Re: Pyrenäen; welche Richtung?

von: veloträumer

Re: Pyrenäen; welche Richtung? - 15.04.19 21:58

In Antwort auf: Nilz
So etwas wie "typische" Wege, die man im Netz irgendwo nachvollziehn kann gibt es aber scheinbar nicht, oder? Ich meine sowas wie die Via Claudia Augusta zB

Da sind jetzt ein paar Denkfehler drin. Die VCA und die anderen bekannten Alpenradwege Alpe-Adria und München-Venezia sind Nord-Süd-Kammquerungen der Alpen mit 1-2 Pässen, nicht wie dein Prokjekt eine Route entlang des Kamms. Als Radweg gibt es sowas bisher in den Pyrenäen nicht, aber ähnliche Ideen:

Der camino frances (Jakobsweg) von St-Jean-Pied-de-Port über den Isaba-Pass nach Roncesvalles bzw. weiter nach Pamplona, mit dem Pilger-Hype durchaus vergleichbar mit VCA. Es gibt allerdings landschaftlich und verkehrsmäßig bessere Alternativen umher, die weit seltener gefahren werden (habe ich alles herausgearbeitet).

Die Via Domitia ist eine alte Verbindung der Römer zwischen Spanien und Italien und führt in einer Vairante über den Col de Perthus im Osten bei Perpignan/Narbonne ins spanische Katalonien, u.a. zur Salvador-Dalí-Stadt Figueres. Es gibt alte Ruinen an der Strecke (Bereich Passhöhe) und zumindest zur frz. Seite kenne ich Infotafeln zur Geschichte. Von der Historie her also sehr ähnlich zur VCA, nur kein Radweg und wegen der niedrigen Höhe auch ein stark von Autos befahrener Pass.

Es gibt einen Kathererweg, der Frankreich und Spanien verbindet, weil die Katharer gegen Ende ihrer Existenz auch nach Spanien geflohen waren. Der Kaharerweg ist allerdings in guten Teilen Wanderweg und nicht radreisetauglich. Insofern kann man meine Reise P. Cathares Catalán auch als eine fahrradgemäße Interpretation sehen - zumindest in Teilen davon. Andere historische Routen sind Flüchtlingsrouten der Republikaner, die vor Franco nach Frankreich geflohen sind. Solche Weg gibt es auch in der Mitte der Pyrenäen, z.B. im Val d'Aran, aber auch am Mittelmeerrand. Eine weitere Fluchtbewegung, genau umgekehrt die Flucht von Juden und anderen Nazi-Verfolgten vor den deutschen Faschisten im besetzten Frankreich des 2. Weltkireges, erfolgte von Frankreich nach Spanien, wo trotz bzw. mit Billigung von Franco diese meist über Portugal ausreisen konnten. Der berühmteste dieser Fluchtwege ist der Walter-Benjamin-Weg, der von Banyuls nach Port Bou führt (und diverse Gedenkstationen enthält), aber auch nur ein Wanderweg ist. An der Küstenstraße der Côte Vermeille finden sich gleichwohl Hinweistafeln zu dieser Geschichte, die meisten Monumente dazu sind auch mit Rad errreichbar. Es gibt also historisch begründete Nord-Süd-Wege über den Pyrenäenkamm, auch teils ausgewiesen oder beschrieben, aber nicht als exklusive Radoption.

Der zweite Denkfehler ist der, dass VCA & Co. ein Netz von typischen (Rad)Wegen im Alpenraum bilden. Es sind nur kleine Ausschnitte der Alpen, die bevorzugt niedrige Übergänge beschreiben und eher an Praktikabilität orientiert sind als an Repräsentativität. Alpe-Adria greift zudem kaum den Alpe-Adria-Gedanken auf, was wiederum die historische Bedeutung des Alpe-Adria-Raumes mehr oder weniger unbeachtet lässt, was auch die Routenführung verrät. Die umfassende Typik der Alpen lässt sich also auch nur auf einer Vielzahl weiterer Straßen erkunden, die thematisch nicht etikettiert sind bzw. nur regional oder lokal Hinweise geben.

Um auf den ersten Irrtum zurückzukommen: Routen entlang des Kamms gibt es übergreifend auf verschiedene Länder in den Alpen auch nicht. Es gibt aber innerhalb Frankreichs die Routes des Grandes Alpes vom Genfer See ans Mittelmeer über die höchsten Pässe - allerdings ist das eher ein sportliches Etikett. Ähnliches gibt es - gleichwohl nur in Frankreich - auch in den Pyrenäen mit der Route des cols des Pyrénées. Die wird allerdings auch imemr weiter ausgeweitet, sodass es manchmal parallele Pässe gibt, sodass man sich für einen entscheiden muss. Mit dabei sind die Mythenpässe der Tour de France, der Toumalet gilt dabei sogar als Urmythos - mehr als jeder Alpenpass (oder Alpe d'Huez etc.). Kompakter gibt es auch noch die Cols de légende, welche aber nur einen Ausschnitt bilden, nicht den ganzen Kamm, und zudem auch einige Stichstraßen (legendäre Bergankünfte einschließen), die nicht nicht alle radtouristisch interessant sind. Auch hier geht es weniger um "Typik" oder "Landschaft" sondern um sportlichen Mythos - entsprechend spielt da Spanien auch keine Rolle, obwohl dort Radpsport auch einen hohen Stellenwert hat und Pässe teils radsportlich ausgewiesen werden (z.B. Steigungen auf Kilometersteinen usw.).

Aufgrund der beiden Seiten und der Pässebäuche im Norden und der stark ausgeprägten Nord-Süd-Schluchten im Süden, die den Pyrenäenkamm als Gesamtnetz kennzeichnen, wirst du um eine eigene Auswahl nicht herumkommen. Vorgaben für eine Typik gibt es sogesehen weder in den Alpen noch in den Pyrenäen. Es ist wie so häufig im Leben: Es wartet weit mehr entdeckt zu werden als es die Zeit des Reisenden erlaubt.