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#611479 - 14.04.10 21:45 Von Bochum bis ins Kochertal (meine Erste!)
xasso
Mitglied
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 104
Dauer:6 Tage
Zeitraum:2.8.2009 bis 7.8.2009
Entfernung:481 Kilometer
Bereiste Länder:deDeutschland
Externe URL:http://www.bikemap.net/route/372829

Hallo! Ich bin Volker, 28 Jahre alt, Student, unsportlicher Raucher und vor allem noch relativ neu hier..

Letztes Jahr hab ich nach 7 Jahren ohne auch nur einen Tritt das Fahrradfieber für mich neu entdeckt (unter anderem durch dieses Forum) und bin ohne jegliches Training meine erste richtige mehrtätige Radtour gefahren.

Der folgende Bericht enthält leider keine Bilder - mein PC ist einen Tag nachdem ich die Bilder draufgeladen habe irreparabel abgeschmiert, die Fotos hatte ich noch nicht gesichert :-(

Mein kleines Reisetagebuch hatte ich ursprünglich für mich persönlich geschrieben, habt also bitte Verständnis, dass hier einer seine Erlebnisse aufschreibt, der zum ersten Mal überhaupt so richtig mit dem Fahrrad unterwegs war..

1. Etappe: Bochum - Gevelsberg (26 km)
Strecke: Bochum – Buchholz – Durchholz – Am Padtberg – Röllinghof – Uhlenbarth – Hiddinghausen – Rennebaum – Sonnenschein – Gevelsberg

Nachdem ich mit dem Zug am Hauptbahnhof in Bochum angekommen bin und die Bahnhofshalle verlassen habe, war mein erstes Ziel sofort zu erkennen: ich wollte mir noch ein paar Runden des „Sparkassen Giro“ ansehen, der direkt am Bahnhof vorbeiführte. Aufgrund des zunächst trüben Wetters ergatterte ich einen guten Platz und konnte schließlich frierend und bei strömendem Regen hautnah den Profis zusehen. Meine Lust aufs Fahrradfahren ging gleichzeitig gegen Null – so ein Scheißwetter gleich am ersten Tag! Um 18:30 Uhr war das Rennen beendet und Mark Cavendish stand wie erwartet als Sieger fest – nun begann für mich das Abenteuer.
Der Regen hatte Gott sei Dank aufgehört und kam für den Rest des Tages auch nur in Form von Nieseln wieder, was auszuhalten war. Zunächst ging es raus aus Bochum und schon hier musste ich feststellen, dass ganze 11 km Training vor der Tour doch etwas zu wenig waren. Ich versuchte krampfhaft etwas schneller zu fahren, damit es sportlicher aussieht.. und damit ich den alten Sack wieder einhole, der mich soeben überholt hat. Ich schaffs nicht, bin dafür aber doch recht schnell draußen aus Bochum und fahre ins saftige und vom Regen noch dampfende Grün.
Bald biege ich links ab, um über kleine Ortschaften mein Tagesziel Gevelsberg zu erreichen. Zu meiner Überraschung ist nördlich von Bayern doch nicht alles flach und gleich der erste Berg raubt mir meine letzten Kräfte. 11 Prozent bringen meine Oberschenkel und meine Lunge binnen kurzer Zeit an ihre Grenzen. Ich halte pausenlos an, verschnaufe ein bisschen und fahre wieder ein paar Meter; geschoben wird nicht! Nach einigen qualvollen Höhenmetern mehr bemerke ich erst, wie schön die Gegend um mich herum ist. Ich fahre an kleinen Höfen und Hausgruppierungen vorbei, die kaum als Ortschaft zu bezeichnen sind. Der Blick zurück offenbart einem die gegenüberliegenden Hänge mit ihren Wäldern und weit und breit um mich herum nur saftige Wiesen – das wollte ich doch haben!
Die letzten Berge in Gevelsberg sind nicht mehr so schön, aber mindestens so anstrengend. Es wird halb neun, bis ich endlich in meiner Unterkunft ankomme. Es handelt sich um ein Zimmer plus Bad in einem Privathaus.
Am späteren Abend lande ich in einer sündteuren, aber hervorragenden Pizzeria und fresse mir die runtergestrampelten Kalorien wieder hin. Hier (und auch im späteren Verlauf meiner Tour) fällt mir immer wieder auf, dass es kein Problem ist, auch nach 22 Uhr in einem Restaurant noch etwas zu essen zu bekommen, in Bayern hingegen ist das schon gar nicht mehr so einfach.
Zurück im Zimmer bin ich tot. Ich frage mich, wie 100 km in dieser Gegend werden sollen, wenn ich schon nach 26 so am Ende bin; gleichzeitig freue ich mich aber auch tierisch auf diese Herausforderung.


