Dauer:9 Tage
Zeitraum:1.8.2015 bis 9.8.2015
Entfernung:790 Kilometer
Bereiste Länder:itItalien
chSchweiz

Der Winter ist ja traditionell die Zeit fürs Geschichtenerzählen, und so wage auch ich mich mit einem Bericht über meine diesjährige Alpenfahrt hinter dem Ofen hervor – auch wenn die Reise neben vielen anderen, von denen hier schon berichtet wurde, kurz und bescheiden ist. Trotzdem findet vielleicht der Eine oder Andere ein paar Tipps oder Anregungen.

Vorbemerkung
Für mich war es der erste Ausflug in die Alpen – bislang bin ich nur in den Mittelgebirgen geradelt, wo sich zwar durchaus mit etwas Suchen Anstiege mit knapp 1000 hm finden lassen. Trotzdem hatte ich gewisse Zweifel, ob ich auch echte Alpenpässe, und zwar gleich mehrere hintereinander, packen würde. Glücklicherweise stellte sich heraus: Wenn man nicht auf Geschwindigkeits- oder Höhenmeterrekorde aus ist, sind auch 2000-m-Auffahrten keine Zauberei und können sehr viel Spaß machen! Man kann auch etwas „mogeln“ und die Etappen so einteilen, dass man auf halber Höhe der Auffahrt übernachtet. Dort ist es übrigens auch meist schöner ist als unten im Tal (man fährt ja in die Berge und nicht in die Täler ...), und außerdem auch kühler – letzteres war mir angesichts der heftigen Augusthitze besonders willkommen, die mehr letztlich mehr zu schaffen machte, als die Höhenmeter.

Ausgangspunkt für meine Planung waren folgende Anforderungen: Die Reise sollte in Basel beginnen, weil das gut mit dem Zug zu erreichen ist und ich bis dahin schon früher „by fair means“, d.h. mit dem Rad, gekommen war. Ich wollte außerdem nicht nur in den Alpen unterwegs sein, sondern auch das Schweizer Mittelland kennenlernen, an dem ich bisher immer nur, unterwegs zum Bergsteigen oder Skifahren, mit Auto oder Zug vorbeigerauscht war. Eine Station sollte unbedingt das Oberengadin sein, das für mich eine der schönsten Landschaften der Alpen ist und das ich bisher nur im Winter kannte. Bei der Auswahl der Pässe sollten es möglichst verkehrsarme Straßen abseits der Hauptverkehrsadern sein, so dass z.B. Gotthard und (vielleicht zu Unrecht) San Bernhardino ausschieden. Letztlich fiel die Entscheidung, die eigentliche Alpenüberquerung nach Süden via Albula und zurück nach Norden via Lukmanier anzugehen.

Übernachtet habe ich im Zelt, zum Abendessen war ich öfter in Restaurants, so dass ich nicht viel Essen mitführen musste; ohnehin kann man in der Schweiz fast immer und überall spontan einkaufen, noch im kleinsten Dorf gibt es einen „Volg“-Supermarkt oder kleine Läden mit leckeren regionalen Produkten. Allerdings: Über die Preise in der Schweiz kann man eigentlich nur lachen. Seit der Franken-Aufwertung im letzten Januar kann man generell davon ausgehen, dass alles ungefähr doppelt so teuer ist, wie im nördlichen Mitteleuropa; ich musste häufiger an den Reisratschlag des guten alten Ephraim Kishon denken:

„Landschaft ist allgemein kostenfrei, mit Ausnahme der Schweiz, wo man für jeden Kubikmeter Luft eine Mindestgebühr von sfr 1,50 entrichten muss, gerechnet vom Meeresspiegel an. Die Gebühr steigert sich mit der Höhe der Berge. Und vergiss nicht, dass die Bergluft ihrerseits den Appetit steigert, so dass du dann noch mehr Geld fürs Essen brauchen wirst“.

Gefahren bin ich mit zwei Gepäckträgertaschen und einem wasserdichten Beutel obendrauf für den Schlafsack, außerdem Lenkertasche, insgesamt 12-15 kg ohne Essen und Wasser. Campingplätze gibt es in der Schweiz, und auch in Italien, reichlich. Ich war froh, nicht mehr Gepäck dabei zu haben – bergauf zählt tatsächlich jedes Gramm.

