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Bereiste Länder:cnChina

Reisebericht Yunnan - Sichuan Mai/Juni 2011 (Teil I)

Nachdem ich bereits wenige Tage nach der Tour in der Länderrubrik einige Infos zur Strecke und den Strassenverhältnissen niedergeschrieben habe, folgt nun der Reisebericht.

Nach der Tansania-Mosambik-Tour im September 2010 waren Uwe und ich schnell dabei eine neue Tour zu planen, da wir uns als ein ausgezeichnetes Team erwiesen hatten. Wir griffen Uwes alte Idee Yunnan auf und hatten zuerst vor von Laos nach Yunnan hineinzufahren oder eine Rundtour von Kunming aus zu starten. Doch bei näherer Beschäftigung mit der Region und dem Abgleichen unserer Interessen zeigte sich dann schnell, daß wir gerne in den tibetischen Regionen in Yunnan u. Sichuan fahren wollten, worin wir noch bestärkt wurden, als wir den KLM Direktflug Amsterdam – Chengdu entdeckten. Dann kamen wir schnell auf folgende Route: Chengdu – Panzihua – Lijiang(Startpunkt der Radreise) - Shigu - Weixi - Deqin/Deqen - Benzilan - Derong - Xiangcheng - Litang - Tagong - Bamei - Danba – Wolong (Ende der Radreise) – Chengdu – Xi àn – Chengdu
Eine chinesische Urlaubsbekanntschaft von Uwe bot uns an, uns in Chengdu in Empfang zu nehmen und uns bis Lijiang zu begleiten, was sich natürlich als sehr hilfreich erwies.

Fotos gibt es hier: Fotos China2011 Teil I

29.4.
Der Tag beginnt ausgezeichnet! Von „meiner“ Bäckerin bekomme ich zum Abschied eine Umarmung und meine Brötchen und Teilchen geschenkt. Gegen 9:00 steigen wir in Bielefeld in den Zug, der bis zum Amsterdamer Flughafen durchfährt. Dort angekommen packen wir in Ruhe unsere Räder ein, da wir aber Stülpkartons (unten offen) benutzen, müssen wir unterschreiben, daß KLM für eventuelle Schäden keine Haftung übernimmt. Leider müssen wir dann auch 100€ statt der telefonisch erfragten 80€ pro Rad zahlen. Da ärgert man sich doch ein wenig!

30.4.
Die Einreise am Flughafen Chengdu ist völlig unproblematisch. Zwar fragt ein Zollbeamter nach unseren Rädern, doch er gibt sich mit unserer Auskunft, daß wir sie wieder mit nach Hause nehmen, sofort zufrieden. Draußen erwartet uns bereits Ying und mit Mühe bringen wir unsere Räder samt gepäck in dem Van unter, den Ying samt Fahrer von einer Freundin geliehen hat. Die Temperaturen sind hochsommerlich und es ist ordentlich schwül. Bei der Fahrt in die Stadt wird mir sofort klar, daß ich am Ende der Tour nicht nach Chengdu mit dem Rad hineinfahren werde! In einem kleinen Laden am Bahnhof deponieren wir unsere Kartons. Am Bahnhof stellt sich dann heraus, daß Ying keine „Plätze“ für unsere Räder reserviert hat, die könnten erst in 2 Tagen nachgeschickt werden. Wir beschließen es trotzdem zu versuchen und mit Dreistigkeit und der Löwin Ying an unserer Seite schaffen wir es schließlich bis in den Warteraum für die 2 Klasse. Nachdem Ying eine Stunde auf die Verantwortlichen eingeredet hat, dürfen wir mit den anderen Fahrgästen zu unserem Nachtzug (Softsleeper 2 Klasse). Dort will man uns wieder den Zutritt verwehren, doch „no Problem“ wiederholend, bringen wir die Räder in unser Abteil und siehe da: No Problem. Zu befürchten ist allerdings, daß wir für Westler etwas Rufschädigung mit der ganzen Aktion betrieben haben. Beim Verlassen der Stadt sehen wir noch die unendlich vielen Baustellen, wo riesige Blocks hochgezogen werden, dann wird es dunkel.

