Re: Centroamérica en bicicleta

von: joeyyy

Re: Centroamérica en bicicleta - 22.03.15 14:40






Dienstag bis Donnerstag, 27./28./29. Januar 2015: Von Tulum/Mexiko über die karibischen Caye-Inseln nach San Ignacio/Belize

In Tulum finde ich ein ordentliches Hostel irgendwo in einer Hinterstraße. Der Coolness-Faktor ist schon recht hoch, lauter junge Leute sitzen, hängen, liegen herum und einige von ihnen klampfen auf der Gitarre.

Morgen soll’s dann wieder mit dem Bus nach Chetumal an der Grenze zu Belize gehen. Ich bin ein wenig unzufrieden damit, dass ich Yucatan und Quintana Roo fast nur mit dem Bus befahren habe. Auf der anderen Seite gibt die Karibik-Küste Mexikos landschaftlich halt nicht so viel her.

Der ADO-Bus rollt pünktlich in den Busbahnhof ein, der Gepäckraum ist leer, ich kann mein Fahrrad wunderbar hineinbugsieren. Allerdings vergesse ich, meine Fließjacke mit in den Fahrgastraum zu nehmen. Es ist schweinekalt dort, weil die Klimaanlage auf Hochtouren läuft. Zweieinhalb Stunden Fahrt bedeuten zweieinhalb Stunden frieren. Im Fernseher laufen irgendwelche mexikanischen Quiz Shows, ich kann dabei ganz gut einschlafen. Draußen rauschen die Bäume an mir vorbei, mit dem Fahrrad wäre das hier eher langweilig.

In Chetumal erfahre ich, dass die Fähre nach Caye Caulker um drei Uhr nachmittags fährt. Sie fährt nur einmal täglich. Jetzt ist es halbzwei und ich beeile mich, dass ich zum Hafen komme. Obwohl das Fahrkartenbüro der Belize Water Taxi Corp. seit fünf Minuten geschlossen hat, rede ich so lange auf eine der beiden Betreuerinnen ein, bis sie mir dann doch noch eine Fahrkarte verkaufen.

Das Boot ist ein ziemlich schnelles Teil, die Passagiere sitzen in seinem Bauch wie in einem Bus. Mein Fahrrad hat einen Logenplatz direkt an Deck hinter dem Kapitän.

Auf der Fahrt zur Insel und dem angeblich chilligsten Platz Belizes komme ich mit einem österreichischen Paar und einer Neuseeländerin ins Gespräch. Wir wollen in zwei Hostels, die direkt neben einander liegen. Die drei anderen wollen in Zimmern schlafen, ich möchte zelten. Es gibt auf Caye Caulker ein Hostel namens Bella’s, was einen Zeltplatz anbietet.

Alles klappt planmäßig, wir verabreden uns dann zum gemeinsamen Abendessen irgendwo an einem Straßenstand. Die bieten hier wie auch schon in Mexiko sehr gutes Essen zu sehr fairen Preisen an. Wir gehen zu Fran’s und essen red Snapper, frisch aus dem Meer und frisch vom Grill. Wirklich lecker!

Der Vibe der Insel ist fühlbar. Viele junge Menschen versammeln sich hier und haben viel Spaß miteinander. Die einheimischen Kreolen gehen absolut locker miteinander rum. Aus jedem Restaurant, an jedem Straßenstand, aus jedem Büro klingt Reggaemusik. An der Treppe zu einem relativ guten Restaurant steht ein Schild mit der Aufschrift “no shirt? no shoes? no problem!”

Wir bekommen zum Abschluss des Essens noch Rum-Punsch serviert und haben auch schon einige Flaschen belizisches Bier ausprobiert. Auf dem Weg zu meinem Hostel versuchen die Österreicher und ich der Neuseeländerin zu erklären, wie viele Dialekte es in der deutschen Sprache gibt. Viele. Mit ein paar Promille Alkohol im Blut ist das eine lustige Konversation. Auf meinem Campingplatz legen wir uns in die Hängematten und trinken den Rest des mitgebrachten Bieres. DIe Luft riecht nach Gras. Wir reden darüber, wie unsere Erlebnisse waren, als wir welches rauchten oder in Keksform aßen. Ich glaube, wir haben alle lange nicht mehr so herzlich gelacht.

Die Nacht ist allerdings sehr unruhig auf dem Zeltplatz. Ständig kommen irgendwelche Gruppen junger Leute an oder gehen weg, ständig wird die Musik laut gestellt und wieder leise gestellt, ständig wird gelacht und gequatscht und rumgegackert. Ich glaube, ich schlafe gerade mal drei oder vier Stunden.