2. Etappe: Gevelsberg - Gerlingen (80 km)
Strecke: Gevelsberg – Ennepetal – Voerde – Oberbauer – Delle – Königsheide – Breckerfeld – Wengeberg – Branten – Grünenbaum – Wiene – Nieder-Carthausen – Bruch – Berge – Ehringhausen – Haus Rhade – Bollwerk – In der Grüne – Vollme – Vorth – Sankel – Grünenbaum – Kierspe – Meinerzhagen – Lesmicke – Hespecke – Hammerteich – Beul – Scheda – Wegeringhausen – Hützemert – Drolshagen – Berlinghausen – Rüblinghausen - Gerlingen

Heute Morgen hat mir die freundliche Gastgeberin noch ein paar Euro für die Übernachtung nachgelassen, da sie mir kein Frühstück bieten konnte. Voller Tatendrang machte ich mich also auf den Weg, das Wetter schien heute auch deutlich besser zu werden als am Vortag. Bevor ich überhaupt den ersten Meter gefahren bin, musste ich allerdings feststellen, dass mein Tacho nicht richtig funktioniert. Immer wieder schaltete er sich von alleine ab, die gespeicherten Daten waren futsch und meine Laune auch. Ohne Tacho wollte ich nicht fahren, deshalb hab ich mich nach dem Frühstück beim Bäcker zu einem Fahrradladen durchgefragt. Der Verkäufer dort hatte angeblich überhaupt keine Zeit (und überhaupt keine Lust) meinen Tacho auszutauschen, da müsste ich schon sehr lange warten. Kurzerhand hab ich mich dazu bereit erklärt und sooo lang hat der mürrische Typ dann doch nicht gebraucht. Nichtsdestotrotz kam ich erst mit deutlicher Verspätung los und sicherheitshalber hab ich meine Übernachtung wie schon gestern dann auch gleich wieder unterwegs klar gemacht.
Die hügelige Landschaft setzte sich wie befürchtet fort. Trotzdem fing mir das Unternehmen Deutschlandtour aber doch langsam an Spaß zu machen. Das Wetter war mit knapp über 20 Grad angenehm mild und schön. Wieder kam ich durch winzige Hof-Ortschaften, sattes Grün überall und ich fühlte mich zum ersten Mal so richtig frei und genau am richtigen Platz. Die Berge bereiteten mir jedoch nach wie vor große Schwierigkeiten. Mein Ehrgeiz ließ schieben einfach nicht zu, trotzdem musste er ein paar gewaltige Dämpfer hinnehmen, da ich an steileren Hügeln immer wieder anhalten musste, um kurz Kraft zu tanken und Luft zu holen. Durch die Fahrt auf einer möglichst geraden Linie durch Deutschland ließ ich natürlich keinen Berg aus. Oft bog ich ab und wechselte die Straße – fuhr einen Berg rauf, den wieder runter und sofort den nächsten wieder hoch. Die Steigungen kamen mir deutlich steiler und vor allem deutlich länger vor als zu Hause, was sich im Nachhinein auch als wahr herausstellte. Vollkommen erschöpft ließ ich mich zwischen Grünenbaum und Wiene einfach mitten in eine Hofeinfahrt nieder, um irgendwie noch Luft zu kriegen. Sofort kam der Besitzer her, sah mich leiden und bezeichnete es sinngemäß als bescheuert, wenn man sich selbst so überschätzt. Optische Highlights des Tages waren das Haus Rhade, an das ich über ein kleines Feldwegchen gelangt bin, sowie das Etappenfinale kurz vor Rüblinghausen, wo ich auf einer Wiese nach der letzten Steigung des Tages einen traumhaften Sonnenuntergang und eine grandiose Aussicht genießen konnte. Echt schade, dass die Fotos weg sind. In Gerlingen kam ich schließlich um halb neun an und stellte erstaunt fest, dass ich heute gerade mal 80 km gefahren bin. Wie soll ich da z. T. über 100 schaffen? Naja, mal sehen…


