16. Tag (22.07.2018), Frontignan – Saint-Pierre-la-Mer
Strecke: 94 km
Höhenmeter: 369


Nachdem ich es gestern nicht mehr, wie geplant, nach Sète geschafft habe, erreiche ich die Stadt heute Vormittag zügig über die Hauptstraße (D 912) nach etwa 10 km. Charakteristisch für das Stadtbild von Sète sind die zahlreichen Kanäle, die die Innenstadt durchziehen, die fast völlig von Wasser umgeben zwischen dem Meer und der Lagune Étang de Thau gelegen ist.





Am Fischereihafen gibt es Fischrestaurants, das passt prima fürs Mittagessen. Wie auch schon vorgestern Abend in Le Grau-du-Roi kann ich hervorragend direkt am Kai, an dem die Fischerboote liegen, speisen; diesmal gönne ich mir ein absolut köstliches Schwertfischsteak (Espadon).





Während des Essens mache ich mir Gedanken über den weiteren Reiseverlauf. Ich werde auf alle Fälle noch über die Landzunge zwischen dem Étang de Thau und dem Meer bis Agde oder Béziers fahren. Ab dort gäbe es verschiedene Möglichkeiten, die Küste zu verlassen und ins Zentralmassiv, konkret die Cevennen, zu fahren. Dort war ich bereits zweimal unterwegs, das würde mich nochmal reizen, ich könnte bereits bekannte mit neu zu entdeckenden Strecken kombinieren. Wenn ich mich am Ende Richtung Rhone orientieren würde, könnte ich beispielsweise in Avignon den gebuchten TGV nach Frankfurt nehmen. Nach einigem Hin- und Herüberlegen überwiegen dann aber doch der Wunsch, die Reise in Spanien zu beenden und meine Sehnsucht nach den Pyrenäen, obwohl oder gerade weil ich sie bereits von mehreren Radreisen recht gut kenne und sie erst vor zwei Jahren von Ost nach West durchradelt habe. Angesichts der verbleibenden Zeit muss ich dann allerdings noch ein ganzes Stück in Küstennähe bleiben, um es noch bis Katalonien zu schaffen. Die Zugrückfahrt wird kein Problem darstellen, verkehren doch, wie ich aus Erfahrung weiß, auf der Hauptstrecke von der spanischen Grenze bei Portbou bzw. Cerbère über Perpignan, Béziers, Sète und Montpellier nach Avignon durchgehende Regionalzüge.

Zwischen Sète und Marseillan-Plage verläuft ein Radweg entlang der schmalen Landzunge, die den Étang de Thau vom Meer trennt. Durch die Dünen gelangt man an den herrlichen Sandstrand. Hier müsste man eigentlich ein wenig verweilen, aber ich habe mir das ehrgeizige Ziel gesetzt, heute im mir bereits bekannten Ort Gruissan zu übernachten und mich damit unter eigentlich unnötigen Zeitdruck gesetzt.



Zwischen Marseillan-Plage und Agde muss ich ein paar Kilometer eine Hauptverkehrsstraße nehmen. In Agde treffe ich wieder auf bekanntes Terrain; von hier bis Katalonien kenne ich die Strecke entlang der Küste bereits von mehreren Radreisen.



Ich gelange auf der Hauptverkehrsstraße D 612 bis kurz vor Béziers und stoße auf den Canal du Midi, dessen ehemaligen, wenn auch nicht befestigten Treidelpfaden ich im Grunde auch schon ab Agde hätte folgen können.



Die Kanalbrücke, die den Canal du Midi in Béziers über den Fluss Orb führt, überquere ich nun schon das dritte Mal; das letzte Mal bin ich 2011 auf meiner Radtour Paris-Barcelona (im Bericht Tag 14) aus den Cevennen kommend in Béziers auf den Canal du Midi gestoßen, und ein Jahr davor auf einer Radreise, die in Saint-Nazaire beginnend ebenfalls Barcelona zum Ziel hatte, bin ich zwischen Bordeaux und Agde die gesamte Strecke des „Canal des Deux Mers“, d. h. den Canal latéral à la Garonne und den Canal du Midi, entlanggeradelt.





Da ich Béziers bereits von zwei Radreisen kenne, verzichte ich diesmal darauf, die die hoch über dem Orb-Ufer gelegene Altstadt zu besichtigen und begnüge mich mit dem Blick von der Kanalbrücke aus.



