Radreise Frankreich/Nordspanien (Lyon-Kantabrien)

von: Tom72

Radreise Frankreich/Nordspanien (Lyon-Kantabrien) - 17.11.14 11:26



Prolog

Bereits auf mehreren Touren hatte ich Frankreich und Spanien als für mich optimale Radreiseländer kennengelernt. Diesmal sollte es wieder eine Kombination aus Frankreich und Spanien sein. Ich hatte einschließlich An- und Abreise 24 Tage zur Verfügung. Als Startpunkt entschied ich mich für Lyon, vor allem aufgrund seiner guten Erreichbarkeit mit dem Zug (dank der damals neuen TGV-Direktverbindung Frankfurt-Lyon-Marseille, die ich im Frühjahr bereits für die Anreise zu einer Südfrankreich-Radtour genutzt hatte).

Ohne im Vorfeld allzu detailliert zu planen, sollte es dann Richtung Westen gehen, durch die Auvergne, entlang der Dordogne, ab Bordeaux entlang der Côte d’Argent bis zur spanischen Grenze (von der französischen Westküste kannte ich bereits den Teil zwischen Bretagne und Bordeaux und wusste, dass es auch im südlichen Abschnitt durchgehend Radwege abseits der Straßen gibt) und dann entlang der spanischen Nordküste.

Ein festes Ziel bzw. Endpunkt hatte ich nicht, ich wollte sehen, wie weit ich in der zur Verfügung stehenden Zeit kommen würde. Vielleicht bis Santander? Oder gar bis in die Picos de Europa, das höchste und landschaftlich spektakulärste Teilmassiv der kantabrischen Kordilliere, auf das ich durch Berichte hier im Forum aufmerksam geworden bin? Es war auch deswegen insofern keine feste Planung nötig, als es entlang der gesamten spanischen Nordküste eine landschaftlich sehr reizvolle Schmalspur-Bahnstrecke gibt und die Züge der Betreiber FEVE und Euskotren unkompliziert Fahrräder mitnehmen. So würde ich problemlos von dem Punkt, den ich an Tag 21 erreichen würde, nach Hendaye an der spanisch-französischen Grenze zurückkommen, von wo aus es mit TGV und ICE und einem Übernachtungsstop bei meinen Eltern in Stuttgart zurück nach Dresden gehen sollte.

Nun, ich habe es letzlich immerhin bis Kantabrien geschafft, bis ca. 40 km vor Santander, die Picos de Europa habe ich nicht erreicht – das war ohnehin ein sehr ambitioniertes Ziel. Weiter Richtung Westen habe ich die Küste dann im folgenden Jahr beradelt und habe die Picos de Europa dann auch mit Rad und Wanderschuhen erkundet. Aber das bleibt einem weiteren Reisebericht vorbehalten.

Radreiseerfahrungen in Frankreich und Spanien hatte ich bisher von sieben Touren: Freiburg-Marseille, Loire-Radweg und Bretagne, St-Nazaire-Barcelona, Paris-Barcelona, Südfrankreich von Menton nach Katalonien, Spanischer Jakobsweg und Andalusien .

Übernachten wollte ich möglichst oft auf Zeltplätzen, von denen es in Frankreich reichlich und in Spanien zumindest in den Küstenregionen ausreichend gibt. Ansonsten eben möglichst preiswerte Hotels und Pensionen. Gebucht habe im Vorfeld nur einen Platz für die erste Nacht in der Jugendherberge in Lyon, die ich schon von einer früheren Radreise kannte. Im Übrigen habe ich wegen der Reservierungspflicht die TGV-Fahrkarten Frankfurt-Lyon und für die Rückreise von Hendaye über Paris nach Stuttgart gebucht.

Sowohl zur Planung als auch für die Navigation vor Ort habe ich Michelin-Karten im Maßstab 1:200 000 bzw. 1:150 000 verwendet, die sich sich für mich seit jeher zum Radreisen als optimal erwiesen haben. Außerdem hatte ich die Reiseführer „Südwestfrankreich“ und „Nordspanien“ aus dem Michael Müller Verlag dabei, die mir gute Dienste geleistet haben.

Da ich sowohl die französische als auch die spanische Sprache beherrsche, war die Verständigung unterwegs sichergestellt, und es bot sich so auch die Gelegenheit zu mancher interessanter Unterhaltung. Letztlich sind die Sprachkenntnisse einer der Gründe, warum die beiden Länder mir als Radreiserevier bislang noch nicht langweilig geworden sind.



