenswürdigkeiten – frisierte Fräuleins. Die demoiselles coiffées sind Felssäulen, auf denen oben ein großer Stein thront. Außerdem sind sie im nächsten Département, ich verließ die Hautes-Alpes und war nun in den Alpes-de-Haute-Provence (04).


Demoiselles Coiffées – frisierte Fräuleins?

In Le Sauze-du-Lac machte ich eine kurze Pause. Grund: Seeblick. Es gibt dort eine Aussichtsterrasse mit Blick auf See und Staumauer. Den Lac de Serre-Ponçon gibt es seit den 1960er Jahren. Das Kraftwerk kann jährlich 700 Millionen kWh erzeugen, das entspricht dem gesamten Energiebedarf des Départements Hautes-Alpes – und 10 Prozent der aus Wasser gewonnenen Energie in Frankreich. Das las ich nach der Reise bei Wikipedia. Während meiner Pause genoss ich einfach den Blick über und auf den See – und unterhielt mich mit zwei französischen Rennradlern, die ebenfalls eine kurze Pause einlegten, über die Tour de France. Und über meine Tour, so ganz glaubten sie mir nicht, dass es tatsächlich Spaß macht, mit seinem Hausstand auf dem Rad zu verreisen.


Über dem Lac de Serre-Ponçon.

Dann ging es wieder runter, ins Tal der Ubaye. Und wieder hoch, in Richtung Jausiers. Ich machte mir Gedanken, wie die Tour weitergehen sollte. Für die Alpen wurden verstärkt und stärkere Gewitter in den Abendstunden vorhergesagt – sowas mag ich nicht. Ich überlegte, doch nicht mit dem Rad zurück bis Grenoble zu fahren, sondern irgendwie nach Marseille und von dort mit der Bahn rauf. So sollte es sein.



Eine kurze Pause machte ich in Le Lauzet-Ubaye, in der Hitze kaufte ich mir Cola Light in eine kleinen Epicerie für einen Mondpreis. Sonst war nix auf, irgendwann gab es wohl mal eine Alimentation auf dem Dorfplatz – aber zumindest heute hatte die nicht geöffnet.


Da gab es kein Schweppes Ananas Zero.

Barcelonnette war der Ort meiner Mittagspause. Ein Intermarché am Ortseingang sorgte für die Verpflegung, dann setzte ich mich in vor das Stadtmuseum und verspeiste mal wieder leckeren Pefferminzpudding mit Schokoflözen. Barcelonnette – wie auch mein Etappenziel Jausiers – hat einen mexikanischen Einschlag. Im 18. Jahrhundert emigrierten viele Barcelonnettesen nach Mexiko, weil sie in der Heimat keine Arbeit fanden. Die, die reich wurden, kehrten zurück und bauten große Villen. Außerdem ist Barcelonnette der Ort, in dem ein paar Tage später Simon Geschke den Anstieg zu seinem grandiosen Etappensieg in Pra-Loup in Angriff nahm.


Zweikirchenblick.


Residenz eines Mexiko-Rückkehrers.

Gewitterwolken waren schon zu sehen, daher entschied ich mich gegen den Campingplatz und für eine feste Unterkunft in Jausiers. Angenehmer Nebeneffekt: Fernseher, Tour de France. Nach der Übertragung – es war die letzte Pyrenäen Etappe hinauf zum Plateau de Beille, Joaquim Rodriguez gewann – ging ich in den Ort und aß eine riesige Pizza. Und es gab meinen Lieblings-Pastis, Casanis. Die Provence war nicht mehr weit. Dann ging ich früh ins Bett, morgen stand die längste und höchste Etappe auf dem Programm – über den Col de la Bonette ans Mittelmeer.

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Freitag, 17. Juli: Jausiers – Nizza
  • Kilometer: 147,6
  • Sattelstunden: 8:38
  • Höhenmeter: 1.590
  • Ausgaben für Getränke: 12,80 EUR

Der Tag der Rekorde: Der früheste Start (6.20 Uhr), die späteste Ankunft am Ziel (19.30 Uhr), die meisten Kilometer (147,6) und die höchste Höhe (2.802 m). Frühstück gab’s im Hotelzimmer, die ersten Kilometer waren Flach. Dann begann der Anstieg zum Bonette, „la plus haute d’Europe“, wie sie schreiben. Was nicht so ganz stimmt, denn man kommt höher, sogar in den Alpen: Auf dem Weg zum Tiefenbachferner in Österreich geht es bis auf 2.829 m. Und in Europa geht’s noch höher, ganz im Süden. Aber wie dem auch sei, der höchsten Punkt meiner Reise war es auf jeden Fall.


