Re: Radtour durch Polen - na und?

von: benki

Re: Radtour durch Polen - na und? - 15.01.14 18:52

Hier die letzte Folge!

14.04.2013 Stradomla Wierzchnia – Wroclaw

Ich habe keinen Kater und bin gut gelaunt, also war der Wodka richtig gut. Heute lasse ich mir Zeit und stehe erst um 08:00 Uhr auf. War das alles nur ein Traum, die tolle Hochzeit mit den vielen netten Menschen. Nein, es war kein Traum. Als Nachtrag wäre noch gesagt, dass bei der Hochzeitsgesellschaft um Bauern aus der unmittelbaren Umgebung handelte. Ich habe viele Fotos gemacht und man bat mich, diese per Post an das Brautpaar zu schicken (Internet haben sie nicht). Das werde ich auf alle Fälle tun.
Nach dem Frühstück fahre ich heute auf kleinen Nebenstraßen in Richtung Wroclaw. Die Straßen sind o.k. und anfangs bin ich fast der Einzige auf den Straßen.. Das Wetter ist heute wieder richtig toll. Viel Sonne, 18 ° C und kaum Wind. Es läuft richtig gut. Bis auf die letzten 25 km vor Wroclaw. Ich wähnte mich auf einer Nebenstraße, doch plötzlich fahren die Autos dicht an dicht. Was ist denn jetzt los, haben die alle kein zu Hause. Da die Straße nicht so breit ist, keinen ordentlichen Randstreifen hat und meist huckelig ist, wird es richtig eng auf der Straße. Die Autos fahren sehr ruppig an mir vorbei. Das kannte ich bisher gar nicht. Hatten die alle kein gutes Mittagessen, oder was? Ist schon komisch, heute. Von der Stadtgrenze bis in die Innenstadt sind es viele Kilometer z.T. auf auf Radwegen und z.T. auf den Straßen. Ich muss höllisch aufpassen, das mich niemand von der Straße schubst.





Endlich bin ich im Zentrum. Jetzt nur noch eine billige Bleibe suchen. Ich werde schnell fündig und übernachte im "Hostel Royal". Mit dem Fahrstuhl geht es in die 4. Etage hoch. Mein Rad (Gepäck abgerüstet) passt auch hinein - auf dem Hinterrad stehend. Die sind hier echt freundlich, der Preis stimmt, es gibt Internet, was will man mehr?
In der Stadt ist viel los. Menschen über Menschen drängeln bei diesem herrlichen Wetter durch die Straßen . Ich genieße die warmen Sonnenstrahlen und muss erst mal wieder runterkommen, die Autos auf den letzten Kilometer haben mich etwas genervt.
Ich werde hier zwei Nächte bleiben. Für mich steht nicht das Runterspulen von Kilometern im Vordergrund, sondern Land, Leute und etwas Kultur mitnehmen.

Montag, 15.04.2013 - Aufenthalt in Wroclaw

Heute muss ich unbedingt einiges organisieren. Als Erstes eine Post suchen. Ich will ein Paket abschicken und einiges von den Wintersachen loswerden.
Also mein Ziel, in Polen den Frühling zu entdecken, habe ich schon erreicht.
In der Post nehme ich alle möglichen Zettel mit, in der Hoffnung, dass einer dieser Zettel zum Aufgeben des Paketes richtig ist. Der junge Mann im Hostel hilft mir beim Ausfüllen. Doch der Zettel ist nicht der Richtige. Die Frau auf der Post gibt mir ein Formular, das unübersichtlicher nicht sein kann. Die Adresse - o.k. - die fülle ich aus. Der Rest ist mir zu kompliziert. Die Frau hat Erbarmen und füllt den Rest für mich aus. Na, geht doch!

Das Paket ist jetzt auf den Weg nach Deutschland und ich muss fast 5 kg weniger transportieren. Noch ein Frühstück auf dem Markt - schön in der Sonne.
Dann muss ich noch sämtliche Buchläden und Apotheken abklappern. Ich habe Aufträge von Arbeitskollegen bekommen. Weder das Buch, noch die Medikamente aus der Apotheke waren erhältlich.





Ganz dringend ist auch der Besuch beim Friseur. Diesen finde ich in einer Seitenstraße und lasse mir die Haare kürzen.