Der Radweg verläuft auf den ehemaligen Treidelpfaden des bereits im 17. Jahrhundert gebauten Kanals, der fast durchgängig gesäumt ist von zwei Reihen schattenspendender Platanen.

Leider ist der Radweg am Canal du Midi hier, in seinem östlichen Abschnitt (außer im Stadtgebiet von Béziers), überwiegend nicht asphaltiert. Eine durchgehende Asphaltdecke hat der Radweg entlang des Kanals nur auf einem kurzen Abschnitt östlich von Toulouse, während der Radweg entlang des westlich anschließenden Garonne-Seitenkanals bis kurz vor Bordeaux fast durchgängig asphaltiert ist, wie ich von einer acht Jahre zurückliegenden Radreise weiß.

Da der Kanal in seinem Verlauf (einschließlich seiner Fortsetzung als Canal latéral à la Garonne) bis Bordeaux die Wasserscheide zwischen Mittelmeer und Atlantik überwinden muss, gibt es alle paar Kilometer Schleusen, weitgehend noch im historischen Zustand. Teilweise sind mehrere davon zusammengefasst, wie hier in der Schleusentreppe von Fonserannes mit sechs „hintereinandergeschalteten“ einzelnen Schleusen, auf dem Bild leider nicht besonders gut zu erkennen:



Gruissan, mein für heute vorgesehenes Etappenziel, könnte ich, wie auf meiner Tour Paris–Barcelona vor sieben Jahren, erreichen, indem ich weiter dem Canal du Midi folge und dann dem davon abzweigenden Kanal Richtung Meer (Canals de Jonction und de la Robine über Narbonne). Aber angesichts dessen, dass es schon wieder recht spät ist, will ich zügig vorankommen, und da die Strecke am Kanalufer weitgehend unbefestigt ist, entscheide ich mich für eine direktere Route und verlasse den Kanal bei der nächsten Gelegenheit. Ich verzichte dadurch auch auf eine mir bereits bekannte, einige Kilometer kanalaufwärts gelegene Sehenswürdigkeit, den Kanaltunnel von Malpas.

Ich habe im restlichen Tagesverlauf leider keine Fotos mehr gemacht. Über die verkehrsreiche Hauptstraße D 609 erreiche ich Nissan-les-Enserune, und ab da gelange ich auf idyllischen kleinen und einsamen Sträßchen (D 162 und D 1118) landschaftlich wunderschön über die kleinen verschlafenen Orte Salles-d’Aude und Fleury und über das kleine Gebirgsmassiv Montagne de la Clape zurück an die Küste bei Saint-Pierre-la-Mer. Es ist nun allerdings so spät, dass ich beschließe, die verbleibenden etwa 15 km bis Gruissan auf morgen zu verschieben und mich auf dem hiesigen Campingplatz einzuquartieren. Schade, Saint-Pierre hat bei weitem nicht den Charme wie, nach meiner Erinnerung, die Altstadt von Gruissan, in deren unmittelbarer Nähe es auch einen Campingplatz gibt. Aber es ist einfach zu spät, auch auf dem Camping in Saint-Pierre ist die Rezeption schon geschlossen, so dass ich mir eigenmächtig einen Platz für mein Zelt suche und froh bin, dass ich in der Pizzabude des Platzes, die in Kürze auch schließt, noch eine Pizza bekomme.

17. Tag (23.07.2018), Saint-Pierre-la-Mer – Tuchan
Strecke: 89 km
Höhenmeter: 653


Bis Gruissan, das ich ja leider gestern nicht mehr ganz erreicht habe, gibt es von Saint-Pierre-la-Mer überwiegend von der Straße getrennte Radwege. Die von Lagunen umgebene hübsche Altstadt wird von einer Burgruine überragt.



In Gruissan bin ich bereits zweimal gewesen, das letzte Mal auf meiner Radreise Paris-Barcelona (im Bericht Tag 15). Ich fahre an den Strandort von Gruissan, Gruissan-Plage, um vor der Weiterfahrt ein Bad im Meer zu nehmen. Wie schon das letzte Mal, fallen mir die vielen Kite-Surfer in der Lagune (Étang de l’Ayrolle) auf.