Der Herr soll an die im ersten Weltkrieg gefallenen Söhne Jausiers' erinnern.

[img] https://lh3.googleusercontent.com/...lpen.JPG [/img]
Auf geht’s!


Was genau ist nun verboten?

Doch bis dort oben musste ich noch 1.600 Höhenmeter auf 23 km überwinden. Machbar. Zunächst lag noch alles im Schatten der Berge, die Sonne bahnte sich nur langsam ihren Weg. Ein sehr schöner Pass auf der Nordseite, sehr abwechslungsreich. Noch in Jausiers die ersten Serpentinen, dann wechselten sich immer wieder längere gerade Stücke mit Serpentinen ab – sowas mag ich, da habe ich immer schöne Zwischenziele.


In den ersten Sonnenstrahlen - Lans.




Über der Baumgrenze.

Recht viele Rennradfahrer waren schon sehr früh unterwegs, Motorradfahrer störten noch nicht. Ich erreichte die Baumgrenze, beobachtete viele Schafe auf dem Weg nach oben und fuhr weiter. Wieder Serpentinen, in denen ich den Kilometer 1.000 der Tour erreichte. Und in denen meine Brille kaputtging, warum auch immer. Ab da hatte ich also nur noch die orange Scheibe. Egal, bergauf brauchte ich sie ohnehin nicht.


Pullover auf Wanderschaft.


Der Tausender ist voll.




Reste kriegerischer Zeiten – Casernes de Restefond.

Ein Talkessel wird umrundet, mit stetigem Höhengewinn. Ich erreichte die Ruinen der Caserne de Restefond, die daran erinnern, dass diese Grenzregion nicht immer friedlich war. Nun sah ich schon die Cime de la Bonette, den Berg, der von der Ringstraße – der mit den 2.802 m – umrundet wird. Es ist fast geschafft.


Die Cime de la Bonette, der höchste Punkt der Reise


Passhöhe ohne Passschild.


Hübsch.

Passfoto ohne Passschild, dann die letzten sehr steilen Höhenmeter. Zum Abschluss deutlich über 10 %, ich keuchte nach oben. Dort waren die Motorisierten klar in der Überzahl. Aber nett waren sie, einer fotografierte mich vor dem Beweisfelsen. Mein Tacho zeigte die phänomenale Durchschnittsgeschwindigkeit von 7,56 km/h. Dann stellte ich das Rad ab und lief die letzten Höhenmeter bis hoch zur Cime de la Bonette – nicht viel langsamer als 7 km/h.


Höher geht’s nur noch zu Fuß.


Widerstandsfähig.

Oben genoss ich den großartigen Rundumblick. Und machte viele, viele Fotos. Eine klitzekleine Auswahl ist hier zu sehen. Ich war hier im Mercantour-Nationalpark, der dritte Nationalpark der Reise. Und im Département Alpes Maritimes (06), das Meer ruft!




Die Passhöhe.




Da geht’s gleich runter.




Klare Verhältnisse.

Okay, aufs Rad und runter ans Meer. Hört sich schön an, leider spielt da der Wind nicht mit, der gerne mal vom Meer kommt. Dazu später mehr, erstmal geht es wirklich richtig lange bergab. Viele, viele Fahrradfahrer begegnen mir, die haben noch was vor sich. Denn von hier sieht man die Cime de la Bonette sehr früh und kann sich über die 1.000 Höhenmeter freuen, die es noch nach oben geht. Nach unten rollte ich weiter bis St.-Étienne-du-Tinée, wo Mittagspause angesagt war. Bei allen Supermärkten. Egal, ich fuhr weiter – und musste erstmals seit langem wieder in die Pedale treten. Die Durchschnittsgeschwindigkeit lag inzwischen bei 12,5 km/h.


Ein erster Blick zurück.


Gleich gibt’s wieder Bäume.


