Abenteuer Australien - Einmal quer durch

von: fahrradflo

Abenteuer Australien - Einmal quer durch - 23.04.15 12:14

Abenteuer Australien

Mit dem Fahrrad einmal quer durch

Oktober – Dezember 2014

Teil 1




Strecke: Stuart Highway von Darwin nach Port Augusta, dann weiter nach Adelaide, 3000km, asphaltiert

Größere Städte: Alice Springs (28.605 Einwohner)

Kleinere Städte:
Katherine (10.766), Tennant Creek (7.944), Coober Pedy (3500), dazwischen ein paar Siedlungen, Farmen und Roadhouses

Klima: Im Norden tropisch heiß und feucht, Beginn der Regenzeit, Weiter südlich heiß und trocken, Beginn Sommer

Alice Springs: Jahresmitteltemperatur: 28,6 °C, jährliche Niederschlagsmenge: 286 mm

Zum Vergleich Dortmund: Jahresmitteltemperatur: 13,5 °C, jährliche Niederschlagsmenge: 838 mm

Vorherrschende Windrichtung: Südost

Herausforderungen/Gefahren:


– Sonne und Hitze

– Wind (Gegenwind)

– lange Etappen (wenig Versorgungsmöglichkeiten)

– Tiere (giftige Schlangen und Spinnen)

– Verkehr (Roadtrains)

– Einsamkeit

Der Fahrer: Florian, 28 Jahre, reise-erfahren, gut trainiert, willensstark

“Was dich nicht umbringt macht dich nur stärker” – Mentalität

Ausrüstung:

Gutes Reiserad, übliches Weltreisegepäck, Wasserkanister (möglichst voll), Essen, Sonnencreme, Mundharmonika, Kamera

Landkarte

Landkarte in Link umgewandelt. Zur Erläuterung siehe hier.

Rückblick

Vor drei Jahren saß ich in Arnsberg in der Küche meiner Eltern, vor mir auf dem Tisch ein offener Weltatlas. Ich war dabei einem Reporter der lokalen Zeitung die mögliche Route einer Weltumrundung zu erläutern und erwähnte Australien in nur einem Satz:”…und dann einmal quer durch!

Ich war nicht wirklich davon überzeugt jemals so weit zu kommen. Schon der Plan mit dem Rad bis nach Indien zu fahren, was mein erstes Ziel war, hörte sich nicht nur für den Reporter etwas verrückt an. Doch jetzt, fast drei Jahre später, habe ich nicht nur Indien schon lange hinter mir gelassen sondern bin eine große Runde durch Südostasien geradelt und habe es über zahlreiche indonesische Inseln bis nach Australien geschafft.



Vorbereitungen

Darwin, in meiner Vorstellung eine Großstadt, entpuppt sich als großes Städtchen. Obwohl hier immerhin 150.000 Menschen leben ist das Stadtzentrum sehr überschaubar und es geht gemächlich zu. Ich treffe die letzten Vorbereitungen für meine Fahrt ins innere Australiens, unter anderem baue ich mir einen zusätzlichen Gepäckträger aus einem alten Rucksackgestell. So habe ich mehr Platz für Essen und vor allem Wasser.

Noch nie zuvor bin ich durch ein so unbesiedeltes und unwirtliches Gebiet wie das australische Outback gefahren. Wasser ist meine größte Sorge. In den Kanistern auf meinem Gepäckträger kann ich sechs Liter transportieren, zusammen mit meinen Trinkflaschen komme ich insgesamt auf acht Liter.Das muss reichen für einen Tag denn die Möglichkeiten Wasser zu bekommen liegen oft über 100 Kilometer auseinander. Essen habe ich sogar für mehrere Tage dabei, zwei Freunde haben meine Taschen mit polnischen Spezialitäten vollgepackt.



Aufbruch in Darwin



21.10.2014

Früh morgens geht es los. Am Meer natürlich, welches ich für Wochen nicht mehr sehen werde. Ein paar Freunde sind gekommen um mich zu verabschieden und dann geht es durch die Stadt zum Stuart Highway welcher hier noch eine vierspurige Schnellstraße mit viel Verkehr ist. Am Stadtrand dann das erste Schild: “Alice Springs – 1479 km” Zwischen Darwin und Alice Springs liegen nur die Ortschaften Katherine und Tennant Creek sowie ein paar Roadhouses.




