Re: Ein grüner Alien im Königreich Karantanien

von: veloträumer

Re: Ein grüner Alien im Königreich Karantanien - 12.12.15 22:30

KAPITEL V
Blutzoll und Lebensquell zwischen Alpen und Karst:
Auf Spurensuche in Kolovrat, Banjsice, Trnovski Gozd & Idrijsko


„Und es ist lange her,
dass dein Docht verbrannt ist,
aber es ist ein Schatten geblieben
auf dem Glanze des Spiegels.“

Franco de Girancoli (in: Pier Paolo Pasolini u. a. „Wie eine Viole in Casarsa“, S. 59)

Fr 3.7. Camp Lazar – Slap Kozjak (Wanderung, ca. 1 h) – Kobarid (Besichtigung Kriegsmuseum, ca. 1 h) – Idrsko – Livek (690 m) – Livske Ravne (1037 m) – Kolovrat max. (1169 m) – Na Gradu – Sedlo Solarji (996 m) – Sleme (865 m) – Planinski Dom pod Jezo – Pusno – Kambresko – Slap Sovink – Preval (339 m) – Rocinj – Kozarsce – Preval Poljance (253 m) – Most na Soci
W: 16-32 °C, bis Nachmittag sonnig, schwül, am frühen Abend schweres Gewitter, danach kühl
Ü: H Lucija 40 € mFr (normal 45 €)
AE (Gostilna Skrt): Gnocchi m. Steinpilzen, Putenschnitzel, Pommes, Rotwein 18,20 € (*)
B: Kobarisko Muzeji 3 €
51 km | 10,4 km/h | 4:46 h | 1225 Hm

Nach dem herrlichen Spaziergang durch den morgenfrischen Wald zum Kozjak-Wasserfall, den ich ja bereits im Vorkapitel abschließend dargestellt habe, und dem Camping-Capuccino (2 €) stand ein ziemlich konträrer Programmpunkt an. Das Kobarider Kriegsmuseum – oder sollte man der mahnenden Wirkung wegen besser sagen „Friedensmuseum“? – liegt unübersehbar direkt an der Hauptstraße und wurde bereits etwa zwei Jahre nach der slowenischen Unabhängigkeit im Jahre 1993 mit dem Europäischen Museumspreis ausgezeichnet. Die Verdienste, so die Begründung, lägen in der besonderen Weise das Bewusstsein für das kulturelle Erbe zu fördern. Wir sind also wieder mitten im Alpen-Adria-Gedanken. Genauer: Wir sind mitten in der größten Krise, die die Alpen-Adria-Region erleiden musste, also im Ersten Weltkrieg, in dem die Isonzofront zum Blutbad im Spiegel des Smaragdglanzes wurde. Welche schreckliche Zukunft ahnte Simon Gregorcic ungewollt, als er der Soca sein Gedicht widmete und darin bereits 1879 formulierte:

„Da blinken Schwerter, Kämpfer sinken
und Bäche Blutes wirst du trinken,
genährt von unserm Blut so rot,
beschwert von unsrer Feinde Tod.“

(in: Lojze Wieser „Karst“, S. 180)

Der Eingang des Museums ist schlicht und gediegen, nur ein Granatenmodell weist auf das Thema des Museums hin, innen gleich eine ganze Kollektion von Granaten unterschiedlicher Größe. Krieg, so scheint es hier, ist ästhetisch, zumindest technisch elegant und von geradliniger Struktur, eine höhere Ordnung – auf sauber geputztem Boden ausgestellt. Fast peinlich ist es mir, zu fragen mein Rad in einer Ecke innen abzustellen, gibt es doch draußen an der Straße fast keinen Platz zum Anketten. Freundlich und unkompliziert wird mein Kampfgerät in grünen Tarnfarben zur vorübergehenden Erweiterung des Sortiments in den Eingangshallen toleriert. Nicht weniger freundlich erhalte ich abschließend die übersetzte poetische Soca-Hommage von Simon Gregorcic als Kopie (wenngleich das Gedicht sich auch im o. a. Buch wiederfindet). Käuflich erwerben konnte ich eine Spezialkarte zur Isonzofront mit Ausschnitt zwischen Kanal und Kranjska Gora (also die Bergregionen zwischen Kolovrat und Julischen Alpen) mit detaillierten Infos zu aktuellen Gedenkstätten, den historischen Frontenverläufen, einem kurzen Abriss der Kriegsentwicklung, aber auch den touristischen Einrichtungen von Heute.

Ich erfahre in den Ausstellungsräumen, dass das Krn-Gebiet mit dem Geburtshaus von Gregorcic in Vrsno durch das Kriegsgeschehen merklichen Veränderungen unterworfen war – sogar bis zur Sprengung des Berggipfels durch Granateneinschläge. Also nur einen halben Berg habe ich gestern gesehen. Gregorcic durfte ihn noch ganz erleben. Was hätte der Dichter über diese Heimat gesagt, als seine Worte durch solch grausame Realität wahr wurden? Die Artillerie war mit Haubitzen mit bis zu 42 cm Kaliber bis in die Hochgebirgsregionen auf über 2000 m zu finden. Kaum denkbar, dass es da um wirklich strategisch bedeutende Gebiete gegangen sein soll. Und natürlich wurde der Krieg nicht hier entschieden. Ein Blutzoll ohne einen Hauch von Gewinnaussicht – in mehrfacher Hinsicht. Die letzte Schlacht gewannen die habsburgisch-deutschen Verbände, indem sie überraschend in den lähmenden Stellungskrieg Bewegung brachten und bis zum Tagliamento vordrangen, doch verblieben sie als Länder am Ende des Krieges auf der Verliererseite.

Die Reihenfolge der Räume ist nicht eindeutig zu wählen, manches mischt sich. Der Krieg ist letztlich ein verwirrendes Mosaik aus einzelnen Schicksalen, die große Strategie des zielgerechten Todeskampfes eine Lüge der Generäle. Deutlicher abgegrenzt ist aber der Folklore-Teil, sprich die Ausstellung zu den Traditionen und zur Geschichte des Landes mit ihren unterschiedlichen Herrschaftsverhältnissen (wobei die Zeitachse allerdings deutlich nach dem Königreich Karantanien einsetzt), zu den wichtigen Persönlichkeiten Sloweniens – des Rechts, der Politik, des Militärs, aber auch der Literatur und der Musik. Man muss auch deswegen mit dem Abwandern der Glasvitrinen und Wandbehänge flexibel sein, weil man irgendwann zum Video-Film in geeigneter Sprache eingeladen wird. Das Video ist essentiell, man sollte darauf nicht verzichten, erspart auch manches mühsame Sammeln von Detailinfos in den Museumsräumen und vermag die Zusammenhänge besser wiederzugeben.

Die Kriegsgegenstände sind fast alle viersprachig – inklusive Deutsch – erläutert. Während noch manches Kampfgerät, wie eingangs geschildert, die historischen Technikdetails mit Faszination entblättert bis hin zur metallischen Nostalgiedeko, so beschleichen mich immer mehr beklemmende Gefühle der Hilflosigkeit und des Elends bei den Ausstattungsgegenständen der Soldaten – die kümmerlichen Essbehälter, die hosengerecht zugeschnittenen Zeitvertreiber wie Kartenspiele oder die ärztlichen Anweisungen zum Umgang mit Geschlechtskrankheiten oder dem massenhaften Exodus des Lebens, den der Krieg mit sich bringt. Der Kampf um Nahrung, um Wasser aus Schnee, der Kampf in der Kälte des winterlichen Gebirges – all das windet aus den gebleichten und vergilbten Fotos auf den Betrachter zu und gefriert auf seinen Wangen. Manchmal starben mehr Soldaten in Lawinen als durch direkten Feindbeschuss – nicht zuletzt wurde mit Artilleriebeschuss auf Schneefelder der Lawinenabgang als Kampfstrategie eingesetzt.

