Re: Oberalppass im Mai

von: veloträumer

Re: Oberalppass im Mai - 16.01.19 14:06

In Antwort auf: Holger
Wer "garantiert" denn die Öffnungszeiten? Und für wen ist das überhaupt wichtig? ... Und was ist ein "normaler" Winter? Es kann ja Abweichungen nach oben und nach unten geben, das heißt, in schneearmen Wintern könnte vor der garantierten Zeit geöffnet werden, in schneereichen müsste später geöffnet werden. In dem oben verlinkten PDF aus dem Kanton Uri kann ich maximal einen Korridor von einem Monat erkennen, den man garantieren könnte.

Garantie gibt es im Pakt mit der Natur nicht, aber ggf. ein Versprechen sich um ein Öffnung des Passes zu einem bestimmten Zeitpunkt zu bemühen (Kanton, Land, Tourismusverband). Das Zeitfenster zwischen natürlicher Schmelze und einem Öffnungstermin mit Räumung ist naturgegeben klein, ist doch auch Frühjahr und Herbst im Hochgebirge weniger ausgeprägt, kommen die Sommerblumen oft bereits noch von Schnee umgeben aus dem Boden hervor. Immerhin werden aber solche Öffnungszeiten ja auch publiziert etwa vom ADAC und daran Erwartungen geknüpft.

Gründe hat es sicherlich viele, weil die Pässe diverse Zugänge eröffnen, etwa notwendige Sicherungsmaßnahmen in den Bergen, die nur in einem begrenzten Zeitfenster möglich sind und sodann Bau- und Forstarbeiten evtl. begonnen werden können, die sonst bis Hochsaison oder Herbstende nicht geschafft wären. Mehr aber sicherlich aus touristischen Gründen, sind nicht nur an der Strecke selbst Saisonbetriebe, die in einer gegebenen Zeit ihren Teil erwirtschaften müssen. Es ist dann eine Frage auch inländischer Solidarität, inwieweit Infrastruktur garantiert werden soll. Neben einem Kiosk auf einer Passhöhe trifft das auch andere Orte an der Strecke (Hotellerie, Ferienwohnungen), die Ausgangspunkt für Wanderungen sind, dann auch Hütten abseits der Passroute, die davon wiederum abhängen, dass anliegende Passstraßen an- oder überfahrbar sind. Auch für die Wanderhütten gibt es bestimmte Garantiezeiten der Bewirtschaftung, teils auch an gewisse Komfortlabels geknüpft wie etwa bei gehobenen Wanderwegen wie dem GTA. Der Wanderer stapft auch schon mal über frühsommerliche Schneefelder, wenn er weiß, dass er Polenta und Hüttenzauber serviert bekommt und ein Bett bereit steht.

Um da mal ein Beispiel zu nennen, war ich 2016 - bereits in der zweiten Junihälfte - zum Nivolet-Pass (über 2600 m) aufgefahren - nicht einmal Durchgangspass, sondern Stichstraße. Passroute jenseits des Staudamms und zur anderen Seite mit bewirteter Hütte an der Sackgasse wären nicht ohne Räumung passierbar gewesen, soviel Schnee war noch vorhanden. Besagte Hütte hatte aber schon guten Betrieb von Gran-Paradiso-Wanderern, obwohl man in der Umgebung nicht ohne schnee-/wasserdichte Schuhe weiterkommen konnte. Auch die weiter unten liegenden, schneefreie Ortschaften profitieren von den Ausflüglern, die z.B. für Tagesausflüge nach oben auffahren und dann wandern gehen. Immerhin konnte man bereits gleichzeitig in Ceresole Reale auf 1600 m sommerlich campen. Hier ein Bild der Straße in der Passumgebung:



Hier das Ende der Nivolet-Straße, Mitte vom linken Rand zu erkennen mit einer etwas größeren geräumten Fläche, die Hütte leicht versteckt hinter dem Berg. Die schneebeckte Straße geht da wohl auch noch ein Stück asphaltiert weiter, bevor es in Piste übergehen müsste. Die Hütte bietet Übernachtungen, ist aber auch offiziell mit Restaurant betitelt und verkauft Souvenirs, einige Gäste kommen auch nur mit Auto. Ich war nicht die paar Meter nach unten gefahren, habe aber noch ein Nahfoto gemacht mit draußen abgestellten Rucksäcken und Räumfahrzeug vor dem Haus. Nicht zuletzt hat die Mischung aus noch Alteis, Schnee, aber doch schon Sommer ihren speziellen Reiz - wäre schade, wenn das nicht erreichbar wäre:



2006 war ein Jahr mit Spätwinter, Ende Mai waren von mir gequerte Pässe noch gesperrt, und einige Pässe entsprechend noch schneereich zu Mitte Juni, etwa Fluelapass wäre wohl nicht ganz frei gewesen ohne Räumung:



Ähnlich sah es am Gaviapass aus (über 2600 m), am Umbrail (2500 m) war zwar etwas weniger Schnee, obwohl höher als Flüela, allerdings war das Stilfserjoch oben komplett noch in Schnee, traf einen Amerikaner der oben einquartiert war - alle Hotels also offen, ohne Räumung nicht denkbar. In Österreich ist das Engagement für Sommertourismus geringer ausgeprägt und ich musste 2015 einige Ziele streichen, weil Mitte Juni nicht geräumt iwie etwa Weißsee, Großsee/Hochwurtenspeicher, zum Teil auch mit Sommertourismus verbunden. Besonders schwierig, dass im Tal kaum Auskünfte zu bekommen waren, ob etwas oben offen hat. Das ist dann kein geschickter Tourismus und bleibe dann in besseren Sommern auch eher weg. In Zeiten der Verlagerung von Winter- auf Sommertourismus aufgrund der klimatischen Entwicklungen sind terminierte Räumungen von Hochgebirgsstraßen sicherlich auch noch etwas wichtiger geworden.