Ich verlasse Gruissan auf der D 32 durch die Lagunenlandschaft mit Blick zurück auf den Ort mit der Burgruine und auf das kleine Gebirgsmasiv der Montagne de la Clape, durch das ich gestern von Béziers kommend wieder an die Küste gelangt bin. Die sehr schöne Strecke zwischen hier und Port-la-Nouvelle kenne ich schon von zwei früheren Radreisen, zuletzt, wie gesagt, auf meiner Tour Paris-Barcelona (dort Tag 15).











An einer Schleuse quert die Straße den von Narbonne und letztlich vom Canal du Midi kommenden Canal de la Robine, dem ich nun bis zu seiner Mündung ins Meer folgen werde.



Von hier bis zu seiner Mündung bei Port-la-Nouvelle verläuft der Kanal malerisch durch die Lagunenlandschaft; nur zwei parallele Deiche trennen ihn links vom Étang de l’Ayrolle und rechts vom Étang de Bages et de Sigean. Dies ist nun bereits die dritte Radreise, auf der ich diesen landschaftlich faszinierenden Abschnitt des Canal de la Robine genießen kann, auch wenn der Weg nicht befestigt und recht holprig ist.



Parallel zum Kanal wird auch die Bahnlinie Perpignan-Montpellier auf einem Damm durch die Lagune geführt. Auf ihr bin ich bereits mehrere Male sowohl mit dem TGV als auch mit Regionalzügen in beide Richtungen unterwegs gewesen, und in wenigen Tagen, auf der Rückfahrt, werde ich hier noch einmal mit dem Regionalzug von Cerbère nach Avignon vorbeikommen.







In Port-la Nouvelle verlasse ich die Küste. Es ist Zeit für Abwechslung. Die Tage an der Küste seit Saintes-Maries-de-la-Mer waren interessant, aber nach den saisonbedingt überlaufenen Strandorten und den Touristenmassen steht mir nun wieder der Sinn nach einsamer Bergwelt. Der Plan für die nächsten Tage sieht eine Überquerung der von mir schon mehrfach beradelten östlichen Pyrenäen vor, und zwar über die beiden mir noch nicht bekannten Pässe Col de Palomère und Col d’Ares. Bis dahin habe ich mir eine Route über kleine und in meiner Michelin-Karte als landschaftlich reizvoll gekennzeichnete Sträßchen durch die Corbières zusammengestellt. Ziel für heute ist Tuchan, dort gibt es einen Campingplatz.

Nach ein paar Kilometern auf einer Hauptverkehrsstraße erreiche ich Sigean,



und hinter Sigean gelange ich auf der D 205, einem Sträßchen, das ich völlig für mich allein habe, hinauf in eine wunderschöne einsame Berglandschaft. Nur wenige Kilometer abseits der Küste mit den lebhaften, aber auch recht anstrengenden Touristenorten kommt es mir sofort vor, als sei ich in einer anderen Welt. Keine Menschen, keine Autos, nur Landschaft. Herrlich!



Die Corbières sind ein bedeutendes Weinanbaugebiet. Besonders hoch geht es hier nicht hinauf, ich überquere drei kleine Pässe, den Col du Souil (267 m), den Col de Pereille (237 m) und den Col de Canteloup (243 m).





Die Gegend ist extrem dünn besiedelt, das ist nach den Menschenmassen an der Küste wirklich angenehm. Ich komme durch kleine, verschlafende Orte, in die sich wohl kaum Touristen verirren – Fraisse-des Corbières, Saint-Jean-de Barrou und Embres-et-Castelmaure.





Schließlich gelange ich auf der D 611 nach Tuchan. Ein Schild weist auf die geschichtliche Bedeutung dieser Region als eines der Rückzugsgebiete der verfolgten mittelalterlichen Glaubensgemeinschaft der Katharer hin; eine ihrer Burgen erhebt sich auch bei Tuchan.



Der Campingplatz in Tuchan gefällt mir sehr, er ist natürlich viel kleiner, preiswerter und familiärer und daher angenehmer als die riesigen Anlagen an der Küste. Zum Campingplatz gehört auch ein sehr nettes Restaurant, das auch bei den Einheimischen aus dem Ort sehr beliebt ist. Auf der gut besuchten Terrasse des Restaurants kann ich den Tag bei einem hervorragenden Abendessen gemütlich ausklingen lassen.

Fortsetzung folgt...