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#944161 - 03.06.13 15:12 Einstandsreise meines neuen Fahrrads
Thomas' Rad
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frFrankreich

Hallo,
dies ist ein Teil von meinem Reisetagebuch, das die Fahrt von Halle (Saale) nach Taizé im Burgund nachvollzieht. Leider ist es noch nicht ganz vollständig, aber das kommt noch so langsam nach...
Viel Spaß bei der Lektüre

Reisetagebuch Halle – Taizé

1. Tag, Mittwoch 6.3.13 Halle/Saale – Oldisleben

Der erste Tag meiner Radtour, die mich von Halle aus nach Taizé führen soll, ist für mich ein Tag des Eingewöhnens an das Reisen mit dem Fahrrad, nach fast einjähriger Abstinenz. Da ich mein neues Fahrrad erst gestern übernommen habe, muss ich mich an einige wesentliche Dinge noch gewöhnen, so zum Beispiel, dass sich mit der verfügbaren Übersetzung höhere Geschwindigkeiten kaum fahren lassen, während Berge kaum ein Problem darstellen. Der Tag beginnt für mich in aller Frühe, noch bevor mein Wecker, weit vor fünf Uhr, klingelt, bin ich wach, verabschiede mich von Lotte und liege trotzdem noch etwas im Bett, weil der Himmel weitestgehend dunkel ist, ich auf die Dämmerung warten möchte, um aufzubrechen. Schließlich gebe ich mir einen Ruck, so ganz kann ich noch nicht glauben, dass es losgeht, sammele meine Sachen ein, bringe die Taschen und das Fahrrad einzeln vor die Tür und belade es dort. Als ich das Fahrrad dann irgendwie aus dem Haus gezirkelt habe, fahre ich los. Wie schon vor einigen Tagen fahre ich durch Halle-Neustadt in Richtung Angersdorf, genieße die noch recht leeren Straßen und bin schließlich froh, Halle zu verlassen. Der Autoverkehr nimmt zu und die teils heruntergekommenen Dörfer, die sich die Straße entlangziehen, wirken noch trostloser. Ich komme in Zweifel zu meiner Orientierung, frage mich nach der Autobahn durch und finde schließlich den Weg durch Holleben zur Autobahn. Die Straße steigt leicht an und ich habe noch nicht so viel Kondition und fahre in leichten Gängen langsam bergan. Am Ende der Straße muss ich eine Orientierungspause einlegen, eine Familie winkt mir aus dem Auto heraus zu. Über einen schönen Feldweg gelange ich, durch die Kälte der Nacht nach Steuden. Langsam werde ich hungrig und unterzuckert, mein Frühstücksziel Querfurt ist unter diesen Umständen nicht zu erreichen und ich frühstücke auf einer Bank auf dem Dorfplatz von Steuden. Es ist richtig kalt, als ich mich nicht mehr bewege friere ich sofort, esse mein Müsli mit Handschuhen. Das Dorf wirkt wie das Klischee der verlassenen DDR- Dörfer, Häuser stehen leer, viel sieht heruntergekommen aus, ich mache einen kurzen Gang um den Block und fahre dann frierend weiter, durch wegen Baustellen gesperrter Dörfer, nach Querfurt. Dort kaufe ich im Supermarkt Äpfel, packe auf dem Marktplatz um und muss an einige Kommilitonen denken, die hierher kommen. Nachdem mich Passanten vor der Polizei gewarnt haben und ich den Eindruck habe, die Stadt bestünde nur aus Einbahnstraßen, schiebe ich das Rad bis fast zum Ortsausgang, dann fahre ich auf einem guten Radweg in Richtung Artern. Am Fundort der Himmelsscheibe endet der Radweg, auf der Hauptstraße geht es weiter durch den Wald, immerhin sind die anderen Verkehrsteilnehmer rücksichtsvoll. Mit der Zeit verspannt sich meine Schulter immer stärker, den kurzen Stopp in Ziegelroda nutze ich also dazu, mir den Lenker einzustellen. Ich esse noch einen Apfel und fahre dann weiter. Die Straße fällt ab ins Unstruttal, ich lasse das Rad rasant rollen und muss mich noch etwas daran gewöhnen, dass der Lenkervorbau nun nicht mehr parallel zur Seitenmarkierung ist. Nebenbei verlasse ich Sachsen-Anhalt, als ich Artern erreiche kaufe ich mir Brot und Brotaufstrich, der heutige Tag beinhaltet die Lehre immer genügend Proviant dabeizuhaben. Ich setze mich auf eine Bank vor dem Rathaus, esse zu Mittag, Passanten sprechen mich immer wieder kurz an, als Reiseradler scheine ich hier aufzufallen. Ich komme noch mit dem Wirt einer Gaststätte ins Gespräch, der mir viel Mut bescheinigt, ein junger Mann mit Bier fragt mich aus, mir ist bei alkoholisierten Menschen nicht ganz wohl, ich packe zusammen und fahre in der Sonne nach Bad Frankenhausen. Laut meinen Plänen sollte dies das Ziel für heute sein, aber es ist noch etwas früh, um einen Übernachtungsplatz zu suchen. Ich fahre durch die Stadt, schaue mir den schiefsten Kirchturm Deutschlands an, überlege, ob ich bei der Kirche nach einem Quartier fragen soll, gehe zur Touristen-Information und werde, als ich wieder herauskomme von einem älteren Ehepaar auf mein Fahrrad angesprochen. Im Laufe des Gespräches werde ich von ihnen zu einer Übernachtung im Nachbarort eingeladen, ich willige ein. Bis ich dorthin fahre habe ich noch einen Moment Zeit, die ich größtenteils vertrödele, mir den Ort noch einmal anschaue und kurz mit meinen Eltern telefoniere. Als mir nichts mehr einfällt, was ich noch machen könnte, fahre ich los zu dem Ort, wo meine Gastgeber wohnen, eigentlich kam mir die Einladung gar nicht so ungelegen, entweder hätte ich mir sonst in Bad Frankenhausen einen Schlafplatz gesucht oder wäre aus Langeweile noch weiter geradelt, was auch keine rechte Option gewesen wäre. Noch auf dem Weg treffe ich die Gastgeber, unterhalte mich mit ihnen und lasse mir einen Vorschlag zu einer anderen Strecke unterbreiten, der Vorschlag wird erst später beim Blick auf die Karte für mich schlüssig. Bei den Gastgebern angekommen entlade ich mein Fahrrad, bekomme mein Zimmer gezeigt und möchte duschen, was leider nicht so ganz klappt. Stattdessen lasse ich mir die neue Route, die durch das Unstruttal nach Bad Langensalza führt auf der Karte zeigen. Schließlich dusche ich doch noch, esse dann recht früh zu Abend und komme in viele und lange Gespräche, bei denen ich oft als mutig und offen bezeichnet werde, weil ich so viel reise. Mein anfängliches Bild von den äußerst spießigen Menschen, die mich, ob der Freiheiten, die ich habe, bewundern und beneiden, weicht einem differenzierten Bild. Recht spät erst ziehe ich mich zurück, schreibe noch etwas am Tagebuch und gehe dann ins Bett.





2.Tag, Donnerstag 7.3.13 Oldisleben – Craula

Heute scheint die reine Strecke beim Fahrradfahren gar nicht so im Vordergrund, der Tag lebt von den Erlebnissen entlang der Strecke von Oldisleben nach Craula. Am Ende der Strecke mach mir das Wetter, oder besser das fehlende Vorstellungsvermögen zum Wetter von meiner Seite einen Strich durch meine heutigen Pläne, aber wie so oft entsteht das Beste daraus. Der Tag beginnt später, als der gestrige Tag, erst um halb sieben stehe ich auf, suche meine Sachen zusammen und frühstücke noch mit meinem Gastgeber. Wir tauschen Adressen aus, wieder einmal wird mir gesagt, dass ich etwas südländisch aussähe, ich bin das schon gewohnt. Nach dem Frühstück belade ich mein Fahrrad, bedanke mich und fahre zum offiziellen Unstrut-Radweg. Der Radweg ist ganz gut, er ist eben, asphaltiert und erlaubt mir am Morgen ein umwegfreies, hohes Tempo. Nach einigen Kilometern verlasse ich den Radweg wieder, um Sömmerda nördlich zu umgehen und fahre über Land- und Bundesstraßen weiter. Wie schon gestern sind die meisten Auto- und LKW-Fahrer sehr rücksichtsvoll, mich wundert nur, dass die Polizei mich mehrfach passiert aber nie kontrolliert. Bei einem kurzen Trink- und Orientierungsstopp kommt ein Mann vorbei, der extra meinetwegen zur Straße gekommen ist, fragt mich, warum ich nicht den Unstrut-Radweg nutzen würde und wünscht mir viel Glück im Umgang mit den Autofahrern. Das Glück im Bezug auf die Autofahrer bleibt bei mir, ich werde rücksichtsvoll passiert, die letzten Straßen sind gar komplett leer. Bis Bad Langensalza brauche ich am Ende etwas länger als gedacht, was auch daran liegt, dass ich kurz vor der Stadt, ziemlich verhungert, noch einen Essensstopp einlege. Gegen elf Uhr bin ich dann schließlich in Bad Langensalza, gehe zur Touristen-Information und frage nach, wie es um die Wege im Hainich bestellt wäre. Nach Ansicht einiger Karten und gewissem Raten einigt man sich, dass die Fahrt möglich sein sollte. Ich setze mich in die Bücherei, schreibe ein wenig unmotiviert an meinem gestrigen Tagebucheintrag weiter, aber so recht wird das nich. Schließlich setze ich mich auf den Marktplatz, esse etwas zu Mittag und werde von einem älteren Herren als „junge Frau“ angesprochen, so weiblich sehe ich dabei doch gar nicht aus. Als ich fertig bin, packe ich alles zusammen und fahre auf Nebenstraßen nach Craula. Ein Kink winkt mir aus einem vorbeifahrenden Bus zu, gerade Kinder sind oft sehr neugierig, gerade wenn sie mein Fahrrad sehen. Irgendwie komme ich auf der Strecke nicht so recht in Fahrt, obwohl die Strecke sichtbar kaum ansteigt, quäle ich mich in niedrigen Gängen voran. Unterwegs passiere ich den Baumkronenpfad, aber der Eintritt nimmt mir das Interesse, den Baumkronenpfad zu besuchen. In Craula, einem kleinen Dorf, das zu drei Seiten vom Hainich umschlossen wird muss ich mich zunächst orientieren, fahre dann ein Stück und entscheide vor der Agrargenossenschaft noch etwas zu essen. Ich bitte den einzigen Mann, den ich in dem Schafstall, vor dem mein Fahrrad steht, um Wasser und komme ins Gespräch über den Weg durch den Hainich zum Werratal. Der Mann beschreibt mir die verschiedenen Wege, zu Zustand, um das Dorf liegt überall noch nasser Schnee, kann er mir nur wenig ermutigendes sagen. Auch der Gastwirt eines Restaurants kann mir nicht viel mehr sagen, als dass schon Autos auf dem Weg gefahren wären und rät mir, mir die Situation anzusehen. Also fahre ich zum Waldrand, schaue mir die Situation erst zu Fuß an, probiere es, nach eingehender Überlegung mit dem Fahrrad aus und merke schnell, dass sich die Strecke im nassen, vereisten Schnee nicht fahrend bewältigen lässt. Da es schon etwas spät ist und mir das Risiko zu groß ist, jetzt noch loszuschieben, entscheide ich zurück nach Craula zu fahren, wo ich mich in einem Pavillon einquartiere. Ich organisiere mich ein wenig, plane den nächsten Tag, an dem ich die Durchquerung des Nationalparks erneut versuchen möchte, hole Wasser und koche Nudeln, was nicht so recht gelingt, weil der Kocher nicht stark genug ist und die Nudeln dadurch recht hart bleiben. Als ich gegessen habee und alles soweit organisiert ist, ist es bereits dunkel, ich lege mich in meinen neuen Schlafsack, der sehr warm ist und bereite mich aufs Einschlafen vor, aber der Mann aus dem Schafstall kommt vorbei und lädt mich ein im Aufenthaltsraum des Schafstalls zu schlafen, ich packe was ich gerade kriegen kann und folge ihm. Er erklärt mir, was ich am Stall noch alles machen muss, ich räume meine Sachen hoch in den Stall und arbeite am gestrigen Tagebucheintrag weiter. Der Mann kommt noch einmal wieder, bringt mir ein halbes Abendessen mit, außerdem eine Faltmatratze und erzählt kurz von seinem Sohn, der auch längere Fahrradtouren macht. Ich finde unglaublich, was für einen Aufwand er sich für mich macht. Den Abend über schreibe ich weiter am Tagebuch, telefoniere mit meiner Schwester und meiner Mutter und gehe dann irgendwann schlafen.