3. Etappe: Gerlingen - Philippstein (121 km)
Strecke: Gerlingen – Wendenerhütte – Brün – Hoffnung – Rothemühle – Wilhelmstal – Löffelberg – Büschergrund – Lindenberg – Oberschelden – Gosenbach – Niederschelden – Eiserfeld – Eisern – Salchendorf – Wilden – Gilsbach – Burbach – Würgendorf – Wasserscheide – Allendorf – Flammersbach – Langenaubach – Breitscheid – Gusternhain – Driedorf – Seilhofen – Rodenberg – Haiern – Beilstein – Wallenstein – Holzhausen – Ulm – Allendorf – Bissenberg – Stockhausen – Leun – Lahnbahnhof – Braunfels - Philippstein

Der Tag begann so friedlich, als der Wirt aus Gerlingen das endsnervige Quietschgeräusch meiner Kette durch eine ordentliche Ladung Kettenöl beseitigte. Echt nett! Locker flockig ging ich gemächlich an den Start, fuhr grinsend am Ortsschild von Hoffnung vorbei, wohlwissend, dass ich diese im Laufe des Tages durchaus aufgeben könnte.
Bei warmen 25 Grad gings heute in den Hochtaunus – gestern war noch Pillepalle. Zwischen jeder Ortschaft liegt ein gnadenloser Berg, ich fühlte mich, als wär ich in den Alpen. Zwar verbesserten sich Kraft und Kondition spürbar, dennoch kam ich insbesondere heute an meine Grenzen. Das Schlimme ist – die Orte liegen stets im Tal (außer die, die mit –berg enden – die sind nämlich tatsächlich immer am Berg!). Das heißt, man strampelt sich einen ab, hat dann endlich eine Abfahrt, muss aber höchst achtsam sein, dass man nicht über Kanaldeckel oder Haustiere fährt. Aus dem Grund sind die Abfahrten dann doch nicht die heiß ersehnte pure Erholung, sondern fordern einem zumindest einiges an Konzentration ab. Die Landschaft im Taunus ist natürlich umwerfend schön. Gerade die vielen Hügel verschaffen einem immer wieder die schönste Aussicht, die man als Fahrradfahrer ja auch wirklich genießen kann. Irgendwie sind die Pausen wesentlich erholsamer, wenn man eine Möglichkeit hat, sich zurückzulehnen und den Blick in die Ferne schweifen zu lassen.
Blöd war heute die Tatsache, dass ich sehr häufig auf stark befahrenen Straßen unterwegs war und nur wenige Radwege benutzt habe. Es gibt da oben nur selten so blaue Wege wie bei uns, vielmehr haben die neuen grünen Schilder Einzug gehalten. Diese führen den Radler zwar über schöne ruhige Strecken mitten durch die Natur, befinden sich aber oft weit weg von der Straße und sind daher, wenn man den Einstieg verpasst hat, nur schwer auffindbar. Zu allem Überfluss hab ich mich heute sechs Mal verfahren. Ich wollte weder nach Lindenberg, noch nach Salchendorf; ich hätte auch wirklich nix verpasst. Eine Erwähnung wert ist mein persönlicher Killerberg, der über 3 km zwischen Langenaubach und Breitscheid 16 % Steigung aufweist. Ich glaub, ich hab inkl. Stehenbleiben zwischendrin, das ich mir eigentlich schon abgewöhnt hatte, eine Stunde gebraucht!
Die Steigungen, die Temperaturen und die unfreiwilligen Umwege haben mich viel Zeit gekostet. Die Läden hatten nicht mehr auf, als mir vor Durst und Hunger schier schlecht war, eine Tankstelle hab ich auch erst kurz vor dem Tagesziel gefunden. Mein Höllenritt war erst um 22:30 Uhr vorbei und endete mit der Ankunft in einem Gasthaus in Philippstein, das von einer sehr merkwürdigen alten Frau geleitet wurde, die durchaus ebenfalls aus der Hölle hätte stammen können.