1.5.
Am Morgen fahren wir durch ein schönes weites Flußtal und ab und zu sind Windkrafträder zu sehen. In Panzihua geht es vom Bahnhof direkt weiter per Bus zum Busbahnhof. Uwe und ich müssen uns nur um unser Gepäck kümmern, alles andere regelt Ying. Super! Nach einer leckeren Mahlzeit beginnt die 8 stündige Fahrt nach Lijiang. Nach den ersten 2 Stunden durch eine von Industrie und Tagebau entstellte Landschaft geht es höher in die Berge hinein. Einzelgehöfte, Pinien und Reisterassen, die selbst winzige Ecken belegen, prägen die Gegend. Kurz vor Lijiang geht es dann wieder heftig in Serpentinen zum Yangtze hinunter. Die Weltkulturerbe-Stadt Lijiang selbst liegt in einem weiten, intensiv genutzten Tal auf etwas über 2000 m Höhe und wird von bis zu 5600m hohen Bergen umrahmt. In der geschüzten restaurierten Altstadt hat Ying bereits in einer netten Pension Zimmer für uns reserviert, von der aus wir die vor allem mit chineschischen Touristen überfüllte Stadt erkunden. Lijiang läßt sich vielleicht mit dem deutschen Rotenburg ob der Tauber vergleichen, eine hochtouristische Bilderbuchstadt. Der größte Teil der Altstadt besteht aus Souvenirgeschäften und Restaurants und ist doch malerisch. Für die chin. Touristen stellen die Westler eine nette Zusatzattraktion da. Weiß Gott auf wie vielen Fotos ich, gefragt und ungefragt, zu sehen bin.

2.5.
Das Frühstück ist für uns kaum genießbar, doch in der Stadt finden sich dann Alternativen und wir legen uns schon einmal einen Vorrat Instantkaffee und Schokoriegel zu. Wir erkunden weiter die Altstadt mit Palastanlage und Pagode und der Black Dragon Pool Park bietet reichlich Fotomotive mit schneebedeckten Bergen im Hintergrund. An diesem Tag mußte ich mich von einem alten Vorurteil trennen: Wir Deutsche sind nicht die Weltmeister im Verbotsschilder aufstellen! Am Nachmittag richten wir schon einmal die Räder her, bevor wir es uns am Abend in einem Restaurant an einem der vielen Kanäle unter roten Lampions gemütlich machen. Das Bestellen des üppigen Mahls überlassen wir natürlich Ying.

3.5.
Für den heutigen Tag hat Ying für uns eine Bustagestour zur TLG (Tiger Leaping Gorge) gebucht. Auf dem Weg dorthin hält der Bus an einem Aussichtsturm, von dem man die für Chinesen äußerst bedeutsame erste Biegung des Yangtze erahnen kann. Vor allem aber können die Chinesen vor diesem Hintergrund ihrem liebsten Hobby frönen, dem Posen für die Kamera, von dem sie auch der Nieselregen nicht abhalten kann. Zudem kann man dort getrocknete Salamander und ähnlich feine Dinge erstehen. Für uns sind die 4 alten Herren auf ihren bepackten chin. Mountainbikes, die auf dem Weg nach Lhasa sind, jedoch deutlich interessanter! Die ersten der vielen chin. Reiseradler die wir insgesamt zu sehen bekommen werden. Ansonsten werden wir noch 2 Japaner und einen aus Singapore stammenden Chinesen treffen, die aufgrund ihres Aussehens hoffen nach Lhasa durchzukommen.
Die TLG ist schon recht beeindruckend, obwohl sie ihre volle Pracht wohl vorallem auf dem Höhenwanderweg entfaltet. Der Yangtze strömt hier auf gerade mal 1800m Höhe zwischen Fünftausendern hindurch. Aber auch hier ist die Touristenflut ziemlich beeindruckend, schließlich gilt die TLG in China als eine der ganz großen Sehenswürdigkeiten. Chin. Reiseleiter zeichnen sich übrigens, wie wir an diesem Tag lernen, durch einen ausgeprägten Kommandoton aus.
Zurück in Lijiang kehren wir in einem typischen Hotpot-Restaurant ein, das wohl nicht mit durstigen Deutschen gerechnet hatte, als es als Lockangebot jedes Bier für nur einen Yuan anbot.