Der Soldat, so vermerkt der Kommandant des IV. Armeekorps General Mario Nicolis Di Robilant, sei weder im Geiste noch im Herzen auf den Krieg und die ständigen, unvermeidlichen Probleme und Verluste vorbereitet. Er ruft sodann offen dazu auf, gegen diese „Lauheit“ in den eigenen Reihen auch mit Waffen vorzugehen. Tatsächlich mussten die Soldaten mit unvollständigen Uniformen vorlieb nehmen, so Karl Paulin, ein Artillerist aus Kobarid, seltsame Kombinationen mit Zivilkleidung arrangieren, was ihnen Spott einbrachte, von einer echten Kampf- und Witterungstauglichkeit ganz zu schweigen. Jede Kleinigkeit wurde bestraft, viele Soldaten an den Telegrafenmasten entlang der Bahnstrecke gefesselt, bis ihnen schlecht wurde. „Was haben sich die Reisenden denken müssen, die hier nach Oberkrain gefahren sind…?“ frägt da Paulin mit der ganzen Abscheu, mit der der Mensch seine verrohten Abgründe auch noch zur Schau stellt. Indes blieb manche Generalität realitätsfremd, so konstatierte der General Di Robilant schlicht: „Schwierigkeiten sind … im Krieg unausweichlich und die Verluste, wenn sie schon empfindlich waren, haben niemals wirklich erschreckende Zahlen erreicht.“ In insgesamt zwölf Isonzo-Schlachten zwischen 1915 und 1917 wurden etwa 300000 Menschen zu Tode gebracht.

Die von der Zeit und dem Kriegsgeschehen angefressenen Postkarten und Briefpapiere in noch handgeschriebenen Lettern geben Zeugnis – Zeugnisse, die es im Krieg des digitalen Zeitalters nicht mehr geben wird. Wird das digitale Zeitalter geschichtsloser, wird es Kriegsleiden verharmlosen, ihre Gesichter verniedlichen, kaschieren, mit Photoshop retuschiert, die Spuren verwischen, weil alles nur in Daten-Bits verpackt wird? Wird eine SMS, die als Absender den Produktnamen des Mobilgerätes zu oberst nennt, noch in 100 Jahren eine nachdenkliche Wirkung auf den Betrachter haben? Die Briefe der Soldaten sind von apathischer Verzweiflung gekennzeichnet, nicht selten steht die Sehnsucht nach dem Tag des großen Friedens vermerkt. „Um Mitternacht vom 31. März auf den 1. April wird die Normalzeit um 60 Minuten vorverlegt, sodass in dem Augenblick die Uhren ein Uhr nachts anzeigen werden. Ich habe meine Uhr am linken Handgelenk genau um eine Stunde vorgestellt und mir gesagt: Der Frieden wird eine Stunde früher kommen.“ (Francesco Orlandi, Schreiber der 1. Kompanie des II. Bataillons des 155. Infanterieregiments)

Die Sanitäter beobachten verstärkt Elemente der Selbstverstümmelung – sei es um dem Kriegsgeschehen zu entkommen, sei es um dem qualvollen Leiden eine Ende zu bereiten. Wenn man dann die Fotos im Todeskampf erblickt, dann aber erschauert mich eine eiskalte Gänsehaut, obwohl doch langsam die Mittagshitze des Tages unübersehbar die Luft erfüllt. Der Soldat, der im Stacheldraht wie ein Lumpenfetzen hängen bleibt. Der Soldat, dessen Kopf bereits zum Skelett verbrannt ist, während sein Körper noch in Militärmantel und Stiefel etwas unordentlich aufgeknüpft neben dem Geschütz im Graben liegt. Die Soldaten, deren Gesichter so entstellt sind, dass sie nur noch eine Anstellung als Gruseldarsteller in Horrorfilmen finden können – nicht aber wissend, was die Seelen dahinter überhaupt noch empfinden können. Gewiss hat der Krüppel ein Recht auf Leben, aber haben die Lebendigen ein Recht darauf, aus burschenhaften Frohnaturen entseelte Krüppel zu produzieren?

Was die Sanitäter gesehen haben, werden sie kaum verarbeiten können. Einer hatte die Kraft, die Worte zu finden, die die Fragezeichen setzen. Ernest Hemingway diente als amerikanischer Freiwilliger in einer Sanitätstruppe auf der Seite der Italiener. Seine Erlebnisse an der Isonzofront endet als Essenz in seinem Roman „A Farewell to Arms“ (1929). Darin heißt es nahezu fatalistisch „Die Welt zerbricht jeden... die, die nicht zerbrechen wollen, die tötet sie.“. Gleichwohl wurde das Buch zu einem der bahnbrechenden Werke gegen Krieg und Militarismus. Schon deswegen, aber auch aufgrund der Schilderung der Schlacht um Caporetto (Kobarid, dt. Karfreit), die zu einer Schmach für die italienische Armee wurde, blieb in der Zeit des italienischen Faschismus ein verbotenes Buch, die heimliche Übersetzerin wurde gar inhaftiert.

Fast erschlagen bin ich ob des martialischen Todes, den die Erdenbürger verbrochen haben. Entsetzen erfüllte die Bewohner der Green Devil, als ich davon später berichtete. Die Sonne hat das kleine Städtchen Kobarid kräftig aufgeheizt. Etwas unterhalb stände noch eine Käserei mit Schaubetrieb offen. Doch jetzt ist schon Mittag, und mal wieder jagt mich der Uhrenklöppel. Nicht aber wollte ich Kobarid ohne ein Hoffnungszeichen verlassen – ein Symbol der Freude. Gegenüber gibt es kostenlos touristische Infos und kleine Souvenirs zu kaufen. Die Isonzofront gibt es hier als – Schokolade! Die Soca verkörpert eine durchsichtige Schleife, durch die mit Mohn bestreute hochwertige dunkle Schokolade leicht blau schimmert. Den Kozjak-Wasserfall gibt es schließlich als Motiv auf einer kleinen Bügelflasche mit Honiglikör.

Ich erfahre von der Inhaberin ein paar Dinge über das Leben aus dem Jetzt. Die Jugend, die Arbeitsmöglichkeiten in Slowenien nunmehr im Nachzug der jüngsten großen Währungs- und Wirtschaftskrise. Zusatzverdienste, mehrere Jobs sind immer wichtiger, um dem Takt der Zeit folgen zu können. Ich erfahre aber auch vom Friedensweg, ein Wanderweg, der eben Stationen der Kriegsschlachten als Mahnmale miteinander verbindet. Der Friedensweg ist jedoch kein Ergebnis der Alpen-Adria-Allianz, wie man vielleicht erwarten könnte, sondern schlicht ein binationale Projektidee von Slowenien und Italien nah dem Vorbild anderer Friedenswege in den Alpen, derweil der Krieg überall seine Spuren hinterließ.

Endlich wieder auf dem Sattel, heißt es unter kräftiger Sonne wieder zu schwitzen. Offen brennt es vom Himmel, zunächst eben bis Idrsko, dann sehr steil nach Livek hinauf. Ich brauche unglaublich lange, die immer seltener zutreffende Daumenregel für die Höhenmeter mit 400 Hm/Stunde scheint in den Wind zu schießen. Es muss eine Jugendregel sein, die alten Knochen brauchen zuweilen das 2-3-Fache. Jeder Brunnen erblickt mein ermattetes Gesicht, ich könnte jederzeit auch am Straßenrand in galaktischen Tiefschlaf verfallen. Doch ein Forschungsauftrag ist nun mal ernst zu nehmen, auch wenn das Objekt ein so reizvolles Land wie Karantanien ist. Denn auf der trichterförmigen Zwischenebene im bergdörflich verstreuten Livek erstrahlen die Bergwiesen in verführerischer Rastruhe, eine Gaststätte wäre in Reichweite.

