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#1242905 - 23.10.16 10:23 China (Sichuan): zum Gongga Shan
wal
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Beiträge: 546
Dauer:16 Tage
Zeitraum:23.9.2016 bis 8.10.2016
Entfernung:0 Kilometer
Bereiste Länder:cnChina
Externe URL:http://www.mountainbike-expedition-team.de/China/sichuan16.html

Sichuan, vier Ströme. So heißt die chinesische Provinz, die ich bereisen werde, sozusagen als thematische Fortsetzung meiner kleinen Tour in Yunnan im Frühjahr (Yunnan-Bericht). Der Jangtse ist der größte und wasserreichste Fluss, der Sichuan durchquert und er bildet vor allem die West und Südgrenze. In Sichuan nimmt der Jangtse vier Nebenflüsse auf, den Min Jiang,Tuo Jiang, Jialing Jiang und Wu Jiang, die der Provinz den Namen gaben. Desweiteren gibt es zahlreiche riesige, reißende Flüsse, deren Namen ich bis dahin noch nie gehört hatte...

Die Radtour soll mich vom tibetischen Grasland am Gelben Fluss im Norden Sichuans bis zum Gongga Shan im Süden führen.

Das tibetische Grasland

Die Reise beginnt mit einer 10-stündigen Busfahrt von Chengdu nach Ruo‘ErGai (Zoige), wo meine kleine Radtour beginnen soll. Es geht von 520 m Höhe auf 3400 m. Das Radel hat die Bushfahrt gut überlebt und hat auch nichts gekostet. Das Vorderrad musste ich ausbauen, dann hat alles gut in das Gepäckfach im Bus gepasst.
Am Nachmittag beginnt es dann zu regnen und so mache ich den kurzen Spaziergang durch das Städtchen bei Nieselregen. Die Häuser sind im traditionellen Baustil mit verzierten Fensterramen, es gibt viele Restaurants und kleine Läden.





Am nächsten Morgen geht es los: Zur Akklimatisierung zum Glück eher flach, also zwischen 3400 m und 3800 m durch das tibetische Grasland. Der Himmel ist bewölkt, aber es regnet nicht. Sehr schön, denn Regen beim Radeln mag ich gar nicht. Erinnerungen an die Mongolei-Tour 1996 werden wach, das weite hügelige Grasland, die Nomadenzelte, die Tiere. Nur eins ist neu: Zäune!
Zu meiner Enttäschung sind große Bereiche des Graslandes eingezäunt. Nun, auch das ist in vielen anderen von mir bereits bereisten Ländern ähnlich, Namibia, Patagonien, Australien, USA… Dennoch fühle ich mich irgendwie ausgesperrt. Zum Trost ist die Straße neu geteert, lässt sich super fahren, und ich habe auch kaum Probleme mit der Höhe. Lediglich an den Steigungen bin ich entsprechend langsam.





Am frühen Nachmittag erreiche ich das Städtchen TangKe, am „Weißen Fluss“ gelegen, ein Nebenfluss des Gelben Flusses. Der "Weiße Fluss" ist träge, langsam fließend, stark mäandrierend. Nur wenige Kilometer entfernt mündet er in den Gelben Fluss, den Huang He. Ich brauche nichts, also fahre ich einfach durch und genieße wenig späte wieder das weite Grasland. Auf den Wiesen am Fluss sehe ich sogar einige Kraniche.





Auf einmal sehe ich in der Wiese hellblaue Punkte leuchten: Enziane! Daneben ganze Rasen mit Edelweiß! Und dazu noch einige andere Blumen. So schöne Blumenwiesen hätte ich jetzt Ende September gar nicht mehr erwartet. Am späteren Nachmittag, nach 90 Kilometern, baue ich mein Zelt dann in genau so einer Enzian-Edelweiß Wiese auf.









Für das Träumen in der Wiese bleibt jedoch keine Zeit, denn kaum steht das Zelt, beginnt es auch schon zu regnen. Der Regen geht nachts in Schnee über. Mitten in der Nacht muss ich raus und den schweren, nassen Schnee vom Zelt fegen, damit mir der Zeltstoff nicht mehr ins Gesicht hängt. Und das in meiner ersten Nacht…

Am nächsten Morgen, nur schlecht ausgeruht, erwartet mich gleich früh ein Anstieg von etwa 200 Höhenmetern. Was normalerweise kein Thema wäre, ist jetzt, nur so leidlich an die Höhe angepasst, eine Sache von einer Stunde, inclusive einer kurzen Schiebepassage. Der nächtliche Schnee war an meinem Zeltplatz morgens schon wieder getaut, aber hier auf 3800 m ist die Landschaft noch weiß. Ich bleibe nicht lange, ziehe nur eine winddichte Jacke über und mache mich an die Abfahrt. Kurze Zeit später ist die Landschaft wieder grün, und ich sehe auch wieder Kraniche am Fluss, sowie die Enziane und Edelweiß.









Gegen Mittag komme ich an einem Kloster vorbei. Ich lehne das Rad an die Mauer, um genauer zu schauen. Das Kloster macht einen gepflegten, aktiven Eindruck, auch wenn es eher klein ist. Einige Mönche kommen mir entgegen. Sie sind neugierig, denn Touristen mit dem Rad kommen ja wohl nicht so oft vorbei. Ein Mönch gibt mir kandierte Beeren, für die Reise.





Es geht immer weiter, bergauf, bergab, durch das weite Grasland. An das Wetter habe ich mich nach ein paar Tagen dann auch gewöhnt: Gegen Mittag reißt die Wolkendecke meist auf, und es wird für zwei bis drei Stunden richtig heiß. Dann, am späteren Nachmittag ziehen verdammt schnell Wolken auf, und wenn mein Zelt bis 16:30 nicht aufgebaut ist, muss ich es im Regen aufbauen. Nachts regnet es dann. Teilweise schüttet es so stark, dass einem Angst werden kann. Am nächsten Morgen ist es wieder trocken, der Himmel aber bis Mittag dicht bewölkt. Das Zelt muss ich immer nass einpacken, aber es trocknet nachmittags im Wind recht schnell, wenn ich es eben rechtzeitig vor dem abendlichen Regen aufgebaut habe. Geschneit hat es aber nicht noch einmal. Die ersten drei Tage vergehen so mit jeweils Tagesetappen zwischen 70 und 90 Kilometern.











Am dritten Tag erreiche ich schließlich Aba, nur noch auf 3300 m gelegen. Die Stadt ist religiöses Zentrum der Tibeter innerhalb dieses autonomen Bezirks. Im Ort und seinem Umland befinden sich 37 buddhistische Klöster, das größte davon ist das in Aba gelegene Gelugpa-Kloster Gerdeng mit etwa 2000 Mönchen. Bei den Unruhen in Tibet 2008 demonstrierten hier Tausende Einwohner, darunter zahlreiche Mönche. Chinesische Sicherheitskräfte sollen daraufhin laut Angaben von Exiltibetern Tränengas eingesetzt und ein Kloster umstellt haben. Mindestens acht Menschen seien dabei erschossen worden. Dementsprechend war der Bezirk Aba auch bis 2012 für Ausländer gesperrt. Im Moment ist von alldem nichts zu bemerken.





Ich schaue mir das Kloster nur kurz an, denn es soll heute noch weiter gehen: ich muss etwa 500 Höhenmeter wieder hoch, um über einen Pass in eine neues Tal nach Süden zu gelangen.

(Fortsetzung folgt...)
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#1244344 - 23.10.16 16:35 Re: China (Sichuan): zum Gongga Shan [Re: wal]
Keine Ahnung
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Beiträge: 12.863
Du suchst Dir ja immer die ganz besonderen Ziele aus - da wird es nur recht wenige hier im Forum geben, die Deine Tracks nachfahren! zwinker

Umso interessanter sind Deine Berichte!
Gruß, Arnulf

"Ein Leben ohne Radfahren ist möglich, aber sinnlos" (frei nach Loriot)
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#1244351 - 23.10.16 17:05 Re: China (Sichuan): zum Gongga Shan [Re: wal]
wal
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Beiträge: 546
weiter geht's...