Leider hatte ich nur eine Woche Zeit, die ich mit Hilfe von Nachtzug-An- und Abreise immerhin auf knapp neun Tage ausdehnen konnte. In diesem brachte ich es auf knapp 800 km, acht Pässe, die Höhenmeter habe ich nicht gezählt:

Samstag, 2. August 2015: Basel – Sempach (Veloroute 3) – BS, BL, SO, AG, LU / 105 km
Als ich Morgens um 7.30 Uhr in Basel Badischer Bahnhof dem Nachtzug entstieg, regnete es überraschenderweise in Strömen – hatte ich doch selbstverständlich erwartet, dass in der perfekt organisierten Schweiz zum Nationalfeiertag Sonnenschein garantiert ist. So musste ich als erste Amtshandlung die komplette Regenmontur anlegen, und das Altstadtpanorama von der Rheinbrücke fiel ins Wasser. Auf der vergeblichen Suche nach einer geöffneten Bäckerei kurvte ich bestimmt eine halbe Stunde durch die völlig ausgestorbene Stadt, bevor ich mich endlich ungefrühstückt der Nord-Süd-Veloroute anvertraute. Überhaupt war an diesem Feiertag konsequent alles geschlossen, erst nach gut 30 km fand ich in Gelterkinden einen offenen Tankstellen-Coop, wo ich mich mit Brötchen, Joghurt und Äpfeln eindecken konnte. Die Veloroute ist einwandfrei beschildert man wird bequem aus dem Ballungsraum Basel herausgeführt.

Generell fand ich die Schweizer Velorouten gelungen: Sie sind intelligent geführt und gut befahrbar; sie vermeiden nicht zwanghaft (kürzere) Straßen-, Schotter- oder Bergpassagen, wenn dadurch Umwege vermieden oder schöne Landschaft erschlossen wird, so dass sich insgesamt meist eine einleuchtende Routenführung und ein guter Kompromiss aus schnellem Vorankommen, wenig Verkehr und schöner Strecke ergibt. Auch die zentrale Planung und Pflege der Strecken zahlt sich aus – im Gegensatz zum Flickwerk in Deutschland.
Der erste Pass der Tour, die Schafmatt, überquert den im hier Forum ja sehr gepriesenen Jura, von dem aber leider nicht viel zu sehen war, auch wenn etwa auf halber Höhe der Regen nachließ und wenigsten einen Ansatz von Landschaft erkennen ließ:



Oben, auf immerhin 771 m, konnte ich dann halbwegs trocken mein „Bundesweggli“ verzehren:



Von hier hätte es laut Plan eigentlich ein prächtiges Panorama der Berner Alpen mit Eiger, Mönch und Jungfrau geben sollen; auch dieses war heute aber geschlossen. Ich war froh, dass der graue, schwere Himmel wenigstens durch eine massive Wolkensäule am Herunterstürzen gehindert wurde:



Ein geöffnetes Café gab es dann erst in Aarau, wo ich endlich die Regensachen verstauen konnte. Die Stadt war zwar mit Fähnchen herausgeputzt, aber ziemlich menschenleer. Die weitere Strecke auf der Veloroute ist ziemlich flach und schlängelt sich zwischen Dörfern und Äckern durch recht dicht besiedeltes Gebiet, dank der guten Wegweiser findet man sich gut zurecht. Das letzte Stück bis dem schmucken, mir bis anhin völlig unbekannten Städtchen Sursee geht dann langweilig auf einem Flussdeich entlang, es könnte auch irgendwo in Brandenburg sein ... Kurz vor dem Ziel öffnete sich dann über dem Sempacher See kurz eine Ahnung von Alpen – ich glaube, es ist der Pilatus, Hausberg von Luzern:



Sempach, obgleich Schauplatz einer berühmten Schlacht im Mittelalter, ist noch kleiner als Sursee; 3 km danach gab es einen großen, recht vollen Campingplatz. Zum stolzen Preis von CHF = EUR 29,00 durfte ich mein kleines Zelt aufschlagen – dafür hätte ich auch waschen und die Badeanstalt am See nutzen können, und alles war über und über mit Schweizerfähnchen, Windlichtern, Lampions etc. geschmückt. Ich fand ein lauschiges Plätzchen zwischen Hauszelten (mein Fahrrad ist das Linke):



Obwohl Abends Volksfest in der Stadt war, gönnte ich mir ein exzellentes dreigängiges Bundesfest-Menü im Restaurant; anschließend gab es einen Festumzug mit Blasmusik, Trachtengruppe, Fahnenträgern und Honoratioren und eine Bundesfeier auf dem Marktplatz – aus bundesdeutscher Perspektive eine ungewohnte Veranstaltung, mit patriotischer Rede des Bürgermeisters, Nationalhymne und Musikdarbietungen, die aber durchaus nicht peinlich war, sondern einen gewissen würdigen Ernst ausstrahlte. Danach zog die Gemeinde zum Seeufer, um das Feuerwerk zu bestaunen, bis dieses von einem noch größeren Himmelsspektakel hinweggefegt wurde: Ein heftiges Gewitter schaffte es, mich auf dem kurzen Weg zum Zeltplatz komplett zu durchnässen ... Der Regen hielt die ganze Nacht an, worüber ich nicht traurig war: Etwa geplante Feierlichkeiten auf dem Zeltplatz wurden schon im Keime erstickt.