Nochmal alte Kasernen.


Mit Tele sieht es gar nicht so weit aus …


… wie es ist.


Die haben es noch vor sich.


Saint-Étienne-de-Tinée.

Die Straße war jetzt die M2205, nicht die D2205, weil ich mich schon in der Metropolregion Nice Côte-d’Azur. Es waren aber noch ein paar Kilometer bis zum Meer. Und die waren leider nicht mehr so steil, wenn auch immer noch mit Gefällt. Dennoch musste ich ab und an in die Pedale treten, denn insbesondere in den engeren Tälern kam der Wind ziemlich gnadenlos von vorne. Wenigstens spürte ich die Hitze nicht so sehr. Besonders dicht besiedelt ist das Tal der Tinée nicht, endlich, in Roussillon, gab es einen Supermarché, der auch geöffnet hatte. Den überfiel ich.

Frisch gestärkt weiter gegen den Wind. Nun entlang des Var, Nizza kam immer näher. Als das Tal weiter wurde, nahm auch die Windstärke ab und ich kam schneller vorwärts. Der Radweg entlang des Var war wohl gesperrt, so fuhr ich auf der Straße durch das nun immer dichter besiedelte Tal – bis ich irgendwann am Flughafen war. Blöderweise musste ich das Ortsschild Nizza noch suchen und drehte eine Ehrenrunde, dann fuhr ich entlang der Promenade des Anglais ins Zentrum und suchte mein auf dem Weg gebuchtes Hotel. Im Zimmer angekommen schaltete ich erstmal die Klimaanlage aus. Gesund ist das nicht, ein Zimmer mit 18 Grad bei doppelt so hohen Außentemperaturen.


Nett.


Am Meer.

Abends machte ich mich dann nochmal auf in die Stadt. Nizza in den Sommerferien, es war trotz der ziemlich vielen Leute eine entspannte Atmosphäre, die mir gut gefiel. Kinder waren noch bis spät in die Nacht auf den Beinen und spielten im Brunnen der neugestalteten Promenade du Paillon, die leuchtenden Figuren von Jaume Plensa schauten auf die Straßenbahnen. Ein Wermutstropfen: Mich trieb ein mir selbst unheimliches Verlangen nach Fast Food in das McDonald’s an der Promenade des Anglais. Ich kann es mir selbst nicht erklären. Dafür gab es zum Nachtisch Lavendel-, Rosmarin- und Jasmin-Eis. Und für die geneigten Leser gibt es nun ein paar Bilder des nächtlichen Nizza.




Drei Kugeln bitte, Lavendel, Rosmarin und Jasmin.


Akkordarbeit.


Wasserspiele.


Place Massena.




Promenade des Anglais, abends.

Mit diesen Eindrücken legte ich mich ins Hotelbett. Heute morgen noch in den Hochalpen auf über 1.200 m, jetzt nur einen Steinwurf vom Mittelmeer hinter dem mondänen Hotel Negresco in Nizza. Die Alpen ließ ich zunächst mal hinter mir, das Zwischenziel lag nun westlich, Marseille.

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Samstag, 18. Juli: Nizza – Fréjus
  • Kilometer: 98,3
  • Sattelstunden: 5:38
  • Höhenmeter: 0
  • Ausgaben für Getränke: 23,00 EUR

Das Hotel hatte ich ohne Frühstück gebucht, denn frühstücken wollte ich direkt am Meer. Erstmal gab es eine kurze Stadtrundfahrt auf dem Rad, mit Flohmarkt auf der Place Garibaldi. Im Monoprix versorgte ich mich mit Baguette und Reblochon, und begab mich an die Promenade des Anglais. Hier ein paar Fotos des morgendlichen Nizza.


Promenade des Anglais, morgens.


Promenade des Anglais, 1927 und 2015.




Flohmarkt auf der Place Garibaldi.











Dann machte ich mich auf den Weg, altbekannte Strecke. Promenade des Anglais, Flughafen Nizza, Cagnes-sur-Mer, Villeneuve-Loubet mit der großartigen Marina Baie des Anges, Antibes mit moderner und nicht mehr ganz so moderner Kunst und mit eiskalter Cola-Light am Strand. Keine schöne Strecke, aber wenigstens am Meer. Und Antibes hat eine schöne Altstadt. Die ich aber nicht besuchte, mit vollbepacktem Rad in Ferienzeiten war mir das zu mühsam.