3. Tag, Freitag 8.3.13 Craula – Bad Hersfeld

Heute schaffe ich, was ich mir eigentlich bereits für gestern vorgenommen habe, ich komme nach Hessen. Aber auch sonst hat der Tag für mich viel zu bieten, indem ich es schaffe den Hainich zu durchqueren. Der Tag beginnt für mich, ähnlich wie der gestrige auch, um kurz vor halb sieben, ich packe meine Sachen zusammen, frühstücke, verabschiede mich von meinem Gastgeber und belade das Fahrrad. Durch meinen Kopf schwirrt die Panik, die alle bezüglich des Wetters verbreiten, denn die Tage soll es schneien. Vorsorglich habe ich bereits eine Alternativroute durch das Rhein-Main-Gebiet erarbeitet. Aber zunächst breche ich erneut zum Hainich auf und beginne mein Fahrrad durch den Schnee zu schieben. Es geht wesentlich schneller voran, als bei meinen gestrigen Fahrversuchen und so arbeite ich mich durch den Nationalpark. Die Strecke ist nicht so hügelig, wie ich aus den gestrigen Beschreibungen geschlossen habe und nach einiger Zeit, in der ich mich hin und wieder frage, ob ich noch richtig bin, erreiche ich die erste Abzweigung. Hier biege ich ab und kann, da hier schon viel Schnee geschmolzen ist, das Gefälle der Strecke fahrend erleben. Die Bremsen leisten Schwerstarbeit, als ich nicht mehr weiterfahren kann, weil wieder zu viel Schnee liegt, schaue ich auf die Felgen und sehe, dass sie schwarz vom anhaftenden Bremsstaub sind. Die Natur entlang der Strecke scheint noch immer im Winter zu sein, noch blüht und grünt nichts und nur die Wildschweine haben den Schnee und die Erde zerwühlt. Dafür sehe ich viele verschiedene Tierspuren im Schnee. Schließlich erreiche ich das Ende des Waldes und damit des Nationalparks, die Straßen sind nun wieder frei und so rolle ich das Gefälle nach Berka hinab und von dort weiter nach Mihla an der Werra. Eigentlich hatte ich nicht so recht vor, hier den Werra-Radweg zu nehmen, aber irgendwie gelange ich auf den Radweg und folge ihm ein Stück. Durch den nassen Lehm des Radweges werden ich und mein Fahrrad relativ schmutzig, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit verlasse ich den Radweg und nutze die parallele Straße. Die Werra hat sich, bis vor Creuzburg, ein recht tiefes Tal mit hohen Felsen eingeschnitten, ich bin beeindruckt von der Aussicht. In Creuzburg frage ich nach dem weiteren Weg und entscheide ohne große Pause ins recht nahe Hörschel weiterzufahren, wo ich mich von der weiteren Streckenführung des Werra-Radweges irritieren lasse. Auf Anraten eines Mannes, den ich nach dem weiteren Weg nach Gerstungen frage, verzichte ich auf den Schlenker durch die hessischen Dörfer, die sich wie Enklaven in Thüringen befinden, stattdessen folge ich dem recht hügeligen Verlauf einer Landstraße nach Gerstungen, wo ich zu Mittag esse. Anschließend kaufe ich noch kurz ein, organisiere mir etwas Öl für mein Fahrrad, sonst fällt die Kette schon wieder trocken, und überquere zwischen Gerstungen und Obersuhl die ehemalige innerdeutsche Grenze, die nur noch als Grünstreifen zwischen den Orten erkennbar ist. Nach der erfolgreichen Republikflucht radele ich weiter durch die hessischen Dörfer und bewältige dann den, so ein Zitat „nicht sehr steilen“ Aufstieg, um ins Fuldatal zu kommen. Angesichts der Anstrengung beim Aufstieg weiß ich einmal wieder, was von Autofahrern für Streckenauskünfte zu erwarten sind. Die Straße führt ein ganzes Stück weit parallel zur Autobahn, permanent habe ich das Gefühl mich würde gleich ein LKW überrollen. An der Anschlussstelle ist der Scheitelpunkt der Straße erreicht, ich mache eine kurze Pause, beneide die Autofahrer um ihre gute Strecke, während ich jeden Hügel rauf muss, Verkehrsplanung ist ungerecht. In schneller Fahrt geht es nach Bebra hinab, aber die Stadt Bebra finde ich nicht, viel mehr passiere ich Dörfer und die Bahnlinie, dann bin ich auf einmal schon im nächsten Dorf und folge dem Fulda-Radweg. Da es bis Bad Hersfeld nur ein Katzensprung zu sein scheint, entscheide ich noch bis Hersfeld durchzufahren. Aber so leicht, wie ich es mir gedacht habe, ist es nicht, die Streckenführung ist nicht gerade oder direkt und anstatt die Breite des Tales auszunutzen läuft der Radweg dicht an Bahn und Bundesstraße. Ich bin etwas enttäuscht und sauer, verliere den Deckel meiner Wasserflasche und muss ihn dann suchen. Langsam reiße ich mich, fahre weiter und versuche die großen Schleifen des Radweges zu schneiden, indem ich direkt an der Fulda fahre, aber leider fehlt eine Brücke, also muss ich wieder zurück auf den offiziellen Radweg [zurück], ein Radfahrer, mit dem ich mich kurz unterhalte, schickt mich auf die richtige Schleife nach Hersfeld. Über eine stillgelegte Bahntrasse komme ich nach Hersfeld und radele auf der Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit zur Stadtkirche. Dort treffe ich den Küster und während der Kantor an der Orgel übt telefoniert der gute Mann alle Telefonnummern im Gemeindebrief durch, aber leider hat keiner eine Möglichkeit, mich mit meinen doch eher geringen Ansprüchen unterzubringen. Mal mangelt es an Zeit, dann an Fantasie und der Vorschlag nach „irgendeinem“ Heim für Durchreisende oder dem Obdachlosenheim ist schnell zur Hand. Als der Küster schon aufgeben möchte beendet der Kantor seine Probe an der Orgel, auf die Frage nach einer Idee für eine Unterkunft nennt er nach kurzem Überlegen das Haus der Kantorei mit seinen Gästezimmern. Also packe ich das Fahrrad in den unteren Flur, erledige mit dem Kantor die Formalitäten und lasse mich durch die Räume führen, trotzdem verlaufe ich mich immer wieder noch. Als ich alleine bin, entlade ich zuerst das Rad, schleppe die Taschen, die ich brauche nach oben in mein Gästezimmer und versuche die klammen Teile zu trocknen. Ich bin etwas geschafft vom langen Tag und sitze etwas lethargisch herum, gebe mir schließlich einen Ruck und mache einen Spaziergang durch die Innenstadt von Bad Hersfeld, sehe mir die Ruine der Stiftskirche an und laufe an den vielen Fachwerkhäusern vorbei. Schließlich kaufe ich noch eine Gaskartusche als Reserve und lasse mir die Brille richten, dann gehe ich zurück, schreibe etwas an meinem Tagebuch und esse Kekse, die hier rumliegen. Irgendwann koche ich mir Reis, esse zu Abend, versuche noch an meinem Tagebuch weiter zu schreiben, bin dafür aber zu müde. Also mache ich noch einen Teil der Kartenplanung, versuche zu lesen und gehe dann ins Bett.



