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#1247957 - 09.11.16 18:43 Nord Indien, Kashmir
basti1995
Mitglied
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 67
Dauer:18 Tage
Zeitraum:14.9.2015 bis 31.9.2015
Entfernung:500 Kilometer
Bereiste Länder:inIndien
Externe URL:http://www.bastiontour.com/2015/09/13/ein-kampf-gegen-das-himalaya-staub-und-diesel/

Das Erste mal, wo ich indisches Flair gespürt habe, war, als ich in Delhi in das Flugzeug von Air-India eingestiegen bin. Bunte Sitzbezüge, indische Musik, anderer Geruch, indisches Personal und indisches Essen. Ich war begeistert! Doch es war nicht das Indien, das mich erwarten wird.
Der Flughafen in Srinager war klein und alt. Ich war schon vor dem Ausgang von vielen Leuten umzingelt. Alle wollten mir ein Hausboot, Hotel, etc. andrehen. Ich hatte jedoch über Wifi in New Delhi ein billiges Guesthous gebucht (4,50 Euro/Nacht).
Jetzt bist du endlich aus dem Flughafen und du, als einziger Ausländer weit und breit, mit Gepaeck, dass du selbst nicht tragen kannst, bist natürlich ein gefundenes Fressen für jeden der dort draußen stand.
"Schön und gut, ist nichts neues für mich und für viele von euch sicher auch nicht. Ich kenne es sogar vom Ballermann, wo dir jeder etwas andrehen möchte."
Am Ende entschied ich mich für ein für Indien überteuertes Taxi für 10 Dollar, dass mich eine halbe stunde lang zum Guesthous fuhr.

Alles was danach geschah, kann ich nicht mehr in Worte fassen. Genau jetzt tauchst du in eine andere, unfassbare, für jeden Europäer harte Welt ab. Du sitzt im Taxi und hast eine halbe Stunde lang durchgehend Gänsehaut. Nichts was du vor deinen Augen siehst, ist normal für dich. Du kannst soviel lesen und recherschieren - wie ich - und trotzdem ist alles um einiges krasser wie deine Vorstellungskraft es zulässt. Die 1,5 MIO Stadt Srinagar lebt nur vom Tourismus - der nicht existiert, außer ein paar reichen Indern, die vom Süden kommen - und ist komplett mit Armut überflutet. Eine Woche später erfuhr ich in Leh, dass selbst Srinagar eine eher ärmere Stadt in Indien ist. Viele Leute leben schlicht und einfach im stinkenden, faulen Dreck. Für mich war es natürlich ein totaler Kulturschock. Aber ich versuchte postitv zu denken. Vergleicht man es mal mit Fußball: "Deutschland und die meisten Länder in Europa spielen in der Championsleague, während Indien, bzw. dieser Teil von Indien in der Gruppe spielt. Der Unterschied ist nur das Niveau/Level auf dem sie spielen. Der Spaß und die Freude am Fußball ist bei beiden gleich".
Am Ende sind es Menschen, so wie wir. Es ist bloß eine komplett andere Welt mit einem anderen Standard und anderen Sitten. Doch sie leben ihr Leben mit ihren eigenen Prinzipien und sind glücklich.
Wenn du dass verstehst - und das habe ich relativ schnell - kommst du auch in dieser Welt als einziger Ausländer gut zurecht.
Aufzuzählen, was alles anders ist, würde endlos dauern. Aber Kühe, Ziegen, Hunde und Hühner mitten auf der Straße im Centrum, Autos ohne Bremsen, überall Staub und Dreck in der Luft, fauler Gestank, nicht existierende Hygiene, Schlachten am Straßenrand und essen mit den Händen ist normal. Was für mich z.B. abnormal war, dass Leute in einer 1,5 Mio Stadt nur eine Ziege b und meint sie währen etwas Besseres als andere Menschen. Der größte Teil war jedoch so wie oben beschrieben.


Ein Fußmarsch durch die Stadt war ein Abenteuer. Du fällst dort so auf, wie in Deutschland ein Farbiger. Der Unterschied ist jedoch, dass dich jeder anspricht, viele Geld wollen und viele aber auch nur so mit der reden wollen. Begegnungen hatte ich unzählige. Einer nahm mich z.B. 2 Stunden lang mit seinem Auto mit und zeigte mir die Stadt. Am Ende wollte er mir aber dann einen Track in die Berge verkaufen.
Ich entschied mich dazu, dass ich nach 2 Nächten ins Himalaya aufbreche.
Mein erster Eindruck war also komplett gemischt, aber völlig begeistert vom Unterschied zu unserem Kulturkreis.