4.5.
Heute geht es los und es nieselt bei 17 bis 18 Grad vor sich hin. Wir verabschieden uns von Ying, die die Gegend per Bus erkunden will, und sitzen gegen 8:00 im Sattel, nachdem wir uns noch einmal ordentlich mit Bargeld eingedeckt haben. Nach kurzer Zeit kommt die Sonne teilweise durch und wir machen erstmal gut 500 Höhenmeter bevor es später dann auf guter aber verkehrsreicher Straße wieder 800 Meter runter zum Yangtze geht. Unterwegs treffen wir wieder ein paar einheimische Radler auf dem Weg nach Lhasa mit sehr kreativen Gepäckkonstruktionen. Als wir schließlich die 214, die nach Shangri La/Zhongdian führt, überquert haben und weiter nach Shigu fahren, läßt der Verkehr schlagartig nach und wir rollen direkt am Yangtze entlang. Shigu liegt direkt an der 1. Biegung des Yangtze und hat touristisch wohl schon bessere Zeiten gesehen, doch immerhin gibt es ein gutes günstiges Hotel und ein paar Restaurants, so daß wir es nach nur 57 km gut sein lassen. Am Abend können wir im Ort noch ein Filmteam beobachten, daß eine Art trad. Theater aufnimmt.

5.5.
Auf gutem Asphalt rollen wir den Yangtze bei heiterem Wetter in Richtung Norden entlang und machen so gut Kilometer. Der Blick über den breiten Fluß, die terassierten Hänge und die hohen Berge ist ein Traum. Bereits gegen 11:00 kehren wir ein und ich bestelle erfolgreich Danchaofan (gebratener Reis mit Ei) und ein alter Herr zeigt uns stolz seine riesigen Pfeifen. Nach ca. 60 km nehmen wireine Nebenstrecke nach Westen in Richtung Weixi und Mekong. Wir fahren ein schönes Tal mit vielen ansehnlichen Dörfern hoch und so langsam beginnt die Kletterei. Nach insgesamt 93 km finden wir mit etwas Mühe in einem Dorf eine Privatunterkunft auf dem Hof von 2 alten Herrschaften.

6.5.
Oh Schreck, nach der Nacht auf der Pritsche geht es meinem Rücken ( meiner Schwachstelle) gar nicht gut. Doch glücklicherweise spüre ich die Schmerzen im Sattel kaum und nach 2 weiteren Tagen waren sie auch wieder verschwunden. Den weiteren Weg finden wir nur mit einiger Fragerei. Schließlich kämpfen wir uns auf einem schlechteren Feldweg auf knapp 3000m hoch. Auf dieser Strecke sehen wir auch die ersten blühenden Rhododendren. Scheinbar oben angekommen müssen wir erkennen, daß es nach einem ebenen Stück noch weiter bergauf geht. Trotz der Anstrengung ist es aufgrund der sommerlichen Temperaturen und den tollen Aussichten ein schöner Tag. Schließlich erreichen wir den Pass auf ca. 3300m Höhe. Auf der anderen Seite ist die Landschaft ganz verändert, Yakweiden prägen das Bild und die Frauen tragen ganz andere aber wunderschöne bunte Trachten mit breitkrempigen Hüten. Zu welcher Ethnie die Menschen gehören wissen wir leider nicht (Lisu?). Nirgendwo in China gibt es so viele Minderheiten wie in Yunnan und noch haben wir die tibetischen Gegenden noch nicht erreicht.
Nach dem langen Anstieg gibt ein Mahl aus getrocknetem Yakfleisch und Snickers neue Kraft für die viel Konzentration erfordernde Abfahrt nach Weixi, auf der es gut 1000m runter geht. Nach gut 65 km sind wir am Ziel und erstaunt über Größe und Modernität des Ortes. Als wir später im Restaurant sitzen, stelle ich fest, daß ich mein Besteck vergessen habe (Stäbchen gehen gar nicht, bin bekennender Grobmotoriker) und gehe noch einmal zurück zum Hotel. Dort steht bereits ein Streifenwagen mit laufendem Blaulicht und mir schwant nichts Gutes. Der Hotelier hatte nicht gewußt, wie er Westler korrekt einzuchecken hat und daher vorsichtshalber die Polizei gerufen. Westl. Touristen sind im Mekongtal doch recht selten. Der ein wenig Englisch sprechende Polizist entschuldigte sich zigmal bei mir und schließlich wurden mein Pass und das Visum fotokopiert und die Sache war erledigt.