4. Tag, Samstag 9.3.13 Bad Hersfeld – Weichersbach [orig. „Oberweichbach“]

Getrieben vom Gerücht, das Wetter solle sich rapide verschlechtern und in den nächsten Tagen solle Schneefall einsetzen, radle ich heute nach Süden und fälle eher beiläufig eine bedeutende Entscheidung zu meiner weiteren Routenwahl, indem ich bei der Überquerung der Rhön beschließe meinen Großvater zu besuchen, was einen gewissen Schlenker bedeutet. Aber zunächst beginnt der Tag eher ruhig, da ich den Schlüssel für das Zimmer, in dem ich geschlafen habe, erst um neun Uhr abgeben kann, muss ich mir bis dahin die Zeit etwas vertreiben und kann trödeln. Trotzdem stehe ich um sieben Uhr auf, frühstücke und beginne meine Sachen zusammen zu packen. Als um acht Uhr die Supermärkte öffnen, gehe ich kurz einkaufen, ich brauche Bananen, die bei mir einen Ersatz von Schokolade darstellen. Meine Entscheidungsfindung zieht sich etwas, für mich können Supermärkte mit großer Auswahl schwierig sein. Wieder zurück belade ich mein Fahrrad, schreibe noch für einen Moment an meinem Tagebuch weiter und treffe dann den Küstner, der mir noch den Weg aus der Stadt beschreibt. Ich gebe den Schlüssel ab, bedanke mich und radele dann an der Stiftsruine vorbei aus der Stadt. Zunächst folge ich ein Stück weit den Schlenkern des Radweges, der am Eichshof vorbeiführt. Vielleicht lande ich durch die Ausbildung zum Landwirt auch noch dort. Als mir die Schlenker des Radweges zu extrem werden, wechsele ich auf die Bundesstraße, der ich ab jetzt durch das Fuldatal folge. In Niederaula fällt mir das Plakat einer christlichen Veranstaltung auf, hier hätte ich auch nach einer Übernachtungsmöglichkeit fragen können, aber jetzt ist es ohnehin zu spät. Irgendwie kommen mir die vielen Orte, die hier auf den Straßenschildern stehen bekannt vor, obwohl ich noch nie vorher in dieser Gegend war, eigentlich wäre das für mich Grund genug, hier eine vollständige Radtour hin zu machen. Weiter entlang der Bundesstraße fahre ich in Richtung Schlitz und muss an Gudrun Pausewang denken, die in Schlitz wohnt und in vielen ihrer Bücher das Fuldatal und die Orte hier erwähnt hat. Meine Fahrt gleicht einer imaginären Reise durch Bücher. Schlitz umgehe ich schließlich durch das Fuldatal, weniger weil mich die Stadt nicht interessieren würde, ich habe gehört, dass sie sehr schön sein soll, sondern eher, weil mein Ziel für das Mittagessen Fulda ist und ich kein Interesse daran habe mein Fahrrad mit viel Gepäck aus dem Fuldatal zu fahren. Also vertraue ich mich dem offiziellen Radweg mit seinen Steigungen an und radele so am Rand des Fuldatals dahin, bis ich auf die Hauptstraße nach Fulda treffe und dieser durch die Dörfer folge. Sowohl Schlitz als auch Fulda ziehen sich, mit den sie umgebenden Dörfern, weit dahin, zu allem Überfluss wird die Straße vor Fulda noch richtig hügelig. Ziemlich hungrig komme ich also in Fulda an, setze mich vor die Stiftskirche und esse zu Mittag. Ein Kind schaut voller Interesse auf mein Fahrrad, das mit den vielen Taschen und dem Schmutz schon jetzt aussieht, als hätte es eine halbe Weltreise hinter sich. Die Mutter fragt mich nach meiner Reise aus, zu meiner weiteren Route kann sie mir leider nur wenig präzises sagen. Als ich fertig mit essen bin, schließe ich das Fahrrad ab und gehe in die barocke Kirche. Leider empfängt mich direkt am Eingang ein Naziaufkleber, von der Sorte sehe ich in Fulda und Umland noch einige mehr. Die Kirche wirkt auf mich überraschend weiß, ich hätte sie mir, gerade als Barockkirche, viel bunter vorgestellt. Ich bete kurz, langsam komme ich mir vor wie ein Pilger. Bevor ich weiterziehe laufe ich einmal irrtümlich durch den Rosengarten, der noch im Winterschlaf liegt und hole dann im wunderschönen Buchladen Wasser und bin fast versucht, mir ein Armband zu kaufen. Dann ziehe ich weiter, verlasse Fulda auf dem Fulda-Radweg nach Süden und frage mich durch, um irgendwie über die Rhön zu kommen. Die Karte, die ich von diesem Gebiet hier habe ist mittlerweile alt und abgegriffen, ich wage es kaum noch, sie in die Hand zu nehmen, also rate ich eher, wie ich über die Rhön kommen könnte. Verschiedene Ideen und Pläne ergeben sich, am Ende fahre ich aufs gerate wohl bergauf in irgendein Dorf, wo Naziplakate an den Wänden hängen und die Dorfjugend sich vermummt. Ich bin froh nach einem kurzen Schokoladenaufenthalt weiterfahren zu können. Die weitere Straße, zum Scheitelpunkt der Rhön, ist vor allem eine Straße der verlorenen Höhen, immer wieder gibt es starke Gefälle, die mich um hart erarbeitete Höhenmeter bringen. Als ich nach einigen Dörfern schließlich vor der langen Abfahrt ins Sinntal und damit auf dem Scheitelpunkt der Rhön stehe, telefoniere ich noch kurz mit meiner Mutter und mit meiner Schwester, die ich über die Planänderungen informiere. Dann lasse ich das Rad ungebremst ins Sinntal rauschen und denke über den Sinn und den Unsinn von Bürgerinitiativen nach, die einfach nur dem St.-Florians-Prinzip folgen. Mittlerweile ist es Zeit, sich einen Platz für die Nacht zu suchen, ich frage bei einem Haus,das ich passiere, aber die Auskunft die ich erhalte bezieht sich auf einen Campingplatz. Auch die Frau, die ich als nächstes treffe kann mir nichts weiteres als den Campingplatz nennen. Also radele ich weiter und wundere mich, dass das obere Sinntal noch zu Hessen gehört, ich dachte immer es gehörte zu Bayern. Hier in der Nähe wohnt auch Anna, wenn das auf dem Weg gelegen hätte, hätte ich sie besuchen können. Im nächsten Dorf frage ich einen Bauern, der kann mir kein eigenes Stück Wiese anbieten, verweist mich aber auf ein Stück Wiese, wo ich zelten könne. Dort baue ich mein Zelt auf, esse etwas Brot und mache mich fertig für die Nacht. Relativ schnell wird es dunkel, ich höre die Züge auf der nahen Schnellfahrstrecke und schlafe ein.






5. Tag, Sonntag 10.3.13 Weichersbach [Oberweichbach] – Hochhausen

Der heutige Tag fühlt sich für mich an, wie ein Festtag, die Leute zeigen Interesse an meiner Reise und geben mir viel zu essen und zu trinken. Nebenbei durchquere ich heute Bayern (oder besser Franken) im Eiltransit und komme ins Taubertal. Der Tag beginnt für mich heute wieder früher, gegen sechs Uhr quäle ich mich langsam aus dem Schlafsack, es ist kalt und feucht, der Nebel im Hochtal hier ist sogar auf der Innenseite meines Zeltes und auf dem Schlafsack kondensiert. Ich brauche länger, bis ich alles zusammengepackt habe, erst nach knapp einer Stunde sitze ich auf dem Fahrrad und fahre im nächsten Dorf an einem Wohnwagenhersteller vorbei, das wäre die Gelegenheit zu campen gewesen. Im nächsten Dorf entscheide ich meinen Frühstücksstopp vorzuziehen, damit ist das Frühstücksziel Jossa schon wieder Geschichte. Der nett mit Osterhasen geschmückte Brunnen wird mein Frühstückstisch, wo ich meine Küchenpacktasche auspacke und mein Müsli frühstücke. Es scheint als käme die ganze Umgebung zum Brötchenkauf zur benachbarten Bäckerei, viele Menschen schauen mich etwas befremdet an. Der Küster der Kirche vor der ich sitze kommt vorbei, grüßt mich und verschwindet zunächst in der Kirche. Er kommt wieder heraus, schaut sich interessiert das Fahrrad [an] und meint vieles an dem Fahrrad wäre sehr durchdacht, was schon viele Leute gesagt haben, was aber bei derart langer Planungszeit auch so sein sollte. Schließlich gibt er mir noch einen Kaffee und ein Rosinenbrötchen aus, damit ist für mich tatsächlich Sonntag. Im Gespräch erwähnt der Mann, dass ich auch bei ihm hätte übernachten können und dass ich mich in der Kirche waschen könne, was ich auch nutze. Dann fahre ich weiter, über Jossa und durch das Sinntal an den Main, mittlerweile bin ich in Bayern angekommen. Während der Fahrt habe ich fast die ganze Zeit die beiden Bahnstrecken durch das Tal vor Augen, aber leider hält sich der Betrieb dort in Grenzen. Nach einiger Verwirrung in Gemünden finde ich schließlich den Main-Radweg und ein erstes Stück auf diesem. Relativ schnell mache ich eine Bananenpause, unterhalte mich kurz mit einem Kanuten, der hier vorbeifährt und radele dann weiter. Irgendwie habe ich heute Gegenwind, ein Phänomen, das länger anhält. Da es noch recht früh am Tag ist, beschließe ich mein Mittagessen von Lohr aus nach hinten zu verschieben, bis dahin fahre ich ein Wettrennen gegen ein rumänisches Binnenschiff und gewinne dabei. Auf dem Main sind wesentlich mehr Schiffe unterwegs, als ich erwartet hätte. Mein Weg führt zunächst über die Landstraße, dann [auf] den Radweg auf einem Bahndamm, waas etwas schneller zu fahren ist. Schließlich beginne ich Ausschau nach einem Ort für mein Mittagessen zu halten und werde vor dem Rathaus von Hafenlohr fündig, wo ich mich auf eine Bank setze und etwas esse. Als ich mir Wasser erbitte erhalte ich den Hinweis, dass es möglich wäre, die folgenden Mainschlingen über die Höhen abzukürzen. Kurze Zeit später stehe ich vor der Kreuzung, an der sich die Frage stellt, ob ich über Marktheidenfeld und die Mainschlingen nach Wertheim fahren soll oder über die Bundesstraße über die Höhen fahren soll. Nach einem halben Tag in den Flusstälern und mit der Voraussicht damit heute noch ins Taubertal zu kommen, entscheide ich mich für die Bundesstraße, die recht flach ist und gut zu fahren ist. Irgendwie komme ich mit meiner neuen Schaltung noch nicht ganz perfekt klar, denn ich muss mich noch an das etwas ruckartige Fahren und Beschleunigen gewöhnen, ansonsten läuft die Nabe super und ich bin sehr zufrieden. Am frühen Nachmittag, wie mir vorausgesagt wurde, erreiche ich Wertheim, wo ich mich endgültig vom Main und von Bayern verabschiede, passend dazu fängt es leicht an zu regnen. Ich stelle mich für einen kurzen Moment bei einer Tankstelle unter, lasse mich begaffen und fahre dann weiter auf die Landstraße, die durch das Taubertal nach Tauberbischofsheim führt. Hier war ich schon relativ oft mir dem Fahrrad, aber das Taubertal ist schön, ruhig und bietet eine ordentliche Nord-Süd-Verbindung an. Ich fahre durch die Landschaft, werde von einem etwas verwirrten Mann angesprochen und mache eine Bananenpause in Niklashausen. Zu vielen Orten hier kenne ich Geschichten und Anekdoten, hier ist es die des Propheten von Niklashausen, der eine soziale Befreiungsbewegung zu Beginn des 16. Jahrhunderts anführte. Meine Reise weist mit dem Thüringen Thomas Müntzers und Niklashausen einige Anknüpfungspunkte an den Bauernkrieg auf. Ich fahre weiter, ich habe immer noch Zeit und was ich heute schon gefahren bin, muss ich morgen nicht mehr fahren. Schließlich frage ich in Werbach einen einen älteren Herrn, vielleicht den örtlichen Priester, nach einem Platz zum Zelten, aber außer dem Dorfplatz vor der Kirche, der der Kirche gar nicht gehört, fällt ihm nichts ein. Mir ist der Gedanke zuwider ohne Erlaubnis des Eigentümers, also der Gemeinde, wie auf dem Präsentierteller mitten im Ort neben einer Hauptstraße zu zelten. Also fahre ich weiter, wechsele die Talseite und beschließe, angesichts der Tatsache, dass der nächste Ort schon Tauberbischofsheim ist, einfach auf gut Glück beim örtlichen Sportverein nach einem Zeltplatz zu fragen. Auf dem Sportplatz findet gerade ein Fußballspiel statt, ich stehe etwas am Rande und weiß nicht, wen fragen könnte, bis ein Fahrradfahrer kommt und mich ins Vereinsheim schickt. Etwas aufgeregt und unklar frage ich dort beim Vorstand, ob ich mein Zelt hierher stellen könne. Erst ernte ich leichtes Unverständnis, dann löst sich die Situation auf und ich bekomme die Erlaubnis mein Zelt aufzustellen. Aber bevor ich das mache, muss das Fußballspiel enden, ich schließe also mein Fahrrad ab und setze mich ins Vereinsheim, wo die erste Frage lautet, ob ich großen Hunger hätte, was ich bejahe. Im Nachhinein war das wohl nicht die erwartete Antwort, aber sie war ehrlich. Also bekomme ich viel Kuchen und Kaffee, eine Bratwurst und viel zu trinken. Zwischendrin baue ich unter Mithilfe bei starkem Wind mein Zelt auf, ich habe leichte Angst, dass der Wind mir das Zelt zerreißt, aber als die Sonne weg ist schläft der Wind ein. Den Abend über sitze ich im Vereinsheim, erzähle von meinen bisherigen Reiseerlebnissen, lasse mir neue Ideen zur Weiterfahrt nennen und versuche einfach nur herumzusitzen, während über das Spiel diskutiert wird. Erst spät am Abend gehen alle, ich bekomme noch etwas Kuchen, den ich sofort esse, weil ich meine Brotbeutel nicht finde, dann gehe ich ins Zelt und schlafe recht schnell ein.