Endlich habe ich Zeit zum Relaxen und kann durch die Stadt bummeln.
Wroclaw kann man nicht an einem Tag, schon gar nicht am halben Tag erkunden. Hier gibt es vieles zu besichtigen und ich kann es nur empfehlen. Wo war ich denn überall:










- Rund um den Ring mit alten Rathaus (wirklich schön) und Schweidnitzer Keller (uriges Restaurant)
- Universitätsviertel (Universität ist ein Barockes Gebäude)






- Markthalle (war ein bisschen ruhig da drinnen, viel Obst, Gemüse und Blumen werden verkauft)
- Panorama von Raclawice (Schlacht von 1794, wo die Polen den letzten Sieg gegen die Russen gewannen, auf einem über 100 m langen Panoramabild dargestellt)






- Dominsel (Hier herrscht Ruhe, es gibt viele Kirchen, ein Kloster und die Kathedrale, wo alle Bischöfe von Breslau beigesetzt wurden.





Nicht zu vergessen die Aussichtsplattform, wo man sogar in einem Fahrstuhl auf 60 m hoch- und runtergefahren wird.)

Nach diesem Stadtmarathon habe ich mir eine Pause verdient. Ich genieße noch die Sonnenstrahlen auf dem Markt bei Essen und Bier.


Gute Nacht!


Dienstag, 16.04.2013 Wroclaw – Kryzowa

Im Hostel gibt es Frühstück von einer Catering-Firma. Kaffee steht jederzeit zur Selbstbedienung bereit. Man kann es hier echt aushalten. Während ich frühstücke sehe ich die Nachrichtenmeldung vom Bombenanschlag beim Boston-Marathon. Ich bin erschüttert und komme mit einem Polen und einem Holländer ins Gespräch. Aber irgendwann muss ich dann auch wieder los. Draußen scheint wieder die Sonne und es ist warm. Kann ich heute schon in kurzen Hosen fahren? Erst mal bleibe ich bei langer Kleidung. Aber nicht lange;). Ich verlasse Wroclaw auf der 347 in Richtung Katy Wrocl..

Also mit dem Verkehr in den großen Städten komme ich ganz gut zurecht. Keine Ahnung, ob die Auto- und Brummifahrer mit mir auch zurechtkommen. Es hat sich jedenfalls noch keiner beschwert. Als ich aus der Stadt raus bin, bekomme ich wieder die volle Breitseite vom Wind ab. Muss wohl so sein.

In Katy Wrocl. mache ich eine Pause. Ich unterhalte mich mit einer Frau, die hier seit einer Woche ein Motel führt. Sieht ganz einladend aus, aber ich habe erst 25 km weg. Die Frau macht mir einen Kaffee und ich esse ein Baguette.





Kurz nach dem Ort fahre ich wieder auf eine Nebenstraßen, mit wenig Verkehr. Hier kann man wilde Tiere sehen und es macht wieder Spaß zu fahren, trotz Wind.
Links ist der Berg Sleza zu sehen. Ein einzelner Kegel, mitten in der Landschaft, der immerhin 718 m hoch ist. Ich fahre weiter nach Swidnica. Schon von weitem sieht man die über 100 m hohe Kirchturmspitze, immerhin die höchste in Schlesien. Doch die Hauptattraktion ist die Friedenskirche der Protestanten. Von außen ganz schlicht mit Holz und Lehm gebaut, von innen dafür umso prächtiger. Hier sollen 7500 Menschen Platz finden. Die Kirche wurde nach dem 30-jährigen Krieg (1656) als Zeichen der Versöhnung erbaut. Heute ist diese Kirche Weltkulturerbe der UNESCO. Leider habe ich kein Foto gemacht, weil zu viele Touristen im Bild waren, sorry!.

Jetzt sind es nur noch wenige Kilometer bis zu meinem heutigen Ziel Kryzowa (ehemals Kreisau), ein kleines Dorf südlich von Swidnica. Ich war 2009 schon einmal hier und da habe ich das erste mal vom "Kreisauer Kreis" erfahren. Das ist eine Widerstandsgruppe um Helmut James Graf von Moltke, die ab 1941 den Kreisauer Kreis gründeten und Pläne für ein demokratisches Deutschland nach einem gewaltfreien Sturz Hitlers erarbeiteten. Nach dem missglückten Anschlag auf Hitler, führten auch Spuren zum Kreisauer Kreis. Graf von Moltke und viele seiner Verbündeten wurden im Januar 1945 hingerichtet. Die Originalschriften wurden von der Ehefrau des Grafen im Dachboden versteckt...







