Re: Hunde in Südamerika

von: panta-rhei

Re: Hunde in Südamerika - 10.11.15 00:24

Hallo Roldi

In Antwort auf: Roldi
panta-rhei: Wie bist Du eigentlich aus der Situation "Hundeangriff aufs Zelt incl. draufspringen" rausgekommen? Hört sich ziemlich alptraummäßig an


Ich muss zugeben, dass es nicht mein einziges Erlebnis mit wilden Hunden war, aber mein gefährlichstes.

Das ganze spielte sich in Suedmarokko ab, irgendwo nördlich von Tazenakht. Halbwüste, hin und wieder ein Gehöft, oder eine Tankstelle, ziemlich einsame Gegend. Die Tage vorher bin ich so oft von netten Menschen eingeladen worden, dass es mir peinlich war und ich nun mein Zelt weitab von bewohntem Grund abstellen wollte. Gegen nachmittag passiere ich noch eine Tankstelle, dann ist da nix mehr ausser einer spärlich befahrenen Strasse.

Hinter einem Sandhügel schiebe ich mein Rad weiter und finde 500m von der Strasse ein ruhiges Plätzchen für mein Mini 1-Personenzelt. Es sieht windig aus, ich spanne es sorgfältig ab und knote einige Leinen an mein liegendes Reiserad. Gegen 7:00 wirds dunkel, Stille und es fängt an zu regnen. "Mir egal, morgen scheint die Sonne, geht schon irgendwie" denke ich noch und bereite mich auf eine lange Nacht vor (es ist Spätherbst).

Gegen 20:30 höre ich plötzlich Geräusche, irgendein Gebell. "Naja, irgendein unglücklicher Hirtenhund bellt den Mond an!" geht mir da noch durch den Kopf. Aber das Geräusch kommt schnell näher und wird viel lauter, nicht nur 1 sondern viele Hunde rennen in der Finsternis auf mein Zelt zu! " Scheisse, Tala aus!" Sie springen wie wild um mein Zelt rum und bellen, vorsichtig versuche ich einen Blick nach draussen zu erhaschen und zähle 8-10 Hunde. Ich bin MUCKSMÄUSCHENSTILL, atme nicht mal. Dann rennen sie weg. Ich bin erleichtert, naja, sie müssen mich halt "kennenlernen" (gell René?) und so ... jetzt wird alles gut. Es regnet weiter in Strömen, die Hunde sind nicht mehr zu sehen, ich bin ganz allein.

Dann beginnt wieder das Bellen, die Gruppe rennt wieder auf das Zelt zu. Ich bin ganz verzweifelt, hab nichts um mich zu verteidigen, um mich ein lächerlich kleines, dünnes Zelt, nichts! Der Blitz an meiner Kamera! Vielleicht kann ich sie blenden, erschrecken, ich weis nicht was - gesagt, getan: Ich halte mein Blitzgerät unter dem Zeltrand der heranbrandenden Meute entgegen und löse aus. Grell scheint es in die Nacht - aber nichts! Nur wütender und lauter spurten sie, kommen dem Zelt jetzt NOCH näher, unter dem Aussenzelt sehe ich die Pfoten, sehr viele Pfoten! Dann rennen sie wieder weg, Stille, nur der rauschende Regen durchdringt die finstere Nacht.

Ich überlege fieberhaft, was ich tun kann. Einfach abwarten? Dann wird das die ganze Nacht so durchgehen, bis zum Sonnenaufgang sind es noch mind. 8-9h! WENN sie denn nicht beim nächsten Mal NOCH näher kommen! Rausgehen, wegrennen? Wohin? Ich bin hier völlig alleine, Nachts bei Regen ist hier NIEMAND! Auch weiss ich nicht, ob die Hunde nicht in diesem Moment wieder hervorpreschen und mich dann auf freiem Feld erwischen... ich bin völlig ratlos, fühle mich ausgeliefert.

Dann höre ich wieder das Gebell anschwellen, sie spurten auf mein Zelt zu, ich liege wie erstarrt in meinem Schlafsack. Und jetzt fangen sie an, aufs Zelt zuspringen: Da eine Pfote direkt über meinem Gesicht - wie lange hält das Zelt? Was passiert, wenn ich plötzlich zwischen zerrissenem Zeltstoff auf dem Boden liege und die Tiere über mich herfallen? Bei 10 hungrigen Hunden rechne ich mir liegend, mit nichts als einer Billo-Plastikluftpumpe in der Hand keine guten Chancen aus, da irgendwie rauszukommen. Wieder springt ein Hund aufs Zelt - wie lange geht das noch gut? Ich möchte schreien, traue mich aber auch das nicht...

Dann unvermittelt ziehen sie wieder ab, die Geräuche werden leiser, dann Stille, nur das Rauschen des Regens, der immer noch vom Himmel strömt. Ich MUSS hier weg, ich muss es versuchen, 500m zu Strasse sprinten, auf ein Auto, einen Menschen, ein Wunder hoffen, vertrauen, dass nicht genau in diesem Moment ... genug, WEG JETZT! Alles lasse ich liegen, ausser Geld und Pass. Raus aus dem Zelt, mit dem Messer kappe ich die Spannleinen an meinem Rad, zerre den Gaul aus dem nassen Sand und renne in Richtung Strasse. "Hoffentlich, hoffentlich, hoffentlich ..." dreht es sich in meinem Kopf, immer wieder und wieder. Da, die Strasse, überall steht Wasser darauf, ich bin schon patschnass, merke nix davon - und da, aus dem Dunkel der Nacht gleissen Scheinwerfer! Anhalten, anhalten!!! Ich winke, bin völlig verzweifelt - doch der Fahrer braust an mir vorbei, ich bin wieder alleine, es ist stockdunkel und der Regen strömt.

Wohin? Wohin? Wohin nur? Da fällt mir die Tankstelle ein, an der ich gestern vorbeigekommen bin, 15km zurück, es ist noch vor Mitternacht, nur bis dahin, nur bis dahin, dann wird alles gut! Ich steige auf, trete wie ein Wilder in die Pedale, schaue mich um, rausche durch 30cm tief überflutete Furten und werde schneller und schneller. Da, daa! Da ist die Tankstelle, sie wollen gerade schliessen, schauen mich entgeistert an, nehmen mich wie selbstverständlich auf - ich berichte stotternd, völlig erschöpft von den Hunden - erst lächeln sie, dann geben sie mir zu verstehen, dass ich grosses Glück gehabt hätte... und kümmern sich wie selbstverständlich um ein Nachtlager und heissen Minztee und - ich bin in Sicherheit!

Epilog:

Am nächsten Morgen organisieren meine Retter einen Lift auf einem Laster zurück zu meinem "Campingplatz". Die Sonne scheint, alles ist unheimlich friedlich, 3 Palmen spenden idyllisch ihren ersten Schatten und kein Hund weit und breit. Beim Anblick meines Zeltes stehen mir jedoch die Haare zu Berge: Im Aussenzelt klafft ein riesiger Riss!