6. Tag, Montag 11.3.13 Hochhausen – Rieden

Heute komme ich bei meinem Großvater in Rieden an, ein Termin, der angesichts des Wetters gut abgepasst zu sein scheint, denn während es die letzten Tage recht sonnig und angenehm war, wird es heute wieder kalt und regnerisch. Für mich ist das ein Wetter, bei dem ich schnell anfange zu frieren, wnn ich mich einen Moment nicht bewege. Nebenbei dürfte heute, mit den zu querenden Flusstälern, der Tag mit den meisten Höhenmetern sein und so ungefähr müsste ich heute die Hälfte der 1100 km von Halle bis Taizé geschafft haben. Der Morgen beginnt für mich wieder um kurz nach sechs, ich stehe auf und packe meine Sachen zusammen, was heute etwas schneller geht als gestern, was auch daran liegt, dass mein Zelt heute trocken ist, ich bin überrascht. Dann belade ich mein Fahrrad und fahre los. Ich komme gut voran, durchquere Tauberbischofsheim und die anschließenden Dörfer und entscheide mein Frühstück nach Bad Mergentheim zu legen, so durchquere ich das Taubertal noch in Morgenstimmung und kann mich einrollen lassen. Nach einem kurzen Verwirrspiel um die Führung des Radweges komme ich in Bad Mergentheim an, gehe eher zum Aufwärmen in den Supermarkt, wo ich mir von dem Geld, das mit gestern zugesteckt wurde, ein Brötchen, Bananen und Schokolade kaufe. Anschließend setze ich mich in der Innenstadt auf eine Bank, esse das Brötchen und Müsli zum Frühstück, Halb erfroren sammele ich schließlich meine Sachen wieder ein und mache mich auf den Weg in Richtung Jagsttal. Über eine recht stark befahrene Bundesstraße verlasse ich Bad Mergentheim und das Taubertal. Durch die Steigung wird mir recht schnell wärmer, trotz der vielen LKW verzichte ich darauf den parallelen Radweg zu nutzen, er ist mir zu umwegig. Als sich die Bundesstraße gabelt, mir fällt auf, dass ein Teil dessen in meiner Karte gar nicht verzeichnet ist, wird der Zustand der Straße schlechter. In Stuppach nutze ich die Gelegenheit die Dorfkirche mit ihrem Madonnenbild zu besuchen, das Bild erinnert mich an die Schutzmantelmadonna und scheint mit seinem gewissen Surrealismus gar nicht zur Gotik der Dorfkirche zu passen. Nachdem ich mir die Kirche angeschaut habe bete ich noch und fahre dann weiter. Nun wird die Straße steiler und dafür, dass es sich um eine Bundesstraße handelt ist sie sehr schmal. Da es wegen der vielen Kurven nur wenig Raum zum Überholen gibt, ziehe ich oft eine lange Schlange von Fahrzeugen hinter mir her, aber wenigstens sind alle geduldig und drängeln nicht. Als ich den Scheitelpunkt erreicht zu haben [glaube] mache ich mache ich eine kurze Schokoladenpause, kontrolliere ob das Gepäck fest verstaut ist, aber leider folgt erst noch eine Gegensteigung, dann geht es in rasanter Fahrt ins Jagsttal hinab, wo ich ein Stück auf dem Kocher-Jagst-Radweg fahre und so schon wieder Höhenmeter im Tal sammele. Hier war ich mit meinen Eltern einmal auf Fahrradtour, wie [mir] nach einigen Kilometern auffällt. Kurz vor Hohebach komme ich an einen Radwegweiser, der nach Künzelsau zeigt, ich überlege eine Zeit lang, ob ich die Bundesstraße oder doch den Radweg nehmen soll und entscheide mich dann für die Bundesstraße. Als ich auf die Bundesstraße fahren möchte hält mich die Postbotin auf und rät mir entschieden von der Nutzung der Bundesstraße ab, das wäre zu gefährlich. Etwas kratzig fahre ich also zum Wegweiser zurück und folge dem ausgeschilderten weg auf die Ebene. Als ich schließlich den Scheitelpunkt zwischen Kocher und Jagst erreicht habe, wechsele ich auf die Straße und ab Stachenhausen rausche ich die Bundesstraße hinab ins Kochertal. Vollkommen durch gefroren komme ich in Künzelsau an und muss zum Aufwärmen als erstes in den Lidl gehen. Auf der Fahrt in die Innenstadt, wo ich zu Mittag essen möchte treffe ich einen Mann, der mich wieder einmal um meine Reise beneidet, ich frage ihn kurz nach der alten Bahnstrecke nach Waldenburg aus und er kann mir bestätigen, dass die Strecke fahrbar ist. In der Innenstadt setze ich mich auf eine Bank, esse und muss an Bergheim denken, wo auch alles von nur einer Firma dominiert wird, nur dass diese in Künzelsau Würth ist und in Bergheim RWE. Schließlich fahre ich weiter, auf der stillgelegten Bahnstrecke verlasse ich ziemlich flach das Kochertal, bis Kupferzell sehe ich keinen Menschen. In dieser Gegen habe ich letztes Jahr auf einem Schweinemastbetrieb gearbeitet, ich brauche einige Zeit, bis mir der Name des Ortes Leipoldsweiler wieder einfällt. Vielleicht war es nicht das Schlimmste, dass der Freiwilligendienst nicht zustande kam, aber glücklich bin ich mit dem Prozedere von damals immer noch nicht. Über einige Feld- und Radwege komme ich nach Wackershofen, während des Baus der Westumgehung hätte man auch an Radfahrer denken können. Ich finde einen neuen Weg von Wackershofen weg nach Gottwollshausen und komme, an Schwäbisch Hall vorbei, durch die Dörfer nach Rieden. Kurz vor Rieden muss ich noch einen Schlenker über Sanzenbach fahren, ein Waldweg soll abgerutscht sein, später erfahre ich, dass er trotzdem fahrbar sein soll. Im leichten Schneetreiben komme ich bei meinem Großvater an, mein Zeitplan in Bezug auf das Wetter passt einmal wieder perfekt, gerade als ich ankomme wird das Wetter schlechter. Mein Großvater hat Besuch vom Besuchsdienst der Gemeinde, die Frau verabschiedet sich, als ich nass und etwas erschöpft ankomme. Während ich erzähle, beginne ich zu essen, mein Großvater muss noch zum Laden gehen, damit er genug zu essen da hat. Ich entlade mein Fahrrad und verbringe gefühlt den ganzen Abend damit zu essen, meine eigenen Körperdepots scheinen gelitten zu haben. Schließlich rufe ich meine Mutter an, die nicht glauben kann, dass ich den ganzen Weg von Halle nach Rieden mit dem Fahrrad zurückgelegt habe. Dann esse ich weiter, gehe noch einmal hoch, lese, esse und telefoniere nocheinmal mit meiner Schwester und meiner Mutter, sie kann meine vielen Erlebnisse gar nicht recht glauben. Relativ schnell werde ich müde und fasse förmlich ins Bett.