Livsko, das Gebiet um Livek mit dem Gebirgskamm Kolovrat und Matajur, ist ein besonders ausgeprägtes Beispiel wechselnder Herrschaftsbereiche im Alpen-Adria-Raum. In den letzten fünf Jahrhunderten zählte die Region nicht weniger als zehn verschiedene Grenzgürtel, von der venezianisch-lombardischen Grenze bis zur nun offenen EU-Grenze zwischen Italien und Slowenien – und auch die scheint schon bei der kleinsten Krise schon wieder gefährdet, wie die aktuelle Flüchtlingsthematik der Erdenbewohner zeigt. Das Grenzkammgebiet offenbart auch die Auswirkungen des Klimawandels. Bereits 1930 wurde in Livek die erste Skianlage errichtet. In den 1950er/60er Jahren erfolgte ein deutlicher Ausbau der Schlepplifte, ein Skibus aus Cividale sorgte für eine gute Anbindung an Italien, aus dem die Wintergäste bis aus Padua herauf kamen. Seit 1985 ließen dann mehrere grüne Winter den Skitourismus versiegen. So heißt es treffend und optimistisch auf der Info-Tafel in Livek: „Doch das Leben geht weiter… Schauplätze der Soca-Front sind heute touristische Sehenswürdigkeiten. Tourismus gestaltet sich neu.“ Da müssen die Deutschen im schneeärmer werdenden Schwarzwald wohl demnächst wieder mehr die badischen Revolutionsfeldzüge auf den Streuobstwiesen ins Bewusstsein rücken.

Eine der angesprochenen touristischen Sehenswürdigkeiten des Krieges folgt als Open-Air-Museum und auch als eine Station des Friedensweges nach ein paar radlerischen Anstrengungen mehr. An einem kleinen Kiosk kann man Getränke erwerben und bekommt Infos zu den Kampfstellungen an der Isonzofront. Die Stellungen mit Bunkern, dem Gelände meist naturnah angepasst, lassen sich über einen Parcours aus Treppen und steilen Pfaden erkunden. „Wenigstens gebaut haben sie landschaftsfreundlich,“ wird man den Militärarchitekten zugestehen wollen – das Geheimnis vor dem Feind machte es nötig.

So geordnet wie hier waren meine Gedanken vor Ort dann nicht ganz. Durch die drückende Hitze flimmerte es mir im Hirn und ermattet verweilte ich für eine Zeit in der scheinbarer Gedankenlosigkeit. Eher waren es schockierende Radweisheiten: „Erschöpfung gibt es nicht nur im Krieg – auch Radfahren ist ein Kriegsschauplatz!“ Meistens stirbt man dabei aber nur für eine kurze Weile, danach ist wieder Freude. Einige wenige Touristen schritten fleißig die Hügel ab. Hat man das Museum in Kobarid ausführlich studiert, braucht es aber der Infos hier nicht mehr. Schon fast zu schön stehen hier unscheinbare Ruinen auf Panoramahügeln in Friedenszeiten. Den Tod sieht man nicht mehr.

Zuvor muss man den höchsten Punkt der Straße überwinden. Ab Livek entspannt sich die Fahrt nur wenig, denn weitere Rampen folgen, immerhin teils im Schatten. Der Asphalt besteht zuweilen aus einem Flickenteppich mit großen Schlaglöchern – ein unbedeutender Mangel, schleppe ich mich doch kaum über Schrittgeschwindigkeit vor. Der Hochpunkt folgt, wieder in einem offeneren Teil, als Schleife um einen Berg rum, eine Kuppe nur wenig höher als die Straße. Bereits etwas abwärts folgt Parkplatz, Kiosk und die kriegerische Studienquelle. Die Blicke erreichen hier wieder das Tal der Soca.

Nochmals weiter abwärts, quert man einen Pass des Kamms mit der für lange letzten Möglichkeit, zur italienischen Seite abzufahren. Nur weiter südlich, über meine Kammstrecke hinaus, führt bei Lig wiederum eine Straße hinunter nach Italien zur Idrija, die als Grenzfluss einen ziemlich ausgeprägten Graben zwischen dem Kolovrat-Kamm und den zahlreichen Kuppenbergen der italienischen Julischen Voralpen bildet. Die Vegetation verschmäht die Grenzzäune seit eh und je, hüben wie drüben breiten sich typische Wälder mit Lianen-umschlungenen Robinien aus, erinnern an Eukalyptus-Wälder, stiftförmige, fast lineare Ordnungen von Baumstämmen, die sich im Laufe der Zeit der überwuchernden gestrauchten Unordnung unterwerfen müssen. Der Mensch macht sich hier Honig und am Pistenrand häufig gelagert sichtbar Holz zu nutze.

Noch regnen kleine Mengen aus tiefgrauen Wolkensäcken auf meine nackte Haut. Aus dem Schatten heraus, an einer geschlossenen Berghüttenwirtschaft vorbei, öffnet sich wieder weidiges Bergland, mit kleinen Dörfern und Weilern. Entsprechend beendet wieder Asphalt den gut fahrbaren Pistenanteil, nimmt wieder gemäßigten Kurs nach oben. In Kambresko quere ich den Kamm erneut, nunmehr diesen ins Soca-Tal verlassend, derweil die Straße nach Süden noch weiterführt. Schon aber stürze ich mich unüberlegt in die Abfahrt, statt häuslichen Schutz im kleinen Ort zu suchen. Gewaltige Donner und Blitze lassen mich erschaudern, die Tropfen gewinnen in Sekundeneile radial beachtliche Größenordnungen.

„studi-RAL-verde an speichen-08/15-kracher: Hilfe ersucht! Unkalkulierbare Wasserschüttungen mit magnethirnzonenirritierenden Elektrizitätsentladungen in millisekundlicher Androhung ausgemacht. Was tun?“

„speichen-08/15-kracher an studi-RAL-verde: Notbunker im Fels geöffnet. Dort Unterstand suchen und warten.“


Kaum zu glauben, aber Commander speichen-08/15-kracher hielt Wort. Zur Linken taten sich Felslöcher auf, die gerade für die Größe eines studi-RAL-verde und sein Velo berechnet waren. Zwangsläufig schrumpfte durch die Wartezeit die Zielvorgabe des Tages weiter zusammen, zumal jenseits von Most na Soci im Banjsice alternative Zwischenlager Mangelware sind. Bevor ich aber den tagesabschließenden Parcours nach Most na Soci über den unscheinbaren Minipass Poljance antrat, eröffnete mir speichen-08/15-kracher wieder einen seiner kleinen Boni. Unmittelbar unterhalb der Nothöhle sprießte der Slap Savink nun in üppig gehäufter Tropfenflut – wäre er vor dem Gewittertrubel mir nur als rinnsaliger Strahl erschienen.

Dem noch nicht genug, gewährte mir Commander speichen-08/15-kracher eine weitere Aufstockung der beschränkten Bankomatenlizenz für eine Hotelunterkunft, da trotz gepflegtem See, den hier die aufgestaute Soca bildet, keine Campingmöglichkeit existiert. Die Räume sind sehr beengt, auch wilde Biwakplätze nahezu unmöglich zu finden. Ich versuchte mein Glück bei zwei Privatvermietern, von denen jedoch keiner öffnete. Das Hotel wirkt etwas steril, der Betreiber hat möglicherweise schon abgerüstet, denn das angrenzende Restaurant steht nicht offen, nur eine kleinere Ecke dient als verbliebener Frühstücksraum. Immerhin kann ich einen kleinen Rabatt aushandeln. Viel teurer wäre ein Zimmer im alternativen Hotel etwas ortsabseitig wohl nicht geworden, nur wirkt es gemütlicher und erfreut sich einer großen Beliebtheit – dementsprechend war es ausgebucht. Hier aber begegnete ich unter den wenigen Gästen einem Radlerpaar, das aber nicht sehr gesprächig war.

