11. Tag: Ein perfekter Tag

von: JohnyW

11. Tag: Ein perfekter Tag - 19.04.07 20:02

11. Tag: Ein perfekter Tag
Santiago de Cuba – Gran Piedra – Santiago de Cuba (102 km)
Dienstag, 14. November (sonnig)

Um kurz vor 7.00 Uhr saß ich schon im Sattel. Ohne Gepäck ging ich die ersten zehn Kilometer recht sportlich an. Als die Strecke hügeliger wurde, reduzierte ich ein wenig das Tempo, denn ich werde meine Kräfte heute noch brauchen. Ab Kilometer 16 begann die Steigung zum ersten Ziel am heutigen Tage. Gran Piedra, der 1234 Meter hohe Aussichtsberg von Santiago de Cuba. Jetzt ging es zehn Kilometer nur noch steil bzw. sehr steil nach oben. Die durchschnittliche Steigung müsste elf Prozent betragen. Der Asphalt war winterfest, das heißt er war extrem rau. Eigentlich fahre ich auf Asphalt alles. Ich war doch etwas überrascht, dass ich einmal 50 Meter weit schieben musste. Auf diesem Teilstück zeigte mein Radcomputer 30 Prozent Steigung an. An einem Bach füllte ich meine Wasserflaschen auf. Es war fahrlässig mit leeren Wasserflaschen loszufahren, aber das Problem war jetzt gelöst. Die letzten fünf Kilometer waren sehr schwer, aber ich musste weiter, denn ab 10.00 Uhr ziehen gewöhnlich Wolken auf. Ich wollte die Aussicht von dort oben genießen und die ersten Wolken waren schon im Anmarsch. Ab und zu gab es flache Passagen, an denen ich meine Kräfte sammeln konnte und dann erreichte den Parkplatz. Die letzten 100 Höhenmeter zum Gipfel muss man zu Fuß erklimmen. Für den Wanderweg mit 454 Stufen darf man einen CUC Gebühr bezahlen. Mit 45 Minuten Verspätung, ich wollte ja um 10.00 Uhr oben sein, erreichte ich den Gipfel. Dort vesperte ich und genoss die Aussicht. Mit den Wolken hatte ich am heutigen Tage Glück. Beim Abstieg nahm ich den Wanderweg und dessen Vegetation wahr. Im Restaurant bestellte ich einen Teller Spaghetti, total touristisch, denn Nudeln können sich Kubaner nicht leisten.
Wer denkt, dass ich jetzt eine tolle Abfahrt vor mir hatte, ist auf dem Holzweg. Man benötigt 100%iges Vertrauen in seine Bremsen. Außerdem spürt man den rauen Asphalt und die Strecke ist auch nicht schlaglochfrei. Als ich die zehn Kilometer geschafft hatte, konnten sich meine Arme wieder erholen und die Beine auf der flachen Strecke so richtig Gas geben.
Ich wollte mir als nächstes das Revolutionsmuseum des Bauernhofes „Granjita Siboney“ ansehen, war aber nicht enttäuscht, dass dieses wegen Renovierungsarbeiten geschlossen war. Durch das Tal der Vorgeschichte „Valle de la Prehistória“ führt eine Parallelstraße. In diesem Tal haben Gefangene lebensgroße Dinosaurier aus Beton modelliert. Ich fand das sehr interessant, vor allem wie winzig klein ein Mensch gegen diese Urzeitriesen ist. Ein afrikanischer Elefant ist dagegen ein wirklich unbedeutendes Tier. Im Café wurde ich zum Dominospielen eingeladen. Die Regeln habe ich nicht ganz verstanden, es hat aber trotzdem Spaß gemacht. Insgesamt war dieser kleine Ausflug gelungen und hat mich positiv überrascht.
Wenige Kilometer später erreichte ich das Museum „Museo Nacional de Transportes“. Hier sind einige alte Fahrzeuge ausgestellt, die nett anzusehen sind. Am meisten beeindruckten mich die Kuriositäten, wie das Miniauto oder der Strandbuggy, das erste Touristenfahrzeug auf Kuba. Es ist eine Schande, dass die Autos hier zwar ausgestellt sind, aber sich niemand gegen deren Verfall kümmert. Das Dach, unter dem die Autos stehen, lieben Vögel, die wiederum die Autos vollkacken. Es fühlt sich anscheinend niemand dafür verantwortlich, den Kot von den Autos zu entfernen. Außerdem gab es einen Schauraum, in dem Spielzeugautos chronologisch nach Jahreszahl ausgestellt wurden. Eine einfache Idee, die durch die Anordnung und Vielzahl der Autos, einen guten Überblick über die Entwicklung des Automobils vermittelt.
Auf dem Rückweg nach Santiago, den Gran Piedra immer zur Rechten, machte ich einen kleinen Abstecher zum Strand „Playa Siboney“. Dieser und die Stimmung am Strand hatten mir nicht gefallen und nach einer Zigarette fuhr ich weiter. Schließlich erreichte ich den letzten Höhepunkt des heutigen Tages, die Festung „Castillo de San Pedro del Morro“, ein Unesco Weltkulturerbe. Ich stiefelte durch jeden Raum, sah mir die Ausstellungsstücke an, aber das Beste war der Ausblick mit dem Kontrast zwischen Festungsmauern und Landschaft. Dazu hatte ich gutes Licht zum Fotografieren. So blieb ich dort fast eine Stunde und jagte einen Film durch. Die Aussicht auf die Bucht von Santiago, die Küste sowie den Gran Piedra war wirklich toll. Unterhalb der Festung genoss ich noch den Sonnenuntergang.
Jetzt musste ich mich sputen, die 15 Kilometer zurück nach Santiago noch in der Dämmerung zu schaffen. Am Anfang war die Tourismusstraße „Carretera Turística“ sehr interessant. Entlang der Bucht ging es hoch und runter. Nach sieben Kilometer holte mich die Nacht ein, aber ich verpasste nichts, da die „Carretera Turística“ mitten durch ein Industriegebiet führte. Ein paar mal fragte ich nach dem Weg und an einer Tankstelle kaufte ich für den Abend ein. Aber es gab keine Cola. Ich nahm an, dass ich diese problemlos in der Altstadt kaufen könnte. Dort fand ich aber keinen Laden, wurde aber laufend angesprochen, ob ich ein Zimmer oder Restaurant suche. Ein älterer Herr kriegte das mit und fragte mich, was ich denn suche. Er gab Wegbeschreibungen zu Geschäften in denen ich Cola kaufen konnte. Das zweite hatte tatsächlich geöffnet. Ich blieb immer in der Tür stehen, um auf mein nicht abgeschlossenes Rad aufzupassen und wartete bis ich bedient wurde. Die Schlange war aber recht lang. Ein Kunde fragte mich, ob er auf mein Rad aufpassen solle, solange ich einkaufe. Das fand ich sehr zuvorkommend. Er wollte nicht einmal etwas dafür haben, obwohl ich ihm Geld angeboten hatte.
Jetzt stand nur noch die größte Herausforderung des Tages auf dem Programm. Das Rad in den verdammten 3. Stock zu tragen. Nach dieser Schwerstarbeit gönnte ich mir erst mal ein Bier, dann kam auch schon Josu. Wir tauschten unsere Tageserlebnisse aus und unterhielten uns über die vergangene Fußball-WM. Josu bestellte das Frühstück für morgen um 6.00 Uhr, wieder zum Unwillen von Tanja. Das war ein perfekter Tag.