Ich zitiere mal original aus meinem Tagebuch:
"Ich wollte nach 90km noch nicht aufhören und die nächste Ortschaft nach dem Pass Zoji La (3450m) erreichen. Das Problem, die Straße wurde gleich am Anfang Schotter, Staub und Geröll. Das ganze jetzt mit Laster, die unmengen von schwarzen Abgasen in dein Gesicht schleudern und den Staub aufwühlen. Es war schwer, noch Luft zu finden. Mein Gedanke: "Wär ich da mit unserem Caddy hochgefahren, wär ich innerhalb weniger Sekunden oben. Aber höhstwahrscheinlich tot, da man so oft auf der Straße aufgeschlagen wäre, dass die Gastanks aufgeplatzt währen". Für solche Strecken braucht es schon einen guten SUV.
Der wenige Sauerstoff auf über 3000m war weniger das Probelm. Es war mit Abstand mein ungesündester Tag in meinem Leben. Als es dunkel wurde, erreichte ich völlig kaputt den Pass, doch die Ortschaft noch weit entfernt.
Mein "Glück der Welt": Ein 16 jähriger Junge nahm mich auf! Er hatte nichts und war der gastfreundschaftlichste Mensch den ich je traf. Während in Eichstätt am Volksfest am Abend gefeiert wird, war ich am kämpfen den Tag zu überstehen. Die Nacht: Sau kalt, unter 0 Grad und ich konnte nicht gut schlafen. Ich voller Staub und zwar komplett. 117,1km, 8:46h Fahrzeit, 13,35km/h Durchschnitt, 2248 Höhe up".


Der Junge verdient 700 Rp. im Monat. Das ist nicht mehr als 10 Euro!!! Er bekochte mich mit Reis und Gemüse und ich trank mendestens 15 Chais während dem Abend. In der Früh gabs noch ein gutes Omlett und eine Menge Chai.
Am Ende wollte er kein Geld, doch ich gab ihm 200 Rp. und sagte er soll diese für sich behalten. ICH WAR SCHWER BEEINDRUCKT.

Das war mein erster Tag, wo ich ins Himalaya gestartet bin und mir war klar, dass dies erst der Anfang war. Die Straßen waren für Europäer unvorstellbar schlecht. Ich kam selbst an meine Grenzen, um nicht schieben zu müssen.
Für mich ist es eine der schwierigsten Aufgaben, euch jetzt mein Tourenverlauf zu erzählen. Ich versuche es wie immer, meine Geschichte mit Bildern und Videos zu erzählen. Ich war innerhalb von 3 Tagen in Leh. Geplant waren 4 Tage, doch ein Laster nahm mich 150km, für die wir 5 Stunden gebraucht haben, mit. Es war so ein typisch indischer Laster, also eigentlich ein Haufen Schrott, aber er fuhr und hatte Bremsen. Es war eine Horrorfahrt für mich, denn der indische Verkehr, die engen und gefährlich Straßen, der Lastwagenfahrer und das Himalaya brachten mein Herz für 5 Stunden lang auf 180. Ich habe nicht viel weniger geschwitzt als auf dem Fahrrad.

Weil ich dann schon ein Tag füher in Leh war, entschied ich mich dazu, auf den höchsten befahrbaren Pass dieser Erde zu radeln. Der Khardung La mit 5350m. Ich habe es geschafft. Es war der ultimative Test vor dem Leh-Manali-Highway. Nach 6 Stunden habe ich den Pass erreicht. Ab 5000m war die Luft dementsprechend dünn, habe aber nicht gemerkt dass ich zu wenig Sauerstoff bekomm. Deswegen hielt ich mich dann fast eine Stunde lang auf 5350m auf. Doch am Runterweg und am Abend bekam ich es dann deutlich zu spüren, dass ich zu wenig Sauerstoff bekam. Es machte sich mit starken Kopfschmerzen und einer schlechte körperliche Verfassung bemerkbar.

In Leh(3500m) verbrachte ich 4 Tage, um mich zu aklimatisieren, Pause zu machen, den Kashmir zu genießen und mich auf den einsamen und legendären Leh-Manali-Highway vorzubereiten.

Der Sauerstoff: Macht mir wenig, bzw. keine Probleme. Ab dem Start ins Himalaya befinde ich mich nur noch ueber 3000m.