1. Tag (20.09.2012), Zugfahrt Dresden-Lyon

Heute geht es zunächst mit dem ICE von Dresden nach Frankfurt und von dort mit dem TGV nach Lyon. Die im Dezember 2011 eingeführte TGV-Verbindung von Frankfurt nach Marseille verläuft nicht über Paris, was weniger von der dadurch erzielten etwas geringeren Fahrzeit, als vielmehr deswegen interessant ist, weil der, gerade mit verpacktem Rad, zwar machbare, aber sehr umständliche Umstieg in Paris von einem Bahnhof zum anderen, quer durch die Innenstadt, vermieden wird. Und verpacken muss ich das Rad, da dieser TGV mit seinen Doppelstockwagen (TGV Duplex) nicht zu den wenigen TGVs mit Fahrradmitnahme zählt, und im ICE gibt es ja generell keine Radmitnahme. Die Methode „teildemontiert und im Fahrradsack verpackt“ habe ich aber schon zahlreiche Male in deutschen und französischen Hochgeschwindigkeitszügen praktiziert, so dass es inzwischen Routine ist. Gerade in den zwischen Dresden und Frankfurt eingesetzten ICE-Zügen (ICE-T) ist genug Platz für das verpackte Rad:



Abfahrt um 20 nach 8 in Dresden, in Frankfurt Hbf habe ich eine komfortable Umsteigezeit von über einer Stunde. Um 14 Uhr fährt der tägliche TGV Richtung Marseille. In den TGV-Duplex-Zügen gibt es im Oberdeck geräumige Gepäckregale, wo mein Fahrrad-Paket liegend hineinpasst:



Die Fahrt geht über Mannheim, Karlsruhe, Straßburg, Mulhouse, Belfort-Montbéliard TGV, Besançon Franche-Comté TGV und Chalon sur Saône. Die TGV-Verbindung Frankfurt-Marseille ist zeitgleich mit der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke vom Südelsass durch die Franche-Comté (LGV Rhin-Rhône) eingerichtet worden (Ende 2011); auf diesem Streckenabschnitt erreicht der Zug ausweislich der Anzeige in den Wagen zeitweilig eine Geschwindigkeit von knapp 320 km/h. Die Bahnhöfe an der Hochgeschwindigkeitsstrecke, Belfort-Montbéliard TGV und Besançon Franche-Comté TGV, liegen, wie in Frankreich bei Neubaustrecken üblich, weit außerhalb der Städte, deren Namen sie tragen.

Die Verpflegung im französischen Bordbistro ist leider so enttäuschend, wie sie teuer ist. Aber da ich schon etliche TGV-Reisen erlebt habe, bin ich bereits daran gewöhnt.

Kurz vor 20 Uhr steige ich am Bahnhof Lyon Part-Dieu aus,





baue das Rad auf und fahre durch die Innenstadt, über die Rhône und die Saône Richtung Westen und finde aus der Erinnerung ziemlich schnell die schön am Hang oberhalb der Saône gelegene Jugendherberge, wo ich bereits einige Jahre zuvor, auf meiner ersten Frankreich-Tour (Freiburg-Marseille) übernachtet habe und zu der eine extrem steile Straße hinaufführt.

Ich habe reserviert, ich bekomme ein Bett in einem Vierbett-Zimmer. Die Jugendherberge ist gut ausgelastet. Eigentlich wollte mich ich noch ein wenig in der Stadt umsehen und dort zu Abend essen, aber da es nun schon nach neun ist und die Jugendherberge über eine Bar verfügt, die auch einfache warme Snacks anbietet, bleibe ich hier oben und genieße auf der Terrasse den grandiosen Blick über Lyon.

2. Tag (21.09.2012), Lyon - St-Etienne

Strecke: 77,5 km (einschließlich Sightseeing in Lyon)

Fahrzeit: 4 Std. 30 min


Vom Jugendherbergszimmer bietet sich ein herrlicher Blick auf Lyon.



Ich bin bei den Reisevorbereitungen nicht mehr dazu gekommen, neue Bremsklötze einzubauen, also erledige ich das auf der Terrasse der Jugendherberge hoch über der Stadt. Man sieht im Vordergrund die Saône, dann die schmale Halbinsel zwischen Saône und Rhône, auf der die Altstadt liegt, und dahinter die Rhône.