7.5.
Die Baustelle beginnt! Direkt am Ortsausgang von Weixi beginnt sie und wir ahnen noch nicht, daß sie für uns 150 km lang sein wird. So nerven uns zu Anfang die aggressiven Köter mehr als Staub, Schlamm, Geröll und Baustellenfahrzeuge. Immerhin können wir uns regelmäßig von den Bautrupps bestaunen und teilweise bejubeln lassen. Nach gut 25 km erreichen wir den Mekong und stellen frustriert fest, daß die Baustelle nicht endet.
Das meist enge Mekongtal ist eigentlich superschön, doch wenn teilweise eine Talseite wie wegrasiert ist, leidet das touristische Potenzial doch gewaltig. Teilweise müssen die Hänge oberhalb der neuen Straße bis zu 200m hoch befestigt werden und der Abraum wird einfach den Hang rüntergeschüttet, dementsprechend ist auch der Zustand der alten Strasse auf der wir teilweise noch fahren und die sonst durch die Baustellenfahrzeuge ruiniert ist. Gebaut wird mit einem unglaublichen Einsatz von Menschen und Material. Gewaltige Stützmauern werden von Hand gebaut und Mörtel u. Beton werden z.T. von Hand angerührt. Alle paar Kilometer muß eine Brücke errichtet werden und alle geschätzten 80 Brücken zw. Weixi und Deqen sind ungefähr im gleichen Baustadium.
Das Vorankommen ist mühsam und so nutzen wir eine Brücke, um für ein paar km auf die westliche Talseite zu wechseln. Dort geht es auf kleinen Wegen durch durch Felder, Wälder und kleine Dörfer, doch nach 10 km ist Schluss und wir müssen wieder rüber. Als wir in einem Dorf kein Restaurant finden und in einem Laden nach Essen fragen, werden wir ins Wohnzimmer der Familie gelotst und von Mutter und Tochter für eine schmale Mark ausgezeichnet bekocht. Wir wechseln dann noch einmal die Talseite, doch aufgrund von Erdrutschen ist der „Feldweg“ teilweise grenzwertig wenn auch schön. Am Abend machen in dem Städtchen Yezhi nach 78 km Feierabend. Auch hier bekommen wir Besuch von der Polizei, weil der Hotelier mit uns überfordert ist. Eine Polizistin in Uniform und ihr Chef in Zivil wollen unsere Pässe und Visa sehen und haben noch eine Übersetzerin mitgebracht. Die Atmosphäre ist aber entspannt und freundlich und von viel Neugierde geprägt. Man organisiert ein paar Getränke und schließlich sitzen wir fast eine Stunde nett beisammen. Wir erfahren, daß wir am nächsten Tag noch einmal für ein paar Km auf die andere Flußseite wechseln können und das die gesamte Strecke nur an 2 Tagen pro Woche für den Verkehr freigegeben ist, wir aber passieren dürften.