Am nächsten Morgen habe ich einen leichten Hangover. Das ist nicht schlimm, ich chille in einer Hängematte einfach nur ab. Das ist ein ungewohntes Gefühl, einfach mal nichts zu tun. Kein Buch, kein iPad, kein Telefon, keine Gespräche, nichts. Mein Kopf brummt, mir ist schwindlig und ich genieße es, einfach nur hier zu liegen. Dennoch geht mir immer wieder der Gedanke durch den Kopf, jetzt doch auch mal was tun zu müssen.

Das ist dann wohl Urlaubsstress. Ich entscheide mich ganz klar, es einfach nur sein zu lassen. Heute bleibe ich hier. Ich kann mich dem allgemeinen Virus erwehren, in der sogenannten schönsten Zeit des Jahres, der Urlaubszeit, jeden Tag irgendetwas nachweisen zu müssen, irgendwo einen Haken dran zu machen.

Schön ist das.

Am späten Nachmittag schnappe ich mir dann meine Kamera und gehe über die Insel, die sehr überschaubar ist. Irgendwann in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts rauschte wohl ein Hurrikan hier über die Insel und teilte sie in zwei Teile. Die Schneise, die der Wind hinterließ, nennt man hier den “Split”. Das ist der einzige Teil, wo man vernünftig schwimmen kann, da die Insel komplett mit Seegras umgeben ist.



Ich gehe wieder zurück ins Zelt, schnappe mir meine Schwimmbrille und schwimme in der Karibik. Es ist das gleiche Gefühl, das ich hatte, als ich mit Lennart in Kuba war. Einfach nur im Wasser schweben. Im Gegensatz zu Kuba gibt es hier ganz viele bunte Fische.

Die Nacht ist wieder ziemlich laut, irgendwelche Australier meinen, die Welt gehöre Ihnen. Die Neuseeländerin sagte auch, dass die Australier in Neuseeland nicht gut gelitten sind. Sie seien so etwas wie die Russen in Europa. Sie fallen in Scharen in die Touristen-Regionen ein, belegen alles, was frei ist und tun so als gäbe es keine anderen Gäste.

Selbst mit Wachsstöpseln in den Ohren fällt es mir schwer, einzuschlafen.

Am nächsten Morgen regnet es. Ich kann allerdings nicht mehr warten, da meine Fähre nach Belize City um acht Uhr abfährt. So packe ich das Zelt im Regen ein, den Rest hinterher und fahre zum Boots-Anleger.

Die Überfahrt nach Belize ist unspektakulär.

Die Fahrt durch diese Stadt ist schon ein spezieller Schnack. Verfahren solltest du dich hier nicht. Das Problem sind die jungen Kerle, die keine Arbeit haben. Gestern auf Caye Caulker sprach ich mit einem Ex Gang-Mitglied, der Spenden sammelt für Fußbälle, Pokale und Ähnliches, damit die Kids von der Straße kommen und was sinnvolles machen. Für so etwas spende ich gern etwas Geld, der Typ hat schon ganz spannende Geschichten erzählt.

Der Weg von Belize City nach Belmopan, das sind rund 80 Kilometer, ist extrem langweilig und sehr laut und dreckig. Ich bin froh, dass ich mir noch einen Rückspiegel ans Rad gebaut habe. So sehe ich des Öfteren Laster auf mich zukommen, die nicht ausweichen können, da auf der Gegenseite ebenfalls Laster fahren. Ich bin bestimmt zehn mal von der Straße runter gefahren und auf dem Randstreifen weitergefahren. Bremsen oder gar anhalten tut hier niemand für Fahrradfahrer.

Ab Belmopan wird es dann allerdings wirklich richtig schön. Hier fängt der tropische Regenwald an. Hier fangen auch die Hügel an. Es ist heiß und schwül, ein warmer Regenschauer kühlt mich ein wenig ab. Nach einer halben Stunde Fahrt bin ich allerdings wieder trocken, selbst der Schweiß auf der Haut verdunstet sehr schnell. An einem Straßenstand kaufe ich mir eine große Kokosnuss. Der Verkäufer schlägt sie auf und gibt sie mir zum Trinken. Das ist köstlich.



In San Ignacio finde ich ein ganz wunderbares Gästehaus, die ältere Besitzerin ist sehr freundlich zu mir. Ich habe heute ein Einzelzimmer und freue mich schon auf eine ruhige Nacht.

Ob ich morgen weiter nach Guatemala fahre, oder mir hier die berühmten Höhlen anschaue, weiß ich noch nicht. Ich werde das vom Wetter abhängig machen. Morgen soll es etwas länger regnen.

Aber eben: Mañana, mañana

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