Sa 4.7. Most na Soci – ? (580 m) – Tolminski Lom – Kanalski Lom – ? (798 m) – ? (888 m) – Kal Nad Kanalom – ? (813 m) – Lokovec – Cepovan – Grgar – Preval (336 m) – Trnovo – Lokve (947)
W: bis >30 °C, sonnig, diesig, schwül, auf Karsthöhe abends kühl
H/Gostilcne Winkler 38 mFr
AE (dito): Gnocchi m. Kräutern & Schinken, Roastbeef pikant, Pommes, Gemüse, Joghurt Cake m. Erbeersauce, Rotwein ? € (*****)
59 km | 9,4 km/h | 6:11 h | 1735 Hm

Während der Kolovrat als Kammgebirge eine noch weitgehend „alpine“ Geomorphologie aufweist, bildet die heute im ersten Teil anstehende Hochebene Banjsice einen echten Hybrid mit alpinen Gesteinsmerkmalen und Verkarstungen. Es ist die Schnittstelle zwischen Alpen und Karst und lässt sich als solche kaum sonst so gut beobachten. Das spiegelt sich z. B. darin wieder, dass einerseits die steilen Anstiege zur Nordseite (in mehreren Stufen) noch mit licht bewaldeten Felshängen aus kantigem Gestein zwischen den Bergwiesen und -weiden begleitet werden, die Talorte noch in klassischen Bach- oder Flusstälern liegen. Andererseits quert man folgend zwischen Kal Nad Kanalom und Cepovan eine typische, von zahlreichen Senken durchzogene Hochebene, die einen klassichen Karstwald abgibt, mit den ebenso typischen kleinen Lichtungen dazwischen und ohne erkennbare Abflüsse. Das Cepovan-Tal ist dann schon ein komplettes Tal ohne Flussbett, das keinen Auslauf zu Tal brechen muss und daher durch eine Passhöhe zur Soca hin quasi abgeschlossen ist.

Den größten Reiz strahlt dabei der lichte Buchenwald um den Pass zwischen Kanalski Lom und Kanalski Nad Kanalom aus, während das Cepovan-Tal als komplett offene, gefällarme Wiesenlandschaft eher etwas enttäuschte. Der Mystik der Gegend zufolge blieb es nicht aus, dass ich im Buchenwald auf ein besonders exotisches, wohl von seiner ursprünglichen Gestalt transformiertes Wesen traf. Die Augensprache des Wesens bedeutete mir eine große Artenverwandtschaft und Zuneigung, die ich allerdings nur bedingt erwidern konnte. In den biologischen Büchern der Erdenmenschen finden sich Hinweise wie Unke oder Kröte, die aber stets auch als verwandelte Menschen in Erscheinung treten – im Besonderen auch als Könige, etwa dem Froschkönig. Dafür, dass es sich hier um mehr als eine schlichte Kaulquappen-Erbfolgefigur handelte, spricht auch der Umstand, dass sich die Kröte in ungewöhnlich stolzer wie erhabener Bewegung über die Straße bewegte, obwohl doch Kröten eher in Verbindung mit klibbrigen Teichlöchern gebracht werden. In den Geschichten wahrheitsnaher Sagen spielen Frösche und Kröten eine herausragende Rolle, so auch in den Sagengeschichten Karantaniens. Dabei sind sie in nahezu allen Fällen eine verwandeltes Wesen eines menschlichen Charakters. Auch muss gesagt sein, dass das Licht im Buchenwald der Kröte einen ungemein irisierenden, königlichen Goldglanz verlieh, der sich nicht allein durch prismatische Experimentalwissenschaft erklären lässt. Diese hier gemachte Beobachtung einer zutiefst freundlichen wie auch nachhaltig wirkenden Begegnung mit der specii kröterensis sei für die Erkenntnisse von Commander speichen-08/15-kracher besonders herausgestellt, steht sie doch in unmittelbarem Zusammenhang des Forschungsauftrages, ein Königreich zu erkunden.

Es sei hier erwähnt, dass ich Kal Nad Kanalom auch von der Soca aus direkt nach der Kambresko-Abfahrt des Vortages hätte erreichen können, denn ebenso führt eine Straße mit einer Brücke bei Doblar hier hinauf. Weiters besteht eine asphaltierte Verzweigung bei der „Kröten“passhöhe nach Osten, auf der man die Cepovan-Most-na-Soci-Route oder aber die sehr gestreute Siedlung von Lokovec von Norden erreichen kann (und dann auf die meinige Route münden würde). Schließlich bestehen weitere asphaltierte Möglichkeiten, um die Karsthochebene südlich Kal Nad Kanalom zu beradeln, etwa über Kanalski Vrh nach Kanal zur Soca oder über Banjsice (Ort), Bate, Grgarske Ravne nach Grgar am Fuße des Cepovan-Tales. Ob von den Alternativen alle Streckenteile asphaltiert sind, kann ich nicht präzise verifizieren, die Wahrscheinlichkeitswissenschaften sprechen aber dafür.

Einen verbrieften touristischen Gasthof findet man in Tomlinski Lom, per Stichstraße von der ersten Passhöhe des Tages zu erreichen und daher noch in der Nähe von Most na Soci, wobei allerdings die Steigung dahin nicht zu unterschätzen ist. Cepovan verfügt über eine etwas versteckt liegende Einkehrmöglichkeit mit sicherlich unsicheren Öffnungszeiten, in Grgar steht eine Bar nebst eines kleinen Supermarktes, ein privater Zimmervermieter findet sich auch, der aber kein Essen anbietet. Als voll umfängliche Reiseraststation eignet sich zu den Hochtälern nur Lokve, soweit man nicht zu den Basisorten zur Soca oder nach Dolenja Trebusa abfahren möchte.

Eine flimmernde Hitze mit extrem diesiger Sicht beherrscht die Tagesmitte, sodass die Soca mit den drei Brücken und das Stadtgebilde mit Kromberk, Solkan, Nova Gorica und Gorizia nur hinauf dimmte. Die italienische Stadt mit seiner erhabenen Burg ist bei solcher Sicht schon gar nicht mehr im Süden zu erkennen, verschwimmt im Nichts. Ich suche die Gesellschaft einer lokalen Ziegengruppe bei der Passhöhe, um den wenigen Schatten für ein Picknick und eine Schlummerpause zu teilen. Da die Ziegen an meinen Vorräten ziemlich intrigant interessiert sind, muss ich zu unhöflichen Gesten und Maßnahmen greifen, wobei sich der Erfolg nur einstellt, wenn man das mehrmals wiederholt. Immerhin sind sie lernfähig, was sich nicht von allen Erdenmenschen sagen lässt.

Nach Trnovo folgt ein kontinuierlicher Anstieg auf die zweite Hochebene des Tages, die Karstebene Trnovski Gozd, unten moderat, jenseits von Ravnica ziemlich anspruchsvoll. Die Alpen sind nun nur noch ferne Horizontkulisse. Ein alter Soldatenbrunnen mit Wanne muss für unkonventionelle Abkühlung herhalten, kein Gewässer bietet der Tag sonst (Brunnen schon). Zwar ist auf der Strecke nicht mit viel Verkehr zu rechnen, heute jedoch sind viele Pferdetransporte unterwegs. Offenbar hat in Trnovo ein Turnier stattgefunden oder wird noch bis Sonntag weitergeführt. Direkte Hinweise sind aber nicht zu finden, es könnte auch ein Abzweig auf der Strecke zu einem Turnierplatz führen. Zwischen den Straßenrouten Cepovan – Grgar und Ravnica – Trnovo – Lokve verläuft noch eine weitere Radroute von Ravnica über Voglarji nach Lokve. Den Abzweig im Westen habe ich nicht registriert, im Osten bei Lokve ist es aber eine ziemlich raue Piste, die auch nicht als Siedlungsanschluss gedacht ist. Der Siedlungsanschluss (wohl Piste) verläuft nur von Westen, etwa bis zur Hälfte der Gesamtstrecke. Voglarji ist in jedem Fall nochmals per Asphalt von Trnovo aus zu erreichen.

