Radfahren mit Lungenkrebs

von: joey_66

Radfahren mit Lungenkrebs - 30.05.10 08:16

Hallo liebe Forumsmitglieder und Betroffenen,

jeder der die Diagnose „Sie haben Krebs“ bekommen hat, weiß dass es ein Schock ist, mir ging es nicht anders, aber ich denke die Einstellung und der Umgang mit der Krankheit ist ein ganz entscheidender, wenn nicht sogar der entscheidende Punkt.

Als man mir im Sommer 2007 die Diagnose „Lungenkrebs“ stellte, war der erste Gedanke was nun?

Da für mich Chemo- und Strahlentherapie nicht infrage kamen (ich habe meine schwerstkranke Mutter 4 Jahre gepflegt und die Nebenwirkungen hautnah miterlebt) , aber eine OP möglich war, willigte ich ein und mir wurden im September 2007 ca. 40% meiner Lunge entfernt.

In der anschließenden REHA stellte sich heraus, dass ein Laufweg von nur 100m und Treppensteigen sehr schwer fiel, daher fing ich im Frühjahr 2008 -zunächst sehr unsicher- wieder mit dem Radfahren an und stellte fest, dass das nach täglichem und stetig steigerndem Training recht gut ging.

Inzwischen unternehme ich sogar Radreisen im Kampf gegen das Rauchen und Krebs um anderen Betroffenen Mut zu machen, die 6. beginnt am 04.06.10 trotz einem GdB von 100 mit Merkzeichen „G“, ich werde berichten.

Näheres findet Ihr auf meiner Webseite.

Gruß aus Düsseldorf, Jochen
von: veloträumer

Re: Radfahren mit Lungenkrebs - 30.05.10 11:19

Hallo Jochen,
das ist mal wieder eine großartige Sache, wie das Radfahren zum Teil der Gesundheitstherapie - und besser noch - der Lebensperspektive wird. Respekt, dann auch noch anderen auf einen guten Pfad zu helfen. bravo

Wenn du nur noch 60 % des Lungenvolumens hast - würdest du sagen, dass auch dein Leistungsvermögen dem gegenüber vorher entspricht - oder eher mehr/weniger?

Da du bestimmt gut medizinisch erfasst bist: Gibt es medizinische Werte, die eine positive Wirkung des Radfahrens bestätigen oder zumindest nahelegen (Lungenvolumen, Blutwerte o.ä.)?
von: BeBor

Re: Radfahren mit Lungenkrebs - 30.05.10 11:45

In Antwort auf: joey_66

Inzwischen unternehme ich sogar Radreisen im Kampf gegen das Rauchen und Krebs...

Hallo Jochen,

Deine Webseite kannte ich bereits. Dir selbst wünsche ich alles Gute und dass Du trotz der geschilderten Einschränkungen dauerhaft im Stande sein wirst, Deine Radreisen zu machen. Ich selbst hatte 1988 die (vorschnelle) Diagnose "Lungenkarzinom", dies wurde aber nach ungefähr einer Woche und diversen Untersuchungen im Krankenhaus entschärft, es war "nur" eine Sarkoidose. Jedenfalls hat mich der Schock schlagartig und dauerhaft vom Rauchen geheilt.

Bernd
von: joey_66

Re: Radfahren mit Lungenkrebs - 30.05.10 15:27

Hallo Matthias,

natürlich ist man durch das wesentlich geringere Lungenvolumen auch bei weitem nicht mehr so leistungsfähig wie zuvor, aber durch mein stetiges Radfahren –und das ist das einzige was sportlich noch geht- steigern sich auch kontinuierlich zur Freude meines Pneumologen die Werte bei den Lungenfunktionstests, die bei den turnusmäßig durchgeführten Kontrolluntersuchungen wie CT und Bronchoskopie Standard sind. Die letzte habe ich gerade erfolgreich abgeschlossen. bravo

Positiv bei der ganzen Geschichte war aber, dass ich noch bevor ich nach den ganzen Untersuchungen die Diagnose „Plattenepithelkarzinom“ bekam, von jetzt auf gleich -was ich nie für möglich gehalten hatte-, das Rauchen eingestellt habe, denn es ist reine Kopfsache! Daher: Einstellen!!

Und ich mein Leben das ich hier nicht ausbreiten möchte, neu sortiert habe, nur soviel, es war ein Leben auf der Überholspur, ständig auf der Jagd nach Geld und keine Zeit für die schönen Dinge des Lebens wofür es sich zu leben lohnt , heute genieße ich jeden Tag und vor Allem die Natur.

Immer schön gesund bleiben und LG Jochen
von: Juergen

Re: Radfahren mit Lungenkrebs - 20.04.23 20:20

Lieber Jochen,

Du warst vor drei Jahren einer der ersten, die ich kontaktiert habe, nachdem ich die Diagnose Lungenkrebs erhalten habe.

Nach unserem Gespräch am 19. März war mir sehr klar, dass ich, so wie Du, die gleiche Klinik in Düsseldorf Kaiserswerth aufsuchen werde.

Du sagtest mir, dass alle, die Du kennst und die mit Chemotherapie behandelt wurden, nicht überlebt haben. Du hast es sogar noch drastischer ausgedrückt. zwinker

Nun, der Diagnose fehlte nur die Klassifikation ob klein- oder nicht kleinzellig.

„Kleinzellig“ hörte ich heute vor drei Jahren zum ersten Mal. Es war scheimbar mein Todesurteil. Überlebenschance 5 bis 15%.