Elefant bergab.


Am Musée Picasso.


Baden könnte man auch bei 35 Grad - hinten die Altstadt von Antibes.

Von Antibes nach Cannes, auch alles andere als eine neue Strecke. In Golfe Juan gedachte ich Napoléons, hier ging er an Land um nach Paris zu ziehen. Also beginnt hier die Route Napoléon. Ich fuhr aber weiter nach Cannes. Zwischen Juan-les-Pins und Cannes gab es dann doch mal was Neues: Einen Radweg. Eine sinnvolle Investition, Spaß gemacht hat das hier vorher nicht. Nach dem Frühstück an der Promenade des Anglais vor dem Negresco setzte ich mir für das Mittagsessen auf die Croisette vor das Carlton. Und fotografierte einige nicht ganz vollständige Statuen.


Neuer Radweg auf dem Weg nach Cannes.


Frau mit Loch im Bauch.


Mann mit Loch im Bauch.


Mann mit Baum im Bauch.

Abfahrt Croisette 13.50 Uhr, noch einige anstrengende Kilometer am Meer bis Mandelieu – sozusagen direkt am Strand auf enger Straße, häufig Stau, an dem man auch mit dem Rad nicht vorbeifahren kann. Aber ab Mandelieu begann dann langsam aber sicher der schönste Teil der heutigen Strecke – die Corniche d’Or, die Küstenstraße im Massif de l’Estérel bis St. Raphaël. Einige Kilometer unbebaute Küste, der RGB-Farbendreiklang: Rote Porphyrfelsen, grüne Macchia (?) und blaues Meer, im – häufigen – Idedalfall auch blauer Himmel. Viel Verkehr, es waren ja Ferien, aber dennoch lohnt sich das immer wieder. Mein kleines Stück Lieblingsküste am französischen Mittelmeer. Ach ja, das Département wechselte ich auch. Von Alpes Maritimes (06) nach Var (83).


RGB – rot, grün, blau: das Massif de l'Ésterel.




Löcher.

In Richtung St. Raphaël wurde es wieder etwas besiedelter, Agay, Anthéor und das Cap Dramont. Hier landeten im August 1944 alliierte Truppen in der „Operation Dragoon“, um die deutschen Besatzer aus Frankreich zu vertreiben. Ein Landungsboot ist an der Gedenkstätte zu besichtigen, ansonsten ist der Strand heute friedlich belagert von vielen Urlaubern.

In Fréjus kaufte ich mein Abendessen und fuhr die letzten Kilometer zum Campingplatz Le Bravet, den ich schon kannte vom letzten Jahr. Sauber, günstig. Duschen, abendessen, dann setzte ich mich auf eine Bank in der Nähe des Sanitärhäuschens – und beobachtete staunend ein niederländisches Ehepaar, das mit dem Auto zum Zähneputzen fuhr. Ich habe die Strecke mal nachgezeichnet: Dusch- und Zahnputzfahrt

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Sonntag, 19. Juli: Fréjus – Brignoles
  • Kilometer: 85,8
  • Sattelstunden: 4:59
  • Höhenmeter: 0
  • Ausgaben für Getränke: 12,57 EUR

Frühstück in Fréjus, im Schatten der Kathedrale Saint Léonce. Deren Taufkapelle aus dem 5. Jahrhundert hatte ich bei einer Führung schon mal gesehen, heute am Sonntagmorgen traute ich mich in meinem Radfahreroutfit nicht zwischen die Besuchern des Sonntagsgottesdiensts. Fréjus ist eine sehr alte Stadt, war schon in der Antike Hauptort der Oxibier, ehe Julius Cäsar den Hafen vergrößern ließ und … okay, ich höre mal auf, Wikipedia abzutippen. Es war schon morgens ziemlich warm und meine Aufnahmefähigkeit für Kulturelles und Geschichtliches sehr eingeschränkt.


Cathédrale Saint Léonce.