Trnovo ist ein unscheinbarer Ort, der (fast) alles hat, was ein Mensch braucht, und das an einem Platz: eine Kirche für Stoßgebete, eine Picknick-Ecke für die Hungrigen (wobei man den Proviant selbst mitbringen muss), eine überdachte Wartehütte für schlechtes Wetter (im Zweifel abgeschlossen), Abfallkörbe mit Mülltrennung für die Ökobewussten (deutsch ist heute global), eine Wasserquelle für die Durstigen (hält, was es verspricht), Werkzeug mit opulenter Luftpumpe für die Radler (alles neuwertig), einen Defibrilator für die Herzschwachen (der Friedhof ist gegenüber), einen Bankomaten für alle mit Lizenz zum Gelddrucken (wenn man auch hier nichts dafür kaufen kann) und ein Pferdewagen als Ersatzmobil für Liegengebliebene (wobei die Pferde nur virtuell funktionieren, dafür aber ein Hut beiliegt, um eventuell auftauchende Volksmassen grüßen zu können). Der vollständig halber sei erwähnt, dass ich einen Hinweis auf einen Camping gesehen habe, der sich nebst Bar und wohl bei einem Freizeitgelände mit Schwimmbad abseits der Strecke befinden soll, in dieser Richtung auch wohl noch ein Privatzimmervermieter.

Die Hoffnung, die Höhe geschafft zu haben, wird östlich Trnovo wieder jäh zusammengestaucht. Die nunmehr typische Karstwaldhöhe mit teils sehr dunkelschattigen Passagen, evoziert mystische Stimmungen, die aber im Schweiße des Angesichts im steten Auf und Ab auf eine harte Probe gestellt werden. Da und dort radeln auch ein paar einsame schöne wie sportliche Frauen, bei denen es sich um Nymphen handeln könnte. Die Gespräche blieben jedenfalls kurz und geheimnisvoll. Klare Botschaften gaben sie mir nicht mit auf den Weg, während sie in Richtungen abzweigten, aus den der Wind vom Ende der irdischen Welten entgegen wehte. Vielleicht hatten sie auch meine Alienabstammung erkannt, die tiefer gehende Kooperationsprojekte in der transkosmischen Beziehungsaleatorik mit hohen Hürden versehen hat.

Lokve entfaltet sich gut gestreut auf das von den gehobenen Randlagen weithin überschaubare Plateau, das wie in einem weiten, sanft begrenzten Kessel eines verblichenen Vulkans liegt. Es ist nicht nur ein Skisportzentrum im Winter, sondern lockt auch im Sommer viele Gäste an. Es gibt einfache Unterkünfte verschiedener Art, auch mehrere Essstuben, eine weitere gute Gasthofadresse etwas höher in den Bergen in Lazna, dass man wiederum per Stichstraße erreichen kann. Die Einkaufsmöglichkeiten habe ich leider nicht ausgekundschaftet, es dürfte sie geben. Die beste Adresse vor Ort ist der Gasthof Winkler, wegen der Tagung eines Hundezüchtervereins an diesem Wochenende ziemlich gut ausgelastet. (Die Hunde waren in den Autos kastengesichert und konnten die Waden des Alien nicht gefährden.) Die Entscheidung hier ein Zimmer zu nehmen war wiederum einem Erkenntnis-Bonus von Commander speichen-08/15-kracher zu verdanken, der sich über die Schilderung der königlich anmutenden Kröten-Saga des Tages besonders gefreut hatte. Nicht nur wären preiswertere Alternativen möglich gewesen, auch ließe sich gut in der Umgebung ein Zelt frei aufstellen (besonders an der Sattelhöhe des nächsten Morgens).

Die Zimmerfreude ist begrenzt, da nicht gerade geräumig und ohne Ausblick, allerdings ordentlich. Auch die ausgewiesene Sauna ist nicht in Betrieb – wohl ein Winterprivileg. Dafür ist die Freude über das dargebotene Essen umso größer. Es werden überwiegend Produkte aus kontrollierter Eigen- oder Lokalproduktion angeboten, offenbar mit Öko-Etikett. Der Geschmack der Speisen ist superb obwohl keine Gourmetküche. Entscheidend sind die hochwertigen Zutaten und die individuelle Geschmacksnote, die allen Gerichten ihren Stempel aufdrückt. Besonders hervorstechend der sehr pikant abgeschmeckte Schmorbraten – so gut mundete auf der Green Devil schon lange nichts mehr. Die Bilder habe ich der Kantinenabteilung der Green Devil übermittelt, damit sie sich der Erforschung der Zubereitungsvorgänge widmen können.

So 5.7. Lokve – ? (968 m) – Cepovan – Preval Drnutk (761 m) – Dolenja Trebusa – Krt – Slap Prisjak (Wanderung, ca. 1 h) – Gorenja Trebusa – Mrzla Rupa/Pstota (924 m) – Vojsko (1077 m) – Idrija
W: bis >30 °C, weitgehend sonnig
Ü: C wild 0 €
AE (Gostilna pri Skafarja): Ravioli m. Kart.füllung & Lamm, Skafar-Schnitzel m. Schinken, Pommes, Salat, Eis, Rotwein 26,50 € (***)
52 km | 9,5 km/h | 5:20 h | 1180 Hm

Im Kampf mit Schotterpisten nimmt dieser Tag eine führende Stellung ein. Der sanfte Anstieg mit Panoramablick rückwärts auf Lokve gleitet noch auf geschmeidiger Piste. Oben warten Alpenblicke und auch hier – Abfalltrennung am Picknickplatz. Die Abfahrt dann ist bei starkem Gefälle schon eine recht ruppige Angelegenheit. Auch mal in umgekehrter Richtung aufwärts ursprünglich angedacht, wäre es keine Empfehlung ohne griffige Reifen und mit viel Gepäck gewesen. Heute Morgen scheint Cepovan etwas lebendiger als gestern, was alsbald für die gesamte Strecke gilt, denn anscheinend gibt es hier nicht nur Pferdeturniere, sondern auch Traktorrallyes. Immer wieder kommen mir Staub und Rauch aufwirbelnde Ackertrucks entgegen, stets mit freundlichen Grüßen der Piloten, aber den Dreck habe ich dann doch zwischen den Zähnen hängen – mehr als nur Feinstaub. Ob die Veranstaltung in Dolenja Trebusa beendet ist, oder ob es sich um eine Rundkurs-Rallye handelte (eine Gruppe mit PKW postierte sich als Zuschauergäste auf der Passhöhe), konnte ich nicht herausfinden. Ich fand zwar Plakate, die ich aber nicht genau deuten konnte. In jedem Fall wollte ich mich glücklich schätzen, den Samstag bei den Hundezüchtern verbracht zu haben und nicht bei den Bauerntrekkern. Und so was sagt ein Vertreter der Gesinnungszunft „cane non amore, pedalo per favore“, die auf der Green Devil viele Mitglieder hat.