Es ist heiß und schwül. Mein T-Shirt klebt schon am Körper bevor ich überhaupt richtig losgefahren bin. Das schwere Gepäck und der viele Verkehr machen mir zusätzlich zu schaffen. Am ersten Tag schaffe ich 100 Kilometer und schlage erschöpft mein Lager in einem Wald neben der Straße auf. Nachts kühlt es nur wenig ab, das Thermometer zeigt 29 °C und nass geschwitzt probiere ich zu schlafen.



Unausgeruht fahre ich am nächsten morgen weiter. In den Büschen neben der Straße bewegt sich plötzlich etwas. Es ist ein Känguru – mein erstes Känguru – welches in großen Sprüngen davon hüpft. In den nächsten Wochen werde ich noch hunderte Kängurus zu sehen bekommen, die meisten davon jedoch tot. Roadkill, platt gemacht, von Autos und den roadtrains.



Pausentag in der Schlucht

Die ersten Tage sind anstrengend. Obwohl ich vorher lange in Asien war macht mir diese schwüle Hitze zu schaffen. Ich schaffe keine 100 Kilometer pro Tag und komme vier Tage nachdem ich Darwin verlassen habe in Katherine an. Meine Motivation ist dahin und ich frage mich auf was ich mich da überhaupt eingelassen habe. Es ist Zeit für einen Pausentag und ich mache einen Abstecher in den Nitmiluk Nationalpark wo es eine große Schlucht gibt. Am Besucherzentrum kann man Bootstouren oder Helikopterflüge buchen oder auch ein Kanu mieten. Kostenlos ist dagegen das wandern an der Schlucht. Es gibt sogar Stellen wo zelten erlaubt ist, oft mit Wassertank und Plumsklo. Es kostet 3,5 Dollar für die Genehmigung eine Nacht zu zelten. Spottbillig ist das im Gegensatz zu dem richtigen Campingplatz am Besucherzentrum, welcher 30 Dollar verlangt. Ich parke mein Rad hinter der Rangerstation und verstecke mein Gepäck hinter einem Busch. Fünf Stunden Fußmarsch bis zum besagten Camping spot an der Schlucht stehen mir bevor und ich nehme nur das nötigste mit.




Schon nach einer Stunde tun meine Schultern weh, eine Fahrradtasche ist nicht gerade ideal um länger über der Schulter getragen zu werden. Auch ist das laufen in der Hitze nicht weniger anstrengend als radfahren, von einem Pausentag kann keine Rede sein.

Doch am späten Nachmittag erreiche ich dann den besagten Campingspot und werde für die Anstrengungen belohnt: Hoch über der Schlucht bietet sich eine fabelhafte Aussicht, die tief stehende Sonne malt mit warmen Farben auf die riesigen Felsen.






Ich mache mich an den Abstieg um ein Bad zu nehmen und meinen Kanister aufzufüllen bevor es dunkel wird. Die Schlucht gehört zu einer Crocodile managment zone, dass bedeutet es wird regelmäßig nach Krokodilen Ausschau gehalten, besonders in der Regenzeit. Wird eines der gefährlichen Salties, Salzwasserkrokodile, gesichtet, dann wird es gefangen und umgesiedelt. Schwimmen ist trotzdem auf eigene Gefahr und ich beschränke mein Bad auf ein kurzes untertauchen in Ufernähe.


Nach einer einsamen Nacht unter sternklarem Himmel laufe ich am nächsten Morgen den ganzen Weg zurück. Mein Rad und Gepäck sind noch hinter der Hütte der Ranger, wer sollte es hier auch schon klauen.



Eine neue Lampe

Weil es tagsüber so heiß und schwül ist möchte ich probieren nachts zu fahren. Endlich habe ich auch die passende Lampe dafür und um zu erklären wie es dazu kam muss ich etwas weiter ausholen:

Im April 2013, ich war gerade in Indien unterwegs, übernachtete ich in Chennai bei einem Mann namens Nishit. Genauer gesagt in seinem Appartment, Nishit war nämlich gar nicht zu hause. Ich hatte seine Telefonnummer von einem anderen Radler bekommen und ihn erst am Abend vor meiner Ankunft angerufen: “Natürlich kannst du bei mir übernachten, ich bin allerdings die nächsten Tage nicht zu hause. Aber ich hinterlege den Wohnungsschlüssel bei meinem Nachbarn.” So fand ich mich einen Tag später in einem fremden Appartement wieder, von einem Mann den ich niemals gesehen hatte und über den ich nichts wusste außer dass er anscheinend großes Vertrauen in Menschen besitzt.

Als ich Chennai ein paar Tage später verließ, waren wir uns immer noch nicht begegnet, nur am Telefon hatte Nishit mir geholfen meinen Weg durch diese große Stadt zu finden.