Wie gesagt, ich hörte 2009 erstmals von der Widerstandsgruppe. Dieser Gutshof gehörte einst der Familie Moltke und ist heute ein Prestigeobjekt der Stiftung deutsch-polnische Zusammenarbeit und wohl das bekannteste deutsch-polnische Jugendzentrum in Polen. Ganz ehrlich, wer kennt es???.

Ich bekomme ein Hotelzimmer (das teuerste auf dieser Reise entsetzt )und mache meinen Rundgang durch das herrliche Anwesen. Einige Kinder und Jugendliche spielten Fußball. Sie sprechen polnisch oder deutsch. Sonst gibt es noch viele Workshops und, und, und.
Im Restaurant bin ich der einzige Gast. Der Kellner sagt mir, dass hier erst ab 22:00 Uhr mehr los sein soll. Na da bin ich aber gespannt. Also genehmige ich mir noch eine Stunde Schönheitsschlaf und dann....
Tatsächlich ab 22:00 Uhr ist es voll im Gastraum. Die Kinder und Jugendlichen haben Bettruhe ( zwinker ha,ha,ha) und die Lehrer, sowie Praktikanten treffen sich auf ein oder auch zwei DAB (Dienst-Abschluß-Bier).
Irgendwann sitze ich auch schon inmitten der Runde und ich erfahre sehr viel über die Tätigkeiten der Lehrer und dass man hier auch sein Praktikum machen kann. Hin und wieder stürmen die Lehrer los, um die Bettruhe durchzusetzen. Es ist ein lustiger und geselliger Abend bier .
Dobranoc!



Mittwoch, 17.04.2013 Kryzowa - Jelenia Gora

Wow, war das heute ein tolles Frühstück. Ich platze bald, aber ich benötige die Energie. Heute könnte es einige Hügel geben. Die Sonne ist wieder präsent und es ist gleich so warm, dass ich von Anfang an mit kurzen Sachen fahren konnte. Vor einer Woche hätte ich nicht mal im Traum daran gedacht. Noch ein Plausch mit den Lehrern, die mir ein gute Weiterreise wünschen und los geht es.





Hm, wohin eigentlich nur. Wieder zurück Richtung Norden, über Swidnica oder gen Süden, auf Nebenstraßen und auch unbefestigte Straßen in Kauf nehmen???
Also ich entscheide mich für die zweite Variante. Es hat ein paar Tage nicht geregnet, vielleicht sind die Wege befahrbar. Umkehren kann ich immer noch. Das Blöde ist nur, dass die unbefestigten Ortsverbindungsstraßen nicht ausgeschildert sind. Ich frage mich durch und finde den richtigen Weg. Es sind aber nur 2 km unbefestigte Straße. Schnell komme ich bis nach Walbrzych, wo ich eine Pause auf einem Kinderspielplatz mache.











Heute scheine ich Glück zu haben, der Wind ist kaum zu spüren. Es sind Traumwege. Viele Hügel, Bergabfahrten…na gut ich muss erst mal hoch…aber dann sind mir Abfahrten mit über 55 km/h vergönnt (wenn die Straßen gut im Schuss sind). Es fährt sich richtig toll.

Ab dem Ort Gostkow ist aber Schluss mit lustig. Von hier führt eine angeblich "befestigte Nebenstraße" in den Ort Domanow (laut Karte ca. 5 km).





Die Straße ist so was von löchrig. Da noch Reste von Asphalt ersichtlich sind, war sie wirklich mal befestigt.




Ich umfahre die vielen Löcher und muss dann auch noch durch riesige Pfützen waten. Da leben sogar schon Frösche drin – kein Witz. Auto‘s oder geschweige mal eine Menschenseele, die hier unterwegs sind? Fehlanzeige!
Mitten im tiefen Wald höre ich Motorsägen- ah, es gibt hier doch noch Menschen. Ich bin nun schon ewig unterwegs und etwas verunsichert (das ist untertrieben). Ich frage den Forstarbeiter, ob der Weg nach Domanow führt. Er bejaht es mit einer Selbstverständlichkeit, als ob ich heute der 100-ste Radfahrer bin, der ihm nach dem Weg fragt. Artig bedanke ich mich und fahre weiter.
Ich hätte es ahnen müssen, wo ein Forstarbeiter Bäume fällt, gibt es bestimmt noch mehr Forstarbeiter.