8.5.
Die Baustelle ist heute deutlich heftiger als am Vortag. Geröll und Staub ohne Ende und zwischendurch wartet man an eine Felswand gedrückt ab bis 20 Lkw an einem vorbei sind und man wieder Sehen und Atmen kann. Für nur 6 km können wir nocheinmal die Talseite wechseln, was für eine Erholung! Dann geht es weiter über grobes Geröll, nur notdürftig von einem Bagger planiert, zwischen Bausmaschinen u. Lkw hindurch. Zwischendurch ist die Piste wegen Sprengungen oder Erdrutschen gesperrt, doch meist geht es schnell wieder weiter. Leider lockert sich irgendwann mein Lenkkopflager und erst am Abend in einem Dorf können wir es mit Mühe wieder festziehen. Für den Rest der Reise wird es vor sich hin knacken, doch es hält. Als wir in Badi eine Pause machen, werden wir ein wenig aufgemuntert. „I love you“ schallte es uns von der anderen Straßenseite ausdauernd entgegen: ein Mädchenpensionat. Kurz darauf ist die Straße gesperrt u. da es schon 18:00 ist nehmen wir ein Zimmer in einem Hof, in dem auch LKW-Fahrer und Bauarbeiter wohnen. Allerdings ignorieren wir das Bett und die Decken lieber und packen die Isomatten und Schlafsäcke aus. Essen bekommen wir in einer schäbigen Baracke gegenüber, in der ordentlich gezockt und gesoffen wird. Es wird ein lustiger Abend. Der Tag war anstrengend, doch geschafft haben wir gerade mal 70km mit einem Schnitt von 11,1.

9.5.
Am Morgen heißt es, die Straße sei für mindestens 2 Tage gesperrt. Wir fahren trotzdem los, werden aber an einer Schranke klar zurückgewiesen. 2 Tage hier Dreck rumsitzen? Das kann es nicht sein. Daher fahren wir 5km bis zur letzten Brücke zurück und versuchen einen Weg auf dem westl. Ufer zu finden. Doch vergebens und so fahren wir zurück zu unserer Unterkunft. Dort hatten wir gerade mit dem Fahrer eines Kleinlaster einen Preis für eine Fahrt zurück bis 15 km vor Weixi ausgehandelt (dort geht die Hauptroute zurück zum Yangtze ab) und die Räder auf der Ladefläche festgezurrt, da kommt die Nachricht, daß auch der Rückweg aufgrund eines Erdrutsches mindestens für einen Tag versperrt sei. Als wir uns noch frustriert anschauen, kommt einer unsere Zechkumpane vom Vorabend angelaufen und signalisiert uns, daß wir durchgelassen werden. Und tatsächlich dürfen wir passieren, was für ein Wechselbad der Gefühle! Die Piste ist nicht ohne und immer wieder rieselt es oben herab, doch haben wir sie in den ersten Stunden praktisch für uns allein. Das Farbspiel der Felsen und des Erdreichs ist toll und zwischendurch verengt sich das Tal zur Schlucht. Doch so schön bleibt es nicht, denn der Verkehr kommt zurück und mit ihm der Staub. Auch die Bestellung des Mittagessens geht schief. Es gibt pure Fettwürfel vom Schwein in ausgelassenem Fett. Uwe isst alles, doch ich begnüge mich mit trockenem Reis. Mittlerweile sind wir in tibetischem Gebiet, der Baustil hat sich dementsprechend verändert und die ersten Stupas und Gebetsfahnen tauchen auf. In einem kleinen Ort namens Yunling, der auf einem Felsporn über dem Mekong liegt, finden wir eine gute Unterkunft. Überall laufen Menschen in trad. Gewändern herum, zum Empfang irgendeiner hochrangigen Regierungsdelegation, die zuvor hupend an uns vorbeigefahren ist. (60 km , Schnitt10,29)