Wie dem Gesagten bereits zu entnehmen ist, endet der Asphalt unweit und oberhalb des Cepovaner Siedlungsgebietes. Die Piste ist passabel, besser als die Lokve-Abfahrtsroute zuvor, aber eben ist Staub nun mal pistentypisch und bei Verkehr unvermeidlich. Landschaftlich ist diese Passroute über den Preval Drnutk eine sensationelle Felsenfahrt – mitten durch meist offene Kalksteinportale, auch mal ein Torbogen, vorbei an Sandsteingalerien, an sprießenden Felsentwässerungen, immer mehr davon nach unten hin, ein Überschwang an Büschen, die keine anorganische Ritze verschmähen. Waldreich untermauern dazu dunkelgrüne Bänder das Steingrau der Charakter-Felstürme, die sich im grellen Licht beim Betrachter vorzudrängeln wissen. Eine an Provençe, Vercors und Drôme erinnernde Kalkalpenlandschaft und gleichwohl – kaum verwunderlich – schon dem Karst verpflichtet, der hier auf der Westflanke die Hochebene Trnovski Gozd entwässert, während zur anderen Talseite das gleiche dem Idrijsko-Plateau geschieht, mit nicht weniger steil anwachsenden Höhenzügen.

Das Wasser sammelt sich in der forellenreichen Trebuscica, ein Paradies für Fliegenfischer und somit auch eine Nahrungsader zwischen Alpen und Karst wie Soca und Idrijca ebenso. Zahlreiche Gumpen bilden die Flussstruktur, von denen aber nur wenige über steile Abstiege zu erreichen sind. Weiter oben hingegen gesellt sich der Fluss zeitweilig mehr neben die Straße wie ein alpiner Weidebach. Aber auch zur die Bergseite bilden kleine Zuflüsse und Kaskaden Badewannen, von denen eine dem Alien die Häute ausgiebig zur Siesta kühlte. Noch zuvor führt ein Pfad, nicht ganz einfach zu laufen, zum steil felsumschlungenen Wasserfall Prsjak, auf den die Fassadenmalerei des Ausflugslokal an der Straße hinweist (nur Tagesgeschäft, etwa ab Mittag offen). Der Abstieg zu den Gumpen des markanten, streng linear gezogenen, auf Magersucht getrimmten Wasserfallstrahls nebst seiner volumigen Derivate, dafür kürzer beschnitten, ist beschwerlich. Badelustige und Fotografen sollten technische Steighilfen mitbringen – drei solch Verwegene haben es bis ganz unten geschafft, der Alien blieb oben.

Kaum nahm ich nach der langen Rast weitere steile Kehren vor der Kulisse paariger oder getrippelter Zuckerberge in Angriff, stieg in mir eine Eiseslust. Einzig vermerkt die Karte ein Gasthaus in Gornja Trebusa, nicht unrecht, aber ohne Eis, nur Bier, kein Eistee, keine Cola, von Essen ganz zu Schweigen, irgendein Saft findet sich, eher ohne die erhoffte Erfrischungswirkung. Wohl passen die Bewohner des Weilers an einen einzigen Tisch – hier spricht man natürlich nur slowenisch, erstmals und wohl einzig ist die Kommunikation schwierig, auch etwas verschlossen die Anwesenden, wie manche der Bergvölker so sind.

Bald geht der Asphalt in Schotterpiste über, die aufgrund der permanent höllischen Steigung nicht ausreichend stabil ist. Mehrfach muss ich kurze Stücke schieben, die Sattelpassagen sind kaum schneller. Es gibt zwar auch hier und dort mal ein Haus, aber keine markante Siedlung. Echte Bergsiedlungen sind mittlerweile in Slowenien fast immer per Asphalt erschlossen – auch wenn es sich nur um ein paar Weiler handelt, manchmal auch einzelne Höfe, die von Bedeutung sind. Das geschieht aber nur zu einer Anfahrseite, sodass komplett asphaltierte Durchfahrrouten in einsamen Regionen nicht immer gegeben sind. Auch für Mrzla Rupa gilt das, welches von Vojsko bzw. Idrija aus erschlossen ist, während die Anfahrt über Dolenja Trebusa eher einen Geländewagen erfordert.

Der steile Pistenabschnitt lässt einige Panoramablicke zu, führt aber mehr durch Wald als der untere Asphalt-Teil. Mit Mrzla Rupa erreicht man nicht nur wieder einen Siedlungsbereich, sondern auch wieder die typischen Karstwiesen und -wälder. Dabei sind die Oberflächenkonturen stärker gewölbt, um nicht zu sagen teils sausteil, was denn auch für die Asphaltstrecke nach Vojsko gilt. Ein kurzer Abschnitt ist so steil, dass mein Rad selbst mit den Lowridern als Gegengewicht droht abzuheben. Das Vertrauen in fliegende Velos ist bei mir nicht groß, da ziehe ich unsere Raumfahrttechnik auf der Green Devil vor. So gerade eben würge ich das Radgefährt nach oben – Schieben wäre hier kaum mit den schwerelos-gewöhnten Alienmuskeln möglich gewesen. Man frägt sich, wie hier Autos ohne Zahnräder den Berg erklimmen – ein Traktor führt es mir aber vor – wenn auch nicht ganz überzeugend.

Nun war wieder Asphalt bis nach Idrija gesichert, soweit ich keine Experimente zu den Idrijca-Quellen machen würde. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten, die ich aber im Rahmen der Reise nicht erkunden konnte. Hier sind auch Durchfahrtsanschlüsse an die Route des nächsten Tages möglich. Von Vojsko aus, einem kleinen Wintersportort mit unübersichtlicher wie spärlicher Infrastruktur für Sommergäste, gleichwohl einem netten Kirchlein, führt die Route über das geschwungene Karsthochtal eines Bergkamms des Idrijsko zunächst nur leicht hinab. Ein Gastbetrieb unter dem Namen „Beli Kamen“ umwirbt gastfreundlich auch Radler etwa zur halben Strecke etwas abseits bei Polanec bzw. dem Berg Potok, noch oberhalb dem Abzweig Cekovnik (der zur anderen Seite liegt). Erst spät beginnt eine recht sausige Talfahrt über eine rassige Bergstraße mit Fels- und Waldpassagen, nicht immer mit den besten Lichtverhältnissen, für ungeübte Velopiloten sicherlich eine größere Herausforderung.

Obwohl es an Gefälle nicht mangelt, sind die Talblicke in Richtung Idrija geradezu abgeschnitten. Die Stadt taucht erst spät im Augenschlag auf, schmiegt sich fast unbemerkt in das hügelige Profil, kaum eine flache Entfaltung ist in der Idrijca-Aue möglich. Einige Schlösser, repräsentative Bürgerhäuser und Villen zeugen von wohlhabender Vergangenheit, mit kräftigem k.u.k.-Gepräge. Die beiden Stichworte des wirtschaftlichen Ruhms lauten „Schaufel und Spitze“ – genauer der Bergbau der Quecksilbermine und das Textilhandwerk des Klöppelns, mit der kunstfertige Spitzen hergestellt werden. Letzteres ist natürlich auch heute noch eine Wirtschaftsperspektive für die Zukunft, zumal solch handwerkliche Kunstfertigkeiten wieder im Trend gegen die Allmacht künstlichen Digitalwelten liegen.

Weniger glücklich sind lange die Gesundheitskarten der Einwohner von Idrija gewesen, denn die Quecksilberproduktion lief erst in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts aus und währte ca. 500 Jahre. Quecksilber, ein höllisches Gift für Körper und Geist, bewirkt chronische Nerven-Vergiftungen, zu denen bereits 1527 Paracelsus anmerkte: „seht ein Beispiel in Idria; all die da wohnen sind krumm und lahm." (so laut Wikipedia) Viele Arbeiter fanden sich bald in einer Nervenheilanstalt wieder, welche zu einem der monumentalsten Gebäude der Stadt wurde. Schädliche Arbeitsbedingungen zählten und zählen auf dem Erdenball zu allen Zeiten als scheinbar unvermeidlicher Kollateralschadens einer Erwerbseinkommens- und Wirtschaftskultur, die das Geld über die Nachhaltigkeit von Glück, Gesundheit, Lebensfreude, Genuss, Friede und Liebe stellt. Auf der Green Devil wurden daher alle Formen von Erwerbswirtschaft abgeschafft und es können nur Zufriedenheits- bzw. Glücksparameter erzeugt bzw. gehandelt werden. Entsprechend sind externe Erlebnismomente wie Reisen aus der Galaxie der Siebentausend Grünen Froschlöcher heraus wie etwa zum Erdenball nur sehr schwer durchführbar, bräuchte man dafür nämlich wieder die alten Modelle geldwirtschaftlicher Spekulations- und Konkurrenzwirtschaft. Einige Mittel wie die beschränkte Bankomatenlizenz erlauben jedoch begrenzte Exkursionen, nicht zuletzt in Form von Forschungsreisen.