Es war der Tag, an dem im Fernsehen die Nachrichten über die LKW, die in Bergamo Corona- Leichen transportiert haben, stündlich wiederholt wurden. Zwei Tage später begann die erste Chemo-Runde mit Cisplatin.

Einerseits in der Hoffnung, den Lungenkrebs zu überleben und anderseits mit der Angst, an Corona zu krepieren, verbrachte ich viel Zeit in Isolation und der Planung neuer Radreisen. Drei Wochen später, bei einem Spaziergang zur Zweiten Runde Cisplatin, stand ich in Düsseldorf Kaiserswerth am Rheinufer und schaute auf den Campingplatz auf der anderen Rheinseite.
Mit glänzenden Augen sah ich mich auf der grünen Wiese vorm Zelt sitzen und neben meinem Rad auf der Bastmatte einen Kaffee trinken. Ich konnte die Wiese bis hin zu mir über den großen Fluss riechen.

Auf genau das wollte ich in diesem Augenblick nie wieder verzichten. Niemals. Diesen Geruch trage ich seitdem in mir und dieses Bild in Verbindung mit deiner Geschichte hat mir oftmals die Kraft gegeben, die nötig ist, wieder aufs Rad zu steigen und einfach gegen alle Prognosen anzupedalieren.

Dafür möchte ich dir hier und jetzt aus den andalusischen Bergen Danke sagen, und all die anderen im Forum und aus dem Team nicht zu vergessen, die mir jederzeit und oft zugehört und geholfen haben.

Ganz liebe Grüße aus Andaluz
Jürgen
von: cyclerps

Re: Radfahren mit Lungenkrebs - 21.04.23 06:56

>Zitat: Und ich mein Leben das ich hier nicht ausbreiten möchte, neu sortiert habe, nur soviel, es war ein Leben auf der Überholspur, ständig auf der Jagd nach Geld und keine Zeit für die schönen Dinge des Lebens wofür es sich zu leben lohnt , heute genieße ich jeden Tag und vor Allem die Natur.

Es beglückt mich das zu lesen. Herzlichen Glückwunsch zur neu erkannten Lebensqualität.

Als man mir vor 18 Jahren Leberkrebs diagnostiziert hat und mit der OP 30% des Organs flöten ging machte es klick im Schädel. Knapp überlebt und überstanden mußte ich zähneknirschend den Ruderschlag reduzieren ob ich wollte oder nicht. Mein "altes" Geschäft konnte ich so nicht mehr weiter führen. Ich baute den Betrieb um und eröffnete einen zweiten. Nix gelernt! Trotz allem jagte ich weiter "Geld" und Zeit für mich gab ich mir immer noch nicht.
Der erste Infarkt schlug ein wie eine Bombe. Ich schloss innerhalb von einem Monat alles zu,.... und mit allen Konsequenzen, und stieg ins Angestellten Verhältnis ein. Mein Jahresurlaub stieg von 14 Tagen auf 6 Wochen (ich wußte gar nicht was ich mit so viel Zeit anfangen soll). Plötzlich sah ich Blumen auf dem Feld und kaufte mir Wanderschuhe. Vorher undenkbar.
Das hätte ich vor 25 Jahren schon machen sollen..... . Erfolg, Kohle und gesellschaftlicher Stand hat mich fast das Leben gekostet.

Lange Rede kurzer Sinn:

Du hast alles richtig gemacht!

Was mich gerade auch beglückt......, ist mein lieber Freund Jürgen. Mein, ein Stück weit, Weggefährte im letzten Jahr in Holland.
Aus eigener Erfahrung und mit ein wenig Wissen der letzten 18 Monate freut es mich gewaltig das Du Jürgen auf deiner Tour bist und es gut geht.
Seit dem interessiert mich an der täglichen Wetterprognose das Wetter in Spanien grins .
Komm` gut weiter und hab Spaß. Ich freu mich auf deinen nächsten Anruf.

Alles Gute euch beiden weiterhin.
von: drachensystem

Re: Radfahren mit Lungenkrebs - 21.04.23 11:55


Gute Besserung, Jürgen!

Und mir werden jetzt bestimmte Verhaltensweisen vor und nach deiner Diagnose verständlicher.

(Vor einem jahr sis mein ehemaliger Jugendfreund an Krebs gestorben; dem letzten Menschen bei dem ich diese fiese Krankheit erwartet hätte: Er hat keinen Schluck Alkohol getrunken, rauchte nie, aß nur gelegenlich Fleisch und radelte nur noch seit vielen Jahren.)
von: Wuppi

Re: Radfahren mit Lungenkrebs - 21.04.23 20:03

Au Mann, 3 Jahre ist das jetzt schon her.
Genieße dein 2. Leben. Dann nochmal 3 Jahre, und dann noch Mal 3 und dann noch Mal ......
Wir treffen uns dann zum 80sten.
Jetzt erst Mal ein paar Tapas, ein Rotwein und wein
von: irg

Re: Radfahren mit Lungenkrebs - 24.04.23 05:46

Ich wünsche euch alle Gute und viele Radelkilometer! Und den Ansatz, das Leben zu genießen, kann ich nur unterstützen.

(Gut, bei mir wird das heuer etwas dauern, weil von unserer Baustelle beginnt in Kürze der sehr dichte Teil, und da bleibt das meiste an mir hängen. Aber danach haben wir eine Menge vor!)

lg!
georg