Die Baustelle

Schon bei der Passauffahrt hätte ich es ahnen müssen. Aber da habe ich mir noch nichts dabei gedacht. Entlang der Pass-Straße wurden die Wasserdurchlässe neu gemacht, was in jeder Serpentine mindestens mit einer großen Pfütze oder einer Schlammpassage verbunden war. Aber ich dachte nur, ok, ist halt hier eine Baustelle, der Rest der Straße wird schon in Ordnung sein. Weit gefehlt…


Oben am Pass mache ich erst einmal eine längere Pause und genieße die Aussicht, auch wenn der Himmel bewölkt ist.





Vom Pass (3800 m) aus erwartet mich nun eine sehr lange Abfahrt bis auf 3000 m entlang eines großen Flusses. Dann geht es entlang eines anderen Flusses wieder bergauf über den nächsten Pass. Das relativ flache, nur hügelige Grasland liegt nun hinter mir, jetzt begebe ich mich in die Region der großen Flüsse. Die Täler werden steiler und tiefer, die Berge höher.





Die Abfahrt wird immer wieder durch kleinere Baustellen unterbrochen, zudem ärgere ich mich, dass Telefonleitungsmasten und Stromkabelmasten immer genau in den schönsten Aussichten platziert sind. Unterhalb der Masten entdecke ich in einer Wiese jedoch einige neue Blumen, und bin daher etwas versöhnt. Es geht bergab, immer weiter. Der Bach wird zum Fluss, der Fluss mündet irgendwann in einen größeren Fluss, den Nga Chu, und es geht immer noch bergab, bis dieser größere Fluss in den ganz großen Fluss, den Gyarong mündet.









Einige kleinere Dörfer befinden sich entlang der Straße. Meist gibt es auch jeweils ein kleines Kloster und in den Berghängen sind Gebetsfähnchen eingepflanzt. Der Legende nach stellen diese in die Hänge gesteckten Gebetsfahnen große Nägel dar, die die Berge vor Ort verankern, damit sie nicht wegfliegen. Hübsch anzuschauen finde ich sie allemal.









Die Baustellen kommen jetzt in immer kürzerem Abstand. Nicht nur die Wasserdurchlässe werden neu gemacht, sondern allem Anschein nach soll die Straße auch verbreitert werden. Links der Fluss, rechts der Steilhang, da ist auch nicht viel Platz für Ausweichpisten. Dementsprechend ist im Baustellenbereich die Fahrbahnoberfläche der einst schönen kleinen Teerstraße komplett zerstört und man fährt stattdessen durch puddingartigen Schlamm. Dazwischen arbeiten die Baumaschinen, der laufende Verkehr wurstelt sich irgendwie durch, Rinderherden aus dem Dorf queren die Straße und das eine oder andere Mal sitzen einzelne Männer oben im Steilhang und brechen mit der Brechstange die Steine für die Ufer- und Hangbefestigung raus.









Nach kurzer Zeit bin sowohl ich, als auch mein Rad komplett mit einer beigen Schlammschicht bedeckt. Was bin ich froh, dass ich mit einer Nabenschaltung fahre, dieser batzige Schlamm hat selbst die starre Kette mehrfach abgeworfen.





Irgendwie ist es aus meinem europäischen Blickpunkt kompletter Wahnsinn, diese Hangstraße auf ganzer Länge gleichzeitig bei laufendem Betrieb in so chaotischer Weise zu bearbeiten. Aber irgendwie bekommen sie es am Ende ja hin.

Zu allem Überfluss beginnt es am Nachmittag auch noch zu nieseln, so dass ich nicht nur von unten, sondern auch von oben nass werde. Ich bin nicht sicher, ob ich mich darüber freuen soll, dass es nur nieselt und ich nicht so nass werde, oder ob ich mir lieber wünschen sollte, dass es richtig schüttet, so dass alles wieder sauber wird...






Ganze zwei Tage kämpfe ich mit der Baustelle. Wenn nicht die eindrucksvollen Wälder an den Hängen zu bewundern wären, in denen nach dem Regen der Nebel aufsteigt, oder die kleinen Dörfer mit den schmucken Häusern, die ich so mag, oder der braune Fluss mit den Stromschnellen und Felsen, in den immer wieder klare Bergbäche einmünden, dann könnte man schon an dieser Strecke verzweifeln mit all dem Dreck und Schlamm.





Plötzlich (nach immerhin 150 km), an einer neuen (!) Betonbrücke ist die Baustelle zuende, und ich befinde mich wieder auf gutem Asphalt. Hier ist wohl eine Distriktgrenze und der jetzige Distrikt ist mit den Bauarbeiten wohl schon fertig, denn die Straße macht einen eher neuen Eindruck. Egal, ich bin froh, nun wieder vernünftig radeln zu können.





Der ersten von der Straße aus zugängliche Seitenfluss dient dann auch dazu, Rad und Packtaschen gründlich zu waschen!



Geändert von Keine Ahnung (23.10.16 18:03)
Änderungsgrund: Link des ersten Bildes korrigiert ...
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#1244475 - 24.10.16 10:15 Re: China (Sichuan): zum Gongga Shan [Re: wal]
dhomas
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Beiträge: 1.875
Saucool, deine Berichte sind echt immer wieder ein Highlight!
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#1244529 - 24.10.16 14:04 Re: China (Sichuan): zum Gongga Shan [Re: wal]
wal
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Themenersteller
abwesend abwesend
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weiter...


Entlang der großen Ströme


Es ist beeindruckend, wie breit und reißend hier mir vollkommen unbekannte Flüsse sind. Sichuan, vier Ströme, so heißt die Provinz, die ich bereise. Jetzt verstehe ich: Berge und Ströme gehören zusammen, ohne das Wasser keine Berge und ohne Berge keine Ströme. Reißend stürzt das Wasser in die Tiefe, bis es irgendwann, irgendwo weit weg ins Meer fließt.



Auf der neuen Teerstraße radle ich nun wieder bergauf, ganz gemächlich mit angenehmer Steigung. Der Wald aus Fichten und Birken geht irgendwann in Azaleenbuschland über, dann kommt alpines Grasland, dann wieder ein Pass. Dann geht es in umgekehrter Reihenfolge durch die Vegetationszonen in das nächste Tal. So verbringe ich die nächsten Tage, jeden Tag ein Pass von 3900 m mit 600 bis 800 Höhenmetern Anstieg. Eigentlich nicht viel, jeder Alpenpass ist höher, aber ich tu' mir schwer.









Ich passiere Zamtang, dann Luhuo. Von Luhuo bis Bamei nehme ich dann den Bus, da ich merke dass ich an den hohen Pässen zu langsam bin, um in der mir zu Verfügung stehenden 16 Tagen die gesamte Strecke zu radeln. Auf der Busfahrt sehe ich, dass auf meiner Strecke nocheinmal eine schlimme Baustelle liegt: ein ganzes Städtchen, in dem die Hauptstraße und die Gehwege neu gemacht werden, und in dem Zusammenhang die gesamte Orstdurchfahrt ein Schlammloch ist.

Selbst die Mopedfahrer, die sich ja sonst von nichts abschrecken lassen, kommen hier nicht mehr weiter. Ich bin froh, dass mir das erspart bleibt.
Von Bamei aus geht es dann wieder mit dem Rad über einen saften Pass und ich erreiche Tagong.





Die Dörfer gefallen mir: Der Baustil ist zwar in jedem Tal etwas verschieden, aber alle tibetischen Bauernhäuser haben eine Dachterrasse, wo Stroh oder Früchte getrocknet werden können. Stupas zieren den Ein- und Ausgang der Dörfer Gebetsfähnchen sind in den Hängen oberhalb der Dörfer zu bewundern. Meist ist auch ein Kloster in der Nähe. Ein Kloster fällt mir besonders auf: Es hat einige schön verzierte Stupas mit aufgemalten Augen oder Tiermotiven.





