Re: Breitbandantibiotika mitnehmen für Armenien Iran?

von: fantis-freund

Re: Breitbandantibiotika mitnehmen für Armenien Iran? - 27.04.17 12:49

Uii, da hab ich ja was losgetreten grins

Wie auch immer ich habe mich wie gesagt nochmal mit der Pharmazeutin meines Vetrauens in Verbindung gesetzt und eine (wie ich finde) ganz Aufschlussreiche Antwort bekommen. Sie ist auch mit der Veröffentlichung einverstanden, so dass ich euch die Antwort(en) nicht vorenthalten möchte. Allerdings noch eine Voranmerkung von ihr:

Ich habe mich mit meinen Kollegen zusammengesetzt und beraten, was wir euch empfehlen würden, da es leider keine klaren Empfehlungen in der Literatur gibt – oder wir haben keine gefunden... (Wenn du postest wäre ich deshalb dankbar, wenn ihr dazu sagt, dass das wirklich eine persönliche Meinung ist und die Therapieentscheidung vom Arzt zu treffen ist.)

Die einzige Empfehlung, die wir tatsächlich gefunden haben ist aus dem CRM-Handbuch Reisemedizin 2017: Hier wird als Antibiotikum Azithromycin empfohlen. Azithromycin ist ein sogenanntes Makrolid-Antibiotikum, das sich meiner Meinung nach durch mehrere Vorteile auszeichnet: Es ist in der Regel gut verträglich, die Anwendungsdauer beträgt in der Regel nur 3 Tage (Einnahme im 24 Stunden Rhythmus über 72h) und es erfasst einige Erreger, die z.B. durch Amoxicillin nicht erfasst werden. (Für euch könnten z.B. insbesondere Legionellen interessant sein, die sich z.B. in Unterkünften mit sehr selten genutzten Wasserleitungen verstecken können.) ALLERDINGS ist Azithromycin in den deutschen Leitlinien nicht das Mittel der ersten Wahl – das ist je nach Erkrankung meist das sogenannte ß-Lactam-Antibiotikum, z.B. Amoxicillin, auf das ich weiter unten eingehe.

Für mich wäre die erste Empfehlung für die Reiseapotheke Amoxicillin, meiner Meinung nach in Kombination mit einem ß-Lactamaseinhibitor (der schützt das Amoxicillin davor, von den Bakterien zerstört zu werden). Ich würde Amoxcillin aufgrund seiner guten und breiten Wirksamkeit und seinem guten Nebenwirkungsprofil den Vorzug vor Azithromycin geben. Die Kombi mit einem ß-Lactamaseinhibitor wird in den Leitlinien bei unkomplizierten Fällen nicht als erste Wahl empfohlen, sondern nur bei komplizierten Fällen (Literatur z.B. https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=170779). Meiner persönlichen Meinung nach solltet ihr für die Reise allerdings den Mehrpreis für die Kombination mit einem ß-Lactamaseinhibitor ausgeben. Hintergrund ist, dass das Wirkspektrum durch die Kombination erweitert wird und da ihr bei der Einnahme über die Resistenzsituation im Urlaubsgebiet nicht Bescheid wisst wäre die Kombi wahrscheinlich besser. Nachteilig ist der höhere Preis: Amoxi allein kostet für die 7 Tages Therapie ca. 15€, wohingegen die Kombination 30€ kostet. Ein weiterer Nachteil vom Amoxicillin bzw. der Kombi ist die häufigere und längere Einnahme (in der Regel 2-3-mal täglich über 7 Tage) – und wenn man Antibiotika nimmt ist es entscheidend, die Therapie über die gesamte Zeit durchzuführen, damit man keinen Rückfall bekommt und Resistenzen vorbeugt.

Abraten würde ich euch von der „Eigentherapie“ mit Gyrasehemmern (z.B. Ciprofloxacin und allem, was auf -oxacin endet…) und Doxycyclin. Jede Antibiotikatherapie gehört grundsätzlich in die Hände eines Arztes, diese beiden Antibiotikagruppen aber ganz besonders: Gyrasehemmer wie Cipro haben ein hohes Nebenwirkungspotential (das muss bei einigen Erkrankungen in Kauf genommen werden – aber das entscheidet dann der Arzt!). Doxycyclin sensibilisiert besonders für Sonne und ist deshalb für euer Urlaubsziel weniger geeignet. Es gibt Indikationen wo diese Antibiotika zum Einsatz kommen (müssen) – dann gehe ich aber davon aus, dass es euch eh so schlecht geht, dass ihr euren Urlaub abbrechen müsst.

Wenn ich eure Reise antreten würde, dann würde ich die Amoxi-Kombi für die „Eigentherapie“ mitnehmen. Wenn die nach 2 Tagen nicht angeschlagen hat würde ich ärztlichen Rat suchen. Ich persönlich würde noch Azithromycin mitnehmen – nicht weil ich es in „Eigentherapie“ anwenden würde, sondern weil ich nicht weiß, ob es in eurem Zielland verfügbar ist, selbst wenn ein Arzt euch ein Rezept ausgestellt hat. (Ich erinnere mich daran, dass es z.B. im Iran in der Vergangenheit aufgrund des Embargos Engpässe in der Arzneimittelversorgung gegeben hat. Wenn ihr die Antibiotika dabei habt könntet ihr die Therapie nach ärztlicher Rücksprache auf jeden Fall schon mal beginnen.) Azithromycin kann dann Lücken im Wirkspektrum von Amoxicllin abdecken (z.B. Legionellen, die ihr in eurem Zielgebiet ja durchaus antreffen könnt)


Und noch eine kurze Erklärung ihrerseits zu Ciprofloaxcin:

Ciprofloxacin (alle Gyrasehemmer) haben ein hohes Nebenwirkungsrisiko – dafür wirken sie aber auch bei Infektionen, wo so manch andere Medikamente nicht wirken und können deshalb alternativlos sein. Ich persönlich denke, dass du Jonas sie anwenden könntest, wenn es wirklich nötig ist. Das mit den Sehnen stimmt und da gibt es noch einiges anderes was unschön ist (Gelenkschäden, Halluzinationen, etc. ), aber wenn du ne Infektion hast musst du körperlich ja eh kürzer treten und Cirpo ist ja nur für den Notfall gedacht. Oder andersherum ausgedrückt - wenn du das Cirpo anwenden musst geht es dir schon so schlecht, dass du dich eh nicht mehr körperlich belasten kannst (und auch nicht solltest). Sandra sollte meiner Meinung nach das Medikament von einem verantwortungsvollen Arzt nicht „prophylaktisch“ verschieben bekommen. Da diese Antibiotika sehr schädlich auf Kinder (geboren und ungeboren) wirken sind sie bei Frauen im gebärfähigen Alter grundsätzlich nur 2. Wahl. Da bräuchtet ihr meiner Meinung nach wirklich je nach Reiseziel eine Alternative (oder man muss eine Schwangerschaft direkt vor Therapiebeginn ausschließen ;-) - dann kann eine gebärfähige Frau auch Cipro mitnehmen)

So ich hoffe das hilft dem ein oder anderem weiter. Am Ende ist es sicherlich eine persöhnliche Frage ob man mitnimmt oder nicht, irgendwie ein bisschen mit der Wahl des (und ob eines) Fahrradschlosses vergleichbar...
Viele Grüße: Jonas