Ich konnte Commander speichen-08/15-kracher beruhigen, dass die Goldgewinnung im alten Königreichs Karantanien wohl nicht durch das Amalgamverfahren (unter Verwendung von Quecksilber) statt fand, da das Verfahren erst in späteren mittelalterlichen Epochen entwickelt wurde. Der Ruhm der zweitgrößten Quecksilbermine weltweit, immer auch ein bedeutender wirtschaftlicher Anker der Habsburger Donaumonarchie, ist nun heute verblasst, alte Häuserruinen mit zerbrochenen Scheiben zeugen in der Stadt noch von dem Abgesang der alten Bergwerkskultur.

Damals rankten sich Legenden um die Bergstollen, wie der eines Knappen, der einst von einem Zwerg ins Innere des Berges gelockt wurde, etwas Besonderes zu sehen. Dabei führte der Zwerg dem Knappen einen funkelnden Saal vor, aus purem Gold. Säulen, Türen, Wände, Böden und Türen glitzerten, wenn nicht aus Gold, dann aus Rubinen, Diamanten oder Smaragden. Der Knappe erlebte, wie sich Türen öffneten, weitere Zwerge mit Dudelsäcken, Geigen und Trommeln zum Tanz aufspielten. König und Königin traten hervor, weitere Edelleute umgarnten den Hofkreis. Der Knappe konnte sich mit König du Königin unterhalten. Irgendwann ermüdete der Knappe und ließ sich von dem Zwerg wieder aus dem Berg des geheimen Schatzes führen. Der Knappe erzählte die Geschichte seiner Frau und ließ aus seinem Arm ein Klumpen fallen, der jener Goldklumpen sein sollte, der ihm der Zwerg als Beweisstück geschenkt hatte. Aber auf den Tisch fiel nur ein Brocken Lehm. (vgl. Wilhelm Kuehs, S. 84 f.) Commander speichen-08/15-kracher kratzte sich stirnrunzelnd die Kopfhaut, als ich die Geschichte erzählte, befand aber abschließend, dass Lehm für ihn immer auch etwas Goldenes in sich tragen würde. Immerhin, so meinte er, wäre es ja möglich, dass das Königreich des Zwerges immer noch existieren würde. Widerlegen könne man es ja nicht. Ich brachte ihm jedenfalls zwei Lehmminiaturen des Krainer Volkes in folklorer Bemalung zur Ansicht mit.

Teile der Stadt putzen sich heute in neureicher Eleganz heraus, wenngleich etwas bescheidener als k.u.k, aber von ausgeprägter Lebenslust und sportivem Gesundheitsbewusstsein getragen. Es fehlen mir die Zahlen der neuzeitlichen Wirtschaftsentwicklung, aber der Keim einer lebenswerten Stadt mit vielen jungen Menschen ist unübersehbar. Da passt es in das Bild, das auch im scheinbar einfachen, fast spelunkenhaften Gasthof die Essensqualität sehr gut war, wenngleich ohne gourmetmäßige Avancen. Der Radladen, den ich am nächsten besuchte, bot großzügige Rabatte auf das gesamte Textilangebot, was mich zu einem Unterziehhemd und einem froschigen, der Corporate Identity auf der Green Devil entsprechenden Trikot verleitete und mittlerweile von den dortigen Kollegen laut beklatscht wurde. Die Räderauswahl ist eher klein, aber durchaus mit gemischtem Sortiment, auch Ersatzteile scheinen die wichtigsten Mängelerscheinungen abzudecken, die denkbar wären. Mindestens einen weiteren Laden mit Rad-Equipment konnte ich im inneren Stadtbereich ausmachen.

Mo 6.7. Idrija – via Krajinski Park Zgornja Idrijca (Kanalweg) – Idrijska Bela – Zadlog – Crni Vrh – Strmec/Godovic Pass (852 m) – Col – Soteska Bela (Wanderung, 0,5 h) – Vrhpolje – Vipava – Mance – Kobdilj – Dobravlje – Kazlje – Storje
W: bis ca. 30 °C, sonnig, teils sehr schwül, teils windig
Ü: C Kamp Storje 10,65 €
AE: Selbstversorgung, Weißwein gratis
75 km | 13,0 km/h | 6:45 h | 1065 Hm

Die Lage zur Unterkunft war in Idrija unübersichtlich, die Touristinfo schon geschlossen. Die von mir anvisierte Jugendherberge ist offensichtlich mehrere Kilometer außerhalb irgendwelcher Berge hinauf zu finden. Um nicht meine Bankomatenlizenz zu sprengen, verwarf ich sämtliche angebotenen Schlafstuben ohne weitere Nachforschungen und stellte mein Zelt auf die vorstädtischen Auenwiesen der Idrija, in der ein nebelreiches Erwachen für eine inspirierende Morgenstimmung sorgte. Das gesparte Übernachtungsgeld floss dann – wie schon erwähnt – in den Sektor der Fahrradbranche und die lokale Cafékultur (Ambiente etwas neumodisch für die hippe Jugend).

Den gesundheitsbewussten Sportslowenen sieht man ggf. auf nachfolgender Wegstrecke, die man zunächst als Fahrweg, später eigentlich Fußweg, etwas oberhalb des Ortes findet (Vodnikova ulica). Der Weg beginnt bei Ausstellungsstücken des Bergwerks als schmale Wohnstraße und führt an einem kleinen Kanal entlang, der eine feucht-grüne, schattige Spazier-, Jogging-, Rekreations- und Konversationslunge oberhalb der Idrijca prägt. Der Weg endet an einer kleinen Staumauer mit einem Blauschimmersee. Hier ist aber Sackkasse, nur noch ein Wandertrail führt weiter. Der Staudammwärter, der gerade seine morgendliche Kontrolle machte, erklärte mir schließlich, dass es nur 150 m zurück eine Hängebrücke gäbe (eigentlich nur für Fußgänger gedacht). Die hatte ich erst gar nicht durch den Wald wahrgenommen. Über eine anschließende kleine Treppe gelangt man auf die gegenüberliegende reguläre Straße.

Dabei unterlag ich dem Irrtum, dass der Blauschimmerstausee bereits der Divje jezero wäre, ein kleiner runder Karstsee von Felswänden umgeben, von großer Tiefe und als Ablauf mit dem kürzesten Fluss Sloweniens mit nur 55 m. Dieser See liegt aber eben auf der Seite der regulären Straße, wiederum abgewandt zur Idrijca und versteckt und zudem etwas unterhalb der Hängebrücke. Dort ist er auch nicht ausgeschildert. So verpasste ich diesen Karstsee. Soweit und so schön dieser spezielle Kanalweg sein mag, sei dieser Hinweis wichtig für Nachahmer, evtl. die Straße zu benutzen, oder nochmal von der Hängebrücke ein Stück abwärts zu schauen.

