Re: Alpenüberquerung mit Tandem

von: veloträumer

Re: Alpenüberquerung mit Tandem - 30.09.15 16:05

In Antwort auf: derSammy
Ich verstehe die ganze Diskussion nicht so recht und auch nicht ganz, was Tanbei meint. Was ist "dein Referenzberg" und wozu brauchen wir den?
Ich denke es versteht sich von selbst, dass die 10% keine in Stein gemeiselte Konstante sind. Aber das ist für mich so in etwa ein guter Richtwert. Viele Pässe kommen so mit Steigungen um 7% daher, die schaffen wir gut (obgleich mit Solorad etwas besser). Der Vrsic-Pass hat durchgehend (knapp) über 10%.

Was Tanbei genau meint, weiß ich auch nicht. Dass aber ein Referenzberg, den die jeweiligen Diskutanten aus Erfahrung kennen, eine bessere Vergleichsmöglichkeit bietet als nackte Zahlen, dürfte auch klar sein. Meine Erfahrungen mit Steigungswerten sind mittlerweile so, dass ich sie möglichst ignorieren möchte. Die Abweichungen der Zahlen sind zu gravierend und lassen sich auch nicht unbedingt mit den Erfahrung in Einklang bringen. Das Beipiel Vrsic hast du genannt: Auf die gut 10 % kommst du vielleicht gemäß quaeldich-Beschreibung. Verifiziert ist das aber nicht. Gemäß climbybike sind es 8,2 bzw. 8,4 % - je nach Seite. Gemäß vieler Landkarten sind 14 % verzeichnet - dort soll es wohl die Maximalsteigung angeben, wird aber explizit als solche nicht immer beschrieben. In meinem Pass-Gedächtnis aus dem Jahre 2003 hatte ich ihn daher als 14-Prozenter in Erinnerung - sogar im Schnitt, weil ich keine unsteten Passagen zu erinnern vermochte. Andere Karten habe ich auch schon mit 12 % maximal gesehen, weitere Quellen beschreiben 15 % maximal. Durchschnitt und Maximum werden ohnehin nicht korrekt auseinander gehalten - wie o.a. liegt es auch an vergleichsweise seriösen Quellen, die das nicht mal beherrschen. Leicht möglich also, dass der Vrsic-Pass von einem als 15-Prozenter angegeben wird, von einem anderen als 8-Prozenter. Das macht einen Unterschied von sieben Prozentpunkten aus oder einen Unterschied um fast das Doppelte. Und das alles ohne böse Absicht oder totales Unwissen. Nach meiner Zweitberadlung werde ich keinerlei Zahlen mehr angeben.

Ich habe jüngst mit einem gewissen Vergnügen auf quaeldich.de unter den Kommentaren zur Mangartstraße gelesen. Da begklagt sich jemand, dass die vom Originalautor als verwendete Bezeichnung "das Härteste in der Umgebung" völlig irreführend sei, weil das ein luschiger Poser-Pass sei, der sich ihm als nicht würdig erwiesen habe. Auch die versprochenen 22 % Maximalsteigung, laut Schild am Fuße der Straße, seien nicht eingehalten worden. Die genaue Betrachtung zeigt dann die Mischung aus Ignoranz und Arroganz. Arrogant, weil es einer im Durchschnitt der Rennnradlerpässe durchaus gehoben schwerer Pass ist (oberes Mittelfeld) und damit auch immer eine Herausforderung darstellt - auch wenn man schon schwerere Kaliber auf dem Buckel hat. Ignorant, weil im Originalbeitrag der Passbeschreibung erwähnt ist, dass die Steigung durch die Neutrassierung der Straße nach einem Bergsturz zu einer deutlichen Minderung der Maximalsteigungen geführt hat (insofern das Schild ein Relikt der Zeit davor darstellt). So ergibt sich schnell eine logische Erklärung, auch wenn man es nicht auf den ersten Blick sieht. You don't get what you see.

Insofern: Misstraue irgendwelchen Zahlen - auch den "offiziellen" aufgemalten. Mit der Zeit habe ich zwar einige Erfahrung, den einen oder anderen Wert einzuordnen. Lieber lese ich aber solch scheinbar unpräzisen Fromulierungen wie "sehr steil", "moderate Steigung" oder "Teufelsrampe" und der Leser gibt ein wenig darüber preis, was er so fährt und wie man seine Worte wohl einschätzen kann (neigt zu Unter- oder Übertreibungen, geringe oder große Erfahrung mit Bergen usw.). Für Vrsic: Es ist einfach ein Alpenpass, der als "schwer" zu qualifizieren ist (oberes Mittelfeld). "Sehr schwer" wäre in meiner Erfahrungslatte überbewertet, mittelschwer klingt mir zu verharmlosend. Ich halte es aber für möglich, dass ich anderen Radlern gegenüber die Bewertung verändere, weil der Berg für überzeugte Donauwegradler schon einer Teufelsrampe gleichkommt, für Rampensäue ist er nur mittelschwer oder "gemäßigt anspruchsvoll". Subjektivität ist durchaus objektiv, wenn das Subjekt mit offenen Karten spielt.

Was ich aber noch mehr betone: Jeder Berg kann schwerer wiegen als man es glauben möchte. Deswegen schaue ich auf jeden Berg mit einem gewissen Respekt - un djedes Jahr von Neuem. Kein Berg vergibt einen Überflieger-Bonus für alle Zeiten, es sei denn, man flunkert oder arbeitet in der VW-Abgastestleitstelle. Für diese Erkenntnis muss man nicht mal alt werden.