7.Tag Samstag 16.3.13 Rieden – Zeuthern

Nach einigen Tagen, die ich bei meinem Großvater verbracht habe und wieder zu Kräften gekommen bin, habe ich es endlich geschafft auch den zweiten Teil meiner Reise nach Taizé [zu beginnen]. Während der letzten Tagen habe ich vor allem viel gegessen, Zeitungen gelesen und mich mit meinem Großvater unterhalten, der meine Pläne für etwas groß und zu früh im Jahr ausgeführt hält. Um auch irgendwie die etwas seltsame Verbindung von Halle/Saale und Schwäbisch Hall zu zelebrieren fahre ich zweimal nach Schwäbisch Hall, genieße die Stadt und organisiere noch so ein paar Dinge. Mein Aufbruch hat sich etwas verschoben, zum ersten Mal musste der Aufbruch am Donnerstag verschoben werden, als es noch ein ganzes Stück zu kalt war und gestern musste ich meinen Aufbruch verschieben, weil es über Nacht geschneit hatte. Da es mit Aufenthalten bei meinem Großvater häufig so eine Sache ist, nach einiger Zeit habe ich häufig das Gefühl einen Ortswechsel zu brauchen, setze ich den Aufbruch für den heutigen Tag an, ohne Widerspruchsgründe, wie das Wetter zuzulassen. Am Morgen stehe ich um viertel vor sieben auf, schaue aus dem Fenster und denke zuerst es hätte geschneit, so beschlagen ist das Fenster. Aber draußen ist alles grün, also fange ich meine Fahrradtaschen in den unteren Flur zu tragen und hole die Zeitung. Ich richte mir selbst das Frühstück, lese Zeitung, esse und kann nicht so recht glauben, dass ich den Luxus und die Sicherheit hier freiwillig aufgeben möchte. Doch erst durch die Entbehrung des Reisens beginne ich Selbstverständlichkeiten für Luxus zu halten. Mein Großvater steht auf, setzt sich an den Tisch, kocht sich Kaffee und isst etwas. Für ihn ist meine Reise immer noch nicht ganz nachvollziehbar, er gibt mir den eindringlichen Hinweis, bei der Kälte bloß nicht im Freien zu übernachten. Als er fertig ist mit dem Frühstück, räume ich den Tisch ab, hole die restlichen Sachen von mir runter und schiebe mein Fahrrad raus. Draußen belade ich mein Rad, verabschiede mich von meinem Großvater, der mir noch Geld zusteckt und fahre dann los. Über den eigentlich gesperrten Weg am Freibad fahre ich nach Bibersfeld, von dort nach Michelfeld und folge ein Stück der B14 bergauf, auf die Höhen des Waldes. Der Feldweg, auf dem ich fahre, windet sich ohne viele Kurven bergan. Vor Jahren bin ich hier schon einmal Fahrrad gefahren, aber als so steil wie heute habe ich den Weg nicht erlebt, nur im 1. Gang geht es noch weiter. Wie zur Bestätigung steht oben ein Schild das von Fahrradfahrer fordert abzusteigen. Vorbei am Tierheim fahre ich durch einsam gelegene Dörfer auf der hiesigen Hochfläche, bis ich in rasanter Fahrt ins Ohrntal hinab rausche. Irgendwie fahre ich heute schneller als in den letzten Tagen, vielleicht versuche ich die gewonnene Energie sofort wieder umzusetzen. Nach einer relativ schnellen Fahrt durch einige Weindörfer komme ich nach Öhringen und fahre ohne mich aufzuhalten weiter ins untere Ohrntal und damit dem Kocher zu. Die Straße durch das Ohrntal ist sehr ruhig, nur wenige Autos überholen mich auf meinem Weg, also kann ich meine Gedanken schweifen lassen. Irgendwie komme ich, als ich meine Reiseerlebnisse im Rückblick betrachte auf die Idee, etwas zurückgeben zu wollen und vielleicht einmal noch Religionspädagogik zu studieren. Mal schauen, was aus meinem Gedanken noch so wird. Schließlich erreiche ich den Kocher-Radweg, der ab Ohrnberg auf einer stillgelegten Bahntrasse durch das Kochertal führt. Relativ schnell gleite ich dahin, lasse einige Radfahrer und manche hübsche Orte hinter mir. Mein Unglück beginnt, als ich, nach einer kurzen Abkürzung über die Umgehungsstraße von Neuenstadt, an die falsche Wegweiser gerate und nun gnadenlos jede Steigung durch die Dörfer mitmachen muss. Die Lehre dieser umwegigen Streckenführung lautet also, sich niemals an die offizielle Streckenführung zu halten, ohne eine Karte zur Hand zu haben. Ganz nebenbei lerne ich auch, dass auch sonst sehr flache Radwege mit Steigungen im zweistelligen Bereich aufwarten können. Erst in Bad Friedrichshall finde ich wieder auf die Bahnstrecke zurück muss der aber nur noch für kurze Zeit bis zum Bahnhof folgen. Eigentlich war geplant, meine Mittagspause Bad Friedrichshall zu machen, aber da ich den Ort als nicht besonders schön in Erinnerung habe, frage ich mich nach Bad Wimpfen durch, fahre aus dem Neckartal heraus und esse an einem schönen Brunnen, in der Altstadt, zu Mittag. In leichter Sorge um meinen Proviant an Brot gehe ich zur benachbarten Bäckerei und kaufe ein Brot als Reserve. Da ich bisher Bad Wimpfen als mein heutiges Tagesziel betrachtet habe, das Wetter gut ist und ich noch Lust habe weiterzufahren, entscheide ich mich, so weit zu fahren, wie ich möchte. Also radele ich ins Kraichgau, einer Landschaft, die ich, wie ich mir eingestehen muss, nur vom Durchrasen auf der Autobahn kenne. Die Straße verläuft hügelig, ein wenig erinnert mich diese Gegend an Hohenlohe, scheint sie doch ähnlich landwirtschaftlich geprägt zu sein. Als ersten markanten Punkt erreiche ich, nach einiger Zeit die Autobahn, mit einer großen Ansammlung an auf Autofahrer ausgerichteten Dienstleistungen. Auch wenn ich diese hin und wieder in Anspruch nehme, halte ich mich dort keineswegs gerne auf. Ein Stück weit folge ich der Autobahn, dann geht es durch kleinere oder größere Dörfer weiter. Unmerklich überquere ich die Grenze zwischen Baden und Württemberg, obwohl die Unterschiede für mich gar nicht so groß sind, wird die Rivalität zwischen beiden Landesteilen gut gepflegt. Als irgendwann auf den ersten Schildern Bruchsal ausgeschildert wird und ich in ein Zuflusstal zum Rhein hin gelange, überlege ich, dass es langsam Zeit ist, sich einen Platz für die Nacht zu suchen. Allerdings scheint es mir zeitlich noch etwas zu früh zu sein, schließlich frage ich bei einem Sportplatz, ob ich hier mein Zelt hinstellen könne, es geht. Ich schaue mir den Platz an, setze mich in die zugehörige Gaststätte und arbeite etwas an meinem Tagebuch und lasse mich von der Fußballübertragung ablenken.Nach eingehender Überlegung beschließe ich, dass der Platz für Übernachtungen ungeeignet ist und fahre zur Kirche, wo mir als erstes die Wiese neben dem Gemeindezentrum angeboten wird. Mehr um mir die Zeit zu vertreiben gehe ich auf den Bücherflohmarkt im Gemeindezentrum, wo ich den zuständigen Mann frage, ob das ginge auf der Wiese zu zelten. Er lädt mich jedoch ein, bei ihm im Garten zu zelten. Da auch er regelmäßig nach Taizé fährt kommen wir ins Gespräch, er ist der Pastoralreferent der Gemeinde. Als er den Flohmarkt beendet, radele ich hinter seinem Auto her zu ihm nach Hause, stelle dort im Garten mein Zelt auf und richte mich ein. Gerade als ich mich an die Kartenplanung mache, werde ich ins Haus eingeladen, mit der Aussage, bei der Kälte könne man nicht draußen schlafen. Also packe ich mein Zelt wieder ein, räume, was ich so brauche ins Haus und vertreibe mir die Zeit damit Tagebuch zu schreiben und Kartenplanung zu machen. Gedanklich hänge ich der Frage nach, warum mir in Bergheim keiner sagt, dass mein Vater im Krankenhaus ist, ich hasse die Sprachlosigkeit. Es gibt Abendessen, das Gespräch mit dem Ehepaar dreht sich um meine bisherige Reise, die Landwirtschaft und das Studium, schließlich dusche ich noch und falle dann ins Bett.






8.Tag Sonntag 17.3.13 Zeuthern – Iffezheim

Der heutige Tag wird vor allem durch das sehr schlechte Wetter und die damit verbundene geringe Motivation [geprägt]. Teilweise quäle ich mich im strömenden Regen voran, damit ich den Großraum Karlsruhe irgendwie hinter mir lassen kann. Den Kontrast dazu setzt bei mir gewisser Maßen der Nachmittag, als ich beim Kolpingverein eingeladen werde und einen interessanten Nachmittag verlebe. Nach einer Nacht, in der ich nur so mittel gut geschlafen habe, ich mag Luftmatratzen nicht so gerne, stehe ich um halb sieben auf und nutze die Zeit, um an meinem Tagebuch weiterzuschreiben und etwas zu lesen. Schließlich gehe ich runter, frühstücke und bekomme dabei mit, welche Probleme es auch in dieser Kirchengemeinde gibt. Als alle zur Kirche aufbrechen, packe ich meine Sachen zusammen und fahre dann im leichten Regen los. Über einen Feldweg gelange ich nach Ubstadt, einem Ort, den ich nur wegen einer Eisenbahnverzweigung kenne. Relativ schnell durchquere ich den Ort und fahre weiter nach Bruchsal, auf dem Weg sehe ich den, mir bereits aus der Bahnperspektive bekannten Bahnknoten, einmal aus der Straßenperspektive. In Bruchsal verfahre ich mich dann leicht, als zuerst eine etwas verworrene Umleitung zu einer, wegen des allgemeinen Einkaufstages gesperrten, Straße ins Nichts zu führen scheint und ich schließlich, der Ausschilderung nach Karlsruhe folgend vor einem, für Radfahrer gesperrten Tunnel stehe. Irgendwie komme ich wieder aus der Stadt heraus und folge nun den Schlenkern des ausgeschilderten Radwegs, um nicht immer auf der Bundesstraße fahren zu müssen. Es regnet leicht und meine Laune lässt sich als eher gedämpft beschreiben, nach dem gestrigen Tag, an dem so vieles so gut geklappt hat, falle ich heute ein wenig ins Stimmungstief. Als ich schließlich den ersten Vorort von Karlsruhe, Grötzingen, erreicht habe, setze ich mich an den Bahnhof, den einzigen trockenen Ort, den ich finden kann. Ich esse ein Tafel Schokolade und denke darüber nach, zu meinem Großvater zurück zu fahren. Nach knapp einer halben Stunde bin ich von der Motivation her so weit, dass ich weiterfahren kann, ich sammele meine Sachen ein und fahre relativ stressfrei durch die ruhigen Vororte an Karlsruhe vorbei. Mit der fast schon normalen Verwirrung an einer Kreuzung komme ich nach Ettlingen, wo ich mich einmal kurz an einen Radweg hänge, um die Stadt zu durchqueren. Langsam habe ich auch die Systematik raus, mit der die Radwegweisung aufgestellt wird, immer dann, wenn ich einen Wegweiser bräuchte fehlt er oder zeigt in die falsche Richtung. Ist dagegen ein Radwegweiser da, sorgt er fast immer für Verwirrung. Über die Hauptausfallstraße verlasse ich Ettlingen, das sich mir etwas vielgestaltiger, denn nur als Teilort von Karlsruhe, als den ich es bisher gesehen habe, dargestellt hat. An einer Tankstelle frage ich noch nach etwas Öl, da sich das Kettenöl durch das viele Wasser mittlerweile verflüchtigt hat, aber leider hat die Tankstelle kein Öl. Ich fahre weiter, komme auf die Bundesstraße und nutze zum ersten Mal freiwillig den Radweg neben der Straße, denn die läuft schnurgerade und monoton durch den Wald, die Autos rasen und mein Interesse das Opfer der Autofahrer und das Mittagessen der Geier, die auf Schildern von zu schnellem Fahren warnen, zu werden ist gering. An einer Tankstelle gelingt es mir schließlich noch, Öl für die Kette zu organisieren, dann komme ich nach Rastatt. Mein Mittagessen findet aufgrund des Regens in einer Bushaltestelle am Bahnhof statt, ich beobachte den Bahnbetrieb und fühle mich wie in einer gänzlich anderen Welt, als der Welt der Geschwindigkeit. Ich überlege, ob ich bereits hin in Rastatt nach einem Quartier suchen soll, entscheide mich aber dagegen, gerade da ich das Gefühl habe, heute noch nicht allzu weit gefahren zu sein und der Regen sich gerade in Grenzen hält. Also fahre ich weiter, verlasse Rastatt auf einer Straße, die näher am Rhein entlang führt. Leider währt die Freude über den abgenommen Regen nur kurz, denn schon bald beginnt es umso stärker zu regnen und schnell bin ich wirklich nass. Beim ersten Ort, den ich sehe biege ich ab, erst jetzt sehe ich, dass es Iffezheim ist. Ich fahre zu evangelischen Kirche, frage mich zu Pfarramt durch und bekomme dort gesagt, dass keinen geeigneten Platz für mich hätte. Also fahre ich zur katholischen Kirche, wo sich der Pastor, als ich ihm mein Anliegen vorgetragen habe, hektisch den Schlüssel greift und mich in einen Jugendkeller einquartiert. Er organisiert mir noch ein Nachmittagsprogramm, dann ist er wieder weg. Ich entlade mein Fahrrad, hänge die nassen Sachen über die Heizung und [gehe] dann zu dem Treffen der Kolpinggruppe, einer Seniorengruppe, deren Programm heute viele Volkslieder beinhaltet. Sofort werde ich unter die Fittiche einzelner Leute genommen, aber es hat den Anschein, als wolle jeder mit mir reden, alle sind interessiert an meiner Reise und fragen mich aus. Als es Kaffee und Kuchen gibt, tragen mehrere Leute Sorge dafür, dass ich zu essen bekomme, am Ende bekomme ich noch einiges an Proviant mit. Es wird noch ein Film über das Kolpingwerk gezeigt, eine Eigendarstellung, aber trotzdem lerne ich viel über die Organisation und ihre Ziele, Reisen bildet. Nach dem offiziellen Teil erzähle ich noch kurz etwas über Taizé und meine Beweggründe dorthin mit dem Fahrrad zu fahren und dort Ostern zu verbringen. Anschließend komme ich noch mit einzelnen Leuten ins Gespräch, lasse mir richtig viel Geld zustecken und verabschiede mich schließlich. Ich setze mich unten hin, schreibe an meinem Tagebuch weiter, esse ein Stück Kuchen und überlege mir, das Kochen bleiben zu lassen, da ich keinen Hunger mehr habe. Da es noch hell ist, mache ich noch einen Spaziergang zur Rennbahn, telefoniere mit meiner Mutter und laufe irgendwann wieder zurück. Irgendwie habe ich das Gefühl leicht überzuckert zu sein, ich hätte nicht so viel Kuchen essen sollen. Wieder zurück schreibe ich noch etwas Tagebuch, dann lege ich mich schlafen.