Nun geht es los. Die Jugendherberge in Lyon kann ich allein schon wegen ihrer Lage hoch über der Stadt mit dem grandiosen Ausblick sehr empfehlen.



Ich fahre ein wenig kreuz und quer durch die sehr sehenswerte und mir ja bereits bekannte Stadt, vor allem entlang der Ufer der beiden Flüsse, wo es durchgehend Radwege gibt.



In Lyon gibt es Oberleitungsbusse.



Wenn man genau hinsieht, erkennt man, dass die Fenster an der schmalen Seite dieses Hauses nicht echt, sondern kunstvoll aufgemalt sind.



Erst als ich zwei Jahre später eine weitere Radreise von Lyon starte und mir das Haus noch einmal näher ansehe, stelle ich fest, dass eine weitere, viel größere und ebenfalls fensterlose Mauer auf dieselbe Art bemalt ist und sämtliche Figuren in den gemalten Fenstern und auf den gemalten Balkonen lebende und historische Personen mit Bezug zur Stadt darstellen (Paul Bocuse, Antoine de St.-Exupéry mit seinem Kleinen Prinzen, die Gebrüder Lumière und viele mehr). Aber das ist mir, wie gesagt, erst bei meinem folgenden Lyon-Besuch aufgefallen (siehe das Bild am Ende des Prologs, das zwei Jahre darauf – dieses Jahr – entstanden ist).

Das Rathaus (Hôtel de Ville) an der Place des Terreaux



Dieser Brunnen auf der Place des Terreaux ist eine Allegorie auf die beiden Flüsse der Stadt, Rhône und Saône.





Ich fahre am Rhôneufer entlang gen Süden und schwenke somit in Richtung meiner Reiseroute.







Lyon zählt zu den zahlreichen französischen Städten, die in den letzten Jahren (in diesem Fall im Jahr 2000) die Straßenbahn wieder eingeführt haben.







Nun folge ich der Saône, weiter Richtung Süden.



Hier, südlich der Innenstadt, fließen Rhône und Saône zusammen.



Nun geht es, mit mäßigem Autoverkehr und einigen Steigungen und Gefällen, auf der D 15 südwärts entlang des westlichen Rhôneufers, teilweise mit Blick auf den Fluss, bis Givors.



Ab Givors folge ich dem Fluss Gier, einem Zufluss der Rhône, Richtung Westen, sanft ansteigend über verkehrsarme Straßen parallel zur Autobahn, nach St.-Etienne.
St.-Etienne ist eine unspektakuläre, aber hübsche Stadt. Eine Besonderheit ist das Straßenbahnnetz, das einzige, das die Stillegungswelle der Nachkriegszeit, der ansonsten alle französichen Straßenbahnsysteme außer je einer Linie in Lille und Marseille zum Opfer gefallen sind, überlebt hat. Das Revival der Straßenbahn in Frankreich begann dann Ende der 1980er Jahre, angefangen mit Nantes und Grenoble, und inzwischen hat wieder fast jede große und mittlere Stadt in Frankreich die Straßenbahn in Betrieb, im Bau oder in der Planung.





Etienne ist übrigens die französische Form von „Stephan“, und so heißen der Sraßenbahnbetreiber „Société de transports de l'agglomération stéphanoise“ und die Einwohner von St.-Etienne „les Stéphanois“.

Ich finde ein einfaches und preiswertes, zentral gelegenes Hotel und lasse den Abend in der netten Altstadt ausklingen.

3. Tag (22.09.2012), St.-Etienne - Usson-en-Forez

Strecke: 61,5 km

Fahrzeit: ca. 4 Std.


Am nächsten Morgen schaue ich mich noch ein wenig in der Stadt um. St.-Etienne liegt auf der Wasserscheide zwischen der Rhône und der Loire und somit zwischen dem Mittelmeer und dem Atlantik. Ein Teil der Flussläufe, an denen die Stadt liegt, fließt in erstere, wie der Janon, der in den Gier mündet, dem ich gestern von der Rhône aus aufwärts gefolgt bin, und ein Teil fließt in letztere. Ich fahre nun westwärts, überwiegend abwärts und erreiche über die D 3 und die D 25 schließlich die Loire.



Die Loire kenne ich von verschiedenen Radtouren, weiter nördlich sowohl von Orléans bis zur Mündung (St.-Nazaire) und von Sully bis Nevers sowie weiter südlich, stromaufwärts, oberhalb von Le Puy-en-Velay.

Am anderen Loire-Ufer geht es wieder aufwärts.