4. Etappe: Philippstein - Schaafheim (109 km)
Strecke: Philippstein – Grävenwiesbach – Usingen – Wehrheim – Saalburgsiedlung – Köppern – Friedrichsdorf – Seulberg – Ober-Erlenbach – Nieder-Erlenbach – Massenheim – Bad Vilbel – Bergen-Enkheim – Offenbach am Main – Bieber – Obertshausen – Weiskirchen – Hainhausen – Rodgau – Dudenhofen – Babenhausen - Schaafheim

Heute stand der Tag bevor, an dem es ins Dreckloch Frankfurt/Offenbach gehen sollte. Hiervor war mir etwas mulmig, weil ich es hasse, mich durch den Großstadt-Dschungel zu wühlen; ich mag die Leute nicht und die Plattengefahr ist in der City wohl auch am größten. Doch bevor es soweit war, gings unter zunehmendem Arschweh weiter durch den Taunus, genauer gesagt durch den Hochtaunus-Kreis. Zunächst an der diesmal weniger befahrenen Bundesstraße entlang den gewohnten Auf-und-Ab-Rhythmus. So langsam machte sich die erste Frustration breit, diese Hügelfahrerei schien kein Ende zu nehmen. Nach kürzester Zeit ist man fix und fertig und nach stundenlangem Fahren ist man quasi kaum vom Fleck gekommen. Grade als es am schlimmsten war, hab ich den breiten Asphalt verlassen und zufälligerweise den Radweg nach Köppern entdeckt. Mitten unter der Woche war hier kaum etwas los, ich fuhr ständig auf einem kleinen geteerten Weg mitten durch den Wald, wo die 30 Grad auch nicht so heiß waren. Und zu aller Freude begann plötzlich eine zwar nur minimal abschüssige, aber dafür schier endlose Abfahrt, die mir wieder zu neuen Kräften verhalf.
Nach einer halben Ewigkeit war ich in Friedrichsdorf angelangt und die gewohnte Topographie stellte sich wieder her. Ich meisterte sie aber mit Bravour und genoss jeden Augenblick, zu dem ich noch nicht in der Stadt war. Immer wieder entdeckte ich die grünen Fahrradschilder und fand langsam auch Gefallen am Schotterfahren, was ich früher überhaupt nicht leiden konnte. Die Ruhe im Wald oder über Felder gibt einem die Möglichkeit, die ganze Schönheit der Natur auf sich wirken zu lassen, sie regelrecht in sich einzusaugen. Selbst wenn manche Landstriche gar nicht so schön, oder nichts Besonderes sind – mich darin zu bewegen verschafft mir ohne Übertreibung ein pures Glücksgefühl. So fuhr ich am und im Wald, tankte viel Sonne, trank Saft und fraß Kilometer. Das Gelände ebnete sich zunehmends, ich ließ den Wald hinter mir und gab Gas. Die Sonne knallte ganz schön her, es gab oftmals gar keine Möglichkeit mehr, im Schatten Pause zu machen und es kündigte sich bereits in knallroter Fröhlichkeit ein Sonnenbrand auf Schenkeln und Armen an.
Auf der Geraden nach rechts geschaut – boah. Ich blieb stehen und starrte fasziniert auf eines der eindrucksvollsten Bilder meiner Tour. In der Ferne erhob sich Frankfurt in all seiner faszinierenden Scheußlichkeit. Ich war bestimmt noch 40 Kilometer entfernt, die gute Sicht ließ einen aber sogar einzelne Gebäude erkennen. Wie drohendes Unheil stand diese Stadt da plötzlich mitten in der Natur, wenn auch noch weit weg. Als ich endlich dort war, war alles halb so wild. Ich überquerte als einer von unzähligen Fahrradtouris den Main und fuhr dann quer durch die Stadt; zwar langweilig, aber ohne Platten und ohne Ärger. Endlich draußen gings schnurgerade und flach wie Holland über etliche weitere Kilometer bis nach Schaafheim, wo ich mich schließlich bei einem sympathischen Ehepaar mit Gästezimmer einquartierte.


5. Etappe: Schaafheim - Krautheim (109 km)
Strecke: Schaafheim – Mömlingen – Obernburg am Main – Wörth am Main – Klingenberg am Main – Großheubach – Miltenberg – Schippach – Windischbuchen – Reinhardsachsen – Glashofen – Walldürn – Waldstetten – Erfeld – Gerichtstetten – Hohenstadt – Berolzheim – Schillingstadt – Schwabhausen – Windischbuch – Neunstetten – Krautheim