„Ziemlich warm”, das ist gut. Verdammt heiß war es und ich fuhr auf der vielbefahrenen DN 7 in Richtung Westen. Ja, es gibt schönere Straßen, ja, ich hätte auch durch das Maurenmassiv fahren können – aber ich wollte in zwei Tagen in Marseille sein, um einigermaßen rechtzeitig zur Rour de France in Bourg d’Oisans zu sein. Daher so flach wie möglich. Die DN 7 verließ ich bei Les Arcs, um in einem schön klimatisierten Hypermarché vom Winter zu träumen. Dann weiter nach Vidauban. Das war ein schönes Provence-Städtchen, ich kaufte kalte Getränke und machte auf dem Platz vor dem Rathaus eine kleine Pause. Es gab schicke Autos, da fand wohl gerade eine Art Oldtimertreffen statt. Oldtimer – der Begriff machte auch eine gewisse subjektive Wandlung durch. Früher waren Oldtimer für mich Autos, in denen Stan Laurel und Oliver Hardy durch die Gegend fuhren. Jetzt sind Oldtimer Autos wie ein Golf I Cabrio oder ein Citroën DS – Autos, die zu meinen Lebzeiten mal modern waren.


Eisdielenposer.


Göttin in rot.

Kurz hinter Vidauban verließ ich die stark befahrene DN 7 und drehte in Richtung Norden ab. Ein kulturelles Ziel hatte ich für heute auf der Liste, die Abtei Le Thoronet. Die Straße co-mäanderte entlang des Argens, kaum Verkehr, das war doch was ganz anderes als die DN 7. Irgendwann ging es leider aus dem Flusstal in Richtung Le Thoronet, das hieß: Steigung. Noch vor zwei Tagen war ich tatsächlich auf 2.800 m hochgefahren? Und wieso kämpfte ich jetzt hinauf auf nichtmal 300 m? Die Hitze war meine Ausrede. Aber die Qualen lohnten sich, die Abbaye Le Thoronet ist wirklich sehenswert. Ein romanisches Kloster, sehr schlicht – und kühl! Ich hielt mich einige Zeit dort auf, lief durch Kreuzgang, Abteikirche, einige Ruinen und konnte mir doch nichts von dem behalten, was mir der Infozettel beibringen wollte, den ich an der Kasse bekam. Nur Fotos habe ich gemacht.


Kreuzgang der Abbaye du Thoronet.





Es half nichts, ich konnte ja mein Zelt nicht in der romanischen Kühle aufbauen. Ich musste weiter. Und das war kein Spaß. Ich musste ziemlich kämpfen und merkte recht früh, dass ich es nicht weiter als bis Brignoles schaffen würde. Immerhin gab es dort einen Campingplatz, behauptete Archies App. Am Nachmittag kam ich dort an und fand die Stadt erstmal langweilig. Supermärkte waren alle geschlossen, aber bei einem kleinen Lebensmitteldealer bekam ich noch kalte Getränke. Die nahm ich mit zum Campingplatz, der sich erschreckend weit außerhalb befand. Aber den Fußmarsch am Abend in die Stadt nahm ich auf mich, denn ich wollte wieder mal etwas Warmes essen. Und als ich in die Stadt lief, gefiel sie mir schon besser. Definitiv kein Touristenziel, im Restaurant saßen nur Einheimische. Ich wollte unbedingt mal Aioli probieren, seit ich Massilia Sound System entdeckte – bei denen ist das jedes zweite Wort. Leider reichte mein Französisch nicht weit genug, um mich zu warnen, dass das ausgewählte Gericht eins mit Fisch und Schnecken (!) war. Den Fisch schaffte ich – bin aber nach wie vor kein Fischesser. Die Schnecken – nein das ging nicht.


Nightlife in Brignoles.


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Montag, 20. Juli: Brignoles - Marseille
  • Kilometer: 90,1
  • Sattelstunden: 5:16
  • Höhenmeter: 0
  • Ausgaben für Getränke: 18,17 EUR

Dann auf nach Marseille. Das waren ca. 90 km und ich machte mich auf den möglichst direkten Weg. Cola Light, ein Croissant und zwei Pains au Chocolat, das war mein Frühstück in Brignoles – das mir am frühen Morgen noch besser gefiel als am gestrigen Abend.


Seife an der Wand.