Es geht, landschaftlich reizvoll, sanft hügelig weiter, die Straße ist jetzt wieder als D 3 nummeriert.



St.-Bonnet-le Château



Weiter geht es auf der D 498. Ich erreiche den ersten als solchen bezeichneten Pass der Reise.



Noch ein wenig auf und ab,



dann erreiche ich Usson-en-Forez. In dem hübschen Ort finde ich eine nicht ganz billige, aber sehr schöne Privatunterkunft (Gästezimmer, Chambre d’hôtes), nett eingerichtet mit antiken Möbeln und einem riesigen Himmelbett.



4. Tag (23.09.2012), Usson-en-Forez - Issoire

Strecke: 93 km

Fahrzeit: 4 Std. 54 min


Das Wirtsehepaar der Chambres d’Hôtes hat ein reichhaltiges Frühstück vorbereitet.



In Usson ist heute Markt, und ich decke mich mit leckeren regionalen Produkten – Wurst und Käse – für unterwegs ein.



Dann finde ich für den Weg Richtung Westen kleine, landschaftlich wunderschöne Sträßchen praktisch völlig ohne Autoverkehr (D 92, D 251, D 111).







Von der Stelle aus, wo ich auf die hinunter ins Tal des Flusses Dore (die, nach Norden fließend, in den Allier mündet, der seinerseits bei Nevers in die Loire fließt) führende D 202 treffe, habe ich einen schönen Blick ins Tal und auf Dore-l’Église.



Nun genieße ich ein paar Kilometer zügige Abfahrt. Zum Glück bin ich unten, im Ort Dore-l’Église, schon wieder etwas langsamer, denn nun landet etwas auf meiner linken Schulter, das ich sofort als eine Gottesanbeterin zu erkennen glaube, für mich die widerwärtigste Ausgeburt der (süd-)europäischen Fauna. Ich kann zwar das Viech von der Schulter scheuchen (vor lauter Ekel schaue ich nicht genau hin und kann nicht ausschließen, dass es nicht doch einfach ein Blatt gewesen ist), aber der Schreck ist mir dermaßen in die Glieder gefahren, dass ich den Lenker verreiße und stürze. Das heißt, gestürzt ist nur das Rad, ich bin aufgrund erstaunlich guter Reflexe aufrecht geblieben, komme ein paar Meter vor dem nach rechts gekippten Rad zum Stehen und habe, wie sich abends herausstellt, nur einen winzigen und nicht schmerzhaften Bluterguss auf der rechten Kniescheibe, wahrscheinlich vom Kontakt mit dem Oberrohr des kippenden Fahrrads. Ich brauche ein paar Minuten, um mich zu beruhigen (nicht wegen des glimpflich verlaufenen Sturzes, sondern um die unheimliche Begegnung seelisch zu verarbeiten), und inspiziere dann das Rad. Keine ernsthaften Schäden, nur die metallene Versteifung der Lenkertasche ist gebrochen. Zum Glück hält die Tasche die weitere Tour trotz zunehmender Verformung durch, es ist aber ihre letzte Reise.

Dore-l’Église



Unterhalb des Ortes treffe ich auf die von Norden nach Süden verlaufende Hauptstraße D 906. Die unspektakuläre Kreuzung ist mir deshalb ein Foto wert, weil ich hier auf die Route einer Radreise vom Vorjahr stoße, als ich auf dem Weg von Paris nach Barcelona (ca. 3 Wochen) auf dieser Straße von Norden (Vichy, Thiers, Olliergues, Ambert, Arlanc) weiter Richtung Süden über den Pass bei La Chaise-Dieu und weiter nach Le Puy-en Velay gefahren bin.



Ich fahre ein paar Kilometer auf dieser letztjährigen Route entgegen der damaligen Fahrtrichtung, nordwärts, bis Arlanc, und schwenke dann wieder nach Westen Richtung Issoire. Verkerhrsarm und landschaftlich wunderschön geht es zunächst aufwärts über die D 300 zur Wasserscheide, die die Dore vom Allier trennt (die aber beide zum Flusssystem der Loire gehören).









Der Col de la Dételée mit 1075 m markiert den höchsten Punkt der heutigen Etappe.



Dann geht es über die D 999 abwärts ins Tal des Allier nach Issoire.



Issoire ist ein hübsches Städtchen.



Ich finde schnell ein nettes, preiswertes Hotel und lasse den Abend mit einer Pizza ausklingen.

Fortsetzung folgt...