Die Straße ist mittlerweile eine Schlammpiste. Ich muss da wohl durch. Entsprechend sieht auch das Rad und ich aus. Nach 1 km schieben und tragen, bin ich am Ende – des Weges und meiner Kräfte. Die Ortschaft Domanow ist tatsächlich erreicht. In einer Pfütze machte ich mein Rad wieder Straßentauglich. Ich glaube, ich habe auch laut geflucht – da bin ehrlich.

Für die 5 km habe ich fast eine Stunde gebraucht. In Marcisow erhole ich mich von den Strapazen. Mir stehen noch viele Kilometer bevor. Die Strecke ist wunderschön. Hier gibt es auch richtige tolle Radwege und mir kommen auch viele Radfahrer auf ihren Mountainbikes und Rennrädern entgegen. Wir grüßen uns, wie die Motorradfahrer.



Im Schloss von Lomnica, 10 km vor meinem heutigen Ziel, treffe ich noch zwei ältere polnische Radfahrer. Wir führen einen Plausch und fahren gemeinsam in Richtung Jelenia Gora. Ich bin wieder voller Energie und verabschiede mich von ihnen (das ist mir dann doch zu langsam). In Jelenia Gora muss ich mich erst mal orientieren. Ich war hier schon dreimal, aber ich bin noch nie aus dieser Richtung gekommen.
Ich checke im Hotel „Europa“ ein, da ist man gleich in der Innenstadt. Nach einem guten Essen, mache ich ein Nickerchen im Hotel. Ich bin heute ganz schön fertig. Am Abend ziehe ich noch durch die Stadt und habe in einem Pub wieder mal die Leute beobachtet. Es ist Wahnsinn, wie viele Leute zum Feierabend im Pub sitzen. Im Sommer verwandelt sich der wunderschöne Markt in ein Meer aus Freisitzen.










Der Marktplatz ist von Laubenhäusern umgeben. Inmitten steht das schöne Rathaus. Wer ins Riesengebirge will (von polnischer Seite), kommt an Jelenia Gora (Hirschberg) nicht vorbei. Einen Abstecher ist es immer wert.
Nach dem Bier im Pub laufe ich zum Hotel und werde noch magisch von guter Musik aus einem anderen Pub angezogen. Drinnen sind nur noch ein paar Leute. Ich komme schnell mit dem Barkeeper ins Gespräch. Der fängt auf einmal an, wie wild was zu mixen und plötzlich stehen vor mir zwei Gläser mit einem richtig leckeren Gesöff. Es wird heute spät, aber es ist zum Glück noch nicht zu spät, dass ich den Absprung schaffe. Ansonsten wäre ich wohl hier versumpft. Danke Adam, du cooler Barkeeper!!!


18.04.2013 Jelenia Gora – Zgorzelec

Das ist heute mein letzter Tag auf dem Rad durch Polen. Es waren zwar nur 16 Tage, davon 11 Tage auf dem Sattel, aber es kommt einem wie eine Ewigkeit vor.
Ich stehe wieder kurz nach 07:00 Uhr auf. An dem Rhythmus habe ich mich langsam gewöhnt, auch an die Buffet-Variante beim Frühstück. Heute ist es ganz lustig beim Frühstück. Ich beobachte einen Mitarbeiter des Hotels, ich will ihn mal nicht Kellner nennen. Seine Hauptaufgabe scheint das Auffüllen von Heißwasser- und Saftbehältern zu sein. Dies macht er gewissenhaft. Beim Rausgehen aus dem Frühstücksraum übersieht er, dass sich das benutzte Frühstücksgeschirr auf den Tischen türmt. Das scheint eben nicht seine Aufgabe zu sein. Irgendwann lässt sich die Chefin sehen. Die sieht auch die dreckigen Tische und es hagelt einen Anschiss für den Mitarbeiter. Lustlos verrichtet er nun diese niedrige Arbeit und trägt das Geschirr heraus. Da er nur zwei Hände hat, bekommt er auch nur zwei Teile weg. Ich bin eher fertig, wie er einen Tisch fertig abgeräumt hat.
Es ist wieder richtig warm. Auf Nebenstraßen verlasse ich Jelenia Gora. Ich fahre geradewegs auf das schneebedeckte Riesengebirge zu.