10.5.
Unser heutiges Ziel ist Deqen, das nur wenige Km von der Grenze zur Provinz Tibet entfernt ist. Als wir am Morgen weiter „unsere“ Baustelle beradeln wollen, wird uns bedeutet, daß diese wegen Sprengungen gesperrt sei. Kurz darauf hält ein SUV und der Beifahrer erklärt und in passablem Englisch, das die Strasse komplett gesperrt sei. Leider sagt er uns nicht, daß wir einfach die alte Straße nehmen können und bis wir das herausfinden, vergeht noch eine Weile. Doch dann geht es oberhalb von Yunling in Serpentinen den Berg hoch und die Aussicht wird zunehmend spektakulärer. Die ersten 40 Tageskilometer gehören zu den schönsten der ganzen Tour. Unter windet sich der Mekong auf 2000m Höhe durch das Tal, darüber liegen sattgrüne Gerstenfelder an den beige-braunen Hängen gesprenkelt mit den weißen tibetischen Wohnwürfeln und ganz weit oben sind schneebedeckte 5000 zu sehen. Aber es wird auch ein extrem heißer Tag. Am frühen Nachmittag quetschen wir uns in den Schatten eines neugepflanzten Straßenbäumchens und blicken auf die gewaltige Baustelle, die weiter unter im Tal verläuft. Das erste was wir von dem Städtchen Deqen auf 3200 m zu Gesicht bekommen ist eine in Bau befindliche Neustadt, auch hier ist der Bauboom voll angekommen. Doch wir wollen weiter zum Touriort am Ausichtspunkt von Feilai Si, der auf 3400 m liegt. In meinem 3 Jahre alten Reiseführer war von einem Dutzend Guesthouses und ein oder zwei Hotels die Rede, doch es sind locker 5 o. 6 große neue Hotels hinzugekommen und weitere befinden sich im Bau. Auf der Straße treffen wir dann Ying wieder, die sich gerade mit den 4 älteren chinesischen Radlern unterhält, die wir vor 6 Tagen am Yangtze getroffen hatten. Der heutige Tag verlangte uns auf ca. 60 km gut 1500 Höhenmeter ab.

11.5.
Am heutigen Pausentag wollten wir uns ein wenig die Beine vertreten und zum Mingyong Gletscher auf der anderen Seite des Mekong wandern. Doch erst einmal hieß es warten, da Ying gut eine Stunde brauchte, um einen Fahrer zu finden, der uns zu ihrem Preis zum Ausgangspunkt der Tagestour bringen wollte. Dann ging es erst mal 1500 m in Serpentinen runter zum Mekong, wo Eintritt kassiert wird. An der Brücke mußten wir dann eine weitere Stunde aufgrund eines Erdrutsches warten, so daß es schon ordentlich heiß war, als wir zu Fuß starteten. Die meisten chinesen ließen auf dem Rücken von Maultieren bis zum Gletscher bringen.Die Strecke durch den Wald ist sehr schön und gibt immer mal wieder tolle Aussichten frei. Es lohnt auf jeden Fall vom Ende des Gletschers noch 200 Höhenmeter weiter bis zu einem kleinen Tempel aufzusteigen, denn der 6800 m hohe heilige Berg Kagbo ist von dort viel besser zu sehen. Von einer Aussichtsplattform sahen wir mehrfach wie gößere Gletscherstücke abbrachen und donnernd zerschellten. Es macht den Eindruck, daß der Mingyonggletscher in letzter Zeit deutlich geschrumpft ist. Am Ende des Tages haben wir zu Fuß immerhin 900 Höhenmeter bewältigt und wissen zum Glück noch nicht, daß wir am nächsten Morgen etwas Muskelkater haben werden.

12.5.
Am Morgen bei Sonnenaufgang liegt die gewaltige Bergkette mit dem Kagbo im Zentrum traumhaft im Morgenlicht und wir können uns nur schwer losreißen.
Nach der kurzen Abfahrt zurück nach Deqen, decken wir uns durchgefroren erst einmal üppig mit Vorräten ein. Leider finden wir keinen ATM der Westkarten akzeptiert, d.h. einen finden wir schon, doch der ist defekt.
Am Ortsausgang beginnt dann sofort die Kletterei, wenngleich es nie steil wird. Leider fahren wir wieder durch eine, wenn auch recht weit fortgeschrittene, Baustelle und auch der LKW Verkehr ist z.T. nicht ohne. Als wir in der Mittagszeit in einem heftigen Baustellenabschnitt ein Päuschen machen, beginnt ein Bus wild zu hupen und aus einem der Fenster hängt Ying und wirft uns einen Beutel mit Kuchen und Obst zu. Perfekt! Touren mit Begleitfahrzeug sind vielleicht doch nicht so schlecht ;-)
Die letzten Kilometer hoch zum ersten der 3 Pässe fahren wir dann zum Glück auf der guten alten Strasse. Schön ist es hier, doch leider auch recht kalt und es beginnt zu nieseln. Bei einer weiteren Pause halten drei chin. Motorradfahrer auf ihrem fetten BMW Maschinen. Sie kommen von der Küste und befinden sich auf einer China-Umrundung. Im März hatten sie noch ein Motorradtraining bei BMW in Deutschland absolviert. Nach dem 2. der 3 Pässe machen wir durchgefroren eine Pause auf 4000 m Höhe in einem Bretterverschlag, der zugleich Wohnung, Laden und Restaurant ist. Hauptsächlich lebt die Familie aber davon, daß die LKW Wasser für ihre Bremsen tanken können. Wir freuen uns aber über die heiße Instantsuppe.
Kurz darauf treffen wir wieder 3-4 chin. Radler, die auf dem Weg nach Lhasa sind. Eine Vertändiging ist leider nicht möglich. Ob sie wissen, daß sie hinter Feilai Si wieder bis auf 2000 m zum Mekong runtermüssen? Hinter dem letzten der Pässe fahren wir noch 300 oder 400 Höhenmeter ab und schlagen schließlich in einem ruhigen Baustellenabschnitt unsere Zelte auf. Etwas Besseres war nicht zu finden und es dämmerte bereits. (69 km, 12,3 kmh).