9.Tag Montag 18.3.13 Iffezheim – Nonnenweier

Ein von wechselhaftem Wetter geprägter Tag zieht irgendwie an mir vorbei. Parallel zu den Problemen, die ich mit dem Wetter zu haben scheine, wenn ich wieder nass bin, habe ich den Eindruck, dass auch meine Probleme, die ich am linken Fuß habe, stärker werden. Sie zwingen mich heute auch dazu, mir recht früh eine Unterkunft zu suchen. Nachdem ich in der Nacht mehrfach den Schlafplatz gewechselt habe, der Raum war groß genug dafür, stehe ich gegen halb sieben auf und schaue als erstes nach, was das Wetter so macht. Es regnet nicht, also beeile ich mich ein wenig, koche mir Tee und frühstücke schnell. Dann packe ich meine Sachen zusammen, belade das Rad, werfe den Schlüssel in den Briefkasten und fahre los in Richtung der Staustufe. Nach einer kurzen Irrfahrt finde ich auch die Straße, die unterhalb des Deiches, entlang der Auenwälder dahinführt. Die Sicht endet am Deich, umfasst aber das Hinterland uns so auch den nutzlosen Regionalflughafen, den ich passiere. Als sich die Straße durch eine Kurve auf den Deich hochwindet, entscheide ich den geschotterten Deichweg zu nutzen und radele nun auf der Aussichtsplattform ein Stück weit über der Landschaft. Wie so oft auf Flussradwegen nehme ich auch diesmal die Gelegenheit wahr, ein Rennen gegen ein Binnenschiff zu bestreiten, wie auch am Main gewinne ich und lasse das Schiff weit hinter mir. Nachdem ich ein Stück weit auf dem Deich gefahren bin, entscheide ich bei einer Chemiefabrik, wieder auf die Straße hinter dem Deich zu wechseln. Kurz darauf fahre ich durch das Dorf zur nahen Bundesstraße, der ich bis nach Kehl folge. Da es im Moment noch soweit trocken ist, versuche ich Strecke zu machen und voran zu kommen. Nach einiger Zeit mache ich eine kurze Pause in einem Buswartehäuschen, der Kuchen vom Frühstück hat nicht lange genug vorgehalten. Während ich noch etwas esse fängt es an zu regnen, ich trödele ein wenig damit weiter zu fahren und ziehe dann doch weiter in Richtung Kehl. Zum Glück ist der Regen nicht allzu stark, erst mit der Zeit wird meine Jacke nass. Wie ich es während der Fahrt schon geschätzt habe, erreiche ich gegen elf Uhr Kehl, eine Stadt die durch die Industriegebiete, die ich als erstes sehe, wie eine typische Grenzstadt wirkt. Die Innenstadt wirkt etwas freundlicher, ich gehe zur Touristen-Information und erfrage, wo sich hier in Kehl das Internet nutzen ließen, aber die Stadtbücherei hat heute geschlossen, also vertage ich die Internetnutzung auf morgen. Ich sitze noch ein wenig in der Touristen-Information herum, genieße die Wärme und plane meine weitere Fahrt für den heutigen Tag, dann fahre ich auf der Suche nach einem Ort für mein Mittagessen eine Runde durch die Stadt, ehe ich mich abermals für eine Bushaltestelle entscheide. Hier esse ich zu Mittag, werde erstmals auf französisch angesprochen, aber beantworten kann ich die Frage leider nicht. Als ich fertig bin, komme ich durch Zufall auf das Gelände der Landesgartenschau in Kehl und Strasbourg, das durch eine geschwungene Brücke verbunden ist. Fasziniert von der Konstruktion der Schrägseilbrücke fahre ich bis zur Mitte hinauf, komme so zum ersten Mal auf meiner Reise nach Frankreich, genieße kurz die Aussicht und lasse mich dann aber wieder auf die deutsche Seite zurückrollen. Es scheint, als hätte ich ein wenig Angst nach Frankreich zu kommen und mich dort irgendwie durchschlagen zu müssen, weshalb ich die endgültige Ankunft dort so lange wie möglich hinauszögern möchte. Ich beschließe die Bundesstraße, die ich für ein Stück der Strecke noch nehmen möchte, erst außerhalb von Kehl zu suchen, also fahre ich erst ein Stück des Rhein-Radweges, der vor allem durch schlechte Qualität der Wege glänzt. Relativ schnell finde ich die Bundesstraße wieder, folge der Straße durch die Dörfer, es regnet wieder etwas und zusammen mit meinem Fuß, der mittlerweile auch beim Fahrradfahren schmerzt, sinkt meine Motivation weiter zu fahren langsam ab. Als ich, laut Karte, von der Bundesstraße abzweigen muss, setze ich mich für längere Zeit an einer Bushaltestelle hin, esse eine Banane und viel Schokolade und denke darüber nach, dass ich für die Dorfjugend auch hier ein Außenseiter bin, ich weiß nicht ob das gut ist, aber es fühlt sich seltsam an. Irgendwann schaffe ich es weiter fahre zwei Dörfer weiter und versuche beim Pfarrhaus eine Unterkunft zu finden, was daran scheitert, dass ich niemanden finden, den ich fragen könnte. Also fahre ich ins nächste Dorf und schleppe mich irgendwie zum Pfarrhaus, mittlerweile schmerzt fast jede Bewegung. Die Pfarrerin, ich bin überrascht, dass die Dörfer hier evangelisch sind, kann mir einen Platz zum Zelten anbieten, zeigt sich aber nicht überzeugt, dass dies die perfekte Lösung ist. Also gehe ich zum Diakoniewerk, gehe zuerst in die Kapelle, bete und laufe dann über das Gelände, bis mich jemand zur Verwaltung schickt, wo ich aber niemanden antreffe. Erst nach einiger Zeit treffe ich einen jungen Mann, der der Geschäftsführung angehört, er bittet mich ins Haus, gibt mir etwas zu trinken und verschwindet, um mein Anliegen zu klären. Ich denke mir, dass hier alles recht lange dauert, als er wieder kommt, stellt er mir seine Überlegung vor, nach der ich im Tagungshaus übernachten soll. Wir kommen ins Gespräch über die Pfadfinder und die Landwirtschaft, ich bin immer wieder überrascht, wie gut ich mit Menschen ins Gespräch komme. Ich lade mein Fahrrad ab, setze mich in mein sehr schönes Zimmer und schreibe an meinem Tagebuch. Irgendwann, ich habe vergeblich auf die Leiterin des Hauses gewartet, gehe ich zur Abendandacht, der sonst nur Diakonissen beiwohnen, ich bin der beachtete Sonderling. Als ich wieder zurückkomme, ist die Leiterin des Hauses da, ich kläre kurz alles ab, koche mir schnell Nudeln und esse. Dann rasiere ich mich, schreibe am Tagebuch und gehe irgendwann ins Bett.