Welch ein Anblick bei diesem strahlend, blauen Himmel. Noch ein paar Kilometer auf der E 65 Richtung Szklarska Poreba und dann biege ich auf eine Nebenstraße in Richtung Mirsk ab. Hier fährt es sich wieder traumhaft schön und es geht wieder ordentlich bergauf. Nebenstraßen haben den „Vorteil“, dass sie an die Geländegegebenheiten angepasst werden. Es gibt teilweise Abschnitte, die mehr als 12 % Steigung haben. Ich komme ganz schön ins schnaufen. Nur nicht Absteigen, ist meine Devise. Ich habe ihn schon richtig vermisst, meinen Begleiter, den Wind. Hier oben auf über 500 m Höhe versucht e, mit starken Böen von der Seite, mich vom Rad zu schubsen. Anfangs denke ich der Wind ist nur hier oben, aber auch im Tal, eigentlich den ganzen Tag ist der Wind wieder da und das so heftig böig. Meistens habe ich diesen von der linken Seite, selten von hinten. In Mirsk bin mache ich eine Pause auf dem Marktplatz. Da trifft man Leute und man kann hin und wieder einen Schwatz abhalten.
Von einem weiß ich, dass er die deutsche Schokolade und die deutsche Suppe mag, angeblich ist in Polen alles so schlecht. Seine Mutter, die Wilhelmine heißt, ist 89 Jahre alt und nicht mehr bei bester Gesundheit.
Ein anderer fragt mich aus, woher ich komme, wohin ich fahre und warum ich durch Polen fahre. Ich beantworte die Fragen und frage meistens nach der Wegbeschaffenheit. Alles gut, wird mir versichert.
Nach Mirsk beginnt heute für mich das große Rätselraten. Die Karte haut überhaupt nicht mit dieser Gegend überein. Als ob hier Schildbürger unterwegs waren und Schilder umgedreht haben. Ich suche und suche und komme letztendlich zu weit im Süden an der 358 bei Swiecie heraus, kurz vor der tschechischen Grenze. Von hier geht es dann nur noch bergab bis nach Lesna. Die Straße ist aber so schlecht, dass ich die Bergabfahrt fast nur bremsen muss, damit ich nicht abhebe. Die Temperaturen steigen auf 28 °C. Ich trinke heute bestimmt 3 Liter Wasser.



Ungefähr 15 km vor Zgorzelec mache ich noch eine längere Pause und fahre dann wieder auf einer schönen Nebenstraße bis nach Zgorzelec hinein. Jetzt ist alles nur noch ein Kinderspiel. Rein in die Stadt, checken wo ist was.



Mal schnell zur Grenze, Foto machen und …nein, ich fahre nicht nach Görlitz. Ich bleibe die letzte Nacht in Zgorzelec.
Mein Reiseführer, schreibt dazu: "Das polnische Zgorzelec wirkt im Vergleich zum deutschen Görlitz ziemlich kläglich und kann leicht einen Kulturschock auslösen."
Das ist hart, nun erst recht, ich will diesen Kulturschock erleben. Ich suche mir unmittelbar in der Nähe des Grenzüberganges eine billige Unterkunft. Diese heißt „Dom Turysty“, ist ein Altbau und die Toiletten/Duschen sind auf dem Gang oder im Treppenaufgang. In dem Haussollen ca. 50 Personen (eine Schülergruppe) untergebracht sein. Die Frauvon der Rezeption warnt mich, dass es laut werden könnte. Mir macht es nichts aus, ich will doch diesen Kulturschock erleben.
Das Zimmer ist o.K., mit Fernseher (+ deutsche Programme). Die Duschen und Toiletten sind echt sauber (auch am nächsten Morgen noch!). Ich mache mich Ausgehfertig, esse im Restaurant „Afirmacja“, welches gemeinsam mit der Herberge betrieben wird, ein richtig gutes polnisches Kotelett, mit Stampfkartoffeln, Rote Beete und gebratenem Sauerkraut. Das war lecker. Die polnischen Gerichte schmeckten mir auf der ganzen Reise immer sehr gut und ich habe diese dem Pizza-, Kebab- und sonstigen Fastfoodkram immer vorgezogen.
Die Stadt wirkt wirklich trostlos. Anfangs sehe ich nur Schilder wie: „Zigaretten – Billig“; „Kantor“. Die Uferpromenaden an der Neiße ist sehr hübsch hergerichtet. In den Nebenstraßen erwartet mich auch kein Kulturschock. Ich muss wieder zurück, ein Gewitter zieht auf. Schnell noch in einen Laden, wo es Alkohol gibt. Ich möchte noch einen guten polnischen Wodka mit nach Hause nehmen.
Das Angebot ist vielfältig. Welchen nimmt man? Ich frage also. Ihr glaubt gar nicht, wie viele Fachleute im Laden waren und mir nun alle möglichen Wodkaflaschen hinstellten. Hier kennt sich wohl jeder aus. Die wohl 18 jährige und 50 jährige Angestellte, aber auch ein Kunde haben mich bestens beraten. Andere Kunden mussten nun warten, hier ging es um den guten Wodka und der Deutsche möchte bitte diesen polnischen Wodka kaufen. Ich habe mich für „Biala Dama“ entschieden.
Den Abend verbringe ich Zimmer, draußen schüttet es und ich „genieße“ das deutsche Fernsehprogramm - „Germanys Next Topmodel“ – grausam jetzt habe ich endlich meinen Kulturschock.