Ich muss mich aber der idyllischen Eindrücke nicht grämen, denn die Idrijca bildet hier immer wieder kleine smaragdfarbene Zwischenseen, manchmal Gumpen und fließt zwischen zahllosen Steinblöcken hindurch. Das alles wirkt recht unberührt, nur gelegentlich Wanderwege, die über kleine Hängebrücken in den Wald zur anderen Seite führen. Viele Stellen werfen Badestellen ab. Jedoch strömen die meisten zum Baden nach Idrijska Bela, eine kleine verstreute Siedlung, wenn sich das schmale Flusstal etwas weitet. Im obersten Teil des Ortes liegt eine Freizeitanlage mit gepflegtem Badebereich, Picknick- und Grillmöglichkeiten, Kiosk, diversen Freizeitsportanlagen und natürlich den unvermeidlichen Parkplätzen. Keine große Geschichte, alles noch dezent und halb verdeckt zur Straße hin. Beim Badebereich quert man die Brücke bei den beiden zusammenfließenden Flüsse Idrijca und Bela. Beide Oberläufe lassen sich noch weiter per Piste erkunden, wobei Routen nach Mrzla Rupa bzw. Vojsko und Cekovnik möglich sind (vgl. Vortag).

Zum Baden finden sich weitere Stellen auch etwas unterhalb der Freizeitparks ohne jeden Trubel. So erfrischt, folge ich beim unteren Ortseingang von Idrijska Bela der Straße nach Zadlog. Es ist allerdings großteils Piste, die einen gehobenen Körnerverbrauch beansprucht. Da die Piste etwas sandig ist, reicht jedes der wenigen Autos aus, eine Gedenkstaubpause einzulegen. Karstige Wiesen, karstiger Wald mit mystischen Steinblöcken, oben dann die Öffnung zu einem weitläufigen Karstplateau, die teils als Acker genutzt werden. Die intensiveren Anbauflächen finden sich aber wie die Siedlungen meist nur am Rande der Ebene, was auf die Wasseradern deutet. So entsteht eine eigenartige Siedlungsstruktur mit Gemüseoasen. Bereits vortags konnte ich in Mrzla Rupa beobachten, wie Gemüse in Senken angebaut wird – also da, wo eigentlich normalerweise die Täler von Flüssen oder Bächen verlaufen müssten. Dort sammelt sich im Karst noch das meiste Wasser, das von den Hängen herunterläuft. So entstehen je nach Topographie kreisrunde oder schmale, langgestreckte Anbauflächen in den Senken.

In Crni Vrh erreichen meine Durst- und Fruchtgelüste galaktische Dimensionen, die ich gierig mit Supermarkt-Eis und Wassermelonen befriedige. Der Godovic-Sattel ist ein Straßenpass mit Transitcharakter, den auch einige größere LKWs nutzen. Nach den unteren Panoramaserpentinen bohrt sich der Pass teils eher unscheinbar in den Berg, die Steigung ist anspruchsvoll, wenn auch nicht mörderisch. Genau genommen sind es zwei Pässe, denn zwischen der Scharte, die die Straße zunächst durchquert, und der eigentlichen Passhöhe westlicher mit einem Gasthaus liegt eine Zwischensenke, die zu beiden Seiten ohne Abfluss eingeschlossen ist. Unten findet sich wieder der kleinteilige Gartenanbau, während die Straße halbhoch am Hang die Karstsenke umschleicht.

Nun folgt der Übergang des Karstplateaus zur bereits mediterranen Weinregion des Triester Karstes mit den Weinstraßen Vipava in der Flusssenke unmittelbar unterhalb des großen Karstabbruches und weiter im Süden jenseits des kleinen Höhenzuges, der die Südseite des Vipava-Tales begrenzt, der Karst-Weinstraße. Dabei vermischen sich die Straßen im Osten durch die Weinrouten in Nord-Süd-Richtung nach Sezana hin. So gesehen beginnt mit dem ersten richtige Weinort Vrhpolje (kleiner Camping vorhanden) bereits das nächste Kapitel, hier aber der Einfachheit halber noch zu Ende des Tages geführt.

Die fortgeschrittene Zeit zwang mich zu der vielleicht weinbergärmsten Routenvariante, eher unerwartet mitteleuropäisch bewaldet. Wer mehr Weinreben sehen möchte, sollte besser noch vor Kobdilje/Stanjel in Richtung Stjak fahren und dann die Hügel nach Kazlje queren oder ggf. noch eine weitere, östlichere Variante über Razguri, über die man dann auch nach Storje gelangt. Allerdings sind diese Varianten noch schwieriger einzuordnen als meine Variante, die durch das viele Auf und Ab ziemlich aufreibend ist, obwohl die Steigungen nicht mehr die Härte der vorhergehenden Alpen- und Karst-Regionen haben.

Vor dieser Weinroute steht aber noch der spannende Abfahrt durch den großen Karstabbruch zwischen Godovic-Pass über Col (eine Art Terrassenausblicklage vor der Weinebene) nach Vrhpolje. Markante Gesteinsschichten treten auf der Südflanke nach Westen hin zu Tage. Zur Südostseite blickt man auf das Nanos-Gebirge, nochmals eine kleine eigene Welt, für die keine Forschungsmittel mehr vorhanden waren. Zu Fuße des Nanos-Massivs befindet sich die Schlucht Soteska Bela mit steilen Felsenwänden, die bei Freeclimbern sehr beliebt sind. In der Schlucht bildet der Fluss sehr hübsche Gumpen, die allerdings durch viel Dornengestrüpp nicht gerade leicht zu erreichen sind, zuvor gilt es noch eine schwindelerregende Leitertreppe zu bewältigen. In der Schwüle hatte sich das letzte Tagesdrittel mal wieder stark eingetrübt, wodurch der Eindruck der Gumpen etwas unter dem fahlen Licht leidete.

Kein Karstabbruch ohne Karstquelle, die den unteren Bewohner mit ihrem Aderlass zu fruchtbarem Land verhilft. So liegt direkt im Ort Vipava die Karstquelle bzw. eine von mehreren. Ein unscheinbarer Teich bildet das idyllische Ambiente für eine hübsche Lokalität mit Gasttischen unter schattigem Laubendach. Die Quelle ergießt sich fast unbemerkt in einem kleinen Felsloch von unten in den Teich, der erst durch das Stauwehr von Menschenhand etwas die Lebensquellgeburt verdeutlicht. Gradisce pri Vipavi bietet nochmal Camping und Weingasthof, danach bleibt die Infrastruktur lange Zeit spärlich. Ich gelange in die Dunkelheit, verschätze Distanz und Topografie. Angelockt wurde ich nach Storje vor allem durch die Aussicht auf ein edles Restaurant. Der kräftezehrende Kampf um das gute Essen endete mit einer schweren Niederlage, denn der Speisetempel hüllte sich ins Dunkle im doppelten Sinne – er war just an dem Tage geschlossen – eine Montagsfalle. Sezana war jetzt aber schon zu weit entfernt gemessen an der Uhrzeit und auch keine Empfehlung für einen Rastort. So begnügte ich mich mit kärglichen Proviantreserven aus der Radtasche auf dem hübschen Weingut-Camping. Quasi als Trostpflaster erhielt ich eine Karaffe des Hausweines, ein weißer, leicht gold schimmernder, dezent fruchtiger wie frischer Sommerwein mit einem Hauch Pfirsich- und Zitrusaromen. Die Sitte des Empfangsweines für den Gast scheint es auf allen slowenischen Weingut-Campings zu geben, wie die Fortsetzung belegen sollte. Karantanischer Geist wird hier getrunken.

Musik: Peter Savli vertritt die junge Komponistenregion Sloweniens, hier mit einer ungewöhnlichen Besetzung aus Marimba und Orchester. Verschiedene Einflüsse fließen in die Musik ein, die hier bis in tänzerische Ragtime-Anleihen reichen: Peter Savli „ Koncert za marimbo in orkester” (14:53 min.)

Bildergalerie Kap. V (142 Bilder):



Fortsetzung folgt