13.5.
Es hat die ganze nacht leicht geregnet und so stehen wir am Morgen im Matsch und der Nebel gönnt uns anfangs nur 20m Sicht. Bibbernd geht es langsam auf der alten Strasse bergab und auch der blühende Rhododendron kann uns nicht aufmuntern. Ab 3000 m wird es dann zwar wieder recht warm und trocken, doch dafür dürfen wir uns bis Benzilan wieder komplett durch eine Baustelle quälen, so daß wir die Abfahrt mit ihren insgesamt 1600 Höhenmetern heute kaum einmal genießen konnten. Benzilan liegt gerade mal auf 2000m Höhe und dort war Sommer und die Getreidefelder waren bereits abgeerntet. Am Startpunkt am Morgen hatte der Frühling noch nicht richtig begonnen!
Ein paar Kilometer vor Benzilan besichtigten wir ein tibetisches Kloster, doch Mönche waren kaum zu sehen, denn die waren alle mit ihren Motorrädern in Benzilan, wie wir später feststellten, und füllten dort die Restaurants und Billardkneipen.
An einem Aussichtspunkt über dem Yangtze treffen wir mal wieder ein größere gemischte Gruppe chin. Radler und es gibt ein großes Hallo, zumal der Leiter der Gruppe passabel Englisch spricht. Auch er ist wie alle Chinesen, die wir treffen, überrascht, als wir ihm erklären, daß wir nicht nach Tibet und Lhasa dürfen. Benzilan selbst macht nichts her, liegt aber schön am Yangtze und bietet gut Einkaufsmöglichkeiten und reichlich Unterkünfte. Unser Zimmer war so groß, daß wir gut unsere Zelte trocknen konnten. (50 km)

14.5.
Als wir in Benzilan erfuhren, daß die Strasse nach Zhongdian/Shangri La weitgehend aus Baustelle bestehen sollte, entschieden wir uns endgültig für die bereits präferierte Route über Derong nach Litang. Wir überquerten also den Yangtze und folgten ihm ein paar Kilometer nach Norden, um dann einem Nebenfluss bis Derong zu folgen. Nach dem Höhentraining der letzten Tage rollte es sich auf der guten verkehrsarmen Strasse bei sommerlichen Temperaturen und vergleichsweise ebener Strecke ausgezeichnet. Wir kamen durch sehenswerte Landschaften und schöne tibetische Dörfer, in denen viele Häuser renoviert wurden oder schon waren. Alle waren frisch weiß gestrichen und hatten oder bekamen üppig mit Schnitzereien und bunten Farben verzierte Fenster. Viele Gehöfte verfügten über Solar-Warmwasseranlagen und auch in unseren billigen Unterkünften gab es fast immer Warmwasser. Das las sich im gar nicht so alten Reiseführer noch ganz anders. Insgesamt ergab sich so der Eindruck, daß auch in diesen abgelegenen Gegenden der chinesische Wirtschaftsboom zumindest in Form von Geld (Transferleistungen?) angekommen ist.
Wir hatten nun Yunnan verlassen waren in der Provinz Sichuan. (Weiß eigentlich jemand, warum es in Yunnan Mars, Snickers und andere westliche Süßigkeiten gibt und in Sichuan nicht? Daß die regionalen Biersorten wechseln kann ich ja verstehen, aber…)
In Derong gingen wir noch mal Obst und Kuchen einkaufen und vergassen auch nicht ein paar Dosen Bier für den Abend. Ein paar Kilometer hinter dem Ort bogen wir nach Westen in Richtung Xiangcheng ab. Wir waren lange unsicher, ob die kleine Schotterpiste der richtige Weg war, obwohl wir mehrfach gefragt hatten. Doch die Strecke war ein Traum. Erst ging es einen rauschenden Bergbach entlang, der sich dann durch eine enge Schlucht kämpfte und später ging es dann durch kleine Dörfer malerisch aussehende Dörfer. Dort fragten wir mehrfach nach einer Unterkunft, auch bei Mönchen, doch ohne Erfolg. Schließlich schlugen wir unsere Zelte dirkt am Fluss in einem Weidenwäldchen auf. Obwohl Strasse und Dorf ganz nah waren und uns auch einige Leute sahen, blieben wir ungestört. (Unsere längste Etappe: 108 km)