Ende!!!




Ich bin am Ende meiner Reise. Mein Ziel war es, den Frühling in Polen zu entdecken. Es ist mir gelungen, wenn auch spät. Die Tour gehört mit zu den härtesten, die ich gefahren bin. Schuld daran war das kalte und nasse Wetter in der ersten Hälfte der Reise. Ich war dadurch gezwungen, zu viele Sachen einzupacken. Das habe ich aber wirklich gebraucht. Nun, ich wollte das Abenteuer und ich wurde dafür belohnt, mit vielen Eindrücken, die ich alle gar nicht wiedergeben kann. Die Begegnungen mit den lieben, netten und freundlichen Menschen auf der Straße, in der Bahn, den Bars u.s.w. Wenn man möchte, kommt man hier sehr schnell mit den Leuten ins Gespräch.
Was ist mit den vielen Vorurteilen? Diebstahl, Kriminalität, böse, böse Auto- und LKW-Fahrer, sehr schlechte Straßen. Sicher, all das wird es geben und gibt es auch in Polen und jedem anderen Land. Persönlich habe ich aber keine schlechten Erfahrungen gemacht. Die schlechten Straßen gab es wirklich, aber als Radfahrer empfindet man schlechte Straßen erst dann als schlecht, wenn man absteigen und schieben muss (das Erlebnis hatte ich einmal).

Jetzt noch ein paar Sätze zu der Lieblingsfrage, die mir sehr oft gestellt wurde: Warum machst du das???
Das ist eine Frage, die kann man nicht so oberflächlich beantworten. Trotzdem reichte es vielen aus, wenn ich geantwortet habe, es ist mein Hobby. Der Fragende war mit dieser Antwort einverstanden, ist eben so was wie Briefmarkensammeln, Autos reparieren, Tennis spielen etc.
Doch ich mache solch eine Tour auch, weil ich das Abenteuer brauche. Solche Eindrücke bleiben für ein Leben lang erhalten. Und ich mache solch eine Tour auch für viele Freunde und Verwandte, um zu zeigen, was man mit einem starken Willen erreichen kann. Aufgeben ist leicht, das kann jeder. Aber die Zähne zusammenbeißen oder den inneren Schweinehund überwinden, das ist eben nicht so leicht. Wenn man das schafft, meistert man auch viele Probleme im Alltag. O.k. genug philosophiert...

Hier die Statistik:
Pannen: keine
Krankheiten: keine
Stürze: 1 x ……………mein Rad ist einmal umgestürzt
Kilometer: fast 1000 km (ist aber nebensächlich)
Highlights: Hochzeit, Stadtführung in Szczecin, Torun, professionelle Reinigung meines Rades, Zugfahren
Am 20.04.) ist das Paket aus Polen angekommen, es war also nur 5 Tage unterwegs - Danke Poczta Polska!
Die Hochzeitsbilder habe ich an das junge Brautpaar geschickt. Mit einer anderen jungen Familie bin ich seit dieser Hochzeitsfeier immer noch im Kontakt.