Die Reliegion: Srinagar bis Kargil war komplett muslimisch gepraegt. Nach Kargil jedoch, wurde es komplett buddhistisch. Ich weiss nicht genau was genau es ist, aber man merkt es extrem, dass es 2 unterschiedliche Welten sind. Das Indien was ich in Leh erlebe ist ein ganz anderes, also das in Srinagar. Ich denke es liegt an der Religion.
Das Essen: Gegessen habe ich einmal mit den Haenden, als ich von 2 Truckfahrer eingeladen wurde. Zum Essen gab es Reiss mit scharfen Gemuese im Lastwagen und es wurde mit den Haenden gegesse. Ich esse alles, was ich zum essen bekomme. Ich nehme also keine Vorsicht. Somit kann ich z.B. auch einen Maiskolben, der am Strassenrand von einem jungen, armen nicht gut richenden Inder ueber einer Glut gebraten wird und anschliessend mit Salz und einer Limette eingerieben wird, geniessen.
Die Leute: Unendlich hilfsbereit und gastfreundschaftlich. In Leh war ein komplett anderes Indien als in Srinagar. Leh lebt ebenfalls vom Tourismus, ist aber deutlich kleiner als Srinagar und hat mehr Touristen. Die Infrastrucktur ist also besser, doch eine grosse Spanne zwischen arm und reich herrscht troztdem
Der Verkehr: Da bin ich sprachlos und kann nicht viel dazu sagen. Verkehrsregeln ist hier ein Fremdwort und jeder faehrt so wie er will. Es wuerde nicht auffallen, wenn ich meine 12 jaehrige Schwester in ein Auto setzte. Sie muesste nur wiessen wo das Gas ist.
Das einzige gute hier im Himalaya ist, dass selbst die Autos nicht so schnell fahren koennen und jeder hupt. So wird man nicht ploetzlich von der Seite ueberrascht. In Srinagar war ich die kleine Maus im grossen Getuemmel. Mir hat es spass gemacht, sich durch den Verkehr zu wuseln und sich ab und zu an die Autos dranzuhaengen.

Schon alleine die Tour nach Leh hat mich an meine körperlichen und psychischen Grenzen gebracht. Gefahren bin ich um die 350km und habe dabei den Zoji La mit 3520m und den Namika La mit 3780m überquert. Mit dem Laster bin ich über den Fatu La mit 4090m gefahren. Meine Psyche war durchmischt, da ich seit Srinagar kein funktionierendes Wifi mehr hatte, ich davor aber davon ausgegangen bin, dass mich das Internet noch bis Leh begleiten wird. Somit hatte ich unerwartet kein Kontakt mehr zu Freunden und Familie. Ich war also nicht darauf eingestellt und dementsprechend hatte ich ein paar Tiefs.
Dass ich in den kommenden 8 Tagen, wo ich den Leh-Manali-Highway fahren werde keinen Kontakt zur Außenwelt mehr haben werde ist mir klar. Doch darauf konnte ich mich einstellen und dafür bin ich auch vorbereitet.

In diesen Tagen habe ich wieder unmengen von Menschen kennengelernt. Als ich in Leh war, gab es kein Abend, an dem ich alleine ein Dinner hatte.
Meine Motivation ist in diesem Abschnitt meiner Tour manchmal ausgeblieben. Ich war frustriert weil ich unerwartet kein Kontakt mehr nachhause haben konnte. Somit hatte ich am Ende die Motivation Wifi zu finden. Doch auch in Leh wurde ich entteuscht, da das Internet genau da wo ich da war, nicht funktionierte. Deshalb entschied ich mich dazu eine indische Simkarte zu kaufen. Sie funktionierte immerhin 2 Tage.

Zum Schluss möchte ich noch etwas aus dem Auswertigen Amt zitieren:
"Wegen der Gefahr terroristischer Gewalttaten und unvorhersehbaren Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei bzw. Armee wird von Reisen in ländliche Gebiete des Landesteils Kaschmir, insbesondere nach Sopore im Distrikt Baramullah sowie in den Distrikt Kupwara, abgeraten.Generell wird dringend abgeraten, allein oder mit einem nicht ausgewiesenen Führer durch diese Gegenden zu trekken, per Autostopp zu reisen oder an einsamen Plätzen zu zelten."

Diese Zeilen konnte ich in meiner gesamten Tour bis jetzt 0,0 bestätigen. Ich fragte viele erfahrene Touristen und lokale Menschen und erzählt von diesen Zeilen. Sie meinten, es ist sehr traurig, dass andere Länder so schlecht über den Kashmir schreiben. Ich bin kein Experte in diesem Gebiet, aber ich kann nur sagen, dass es z.B. in Ingolstadt wesentlich heftiger zugeht, als alles was ich hier gesehen und mitbekommen habe.
Mir ist klar, dass es auch hier in diesen Regionen Einzelfälle gibt. Doch es sind Einzelfaelle.

Die Video und Bilder dazu findet Ihr unter diesem Link:

http://www.bastiontour.com/2015/09/13/ein-kampf-gegen-das-himalaya-staub-und-diesel/
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#1249466 - 18.11.16 11:02 Re: Nord Indien, Kashmir [Re: basti1995]
Velofan
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abwesend abwesend
Beiträge: 10
Danke für den Bericht!
Fälle nie den Baum, der dir Schatten schenkt.
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