Das größte Kloster, das ich besuche, ist in Tagong (3900 m), ein Ziel vieler Pilger. Gänge mit Gebetsmühlen sind in die Außenmauern eingebaut, so dass die Pilger das Kloster unter Drehen der Gebetsmühlen umrunden können. Im Innenhof gibt es mehrere Tempel, die unteschiedlichen Göttern gewidmet sind. Wie so oft sind es auch hier vor allem die alten Leute, die Zeit genug haben, scheinbar endlose Runden um das Kloster zu laufen oder stundenlang die Gebetsmühlen zu drehen.









Von Tagong aus folge ich wieder einem Fluss talabwärts. Die Felsen im Fluss, sowie Steine und Felsen in den Berghängen sind mit eingravierten Gebeten verziert, sogar ganze Gemälde buddhistischer Gottheiten gibt es zu bewundern. Sehr eindrucksvoll, immer wieder unterbreche ich die Abfahrt, um mir diese mühevoll erstellten Gemälde näher anzusehen.







Das Tal geht schließlich in ein breites Hochtal auf 3500 m Höhe über. Der Fluss fließt nun gemächlich und Tiere weiden auf den breiten Auwiesen.





Die Straße ist gesäumt von Pappeln. Schon bald erreiche ich die Straße 318, die von Chengdu bis nach Lhasa führt. Nur ein kurzes Stück muss ich auf dieser Hauptverkehrsader radeln, dann biege ich wieder auf eine kleinere Straße nach Süden ab. Dem Charakter als Hauptverbindungsstraße gerecht werdend ist die Straße 318 recht staubig und es herrscht ein reger LKW-Verkehr.





In einem Dorf esse ich noch einmal eine große Portion Reis mit Ei, dann geht es voller Vorfreude in Richtung Gongga Shan.

... und das kommt etwas später dran...
Anhang:
Sichuan_2016-09_0549.JPG (13 x heruntergeladen)

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#1244602 - 25.10.16 05:06 Re: China (Sichuan): zum Gongga Shan [Re: wal]
wal
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Gongga Shan

Das Tal, in dem ich jetzt nach Süden fahre, ist breit, die Hänge sind im unteren Bereich bewaldet mit Fichten-Lärchenwald, im oberen Bereich ist Grasland.





Die Straße schlängelt sich dem Fluss folgend am Hang entlang. Plötzlich, in einem Bereich, wo ein Erdrutsch die Straße verdreckte, fahre ich mir im Schlamm einen fünf Zentimeter langen Nagel ein, der den Schlauch gleich zweimal durchsticht. Natürlich hinten… Gelassen wechsle ich den Schlauch, alles keine Problem, denke ich. Abends flicke ich dann den kaputten Schlauch. Der Einstich des Nagels ist schnell mit einem Flicken versorgt, der Austritt dagegen ist schwieriger zu reparieren. Da ich noch einige Umdrehungen mit dem Nagel gerollt bin, ist die Stelle, wo die Nagelspitze auf die Felge traf, großflächig zerfetzt. Mit insgesamt drei Flicken bin ich dann auch damit zufrieden.



Nach etwa 23 Kilometern, auf etwa 3400 m Höhe biege ich dann in ein Tal nach Osten ein. Das Tal ist landwirtschaftlich genutzt, ich sehe abgeerntete Felder und Weiden, jeweils durch Mauern oder Lattenzäune abgetrennt. Dazwischen immer wieder Stupas, Manisteinhäufen und durch Wasser getriebene Gebetsmühlen.





Von nun an geht es wieder bergauf, insgesamt 1100 Höhenmeter noch bis auf 4500 m, dann werde ich hoffentlich einen schönen Blick auf die Daxue Shan genießen, auf die „großen Schneeberge“, deren höchster Gipfel der Minya Konka, auch Gongga Shan, mit 7556 m ist. Ich hoffe nur, dass das Wetter sich bessert…

Der erste 4500er-Pass


Bis zu einer Höhe von 3800 m ist die Straße mit Betonoberfläche und recht angenehm zu fahren. Der dann folgende Pistenanteil ist bis zu einer Höhe von 4300 m recht steil, zumindest kommt es mir so vor. Es kann aber so schlecht nicht sein, denn es kommen auch einige PKW vorbei.





Wahrscheinlich empfinde ich es nur als steil, wegen der Höhe… Ich schiebe mehr als dass ich fahre. Alle 100 Höhenmeter eine kleine Pause zum Luftholen... Das Wetter ist gut. Ich bin optimistisch, vor dem nachmittäglichen Regen die Passhöhe zu erreichen. Der Fluss, dem ich aufwärts folge, fließt über sinterartige Tonfelder in weißer und roter Erde. Obwohl es so aussieht wie Thermalfelder an heißen Quellen, ist das Wasser kalt.





Ab dem Sinterfeld kann ich endlich auch wieder längere Stücke radeln, die Straße windet sich jetzt in Serpentinen bergauf und ist daher weniger steil.



Schließlich, nach fast fünf Stunden mache ich die letzte Verschnaufpause, dann sind es nur noch wenige Meter. Das letzte Stück muss ich unbedingt fahren. Ich sehe schon das Schild am Pass, die Getränkebude, und auch ein parkendes Auto. Nur noch die letzte Linkskurve… Ich radle um die Kurve und schaue mit eine Mal in das volle Panorama der Daxue Shan. Selbst der Gipfel des Gongga Shan ist ohne Wolken und mit der typischen Schneefahne zu sehen! Und das bei all dem Regen der letzten Tage…



Bevor ich auch nur zum Luftholen anhalte, habe ich schon ein Bild gemacht. Die Wolkenschicht, die über dem Gebirge liegt, sinkt schnell tiefer, und nur eine Viertelstunde später sind die höchsten Gipfel in der Wolkenschicht verschwunden. Wie wenn der Berg auf mich gewartet hatte, habe ich gerade noch den perfekten Blick erhascht. Ich hätte wirklich keine Sekunde langsamer den Pass hochfahren dürfen… Jetzt bin ich zufrieden. Hier oben am Pass werde ich bis morgen früh bleiben und das Bergpanorama genießen.



Außer mir kommen zahlreiche Autos den Pass hochgefahren. Es sind chinesische Touristen, die hier ihre Herbstferien verbringen. Einige Leute wandern auch auf den Aussichtsberg, aber die meisten fahren nach kurzer Zeit wieder zurück. Die tibetische Familie, die hier auf der Passhöhe wohnt und die Getränkebude betreibt, bewundert meine Leistung, den Pass hochzuradeln und gibt mir heißes Wasser und einen Mantou. Außerdem darf ich ohne zu bezahlen auf den Aussichtsberg (nochmal 100 Höhenmeter), was normalerweise 10 Yuan kostet.


Blick in das Tal, das ich hoch gekommen bin

Am Nachmittag gibt es dann doch nochmal einen Regen- bzw. Schneeschauer von einer halben Stunde. Die Bergkette ist nun in dichte Wolken gehüllt. Schon gebe ich die Hoffnung auf, zum Sonnenuntergang die Berggipfel zu sehen, als sich die Wolken plötzlich wieder auflösen.

Als die letzten Sonnenstrahlen auf die großen Schneeberge fallen und die Glescher in organge und rosa Licht tauchen, sind die Gipfel wieder wolkenfrei. Lediglich der Gongga Shan hat noch ein „Halsband“ aus Wolken, der Gipfel ist aber frei.





Ich bin zufrieden und lege mich in mein Zelt, das ich so aufgebaut habe, dass ich auf die Berge blicke. Die Nacht ist kalt und wolkenlos.
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#1244609 - 25.10.16 05:57 Re: China (Sichuan): zum Gongga Shan [Re: wal]
Britta
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abwesend abwesend
Beiträge: 317
Großartige Tour! Danke für den tollen Bericht bravo
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#1244661 - 25.10.16 11:28 Re: China (Sichuan): zum Gongga Shan [Re: wal]
Mütze
Moderator Übernachtungsnetzwerk
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Beiträge: 2.753
Einfach super. Was ist denn "dunkle Schneewolke" genau für ein Rad ?
- - - - - - - - - - - - - - - -
Grüßchen, Ruth https://missesvelominiservice.com
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#1244804 - 26.10.16 04:57 Re: China (Sichuan): zum Gongga Shan [Re: wal]
wal
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weiter geht's...