Ein paar Monate später, ich war gerade in Laos und ziemlich pleite, hatte ich diese Idee mit diesen Kalendern. Menschen die mich unterstützen wollen, egal mit welchem Betrag, bekommen im Gegenzug einen Fotokalender. Nishit spendete mir einen ziemlich hohen Betrag – und wollte dafür nicht einmal einen Kalender.

Wieder ein paar Monate später: Ich bekam eine Email von Nishit. Inspiriert durch mich und andere Radler, welche er über das Warmshowers Netzwerk bei sich zu Hause aufgenommen hatte, entschloss er sich seinen Job zu kündigen um endlich eine längere Tour mit dem Rad zu unternehmen. Es sollte nach Australien gehen und nur ein paar Wochen vor mir startete er in Darwin. In Katherine fand er eine Unterkunft bei Craig, einem jungen Australier, und Nishit, womöglich ähnlich erschöpft wie ich, beschloß, ein paar Dinge welche er nicht mehr benötigte dort zu lassen um seine Last zu reduzieren.

Nun bin auch ich bei Craig zu Gast und erzähle ihm von meinem Plan nachts zu fahren. Ich erzähle ihm auch von meiner schwachen Lampe welche seit dem Nabendynamodeffekt in Thailand batteriebetrieben läuft. Außerdem ist die Frontlampe durch den neuen Gepäckträger verdeckt. Noch während ich rede holt Craig eine diese neuen superstarken LED Lampen hervor und noch gleich zwei wasserdichte Akkupacks dazu. “Die ist dann wohl für dich gedacht” sagt er. Nishit hatte sie hier gelassen und zum dritten Mal hilft mir dieser unbekannte Mensch auf wunderbare Art und Weise.

Unterwegs bei Nacht

Die Kanister sind voll Wasser, die Taschen prall gefüllt mit Essen. Den nächsten Supermarkt gibt es erst in Tennant Creek, nach 670 Kilometern. Es ist abends und die Sonne lässt die Wolken leuchten. Sonnenuntergänge sind hier oft sehr farbig und der ganze Himmel strahlt von orange bis rosa.


Mit neuer Kraft radel ich in die Dämmerung hinein. Es hat nur noch 27 °C. Nach Einbruch der Dunkelheit lässt der Verkehr deutlich nach. Nur ab und zu rauscht ein Roadtrain vorbei. Diese LKW mit bis zu vier Anhängern können über 50 Meter lang sein und stellen besonders nachts eine Gefahr für mich dar. Im dunkeln können mich die Fahrer nur sehr schlecht sehen, trotz reflektierender Warnweste auf meinem Gepäck. So fahre ich jedesmal von der Straße ab wenn sich ein Roadtrain nähert. Die Scheinwerfer sind schon kilometerweit zu sehen, oft dauert es dann noch etliche Minuten bis er mich erreicht.

Es ist ein friedliches Radeln in der Nacht: Die Grillen zierpen, über mir ein klarer Sternenhimmel und ab und zu Kängurus am Straßenrand oder auf der Straße. Sobald der Lichtkegel meiner neuen Lampe sie erfasst hören sie auf zu fressen und schauen überrascht. Meistens verschwinden sie schnell mit ein paar kräftigen Sprüngen in der Dunkelheit, doch manchmal bleibt eines wie geblendet sitzen bis ich nur noch einen Meter entfernt bin. Kein Wunder dass so viele von ihnen von Autos oder Roadtrains überfahren werden.

Nach zwei Stunden halte ich an und koche neben der Straße einen Kaffee, dann geht es weiter in die Dunkelheit.

Irgendwann taucht ein Schild auf: “Nächster Rastplatz 2 km” und meine Karte zeigt mir, dort gibt es auch einen Wassertank. Diese rest areas sind bei Touristen und Urlaubern beliebt da es dort oft Toiletten und Feuerstellen gibt und übernachten erlaubt ist. Für heute ist es genug. Ich bin zu müde um noch weiter zu fahren und biege auf den Rastplatz ab. Ein paar Autos parken dort und mein Scheinwerferlicht fällt auf einen jungen Mann der sich gerade die Zähne putzt. Als er mich sieht fällt ihm beinahe die Zahnbürste aus dem Mund und ich kann ihm ansehen dass ihn mein auftauchen sehr überrascht: Mitten in der Nacht kommt da ein bärtiger Typ auf einem vollbepackten Rad aus der Dunkelheit und faselt etwas von einem Wassertank.

Nachdem ich den Wassertank gefunden und mich vergewissert habe dass Wasser drinne ist, koche ich noch schnell einen Topf Reis, esse, und krieche erledigt in mein Zelt.