Jetzt gab es einen Radweg entlang der RN7, den nutzte ich gerne. Tourves war das erste Kaff an der der Strecke, ich machte glatt eine kurze Pause. Denn es war ein schönes Provence-Kaff, wie viele hier im Hinterland der Côte d’Azur. Auf dem Weg weiter in Richtung Westen verfuhr ich mich erstmal, weil mich meine mental Map im Stich ließ. Nach einer Ehrenrunde fand ich den Weg aber dann doch. Auf der heutigen Passhöhe, ca. 400 m, verließ ich das Département Var (83) und erreichte die Bouches-du-Rhône (13). Okay, ein richtiger Pass war das nicht, es ging nicht sonderlich steil hoch, noch dazu war ich definitiv besser in Form als gestern. Und es war eine schöne Straße, nördlich des Massif de la Sainte-Baume.


Provence.

Ich genoss die Abfahrt nach Sainte-Zacharie, dann nach Auriol, von dort die letzten Kilometer in schöner Natur, bis ich in Aubagne die Metropolregion Marseille erreichte. Auf Aubagne freute ich mich, schließlich ist dort das Hauptquartier der französischen Fremdenlegion. Okay, nochmal. Auf Aubagne freute ich mich, denn dort wurde am 28. Februar 1895 Marcel Pagnol geboren. Wer wissen möchte, wie das Leben in der Provence früher war, dem seien die Romane Pagnols empfohlen. „Meine Kindheit in der Provence“, Erinnerungen an das Leben in Aubagne und Marseille in Romanform. Ich habe das sehr gerne gelesen. In Aubagne gibt es ein kleines Museum, „Le Petite Monde de Marcel Pagnol“ – leider war es geschlossen. So musste ich mit der Lebensmittelabteilung des Monoprix vorliebnehmen, wo ich mein Mittagsmahl erstand. Das verzehrte ich im Schatten auf einer Parkbank. Bald fuhr ich weiter, ich wollte ja noch ein wenig von Marseille sehen. Aber ein Foto vom Geburtshaus Pagnols musste sein, und eins von einer Straßenbahn. Die kann man seit dem 1. September 2014 benutzen – über 50 Jahre, nachdem die Straßenbahn der ersten Generation ihre letzte Fahrt hatte. Heute ist die Straßenbahn kostenlos, wie der gesamte Nahverkehr in Aubagne.


In Aubagne, Geburtsort von Marcel Pagnol.


Auch in Aubagne gibt's ne neue Straßenbahn.

Der Weg nach Marseille war städtisch. Sehr städtisch. Das war ein Problem, hatte ich doch noch ein Geschäft zu erledigen. Das Problem konnte gelöst werden, ich erspare mir, weitere Einzelheiten zu schildern. Marseille erreichte ich dann steigungsarm, stattete der Cité Radieuse von Le Corbusier einen Besuch ab, fotografierte mein altes Rad vor dem bombastischen neuen Stade Vélodrome und fuhr am Mittelmeer entlang in die Innenstadt. Hinauf zum Bahnhof – so sehr ich seinen Lage mag, ein würdiger Eingang zur Stadt, so blöd fand ich es heute, da hochfahren zu müssen. Es war nunmal Sommer am Mittelmeer. Dafür hatte ich im ibis direkt am Bahnhof ein klimatisiertes Zimmer.


Die Wohnmaschine von Le Corbusier.


Altes Velo vor neuem Stade.


Marseille, Vallon des Auffes.


Selfie.


Warten auf das Boot.


Notre-Dame de la Garde.



Nach Dusche, Kleiderwäsche und ein wenig Tour de France gucken – mit einer unglaublichen Abfahrt von Peter Sagan nach Gap – begab ich mich hinunter in die Stadt. Ein paar Fotos machen und etwas essen. Am alten Hafen steht seit kurzem ein riesiger Deckenspiegel, als Sonnen- und Regenschutz und natürlich als Fotomotiv. Rund um den Cours Honoré d’Estienne d’Orves gab es unzählige Restaurants, eins suchte ich mir aus und es war keine schlechte Wahl. Ich gönnte mir ein dreigängiges Menu mit Pastis und Rosé, verspeiste es und schleppte mich zurück zum Hotel.


Auf dem Kopf in die U-Bahn.




Da biste platt.


Großer Dachspiegel.




Lange Schatten.

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Der Track des dritten Teils