Eigentlich wollte ich ja heute früher loskommen. Doch Lisa hatte heute Prüfung und deswegen den Kopf so voll, dass sie sich aus der Wohnung ausgesperrt hat und mich anrief. Oh mei, die Arme. Ich bin ihr so gut es ging telefonisch beigestanden und hab auch meine Mutter in Alarmbereitschaft versetzt. Schlussendlich ging alles gut.
Mir selbst gings heut morgen nicht mehr so berauschend, mein Arsch war ganz wund und meine Sonnenbrände glühten wie Feuer. Trotzdem gings wieder weiter, ich wollte eigentlich bis nach Künzelsau, hab aber schnell gemerkt, dass ich das nicht schaffe. Die Strecke verlief über ein langes Stück am Main entlang, leider mit ein paar Metern Abstand an Touristen-Radwegen, so dass man zum einen den Main nur selten sah und zum andern ständig vor, hinter oder neben irgendwelchen Ausflüglern herfuhr. Irgendwie fühlte ich mich ständig verpflichtet, mich nicht von jedem überholen zu lassen und auch hin und wieder mal jemanden einholen zu müssen, was letztendlich wenig Sinn macht und sehr Kräfte raubend ist. So zog sich die überraschenderweise wenig attraktive Route am Main sehr lange hin, bis ich sie im obersten Wipfel Bayerns, in Miltenberg, endlich hinter mir lassen konnte, nur um mich dann wieder von Bergen umringt zu sehen. Vor mir erhob sich so langsam der Odenwald mit all seiner Pracht, aber auch all seinen üblen Steigungen. Ich überquerte erneut eine Bundeslandgrenze und befand mich nun in Baden-Württemberg.
In einer prächtigen Umgebung strampelte ich nun wieder im Jojo-Takt. Ich gelangte auf einen langen geteerten Waldradweg, der mir mit einem antik anmutenden Holzschild in 15 km Entfernung Walldürn ankündigte. Die Freude über den Schatten wich schnell aufkommender Verzweiflung. Ich fuhr eine gefühlte Ewigkeit nur bergauf. Durch den Wald konnte ich die Umgebung nicht sehen und ohne Anhaltspunkte ist es auch schwer, die aktuelle Steigung richtig einzuschätzen. Manchmal hatte ich das Gefühl, ich müsste mich nach all diesen Höhenmetern schon im Weltall befinden, dann wiederum zweifelte ich an meiner Sportlichkeit, da ich auf vermeintlich ebener Strecke nie mehr als 12 km/h zustande brachte. Eine entgegenkommende Wanderin bestätigte mir mit ihrem fiesen „Viel Spaß noch!“, dass es sich tatsächlich um einen stattlichen Berg handeln musste, den ich dann doch irgendwann nach 15 km Anstieg bewältigen und hinter mir lassen konnte. Danach ging es wieder etwas entspannter weiter, bis sich zum Tagesfinale noch einmal einige Hügel auftaten, woran ich mich zwischenzeitlich aber ja schon gewöhnt hatte. An das letzte Drittel dieser Etappe kann ich mich leider kaum erinnern, ich weiß nur, dass ich wenige hundert Meter vor dem Ziel noch einmal eine Pause einlegen musste. Endlich angekommen fühlte ich mich total ausgelaugt, die letzten Tage saßen mir inzwischen echt tief in den Knochen. Auch die Schmerzen wuchsen stündlich, die Riesenportion Calamaris konnten darüber auch nicht hinwegtrösten. Ab ins Bett!


6. Etappe: Krautheim - Kocherstetten (36 km)
Strecke: Krautheim – Altkrautheim – Untergrinsbach – Obergrinsbach – Wendischenhof – Stachenhausen – Eschenhof – Hermuthausen – Ohrenbach – Amrichshausen – Künzelsau – Morsbach - Kocherstetten