Yulong Tal und Yulong Pass

Nach der kalten Nacht auf 4500m mache ichmich an die Abfahrt ins Yulong-Tal. Die Abfahrt liegt bereits in der Sonne. Es nun ein Hochtal hinab bis wieder auf 3800m, dann beginnt der Anstieg zum nächsten 4500er-Pass, von wo aus ich wieder auf die Berge blicken kann.





Nach nur 700 Metern (nicht Höhenmeter...) ist die Abfahrt mit eine Mal zuende. Der eingewechselte Ersatzschlauch ist aufgeplatzt! Ein Riss von vier Zentimetern entlang einer Fertigungsnaht. Materialfehler? Zu hoher Luftdruck im Reifen bei der Höhe? Ich weiss es nicht, sowas hatte ich bislang noch nicht. Ärgerlich allemal. Also den geflickten Schlauch wieder rein und weiter.







Das Hochtal ist beweidet, einzelne Zelte, talabwärts auch Dörfer. Wie üblich sehe ich immer wieder einzelne Manisteinhäufen und Stupas.



Als ich am späten Vormittag die Brücke über den Fluss überquere und mich zum zweiten Pass bergauf quäle, weht mir ein starker Fallwind entgegen. Na toll. Zu allem Überfluss lese ich außerdem auf einem Schild, dass die Auffahrt zum zweiten Pass 20 Yuan kostet. Auf Englisch steht da nichts, also beschließe ich, mich dumm zu stellen. Als dann aus einem Zelt an der Piste ein Mönch mir winkend entgegenkommt, um das Geld einzusammeln, winke ich freundlich zurück, und fahre stur vorbei. Hat geklappt, er kommt nicht hinterher. Hinter der nächsten Kurve mache ich dann außer Sichtweite erstmal Pause, das schnelle Vorbeifahren an dem Zelt bergauf hat mich doch ordentlich außer Atem gebracht.



Die Piste ist schlecht, sehr steinig. Langsames fahren ist mühevoll. Wie am ersten Pass verbringe ich nun die nächsten vier Stunden, mich in 100-Höhenmeteretappen den Pass hoch zu arbeiten, meist schiebend, nur an den Serpentinen fahrend.

Ich bin schon in Sorge, dass ich am Nachmittag nur noch in Wolken blicken werde, aber der Berg hat auf mich gewartet: Den ganzen Nachmittag lang ist das Bergpanorama ohne Wolken mit dunkelblauem Himmel zu sehen.



Oben am Pass gibt es wieder mehrere Zelte mit Getränken und Essen. Ich kaufe zwei Baozi für teures Geld, Wasser habe ich zum Glück genug mitgebracht. Es ist ein Kommen und Gehen an chinesischen Urlaubern: Einige Motorradtourer mit BMW-Maschinen, Autofahrer und eine Mountainbike-Gruppe aus Chengdu mit drei Begleitfahrzeugen.



Nach einer Stunde Pause entscheide ich, mich an die Abfahrt zu machen. Zunächst hatte ich auch wieder auf der Passhöhe übernachten wollen, aber hier ist mir zu viel Betrieb. In engen Serpentinen windet sich die Piste in das Moxi-Tal. Im oberen Teil der Abfahrt habe ich die Berge noch gut im Blick, etwas tiefer sind nur noch die Gipfel zu sehen.



(jetzt muss ich weg, Fortsetzung kommt aber in ein paar Tagen...)
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#1244807 - 26.10.16 05:48 Re: China (Sichuan): zum Gongga Shan [Re: Mütze]
Juergen
Moderator
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Beiträge: 14.207
In Antwort auf: Mütze
Einfach super. Was ist denn "dunkle Schneewolke" genau für ein Rad ?
UR 2: Dunkle Schneewolke und Westwind (Unsere Reiseräder) schmunzel
° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° °
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#1246012 - 01.11.16 17:44 Re: China (Sichuan): zum Gongga Shan [Re: wal]
wal
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so, ich mach' mal ein bischen weiter:

Gongga Si

3300 Höhenmeter Abfahrt liegen vor mir. Von etwa 4500m auf dem Pass bis hinab am den Gyarong bei ca. 1200 m. Ich werde das nicht am Stück abfahren, sondern noch einen Wandertag zum Gongga Kloster einlegen. Der Fußweg zweigt bei 3300 m ab.

Eindrucksvoll windet sich die Straße hinab zum Fluss, mit schöner Aussicht auf den wolkenfreien Minya Konka (Gongga Shan):




Plötzlich ist der Hinterreifen wieder platt. Der Flicken an der Austrittstelle des Nagels hat nicht gehalten. Ich kann keinen Schlauch mehr wechseln, also muss ich jetzt direkt versuchen, den Schaden zu reparieren. Ein weiterer Flicken auf die undichte Stelle, und es sollte wieder gehen. Rad einbauen, weiter.



Die Reparatur hat Zeit gekostet, jetzt suche ich einen Zeltplatz. In so steilem Gelände ist es immer schwierig, geeignete Zeltplätze zu finden. Ich möchte Zugang zum Wasser (Händewaschen nach den Reparaturen…), Aussicht, und natürlich eine flache Stelle für das Zelt. Serpentine um Serpentine rolle ich weiter, finde nichts. Zudem die Sorge, dass die Flicken am Hinterrad wieder undicht werden… Schließlich entdecke ich einen kleinen Fußpfad von einer Kehre ausgehend, auf dem ich dann den gewünschten Zeltplatz finde. Inzwischen bin wieder in der bewaldeten Zone, auf nur noch 3600 m. Es ist auf der Ostseite des Passes ein Wald aus Fichten, hartlaubiger Eiche und Rhododendron überzogen mit Bartflechten.







Am nächsten Morgen kontrolliere ich als erstes den Hinterreifen. Ist noch ok, ich bin optimistisch. Heute werde ich sowieso nicht viel radeln, da ich zum Gongga Kloster laufen möchte. Ich stelle das Fahrrad an der Bude am Einstieg für den Fußpfad ab (die Budenbesitzerin versichert mir, darauf aufzupassen), packe das nötigste in den kleinen Rucksack und wandere dann für die nächsten zwei Stunden durch den hartlaubigen Eichenwald. Die bartflechten geben dem Wald etwas mystisches. Der Weg ist breit und gut. Wenn da nicht der Anstieg von 400 Höhenmetern in engen Serpentinen wäre, hätte man sogar ganz gut radeln können.


Blick zurück auf den 4500er-Pass







Das Gongga Kloster wurde 1285 gegründet. Es liegt malerisch an einem Berghang direkt mit Blick auf die Westseite des Minya Konka. Man überblickt den Nordwestgrat, das westliche Kar und den Gletscher, der Schuttbedeckt etwas drei Kilometer vom Kloster entfernt endet. Vom Gongga Kloster aus begann auch die Erstbesteigung des Minya Konka am 28. Oktober 1932 durch ein amerikanisches Team und es ist heute noch Ausgangspunkt für Bergsteiger.







Der dem Kloster gegenüber liegende Hang ist voll mit „Gebetsfähnchen-Nägeln“, Fähnchenkränze ausgehend von einem besonders hohen Baum oder einer hohen Stange. Diese Fähnchenkränze sollen die Berge festnageln, und wo hohe Berge sind, brauchte es eben viele solcher „Nägel“. Ein schöner Gedanke, wie ich finde, und ich mag es, wie die bunten Fähnchen in der Sonne leuchten.





Ich erreiche das Kloster am späten Vormittag und verbringe den Rest des Tages mit kleineren Spazirgängen und die Aussicht auf den Berg genießend.









Am Abend baue ich mein Zelt wieder so auf, dass ich den Berg sehen kann. Leider ziehen am späteren Nachmittag Wolken auf, die den Blick auf den Gipfel verhüllen. Jedoch, wie zum Abschied am nächsten Morgen erscheint der Berg wieder wolkenlos.