15.5.
Das schöne Wetter blieb uns vorerst treu und weiter ging es durch dieses schöne Tal. Nach 14 km trafen wir dann wieder auf eine Teerstraße, die vermutlich auch von Derong kam, aber ich kann nur jedem „unsere“ Abkürzung ans Herz legen. Es ging bis auf einen 3815 m hohen Pass hinauf (Start bei ca. 2500m) und gleich wieder eine schöne Abfahrt hinab in weites Hochtal auf 3400 mit vielen Gehöften und einem kleinen Dorf. Dort fanden wir in einem Schuppen ein Zimmer und zogen mal wieder unsere Schlafsäcke den Betten vor. Viel Schlaf bekam ich nicht, da die Dorfhunde im Mondschein der klaren Nacht alles gaben. (63 km)

16.5.
Bei eisigen Temperaturen krochen wir aus unseren Schlafsäcken und beim Blick auf die Berge gab es eine kleine Überraschung: Neuschnee bis auf 3700m. Wir folgten die ersten Kilometer einem nur langsam ansteigenden Tal bis wir an eine Kreuzung kamen, die es auf unseren Karten gar nicht gab. Nun ging es in Serpentinen 12 knackige Serpentinen auf 4150m hoch. Es ist immer wieder schön, wenn man die Gebetsfahnen erblickt und weiß, daß man gleich auf dem Pass ist! Da selbst hier oben taute, war die Strasse überall frei.
Vom Pass aus ist Xiangcheng unten im Tal schon gut zu sehen, doch durch die Kurvenreiche Strasse sind es noch 30 km, allerdings nur bergab. Auch konnten wir schon gut erkennen was uns am Folgetag erwarten würde! Oben packten wir uns für die Abfahrt erst mal warm ein. Die Strasse war ausgezeichnet und so ging es flott bergab. Die Aussicht blieb toll und die Hänge waren mit verschiedenen blühenden Rhododendronarten übersät und die Temperaturen waren im Tal auf 3100 m Höhe schon wieder frühlingshaft. Am Ortseingang besichtigten wir erst einmal ein schönes frisch restauriertes Kloster, bevor wir uns ein Zimmer suchten. Überrascht wurden wir von dem gewaltigen Polizeiaufgebot in der Stadt, so daß wir schon Sorge hatten in irgendwas hineingeraten zu sein, vor allem als uns ein Polizist anblaffte, als wir am Rand der Haußstraße hielten und uns aufforderte weiterzufahren. Doch insgesamt war die Stimmung auch der vielen Tibeter in der Stadt sehr entspannt und es stellte sich heraus, daß am Nachmittag im Zentrum nur eine Veranstaltung mit viel Prominenz stattfand. Empfehlen können wir das kleine Restaurant an der Hauptstrasse mit Namen „Beautiful Chonqing Girls“. Wie attraktiv die Chefinnen sind, soll jeder selber beurteilen, doch das Essen ist richtig gut und es wird Englisch gesprochen. (64km)

So weit erst mal.

Gruß
Jörg