Okay, ich hab mich jeden Morgen gefragt, wie ich den heutigen Tag mit all diesen Kilometern denn bitte hinter mich bringen soll. Diesmal wars aber anders. Mein Arsch war eine einzige, nässende Wunde und auch jeder andere erdenkliche Winkel meines Körpers schmerzte, meine Sonnenbrände brannten wie Feuer und mir war irgendwie schwindlig. Ich war am Ende, bevor der Tag überhaupt anfing, alles in mir sträubte sich.
So kam ich erst relativ spät los und von Anfang an machte es mir heute keinen Spaß. Vom Tempo her war ich nach einigen Minuten wieder im alten Trott und auch relativ fit. Ich fuhr direkt an riesigen Windrädern vorbei und tatsächlich wars hier auch deutlich windiger als auf einer Durchschnittsstrecke. Interessant ist, dass danach der Wendischenhof kam und ich vermute mal stark, dass der Name dieses Ortes auch vom Wort „Wind“ abstammt. Nach meiner ersten Pause kam ich kaum mehr hoch; ich hatte plötzlich keine Kraft mehr und noch weniger Lust als vorher. Ich kam überhaupt nicht mehr voran, bereits wenige Kilometer später brauchte ich die nächste Pause und saß nach einem kurzen Anstieg in einem knallheißen Bushäuschen, dessen Glasdach keinen Schatten bot.
Nach Künzelsau wollte ich eigentlich gar nicht, aber ich hab auf der rasanten Abfahrt die Abzweigung nach Morsbach verpasst. So rollte ich grantig in Künzelsau ein und verpasste nun auch noch die Abzweigung Richtung Kocherstetten. Nach einer unfreiwilligen Stadtrundfahrt fand ich den Kocherradweg schließlich doch. Eine leere Flasche hatte ich in weiser Voraussicht aufgehoben, die ich mir an einem Touri-Stand mit Wasser auffüllen ließ. Sonst hab ich keinen Laden weit und breit entdeckt und mir war klar, dass der halbe Liter nicht lange reichen würde und dass sich zu den Schmerzen nun bald auch der Durst gesellen würde.
Die letzten Kilometer absolvierte ich in einer wunderschönen Gegend rund um den (oder die?) Kocher. Das Flüsschen ist auf beiden Seiten von Bergen umrandet, Hauptstraßen sind weit weg und überall ist grüne, pure Natur, durch die ein schmaler geteerter Radweg führt. Das alles nehme ich jedoch kaum mehr wahr. Die Schmerzen sind inzwischen unerträglich. Ich muss alle paar Meter aus dem Sattel steigen, um mein Hinterteil zu schonen, stütze mich dabei aber auf zwei fast taube Handgelenke. Ich fahre noch vier Kilometer in purer Verzweiflung und blankem Selbsthass mit der Erkenntnis, dass ich gescheitert bin, dass ichs nicht geschafft habe. Aber es geht nicht mehr. In Kocherstetten überquere ich das malerische Brücklein, stelle mein Fahrrad ab, erreiche Mama nach einigen erfolglosen Versuchen dann doch irgendwann und werde 2einhalb Stunden später abgeholt. Die Zeit nutze ich um rumzuschauen, mich zu relaxen und mir zu überlegen, wo es das nächste Mal hingeht. Da klappts dann! Trotz des widrigen Finales: Es war eine tolle Tour! Landschaftlich traumhaft, vom sportlichen Anspruch her hochwertig und für mich persönlich eine schöne Seelenreinigung!

481 km / ca. 5000 hm
Null Ahnung von Technik!

Geändert von xasso (14.04.10 21:46)
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Betreff von verfasst am
Von Bochum bis ins Kochertal (meine Erste!) xasso 14.04.10 21:45
Re: Von Bochum bis ins Kochertal (meine Erste!) iassu 15.04.10 02:00
Re: Von Bochum bis ins Kochertal (meine Erste!) wutztock 15.04.10 05:53
Re: Von Bochum bis ins Kochertal (meine Erste!) rolf7977 15.04.10 07:07
Re: Von Bochum bis ins Kochertal (meine Erste!) Uli 15.04.10 08:45
Re: Von Bochum bis ins Kochertal (meine Erste!) xasso 15.04.10 20:52
Re: Von Bochum bis ins Kochertal (meine Erste!) xasso 15.04.10 20:57
Re: Von Bochum bis ins Kochertal (meine Erste!) natash 16.04.10 14:34
Re: Von Bochum bis ins Kochertal (meine Erste!) Martina 16.04.10 16:05
Re: Von Bochum bis ins Kochertal (meine Erste!) xasso 19.04.10 18:32
Re: Von Bochum bis ins Kochertal (meine Erste!) StephanZ 15.04.10 09:21
Re: Von Bochum bis ins Kochertal (meine Erste!) :-) 15.04.10 13:08
Re: Von Bochum bis ins Kochertal (meine Erste!) Pfannastieler 15.04.10 23:01
Re: Von Bochum bis ins Kochertal (meine Erste!)  Off-topic LudgerP 16.04.10 11:30
Re: Von Bochum bis ins Kochertal (meine Erste!)  Off-topic BochumBiker 16.04.10 13:41
Re: Von Bochum bis ins Kochertal (meine Erste!) veloträumer 16.04.10 17:45
www.bikefreaks.de