Abfahrt nach CaoKe

Zurück am Fahrrad bemerke ich, dass der Hinterreifen wieder platt ist. Eine Kontrolle ergibt eine neue undichte Stellte, da wo der Nagel ausgetreten ist. Mit dem letzten Flicken wird auch diese Stelle repariert und nun beginnt die lange Abfahrt bis an den Gyarong, auch Dadu-Fluss, hinab bis auf etwa 1200 m.



Zu meiner Enttäuschung ist die Piste sehr steinig, gar nicht gut zu fahren, insbesondere, wenn man in Sorge um den hinteren Schlauch ist. Zudem bremst ein starker talaufwärtiter Wind den Abfahrtsspaß. Die Piste führt zunächst wellig am Hang entlang durch das Dorf Zimei und verläuft danach sehr dicht am Fluss. Dies bedeutete, dass es mehrere Furten durch Seitenbäche gibt und die Piste über lange Strecken auf naktenm Flussschotter verläuft. Nichts, was eine Rasante Abfahrt verspricht. Vielmehr ist es harte Arbeit hier vernünftig voranzukommen.









Irgendwie wundere ich mich, dass genau genommen seit dem letzten Pass kaum mehr Autos vorbeikommen, und seit dem Dorf, das jetzt schon 10 Kilometer hinter mir liegt, kam gar kein Fahrzeug mehr… Die Auflösung dieser Frage kommt etwa eine halbe Stunde später: Der Fluss biegt hier um eine Felsnase und die Piste endet kurz oberhalb dieser Stelle.





Ab hier gibt es nur noch einen Fußpfad. Damit habe ich nicht gerechnet. Quälende Erinnerungen an die Radtour quer durch Tibet im Jahr 2005 kommen auf, wo wir ebenfalls einer Piste entlang eines Flusses folgten, die dann in einen Fußpfad überging. Damals schoben wir die Räder für vier Tage unter anderem über einen 4800 m Pass… Jetzt ist meine Richtung immerhin grundsätzlich bergab und ich hoffe nur, dass die Umrundung der Felsnase nicht allzu viele Höhenmeter beinhaltet.



Es hilft nichts, den steilen Anstieg muss ich nun hochschieben. Es ist dann auch gar nicht so sehr schlimm, die erste 50-Höhenmeter-Rampe bringt mich dennoch ordentlich ins Schwitzen. Es folgt eine mehr oder weniger hangparallele Passage mit schönen Aussichten auf den Fluss, der an dieser Stelle langsam fließend sich verbreitert hat. Insgesamt dauert die Schiebepassage um die Felsnase etwa eine Stunde, alle steilen Bereiche kann ich gut bewältigen, auch wenn es einige Steilpassagen mit Steinstufen gab, die einiges an Kraft kosteten. Dafür traute ich es mir zu, auf den flachen Teilstücken auch mal zu radeln…





Schon bin ich optimistisch, dass nach der Felsnase es nun wieder eine Piste geben wird. Ich sehe viele chinesische Tagesurlauber, die an der breiten Stelle am Fluss picknicken. Diese Leute müssen ja irgendwie irgendwo mit dem Auto angekommen sein… Es folgt jedoch eine weitere Schiebepassage von etwa fünf Kilometern auf einer riesigen Schotterbank abwärts. Der Weg ist eigentlich breit genug, aber immer wieder von so großen Steinen besetzt, dass vernünftiges radeln nicht möglich ist.



Außerdem ärgert es mich, dass man über das auf der Schotterbank wachstende Gebüsch nicht rüberblicken kann. Wie in einem Tunnel schiebe ich weiter, nur ab und zu kann man einen Überblick über die Landschaft erhaschen. Das Wetter hat sich verschlechtert, der talaufwärtige Wind hat zugenommen, es ist dicht bewölkt und beginnt zu nieseln. Ich möchte unbedingt vor der Dunkelheit die fahrbare Piste erreichen, schon alleine deshalb, weil ich nicht weiß, wie lange und ob der Flicken am Hinterrad hält. Nicht auszudenken, hier ein plattes Fahrrad schieben zu müssen…



Schließlich nach nicht enden wollenden Kilometern, einigen Furten durch reißende, steinige Flüsse und einigen Matschpassagen erreiche ich den Parkplatz. Hier beginnt der Gongga Shan Nationalpark und an dieser Stelle kann man nur zu Fuß eintreten. Es ist 16:30, die Heimreisewelle der Tagestouristen beginnt. Auch ich mache mich nach einer kurzen Pause an die weitere Abfahrt. Vorher pumpe ich den Hinterreifen nochmal auf – es schien mir so, als ob er wieder schleichend Luft läßt – und fahre los.



Die Piste ist staubig und steinig, führt aber jetzt gerade bergab. Nur einen Kilometer schaffe ich, dann platzt der Schlauch im Hinterreifen. So ein Scheiß auch... An reparieren vor Ort ist nicht zu denken, ein vernünftiger Zeltplatz auch nicht in Sicht. Ich beschließe ein Auto anzuhalten und mich ins Tal mitnehmen zu lassen. Der erste Reisebus mit Tagestouristen winkt ab. Darf nicht oder will nicht, am Ende macht’s keinen Unterschied. Normale PKWs kommen nicht in Frage, die haben keinen Platz. Ich schaue nach Autos mit Dachgepäckträger. Dann, ein Pickup mit leerer Ladefläche. Meine Chance. Ich halte das Auto an – anscheinend eine tibetische Familie auf Tagestour – und frage ob sie mich mit nach unten nehmen können, weil mein Rad kaputt ist. Ich zeige auf den platten Hinterreifen. „Money, Money“ (immerhin auf Englisch...) schallt es mir von der Rückbank entgegen. „Leck‘ mich doch am Arsch“ rufe ich auf Deutsch und wuchte das Rad auf die Ladefläche. Da die Piste nur breit genug für ein Auto ist, staut sich der Verkehr hinter dem Pickup. Die ersten Autos hupen. Ich springe auf die Ladefläche, und los geht es, talabwärts. Wo werde ich jetzt hingebracht?




Geändert von Keine Ahnung (01.11.16 19:10)
Änderungsgrund: Etliche Bildlinks korrigiert
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#1246034 - 01.11.16 19:12 Re: China (Sichuan): zum Gongga Shan [Re: wal]
Keine Ahnung
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Hallo Waltraud,

als Geburtstagsgeschenk habe ich eine Reihe von Bildlinks korrigiert - es wäre ja schade, wenn die Bilder nicht zu sehen wären. zwinker

Ein toller Bericht mit faszinierenden Bildern!
Gruß, Arnulf

"Ein Leben ohne Radfahren ist möglich, aber sinnlos" (frei nach Loriot)
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#1246041 - 01.11.16 19:28 Re: China (Sichuan): zum Gongga Shan [Re: Keine Ahnung]
wal
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Danke für die Glückwünsche und die Korrekturen schmunzel
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#1246056 - 01.11.16 20:21 Re: China (Sichuan): zum Gongga Shan [Re: wal]
natash
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Von mir auch Herzlichen Glückwunsch und Danke für deb bislang tollen Bericht schmunzel Gruß
Nat

Geändert von natash (01.11.16 20:21)
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#1246069 - 01.11.16 20:52 Re: China (Sichuan): zum Gongga Shan [Re: wal]
Friedrich
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Glückwunsch zum Geburtstag und Bericht.
Fritz
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#1246158 - 02.11.16 10:38 Re: China (Sichuan): zum Gongga Shan [Re: wal]
joeyyy
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Holla! Großartige Gegend zum Radeln - hätte ich nicht gedacht. Über China als Radelland mache ich mir jetzt Gedanken - Danke für Deinen Impuls dafür. Bilder und Beschreibungen sind toll und vermitteln mir deine Eindrücke ganz lebhaft. Ich hatte letztens in Rom mit einem Chinesen über den Qinghai-See gesprochen, an dem irgendein Radrennen statt findet. Der Chinese schwärmte auch darüber als Radel-Gegend.