Unterwegs

Tennant Creek ist die nächste Siedlung und damit auch mein nächstes Zwischenziel. Auf den gut 700 Kilometern zwischen Katherine und Tennant Creek gibt es sechs Roadhouses. Ein Roadhouse ist meistens eine Tankstelle/Bar/Hotel und Caravan park (Zeltplatz) in einem. Manchmal gibt es auch einen kleinen Laden, natürlich sind die Preise ziemlich hoch.



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Für mich sind die Roadhouses sehr wichtig denn dort gibt es Wasser. Meistens ist es Wasser aus einem Bohrloch, sogenanntes bore water, welches nicht immer gut schmeckt und sogar ungenießbar sein kann. Es ist sehr kalkhaltig und oft auch salzig. Gereinigtes Trinkwasser lässt sich natürlich auch immer kaufen doch für eine 1,5 Liter Flasche zalht man bis zu fünf Dollar. Ich weigere mich generell für Wasser zu bezahlen und begnüge mich mit dem bore water. Wer richtig durstig ist trinkt sowieso alles.



Je weiter südlich ich komme um so mehr ändert sich das Klima. Es wird wärmer und trockener, dafür kühlt es nachts deutlich ab. Für mich ist das viel angenehmer als die feuchte tropische Hitze. So langsam komme ich in meinen Rhytmus fange an diesen Trip zu genießen. Ich fahre möglichst früh los wenn es noch nicht zu heiß ist. Mittags mache ich manchmal eine Pause, manchmal fahre ich einfach durch. Die Landschaft verändert sich ständig und ist bis jetzt nicht langweilig oder gar öde. Es geht immer ein wenig auf und ab, viele Bäume und Büsche machen die Umgebung grün, große Termitenhügel sind am Straßenrand zu sehen.









In Tennant Creek

In Tennant Creek angekommen steuer ich den nächstbesten Campingplatz an. Mein Körper hat einen Pausentag und eine Dusche dringend nötig. Sauber und frisch mache ich mich auf die Suche nach dem einzigen Supermarkt. Tennant Creek hat 7944 Einwohner, doch viel los ist hier nicht. Viele Geschäfte an der Hauptstrasse haben geschlossen, nur ein Pub und ein bottle shop, wo man Alkohol kaufen kann sind geöffnet. Vor beiden steht ein Polizist und kontrolliert vor Eintritt die Personalien. Es geht hier nicht um Alter sondern um Adressen. Vielen der australias first people, auch Aborigines genannt, ist es verboten Alkohol zu kaufen oder zu konsumieren. Ihre Wohnsiedlungen wurden zu dry communities erklärt und Alkohol ist streng verboten. Dies ist die Antwort der Regierung auf das Alkoholismusproblem vieler natives.



Das Verhältnis zwischen den weißen, den neuen Australiern und den Ureinwohnern ist ein komplexes Thema, aber grundsätzlich ist es wie in anderen Teilen der Welt auch: Wann immer Länder oder Gebiete von weißen Europäern (und anderen) kolonialisiert wurden, hatte das dramatische Folgen für die dort lebenden Menschen, welche dadurch immer benachteiligt waren und bis heute sind.

Oft liegt es an der Aufzwingung eines fremden Lebensstils oder zumindest der Erwartungshaltung diese Menschen müssen sich unserem, dem besseren, Lebensstil anpassen. Dass diese Menschen es oftmals gar nicht wollen oder sogar können spielt dabei keine Rolle.

Ich finde den Supermarkt und er ist wie ein Paradies für mich. Endlich wieder frisches Obst und Gemüse und da der Campingplatz auch eine Küche hat, kann ich mal etwas anderes kochen als Reise mit Soße.


Ich komme schnell mit den anderen Gästen ins Gespräch. Australier sind ziemlich offen und jeder der mein Fahrrad sieht hat ein paar Fragen oder zumindest einen Kommentar. Besonders gut verstehe ich mich mit zwei jungen deutschen. Katia und Hauke sind mit dem Auto unterwegs und haben hier für ein paar Tage einen Job gefunden. Ich erzähle ihnen von meiner Reise und als sie dann auf meiner Webseite den neuen Fotokalender sehen wollen sie diesen gleich ihren Eltern zu Weihnachten schenken. Bezahlen wollen sie mich gleich in bar, in Dollar natürlich. Mal wieder hat sich, ohne mein direktes zutun, mein Geldproblem von alleine gelöst. Nach einem weiteren Pausentag starte ich die nächste Etappe nach Alice Springs.