10.Tag Dienstag 19.3.13 Nonnenweier – Jechtingen

Heute komme ich kaum zum Fahrradfahren, stattdessen regele ich etwas sehr wesentliches, ich gehe mit meinen Schmerzen zum Arzt. Nachdem die Schmerzen gestern allzu stark wurden und mich die Sorge umtreibt, auf einmal in Frankreich nicht mehr Fahrrad fahren zu können und mit den Gesundheitssystem nicht klar zu kommen [fasse ich den Entschluss zu diesem Schritt]. Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass ich eine Zerrung in der Wade habe und dass es gut war, zum Arzt gegangen zu sein. Der Morgen beginnt mit Regen, nach der Nacht in der ich sehr starkes Nasenbluten hatte, komme ich nur langsam aus dem Bett. Ich stehe schließlich auf, frühstücke Müsli und organisiere bestimmte Teile meiner Taschen um. Da ich mir noch nicht sicher bin, ob mit meinem schmerzendem Fuß zum Arzt gehen soll, halte ich als erstes Rücksprache mit meiner Mutter, die mir auch ein paar Ärzte raus sucht. Also belade ich mein Fahrrad, werfe den Schlüssel, einen Dankesbrief und eine Spende von 10 €, zu der mich meine Mutter überredet hat, in den Briefkasten und fahre los. Da es noch früh am Tag ist, fahre ich recht schnell, passiere eine große Fabrik für Tunnelbohrmaschinen und komme nach Lahr, einer Stadt, die sich ewig hinzuziehen scheint. Da ich zu faul bin, mir die beiden Adressen, die mir meine Mutter genannt hat, im Kalender noch einmal anzuschauen, fahre ich zu der, die ich mir gemerkt habe und stehe vor verschlossenen Türen. Also fahre ich ein Stück zurück und entscheide mich, nach einigem Überlegen, bei der Apotheke nach einem Orthopäden zu fragen. Ich werde zu einer Praxis geschickt, die ich nach einigem Fragen auch finde, wo ich aber erfahre, dass ich einen Termin bräuchte, den ich aber nicht machen kann, weil ich hier in Lahr nicht bleiben möchte. Also werde ich weiter geschickt, zu einem Arzt, der seinen Sitz am Krankenhaus hat, nach kurzem Suchen finde ich das Krankenhaus, stelle mein Fahrrad im Parkhaus ab und gehe zur Praxis. Die Arzthelferin hört sich meine Schilderung der Schmerzen an, ganz begeistert scheint sie von meinem spontanen Auftreten hier nicht zu sein, aber nach einem kurzen Gespräch mit ihrer Kollegin entscheidet sie, dass ich bleiben dürfte. Ich hätte auch kaum den Elan gehabt, mich für meine Aufnahme als Patient einzusetzen, irgendwie liegt mir mehr an der „Gesundheit“ meines Fahrrads, als an meiner eigenen Gesundheit. Die Wartezeit, bis ich aufgerufen werde, nutze ich dazu, mich dem allgemeinen journalistischen Niveau von unten anzunähern, indem ich ein Nachrichtenmagazin lese. Überraschend schnell werde ich aufgerufen, eine junge Arzthelferin nimmt meine Beschwerden auf und stellt die Diagnose Wadenzerrung, der Arzt, der nach einiger Zeit hereinkommt und viel mit mir über die Reise plaudert, bestätigt die Diagnose nur noch. Mir wird eine Bandage verschrieben und erklärt, wie ich zum Sanitätshaus komme, dann fahre ich zum Sanitätshaus, bekomme dort die Bandage angepasst und bezahle. Ich telefoniere kurz mit meiner Mutter, um ihr mitzuteilen, dass alles gut gelaufen ist, dann entscheide ich die Gelegenheit in einer Stadt zu sein zu nutzen und kurz ins Internet zu gehen. In der Touristen-Information frage ich nach den Möglichkeiten für die Internetnutzung und radele zur Stadtbücherei, wo ich zuerst das Problem habe, mein Fahrrad irgendwo anzuschließen. Relativ schnell komme ich zu einer Möglichkeit der Internetnutzung, ich schaue meine Mails nach und entdecke, dass ich eine Absage für eine Lehrstelle habe, damit ändern sich auch meine Möglichkeiten für die Woche nach Ostern. Ansonsten habe ich viele Schrott-Mails. Ich bezahle für die Internetnutzung, mache mein Fahrrad fertig und fahre los. Bei teilweise heftigem Gegenwind verlasse ich Lahr und fahre nach Kippenheim, einem Ort, den ich wegen einer Autorin von Reiseliteratur kenne.
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#945114 - 06.06.13 06:24 Re: Einstandsreise meines neuen Fahrrads [Re: Thomas' Rad]
grenzenlos
Mitglied Übernachtungsnetzwerk
abwesend abwesend
Beiträge: 906
Hallo Thomas,

danke für die vielen netten Beschreibungen Deiner Tour.

Wünsche Dir noch viele schöne Touren, somit Erlebnisse und Welteinsichten! schmunzel
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#946395 - 09.06.13 18:35 Re: Einstandsreise meines neuen Fahrrads [Re: grenzenlos]
dietrich
Mitglied
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Beiträge: 213
Lieber Thomas,
danke für deinen netten Reisebericht. Habe ich gern gelesen. Freue mich schon auf eine Fortsetzung des Tourberichtes.
Gruß
Dietrich
Cycling now, work later
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#947227 - 12.06.13 16:09 Re: Einstandsreise meines neuen Fahrrads [Re: Thomas' Rad]
Thomas' Rad
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Beiträge: 59
So, langsam kommen auch die Fortsetzungen zusammen, sind ja nicht mehr so viele...
weiterhin viel Spaß bei der Lektüre
Viele Grüße
Thomas

Von dort geht es weiter durch die Orte an der Bundesstraße, in Herbolzheim, der Gummibärchenstadt, esse ich zu Mittag, im nächsten Ort fülle ich meine Vorräte wieder auf. Gegen weiterhin heftigen Wind, der mich einmal fast in das Geländer einer Brücke drückt, fahre ich nach Weisweil, ein Dorf, das ich durch die Anti-Atomkraft-Bewegung kenne. Ohne groß zu verweilen fahre ich über Wyhl und Sasbach nach Jechtingen, wo ich um Wasser bitte. Durch den starken Wind bin ich bisher nur langsam und mit großen Anstrengungen vorangekommen, jetzt wird es langsam Zeit sich nach einer Unterkunft umzuschauen. Nachdem ich mir Wasser am Brunnen, zu dem ich geschickt wurde, geholt habe, frage ich auch nach Möglichkeiten zum Zelten. Die Frau, die ich gefragt habe, überlegt, fragt mich, warum ich nicht in der Jugendherberge übernachten möchte und nennt mir dann zwei Möglichkeiten, von denen eine Möglichkeit der Sportplatz ist. Dorthin fahre ich, esse etwas, mache Kartenplanung und schreibe an meinem Tagebuch. Ein Teil der Mannschaft kommt zum Training, ich frage, ob es in Ordnung wäre, mein Zelt hierhin zu stellen, sie melden keine Bedenken an. Also baue ein mein Zelt auf dem Spielplatz auf, telefoniere mit meiner Mutter und informiere sie über meine geänderten Pläne, dann esse ich zu Abend. Während ich noch essend vor dem Zelt sitze, kommt der Betreiber der Sportgaststätte heraus, ich unterhalte mich, werde in die Gaststätte eingeladen und entscheide, dass ich vorher noch mein Zelt aufräumen muss. Dann gehe ich in die Gaststätte und bekomme das erste, einer ganzen Reihe von Getränken, ausgegeben. Als erstes werde ich, wie gewohnt, nach meiner Reise und den Plänen ausgefragt, da immer wieder neue Leute kommen, muss ich das immer wieder erzählen, manchmal fühle ich mich wie eine Broschüre, die von allen gelesen wird. Ich schaue bei einem etwas seltsamen Kartenspiel zu, hole mein Tagebuch, um Licht und Wärme angemessen nutzen zu können. Also schreibt meine eine Gehirnhälfte Tagebuch, während sich die andere den Leuten im Raum widmet. Über den Abend hinweg werden mir zwei Eier mit Maggi, eine Bratwurst und mehrere Getränke ausgegeben, jeder scheint mir was gutes zu wollen. Als die Gaststätte schließt, fragt mich der Betreiber, ob ich nicht drinnen schlafen möchte, ich willige ein, bringe meine Sachen rein, lege das Zelt zum Trocknen aus und lasse mich einschließen. Ich breite meinen Schlafsack aus und gehe recht schnell schlafen.



11. Tag, Mittwoch 20.03.13 Jechtingen - Hagenbach

Heute komme ich endgültig nach Frankreich, gewissermaßen wage ich den Sprung, auch wenn das Wasser lau warm ist, da in Alsace immer noch viele Menschen ein wenig deutsch sprechen. Aber allzu begründet sind meine Sorgen bezüglich der Sprache nicht, meine zu Schulzeiten erworbenen Sprachkenntnisse erweisen sich als tragfähig für sämtliche Situationen. Radfahrtechnisch ist auch der heutige Tage geprägt vom Gegenwind, so weit wie ich eigentlich gehofft habe, komme ich nicht. Der Morgen beginnt für mich recht spät, da mein Gastgeber angekündigt hat, erst gegen halb acht da zu sein, stehe ich erst kurz vor halb acht auf und beginne damit mein, über Nacht getrocknetes Zelt, zu verpacken. Mein Gastgeber kommt herein, fragt mich was ich zu meinem Kaffee möchte und dreht eine Runde mit dem Hund. Nachdem ich alles verpackt habe, trinke ich den Kaffee und beschließe erst in Breisach zu frühstücken, wenn ich meine Einkäufe verstauen muss. Ich unterhalte mich noch mit dem Gastgeber über seine Hunde und meine Reise, ihm liegt viel daran, dass ich den Ort in guter Erinnerung habe, schließlich hole ich das Fahrrad aus dem Schuppen, in dem es die Nacht verbracht hat, belade es, komme im Gespräch noch auf Traumreisen und den Iran zu sprechen, dann ziehe ich los. Die Weinbaulandschaft des Kaiserstuhls lohnt für mich immer wieder den hügeligen Umweg auf dem Weg nach Frankreich, ich mag einfach den Kontrast der kurzweiligen Landschaft zur Eintönigkeit des Oberrheintals. Nach einem kurzen Stück auf der Umgehungsstraße von Breisach, radele ich in Richtung der Stadt, kaufe noch etwas ein, in Frankreich soll alles so teuer sein und werde beim Verlassen des Supermarktes von einem älteren Mann angesprochen, der sich nach meiner Reise erkundigt und sagt, dass er sonst oft noch ein Stück weit mitradel[t]n würde. Da es anfängt zu regnen beschreibt er mir noch den Weg zum Bahnhof, dorthin radele ich und frühstücke unter einem Unterstand. Ich telefoniere noch kurz mit meiner Mutter, von der ich erfahre, dass sie die Idee nicht unterstützt, dass mein Bruder noch ein Stück mit mir radelt, damit habe ich freie Hand für meine Pläne. Nach der Verzögerung durch das Telefonat komme ich nun in die Gänge, radele über das Sperrwerk und durch ein langgezogenes Dorf und erreiche Neuf-Brisach, eine hübsche Festungsstadt, wo ich mich in der Touristen-Information mit neuen Karten ausstatten möchte. Ich nutze die Gelegenheit und unterhalte mich auf französisch, was recht gut klappt und mir den Mut gibt, dass ich in Frankreich klarkommen werde. Als ich aus der Touristen-Information rausgehe habe ich eine ausgearbeitete Route, die ich in Angriff nehme und bei der ich wieder ähnliche Probleme habe, wie gestern, nämlich den Wind. Nur langsam komme ich durch die Dörfer, in Richtung Cernay voran, alles scheint sich unendlich zu ziehen, während ich merke, dass ich kaum vorankomme. Bei einer Autowerkstatt versuche ich Öl für die Fahrradkette zu zu bekommen, erst nach einiger Verwirrung und dem mehrfachen Wechsel meiner Gesprächspartner wird mein Anliegen verstanden und ich bekomme eine Flasche Altöl. In technischen Fragen scheint mein französisch noch ausbaufähig zu sein, aber immerhin komme ich so zu interessanten Dialogen. Im weiteren Verlauf wird die Straße häufiger durch einen Wald vom Wind abgeschirmt, endlich komme ich also einmal in den Genuss ohne allzu große Kraftanstrengung angemessen schnell fahren zu können. Mittlerweile habe ich auch eine gewisse Kostprobe französischer Fahrkunst erhalten, bei der enges Überholen eher Regel als Ausnahme ist, ich ärgere mich keinen Rückspiegel an meinem Fahrrad zu haben, das muss ich dringend nachrüsten. Relativ ausgehungert und mittlerweile auch ein wenig mürbe von der Straßenfahrerei auf schlechten Umgehungsstraßen, lasse ich mich vor der Barockkirche einer Kleinstadt nieder, genieße die Sonne und esse zu Mittag. In Ermangelung einer detaillierten Karte, nach der ich fahren könnte, beginne ich mich durchzufragen. Mein Plan ist bis Belfort nördlich des Kanals und damit des Radweges zu bleiben und dabei grob der Autobahn zu folgen. Während ich bei der Bücherei noch ohne Wegbeschreibung gehe, bekomme ich im benachbarten Laden für Pokale, eine brauchbare Wegbeschreibung und der Besitzer lobt mein gute französisch. Ich verlasse die langgezogene Kleinstadt und freue mich, als ich die verfallenen Reste der Maginot-Linie sehe, dass ich vom letzten Regenschauer verschont geblieben bin, der Radweg ist noch nass. In den Dörfern nutze ich die Gelegenheit, mich weiter durchzufragen, ich überquere die Autobahn und fahre in ein langgezogenes Waldgebiet. Ich sehe schon die Wolken, die sich schon für den nächsten Regenschauer sammeln und verzichte darauf mich unterzustellen. Leider wird die Hoffnung, dem Regenschauer entkommen zu können, betrogen, der Platzregen macht mich klatschnass und Hagelkörner im Regen lassen meine Augen tränen, sodass ich nahe einer Autobahnauffahrt eine Pause im Regen einlegen muss. Schnell scheint die Sonne wieder und ich entscheide mich gegen die Idee, hier im Autobahndepot zu übernachten und fahre weiter, alleine schon um wieder trocken zu werden. Nach einiger Zeit bestätigt sich auch mein Gefühl, dass sich die Straße dem Kanal nähert, trotzdem war es bis hierher eine schöne Umgehung von Mulhouse, die mich quer durch den Sundgau geführt hat. Als ich das erste Mal nach einer Möglichkeit zu zelten frage, werde ich zum Rathaus geschickt, das geschlossen hat, also fahre ich weiter und frage in einem Dorf am Kanal bei einem Gasthof. Dort werde ich zu einem Bauern geschickt und treffe zunächst den Sohn an, der jedoch nichts entscheiden kann. Aus der Langeweile heraus mach ich einen Rundgang über den Hof, der neben Milchviehhaltung auch Mast beinhaltet und über die Unterschiede zu Betrieben, die ich aus Deutschland kenne. Gerade im Bereich Landwirtschaft hat mein französisch noch Lücken. Der Bauer kommt irgendwann zurück und erwischt mich auf der Türschwelle, weil ich mir gerade Wasser erbeten habe. Er schlägt mir zuerst vor, mir ein Zimmer zu nehmen, was ich ablehne und deutet dann auf einen Platz zum Zelten. Nach unserem auf deutsch geführten Gespräch, baue ich das Zelt auf und merke, dass es im starken Wind erheblich schwankt, der Bauer bietet mir daraufhin an, in der Scheune zu schlafen, was ich dankend annehme. Da ich später noch zum Essen eingeladen bin, versuche ich die Zeit bis dahin mit Tagebuchschreiben zu vertreiben, die Frau bringt mir ein Lunchpaket und bietet mir eine Dusche an, die ich dankend ablehne. Die Menschen hier sind wieder viel zu nett zu mir. Vor Hunger esse ich den größten Teil meines Lunchpaketes auf, gehe dann zum Essen rein und wärme mich auf. Ich erzähle wo ich herkomme und wohin ich fahre, die Frau ist begeistert, dass ich schon in der Picardie war, wo sie herkommt und ich plaudere ein wenig. Schließlich bedanke ich mich, verabschiede mich und gehe schlafen.