Ein paar Fragen habe ich noch:
  • Gab es denn irgendwelche Probleme behördlicher Art?
  • Konntest du überall frei reisen?
  • Kann man mittlerweile auch in Richtung Tibet radeln, ohne amtliche Begleiter?
  • Wie ist die Versorgungssituation dort (Gas/Spiritus, Essen, Trinken, Fahrrad-Ersatzteile, Hotels/Hostels)?
  • Wie verständigst du dich mit den Leuten dort?

Stichpunkte als Antwort würden mir reichen und sehr weiter helfen.

Danke und Gruß, Jörg.

P.S.: Ich habe an meinem Fahrrad Schutzbleche und einen geschlossenen Kettenkasten und war in Guatemala auf ähnlichen Straßen wie bei dir in China sehr froh darüber. Meine Ketten-/Ritzel-Kombi läuft mittlerweile seit über 10.000 Kilometern.


Geändert von joeyyy (02.11.16 10:49)
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#1246230 - 02.11.16 15:42 Re: China (Sichuan): zum Gongga Shan [Re: joeyyy]
wal
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Hi Jörg

Zitat:
Gab es denn irgendwelche Probleme behördlicher Art? Konntest du überall frei reisen? Kann man mittlerweile auch in Richtung Tibet radeln, ohne amtliche Begleiter?


Zunächst: Ich bereiste die Provinz Sichuan, die an und für sich erstmal keine Reiseeinschänkungen beinhaltet. Allerdings gab es in der Vergangenheit (vor allem 2008 bis 2012) immer mal wieder Einschränkungen für einzelnde Distrikte oder Städte/Dörfer. Aktuell besteht eine solche Einschränkung für das Tal, in dem das Kloster Larung Gar liegt, weil dieses Kloster mit über 5000 Mönchen "verkleinert" werden soll.
Ich hatte mich vorher informiert (hier), wie die Situation in Sichuan momentan ist.
Ähnliche Einschränkungen gibt es eben für Regionen auch in Gansu/Qinghai und auch in Xinjiang. Im Allgemeinen sind diese Provinzen jedoch "offen" und man kommt ganz gut zurecht. So möchte ich gerne nächstes Jahr meine China-Tour in Gansu/Qinghai fortsetzen.

Leider war jede Information, die ich von Chinesen bekam (zb. Kollegen an der Uni) vermischt mit Sorge, dass es "unmöglich" und "gefährlich" (wegen den "Wilden" - so wörtlich die Bezeichnung für die Tibeter) ist, als AusländerIn alleine dort zu reisen, und diese Angst und Sorge wird dann gerne als "es geht nicht", oder "du darfst nicht" formuliert. Da muss man aufpassen. Die "normalen" Chinesen können die Bedürfnisse von Radreisenden überhaupt nicht einschätzen.

Ich hatte keine Probleme mit Behörden, war aber auch nicht in "kritischen" Regionen unterwegs.

Anders ist es mit der Provinz "Tibet": Hier geht es seit 2008 nur noch als organisierte Tour, d.h. man kann grundsätzlich schon (auch alleine) dort reisen, es muss aber dann zwingend ein Guide mit Fahrzeug hinterherfahren. Z.b. die klassischen Mountainbike-Touren Lhasa-Kathmandu gehen, aber organisiert. Die Alternative: sich irngendwie (auch nachts) durchwursteln, aber das ist im Zeitalter von Mobiltelefonen um ein vielfältiges schwieriger geworden. Es ist sogar so, dass Tibeter in der Provinz Tibet dafür bezahlt werden (bis zu 2000€), wenn sie "illegal" reisende Ausländer ausliefern. Ich kenne Personen, denen das so ergangen ist.

Zitat:
Wie ist die Versorgungssituation dort (Gas/Spiritus, Essen, Trinken, Fahrrad-Ersatzteile, Hotels/Hostels)?


Es gibt in China grundsätzlich Gaskartuschen, zumindest in größeren Städten. Diese findet man dann in Outdoorläden. Mir ist die Suche danach aber zu blöd gewesen, daher mit Benzinkocher unterwegs. Tankstellen gibt es, seit das chinesische Straßennetz gut ausgebaut wurde/wird, (fast) überall.

Essen und Trinken ist, solange man sich auf den öffentlichen Straßen bewegt, überhaupt kein Problem. Jedes Dorf hat irgend einen Kramladen, wo es bunte Kaltgetränke, Wasser in Flaschen, Instantnudeln, Kekse etc. gibt. Es ist aber in kleineren Orten manchmal nicht so einfach, diesen Laden zu finden... Häufig gibt es auch in kleinen Orten auch Imbiss-Restaurants, wo es für wenig Geld Nudeln, Teigtaschen, Reis etc gibt. Ich habe meist einmal am Tag an irgend so einer Bude gegessen, einfach weil es so lecker war.
Fahrrad-Ersatzteile: Hier kann man an den Mopendwerkstätten manchmal fündig werden. Fahrradschlauch und Flickzeug konnte ich dort erwerben. Die Auswahl ist halt nicht groß, und wenn man Pech hat, muss man einige Werkstätten abklappern, bis man gefunden hat, was man braucht. In größeren Städten gibt es auch Fahrradläden (meist Giant). Spezialteile, und dazu gehört auch zb. eine 26''-32-Loch-Felge, sind halt schwer zu finden.

Hotels/Übernachtung: Ich zelte ja gerne, und ja, das ist manchmal schwierig, gerade in besiedelten Gebieten, aber ich hatte nie Probleme.
Wenn man mit dem Bus irgendwo ankommt, oder auch an viel besuchten Sehenswürdigkeiten, gibt es immer einige Leute die Familienherbergen betreiben und dann gezielt potenzielle Kunden abfangen. Auf diese Weise kommt man recht effizient und billig zu einer Übernachtung. Ansonsten muss man halt auch die chinesischen Zeichen für "Hotel", "Gasthof", "Herberge"... kennen - will heißen, es gibt im Chineischen auch mehrere Wörter dafür... Zimmerpreise sind meiner Erfahrung nach auch verhandelbar.

Zitat:
Wie verständigst du dich mit den Leuten dort?

Chinesisch. Ortsnamen sollte man unbedingt in Zeichen erkennen können und mit Fingern zählen können, dann kommt man schon weit. Es gibt in den Buchläden sehr gute Straßenkarten für die einzelnen Provinzen und die sind extrem nützlich, wenn man mal mit Einheimischen über die Route sprechen will/muss und halt wegen der Zeichen für die Ortsnamen.
Ich bin aber grundsätzlich jemand, der auch zurecht kommt, wenn ich die Sprache nicht kann, aber das ist ja sehr individuell... Da ich auf dieser Reise doch immer mal wieder essen ging, und auch mal im Hotel übernachtete, und dann dieses Problem mit den Hinterreifen hatte, war ich doch sehr froh drum, mich einigermaßen verständigen zu können, bzw das Wesentliche (Speisekarten, Hinweisschilder) lesen zu können. Sprachkenntnisse, mindestens für Zahlen in Wort und Fingerzeichen, sind essenziell für Preisverhandlungen, und das ist oft nötig (oder man zahlt dann halt zu viel...).

Auf dieser Reise in Sichuan war mit Englisch nicht viel zu erreichen. Es ist aber schon so, dass Englisch sich mehr und mehr verbreitet, und es zb. wenn man Glück hat in den Busstationen eine Person gibt, die Englisch kann. Oft hatte ich auch jüngere Chinesen erlebt, die dann Hilfe anbieten, weil sie etwas Englisch können. Je größer die Stadt, desto mehr Englisch.




Ansonsten danke für die Info mit dem geschlossenen Kettenkasten. Muss ich nochmal ein bischen zu recherchieren...

so long,
Waltraud
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#1246245 - 02.11.16 16:24 Re: China (Sichuan): zum Gongga Shan [Re: wal]
joeyyy
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...Super, vielen Dank für die ausführliche Antwort bravo

Dann hab ich ja für nächstes Jahr noch eine weitere Option. Nach dem Ironman in Hamburg würde das gut passen. Dann bin ich auch einigermaßen fit für die Höhe cool

Idworx verbaut Kettenkästen von Hesling. Sind teuer, aber funktionell. Hesling baut aber auch noch andere Kettenkästen. Musst du mal im Netz nachschauen, findest du genügend Hinweise und Kaufmöglichkeiten.