Sonntag, 2. August 2015: Sempach – Einsiedeln (LU, NW, SZ) / 103 km
Morgens ging es, bei trübem, aber trockenem Wetter ohne Frühstück nach Luzern. In den Vororten verlor sich vorübergehend die Veloroute in Baustellen, aber solange man sich immer bergab hält, kann man die Altstadt kaum verfehlen. Dort suchte ich, auf den sachkundigen Rat einer älteren Dame, das Café Heini am Falkplatz auf: Kein Schnäppchenparadies, aber sehr lecker. Besonders zu empfehlen sind auch die dortigen „Räggentröpfli“ – diese sind aus Kirschwasser, umgeben von Schokolade. Draußen gab es keine Tröpfli mehr, es schien die Sonne (dabei sollte es, abgesehen von Gewittern, für den Rest der Woche bleiben), Luzern zeigte sich in voller Pracht, und ich schob mein Rad über die berühmte Kapellenbrücke, zwischen dutzenden Besuchern aus Fernost:



Die Nord-Süd-Veloroute umrundet den Vierwaldstättersee südlich, anfangs mit einigem Auf und Ab und durch Villenvororte und dann neben der vielbefahrenen Hauptstraße. In Stans, stolzer Hauptort des Kantons Nidwalden, ist man dann in einer völlig anderen Welt: Im Herzen der Zentralschweiz gibt es Berge, Kühe, grüne Wiesen – alles wie im Bilderbuch. Stans ist eher ein Dorf als eine Stadt, hat aber einen eindrucksvollen barocken Marktplatz. Die Routenführung sah nun vor, den See bei Beckenried mit der Autofähre zu überqueren; diese fuhr mir aber vor der Nase weg und ich hätte zwei Stunden warten müssen. So begab ich mich zum nahen Anleger der Ausflugsdampfer – es sind wirklich Dampfer, und zwar Raddampfer, die dort verkehren – wo es zu einem schweren Fall von Piraterie kam: Für die 20-minütige Überfahrt nach Brunnen SZ für mich und mein Rad verlangte man nicht weniger als CHF 29 von mir – und das für ein Billet zweiter Klasse, mit dem man (eigentlich) nicht einmal auf das Oberdeck darf ... Der See und die Berge sind aber wirklich prächtig, die Schweizer verstehen es, hier eine echte Postenkartenlandschaft zu inszenieren.





Von Brunnen aus fuhr ich hinauf in den Ort Schwyz – wenn schon Zentralschweiz, dann auch richtig –, der aber eher enttäuschend war, ausgestorben und ein wenig schäbig. Zu Essen gab es nichts, so dass ich mich an einer Tankstelle in Seewen, wohin ich versehentlich abgefahren war, mit Eis am Stil und Äpfeln versorgen musste. Von dort, bzw. von Steinen, ging es dann bergauf zum Sattelpass, den ich über die kleine Rossbergstraße erreichte: Immerhin knapp drei km mit rund 10% Steigung. Im Ort Sattel verpasste ich den Abzweig zur Veloroute, die auf der alten Straße geführt wird, und fuhr bis zum eigentlichen Pass bei Rothenturm unschön auf der dreispurigen Schnellstraße. Dort aber öffnete sich der Blick auf die Hochebene des Morgarten, die man auf Feldwegen östlich umrundet:



Nach Einsiedeln gelangte ich von hier über den Chatzenstrick, einen kleinen, für PKW gesperrten Pass, der mit 1053 m gerade die 1000-m-Grenze knackt. Die Westauffahrt ist ungeteert, grobschottrig und steil, aber kurz. Oben öffnet sich ein weiter Blick über den Talkessel von Einsiedeln und die dahinterliegenden Voralpen:







Im Nu war ich auf der anderen Seite unten, gerade noch rechtzeitig, um noch einen Blick in die riesige Klosterkirche zu werfen, das Zentrum der katholischen Schweiz. Für die Nacht überquerte ich noch den nahegelegenen Sihlsee (auf einer 1,5 km langen, schmalen Holzbrücke); der Campingplatz bei Willerzell hat hauptsächlich Dauercamper, die kleine Zeltwiese liegt direkt an der Straße, mit Seeblick. Da ich dort allein war und die Straße kaum befahren, störte das nicht weiter.



Fortsetzung folgt