12. Tag, Donnerstag 21.03.13 Hagenbach - Novillars

Heute ist mein sozialer Radeltag, ein Tag, an dem ich nacheinander zwei Reisegefährten habe, was für eine gewisse Abwechslung sorgt und mir von daher willkommen ist. Nebenbei passiere ich heute auch den wohl spektakulärsten Teil meiner Reise, das tief eingeschnittene Tal des Doubs. Da ich die Strecke vor knapp zwei Jahren schon einmal gefahren bin, allerdings in umgekehrter Richtung, erkenne ich heute viele Dinge wieder, kann mich erinnern, wie ich hier durch den Regen gefahren bin und L' Isle-sur-le-Doubs zum islamischen Fastenbrechen eingeladen wurde. Der Morgen beginnt für mich um kurz nach sechs, nur langsam komme ich aus dem Schlafsack heraus, ich habe gut und trocken geschlafen. Ich packe meine Sachen zusammen, der Bauer kommt, verabschiedet mich und lädt mich ein, wieder zu kommen, dann ziehe ich los, gelange auf den alten Treidelpfad am Kanal und radele vor mich hin. Der Weg ist flach, nur an den Schleusen geht es immer ein kleines Stück hinauf. Relativ schnell entscheide ich an einer Schleuse zu frühstücken und setze mich also an einer Hütte unter ein Dach. Als ich wieder fertig bin mit essen, belade ich das Rad und fahre weiter nach Montbéliarde, wo die Feuerwehr gerade eine Übung am Kanalufer abhält. Trotz der guten Ausschilderung des Radweges bräuchte ich eine Karte, ich gehe zu einer Touristen-Information am Kanalufer, aber die ist geschlossen. Also lasse ich mir den Weg zur Touristen-Information am Bahnhof beschreiben und fahre dorthin, was mich leider ein Stück des Weges zurückführt. Der Weg zur Touristen-Information scheint nicht für Fahrradfahrer gemacht zu sein, mit meinem beladenen Reiserad ist es nur schwer möglich, den Weg zu passieren. In der Touristen-Information lass ich mir eine kleine Karten-Broschüre, die mir schon bei meiner letzten Tour geholfen hat, geben und gehe, um das schöne Wetter zu nutzen. Für den nächsten Teil der Strecke entscheide, ich ein Stück auf der Straße zu fahren, weil das etwas schneller geht, als auf dem offiziellen Radweg, gerade dafür brauche ich die Karte. Als ich ein Dorf passiere, von dem an ich ein Stück auf der Straße weiterfahren möchte, um einige Steigungen abzukürzen, treffe ich einen älteren Herrn, der ein Stück mit mir fahren möchte. Nachdem ich bereits am Morgen einen Reiseradler auf dem Weg von Portugal nach Dänemark getroffen habe, ist dies ein weiteres interessantes Treffen am Radweg. Der Radweg steigt an und ich fahre mit meinem beladenen Rad dem älteren Herrn mit seinem leichten Rad fast davon. Unser Gespräch dreht sich um die Organisation von Radreisen, er erzählt von seiner Reise an den Bodensee und wie sehr er die Ordnung in Deutschland und der Schweiz [mag]. Nach den Steigungen läuft der Radweg wieder entlang des Kanals und für mein Gefühl kämpfe ich gegen den Wind. Der nette Mann geleitet mich durch L'Isle-sur-le-Doubs, nach seiner Aussage wäre das hier etwas verwirrend, was ich, angesichts der guten Ausschilderung nicht finde. Schließlich verabschiedet er sich, schenkt mir noch sein Lunchpaket und ist dann weg. Ich fahre weiter, esse einen Teil seines Lunchpaketes und sehe in der nächsten Flussschlinge einen Fahrradfahrer mit Gepäck. Er heißt Pino, kommt aus Karlsruhe und fährt, zu meiner großen Überraschung, ebenfalls nach Taizé. Also entscheiden wir gemeinsam weiter zu fahren und kommen ins Gespräch über unsere bisherige Reise und die Pläne für die weitere Fahrt. Pino möchte schon Sonntag in Taizé sein, ich halte das für etwas schnell, aber zunächst fahren wir gemeinsam weiter. Die Strecke zieht sich ein Stück weit aus dem Tal heraus, eigentlich ist die Steigung den Blick nicht wert und nicht wirklich nötig, aber anders kann man dem Fluss kaum folgen. In rasanter Fahrt geht es wieder zurück an den Fluss, der Weg folgt wieder dem Fluss und unser Zweier-Team zieht sich teilweise weit auseinander. Vielleicht ist das Radeln in Gruppen nicht so ganz meines, ich fühle mich von einem Partner in meinem Tempo leicht unter Druck gesetzt. Eigentlich hatte ich meine Mittagspause vor Baume-les-Dames angesetzt, aber wir einigen uns mehr oder weniger einvernehmlich darauf die Pause erst in Baume-les-Dames zu machen, wo wir uns auf einer Picknick-Bank niederlassen. Sofort essen können wir allerdings noch nicht, denn der Spanngurt, mit dem Pino sein Gepäck gesichert hat, hat sich im Kettenblatt verfangen und erst nach einiger Bastelei ist er befreit. Auf Fahrradtour sollte man auch immer etwas Mechaniker sein. Nach kurzer Debatte über Technik, essen wir etwas, ich stelle erstaunt fest, dass ich mein Tagessoll an Kilometern schon erreicht habe, entscheide mich aber dazu noch ein Stück weiterzufahren. Wir brechen wieder auf, es geht eine extrem steile Steigungen bergauf, dann schlängelt sich die Straße im enger werdenden Tal entlang, in dem, nachdem die Nationalstraße verschwunden ist, Ruhe einkehrt. Für mich gehört die Passage der teils bewaldeten Felsen zu den spektakulärsten Abschnitten meiner bisherigen Reise. Etwa am Ausgang aus dem engen Tal und kurz vor Besançon fasse ich den Beschluss, mich nach einem Zeltplatz umzuschauen, mich treibt die Sorge noch zu nah an die Großstadt heranzukommen und so trenne ich mich von Pino, in Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen. Es beginnt wieder mein Fragemarathon nach einem Zeltplatz, ich erwäge die verschiedensten Optionen und verwerfe sie, weil sie mir zu unsicher sind. Keiner will mir so recht eine Lösung anbieten, bis mir ein älterer Mann, der auf einem Mountainbike unterwegs ist, von einem Platz erzählt, wo er auch schon andere Zelte gesehen hätte. Ein wenig unentschlossen folge ich ihm und gelange an einen Platz, der, an eine Industriebrache angrenzend, alles andere als einladend wirkt. Mangels anderer Möglichkeiten bleibe ich jedoch, schreibe am Tagebuch, mache Kartenplanung und esse etwas. Schließlich baue ich das Zelt auf und gehe schlafen


13. Tag, Freitag 22.03.13 Novillars – St.-Jean-de-Losne

Heute hat mich der Frühling und bei allerbestem Fahrradwetter rolle ich gefühlt ohne Anstrengung dahin. Deutlich merke ich, die Wetterscheide des Jura gestern durchfahren zu haben, es ist deutlich wärmer geworden und der Frühling hat hier sichtbar Einzug gehalten, alles grünt und blüht. Der Morgen beginnt für mich wieder gegen sechs Uhr, langsam stehe ich auf, packe alles ein und fahre ins nahe Besançon, wo ich am Portal des Schiffstunnels frühstücke. Auf der Fahrt hierhin fällt mir auch deutlich der Unterschied zwischen den von der Sonne beschienen und den schattigen Stellen auf, nur in der Sonne lässt es sich ohne größere Probleme aushalten. Entsprechend liegt auch mein Frühstücksplatz in der Sonne, direkt unter der Festung von Besançon.
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