Wenn du ein Exzenter-Tretlager hast, wäre die Idworx-Option für dich eventuell passend.

Die Chainglider haben den Ruf, ziemlich schnell zu klappern oder Schleifgeräusche abzusondern. Da gibt es aber Diskussionen zu hier im Forum, z.B. hier (klick) .

Gruß

Jörg.
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#1246246 - 02.11.16 16:25 Re: China (Sichuan): zum Gongga Shan [Re: wal]
wal
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weiter....

Am Gyarong

Die Fahrt dauert eine Stunde, dann geht die (sehr steinige) Piste in eine kleine geteerte Straße über. Der Pickup biegt wenig später von der Hauptstraße ab zu einigen Häusern in der Nähe. Der ältere Junge sagt was, was ich nicht verstehe. Dann tippt er die chinesischen Zeichen auf seinem Telefon ein, so dass ich lesen kann. Jetzt verstehe ich: Ich werde mit der Familie essen, und danach bringen sie mich ins Tal.

Das Haus, in dem die Familie lebt mache einen ziemlich schäbigen Eindruck. Kein hübsches tibetisches Bauernhaus, wie ich sie ja auf der Reise bisher so bewundert habe, sondern ein schmuckloser Betonbau. Wir essen in der Küche, ebenfalls schmucklose Betonwände, der Metalltisch steht auf rohem Betonboden. Das Essen aber ist einfach und gut: Reis, gekochter Rettich, Stücke gekochten Schweinefleisch und in einem Extraschälchen scharfe Pepperoni. Nach dem Essen steige ich mit einem Teil der Familie wieder ins Auto, und es geht weiter talabwärts. So ganz habe ich nicht kapiert, wo sie mich hinbringen werden, aber das werde ich ja sehen. Ich hatte ihnen jedenfalls gesagt, in welche Richtung ich weiter möchte.

Nach einiger Zeit kommen wir an einer Mopedwerkstatt vorbei. Das Auto hält. Also soll ich das Rad hier reparieren lassen. Warum auch nicht. Ich packe den geplatzten Ersatzschlauch aus, und zeige es dem Werkstattinhaber. „Hast du sowas?“ Der Mann nickt und kramt einen Fahrraschlauch raus. Die Größe passt, also alles gut. Die Familie setzt mich daraufhin bei dieser Werkstatt ab und fährt weiter, und ich musste auch nichts bezahlen.
Der "neue" Fahrradschlauch hatte aber noch ein kleines Loch, was der Mann erst flicken musste. Immerhin weiss ich jetzt: Es gibt in diesen Mopendwerkstätten auch Vulkanisierflicken. Da meine verbraucht waren, kaufe ich gleiche eine Packung (... und habe sie nicht gebraucht...)

Sehr sorgfältig repariert der Mann das kleine Loch, baut den Schlauch in mein Hinterrad ein und pumpt den Reifen auf. Alles gut. Kostet insgesamt 20 Yuan. Ich kann wieder radeln. Etwas traurig bin ich aber, dass ich nun die Mega-Abfahrt größtenteils auf der Ladefläche des Pickups verbrachte....

Das Landschaftsbild hat sich gewandelt, was ich erst jetzt so wirklich warnehmen: Der Fluss ist jetzt breit und träge, die Hänge steil, bewaldet und enden in einer Wolkenschicht. Die Luft ist feucht und schwer. Was für ein Kontrast zu der klaren Bergluft, die ich am Morgen noch mit Blick auf den Gongga Shan einatmen konnte!



Es ist 18 Uhr, es nieselt und ich habe noch etwa eine Stunde Zeit, einen Zeltplatz zu finden, bevor es schwarze Nacht wird. Aber es ist das übliche Bild: Links der Fluss, rechts der Steilhang. Ich fahre weiter und weiter, es gibt keinen Seitenweg oder eine flache Stelle. Ein Tunnel. Davor ein Platz mit Betonresten und viel Müll. Nicht wirklich… Weiter. Was muss ich auch so wählerisch sein...







Es ist schon dunkel als ich den Gyarong (Dadu) und die Kreuzung mit der Straße 211 erreiche. Nach etwa 500 Metern auf der Straße 211 sehe ich einen Seitenweg zum Fluss runter. Nehmen, egal was. Ich gelange hinab zum Ufer des Flusses. Im Lichtkegel meiner Stirnlampe sehe ich riesige Kröten, die seltsam piepsende Geräusche machen. Hört sich eher an wie ein Vogel... Etwas erhöht finde ich eine flache Stelle.



Der Nieselregen ist inzwischen in normalen Regen übergegangen. Routiniert baue ich das vom morgendlichen Tau noch nasse Zelt auf. Da muss halt das Handtuch herhalten, um zumindest das innere trocken zu wischen. Es ist schwül-warm, und ich weiß nicht, ob meine Klamotten nassgeschwitzt sind oder vom Regen nass. Es regnet die ganze Nacht. Auch am nächsten Morgen als ich das Zelt abbaue, regnet es noch, und der Wasserspiegel des Flusses ist merklich gestiegen. Zum Glück stand mein Zelt etwas erhöht...

Da es relativ warm ist habe ich mich dazu entschieden, ohne Socken und nur mit Windjacke loszufahren. Zum Glück hört der Regen bald auf und ich bewundere die Landschaft aus steilen Berghängen an denen die Wolken aufsteigen und den riesig breiten Flüssen.
Aber leider auch: Je breiter, desto dreckig. In dem braun-gelblichen Wasser schwimmt aller möglicher Müll...







Nach einigen Kilometern kommt ein Tunnel, 2700 Meter lang. Ich packe die Stirnlampe aus, um wenigstens vorne Licht zu haben. Hinten habe ich kein Licht, ich vertraue mal auf die Reflektoren an den Hinterradpacktaschen. Es geht los. Der Tunnel ist innen nicht beleuchtet und führt in meine Richtung bergauf. Zum Glück kommen mir nur Autos entgegen, und niemand überholt mich von hinten! Was bin ich froh als nach etwa einer Viertelstunde die Tunnelfahrt zuende ist.



Direkt am Ausgang des Tunnels beginnt das Dorf Detuo, wo ich – um mich von der Tunnelfahrt und dem morgendlichen Regen zu erholen – erstmal eine Essenspause einlege.

Kurz hinter Detuo zweigt die Straße ab nach Moxi. Einem Seitenfluss des Gyarong aufwärts folgend windet sich die Straße steil bergauf. Geteert und gut zu fahren. Ich bewundere die steilen riesigen Flusstäler, die Hänge verschwinden nach oben in den Wolken, und enden irgendwo irgendwann in den Gletscherbergen. Zum Fluss hin ergeben sich riesige Schotterbänke. Die Steine im Fluss sind gleißend weiß.





Ein Steilanstieg von 100 Höhenmetern bringt mich schließlich in Städtchen Moxi, das auf einer riesigen Schotterbank zwischen zwei großen Flüssen liegt. Diese Schotterbank ist talabwärts geneigt, also ist das Städtchen auf einer schiefen Ebene gelegen. In meine Richtung geht es natürlich bergauf, und zwar steil. Moxi ist eher (chinesisch-)touristisch mit unzähligen Restaurants und den üblichen Krimskrams-Andenkenläden. Hier befindet sich der Zugang zum Hailuogou-Tal, ein Tal des Gongga Shan mit besonders steilem Gletscher, das zu einem Nationalpark gemacht wurde.



Ich muss mich nun entscheiden: möchte ich das Heiluogou-Tal ansehen, werde ich nicht genug Zeit haben, um bis nach Kangding zu radeln, wo ich meine Tour eigentlich beenden wollte…

Dennoch entscheide ich mich für eine Tagestour ins Hailuogou-Tal und suche mir in Moxi eine Herberge. Am späteren Nachmittag unternehme ich mit dem Taxi noch eine Fahrt zum Tal der roten Steine. Für die 35 Kilometer braucht der Taxifahrer ganze zwei Stunden wegen Baustellen. In diesem Moment bin ich froh, mich für die Tagestour in Hailuogou-Tal entschieden zu haben und nicht nach Kangding zu radeln, denn einen Großteil diese 35 Kilometer hätte ich auch auf dem Weg nach Kangding zurücklegen müssen. Und chinesische Baustellen habe ich so richtig satt.



(später mehr...)
Anhang:
Sichuan_2016-09_1241.JPG (9 x heruntergeladen)

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#1246333 - 03.11.16 08:37 Re: China (Sichuan): zum Gongga Shan [Re: wal]
wal
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Fortsetzung...

Hailuogou

Der Tagesausflug in Hailuogou-Tal ist nur per Bus möglich. Es gibt verschiedene Haltepunkte, von denen aus man Wandertouren unternehmen kann. Der Bus bringt einen bis auf eine Höhe von 3200 m, dann kann man noch mit der Seilbahn auf eine Höhe von 3600 m fahren. Dort befindet sich dann eine Aussichtsplattform für den Hailuogou-Gletscher. Weitere Stationen mit Wanderwegen gibt es dann auf 2940m und 2580m.

Der Tag beginnt mit dichtem Nebel. Allgemein ist der süd-östliche Teil des Daxueshan-Gebirges viel feuchter. Die warme Luft aus dem Roten Becken kondensiert hier an den hohen Bergen als ein Wolkengürtel. Die Vegetation ist dadurch auch viel üppiger, die Bäume voller Bartflechten und Moose. Dafür gibt es aber auch oft Nebel und die Berge sind in den Wolken versteckt.





Auch als ich in der Seilbahn sitze, sehe ich den unter mir liegenden Gletscher kaum. Kurz darauf bin ich auf der Aussichtsplattform von der aus man den großen Eisfall des Hailuogou Gletschers sehen kann. Nebel. Doch ein paar Sonnenflecken geben Hoffnung. Wenig später, innerhalb einer halben Stunde hat sich der Nebel größtenteils verzogen und gibt für einen kurzen Moment den Blick frei auf den großen Gletscher und den Gipfel des Gongga Shan. Sehr schön. Doch schon ziehen vom Tal aus neue Wolken hoch und die Sicht ist wieder verhüllt.





Ich bin zufrieden und unternehme nun auf den tieferliegenden Stationen Wanderungen auf den Gletscher und zum Gletschertor. Insbesondere das Gletschertor hat mich sehr beeindruckt. Der Gletscher ist in Schichten gestreift, ganz ähnlich wie der Shequ-Gletscher am Kawa Karpo (Shequ Gletscher). Gesäumt ist das Gletschertor und der Gletscherfluss von den roten Steinen. Der rote Überzug besteht aus Algen und bietet einen schönen Kontrast zu dem grauen Nebel und dem schuttbedeckten Gletscher.











Vom Gletschertor aus folge ich einem Wanderweg durch den bartflechten- und mossbehangenen Wald. Zunächst fichtendominierter Nadelwald, später Laubwald mit Rhododendron und Bambus. Ich komme an einigen Moränenseen vorbei, in deren klarer Oberfläche sich der Wald spiegelt.







Schließlich besuche ich noch die heißen Quellen auf 2580m. Was für ein schöner Abschluss der Tagestour, hier in 40°-warmem Wasser auszuruhen! Die Tibet-Makaken mögen die heißen Quellen anscheinend auch, auf den Dächern am Eingang saßen einige Affen und schauten neugierig herüber.





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#1246566 - 04.11.16 06:18 Re: China (Sichuan): zum Gongga Shan [Re: wal]
wal
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so, hier kommt dann noch der letzte Teil:

Luding

So interssant der Ausflug ins Hailuogou-Tal war, hat es doch wertvolle Radelzeit genommen. Als alternativen Abschluss für meine Radtour habe ich mir daher die Eisenkettenbrücke in Luding überlegt. Es ist eine gemütliche Tagesetappe von 60 km, und ich interessiere mich für die technischen Details der Kettenbrücke, die 1706 während der Qing-Dynastie errichtet wurde.

Ich muss zunächst ein Stück zurück, und kann nocheinmal die mächtigen Schotterbänke bewundern:




auf der Schotterbank in der Mittte zwischen den beiden Flüssen liegt Moxi (ein paar km weiter bergauf, wo diese Schotterbank dann breiter wird).

Ich folge nun also wieder auf der Straße 211 stromaufwärts dem Gyarong oder Dadu He. Die Straße ist recht viel befahren und auch ziemlich wellig, nichts mit "gemütlich" am Fluss entlang.





Entlang der Straße geht ein Dorf in das andere über, oft machen die Häuser einen runtergekommenen und schäbigen Eindruck, auch viel Müll. Kein Vergleich zu den hübschen tibetischen Dörfern, die ich am Anfang der Reise gesehen hatte. Die Maisfelder werden abgeerntet, die Maiskolben auf den Balkonen der Häuser gelagert. Oftmals sieht man an den Häusern auch kunstvoll zu Zöpfen aufgeflochtene Maiskolben hängen.







Am frühen Nachmittag erreiche ich Luding.



Die Eisenkettenbrücke ist schnell gefunden. Die Spannweite der Brücke beträgt 100 m, sie ist 2.8 Meter breit. Die Brücke besteht insgesamt aus 13 Eisenketten, von denen eine jede 2,5 Tonnen wiegt, und die in riesigen Steinpfeilern verankert sind. Neun parallel von Ufer zu Ufer gezogene Ketten sind mit Holzplanken belegt, 2 Ketten auf jeder Seite dienen als Geländer.






Trotz der eindrucksvollen technischen Daten bin ich irgendwie enttäscht, weil viele technische Details, wie die Verankerung der Ketten am Ufer, oder die Querverstrebungen, unter den Holzplanken nicht zu sehen sind.



Ich schiebe mein Rad auf die wacklige Brücke. Am Geländer anlehnen geht nicht wirklich, weil dieses auch nur aus lose mit den Bodenketten verbundenen Ketten besteht und flexibel ist. Für ein nettes Abschlussbild aber reicht es.


Die Kettenbrücke von Luding ist in China ein Propaganda-Kulturdenkmal (so steht es ausdrücklich auf den Eintrittskarten). Hier überquerten die Soldaten der Roten Armee auf dem Langen Marsch am 29.5.1935 den Dadu-Fluss um den Kuomintang-Truppen zu entkommen. Der Lange Marsch ist der zentrale Heldenmythos der Kommunistischen Partei Chinas und war ein militärischer Rückzug der Roten Armee 1934/35, um sich aus der Einkreisung durch die Armee Chiang Kai-sheks zu befreien. In Wirklichkeit war es also eher eine lange Flucht...

Während des Langen Marsches gelang es Mao Zedong, seine Macht innerhalb der Partei zu festigen und auszubauen, was dann zur Gründung der VR China am 1.Oktober 1949 führte. Mao Zedong wird in China ja bis heute sehr verehrt, weil er das Land geeint hat. Am 8. Oktober beobachtete ich in Luding dann auch irgend eine 80-Jahr-Feier im Zusammenhang mit der Brücke, aber so ganz genau habe ich nicht rausbekommen, worum es ging.

Es gibt in Luding auch ein Museum zum Bau der Brücke und zum Langen Marsch. Obwohl dieses in riesigen Schildern auch auf Englisch ausgeschildert ist, sucht man innerhalb des Museums englische Schrift vergeblich. Alles komplett auf Chinesisch, daher hab' ich auch nicht alles vollständig kapiert.

Ich kaufe dann eine Busfahrkarte nach Chendgu und bin am nächsten Abend wieder in der Provinzhauptstadt und wenige Tage später wieder zuhause. Es ist dann auch schön, nicht mehr nur „Laowei“ (Ausländer) gerufen zu werden…

Fazit

Leider hatte ich wegen beruflichen Verpflichtungen am Ende weniger Zeit für diese Tour (nur 16 Tage) als ursprünglich geplant war. Das war etwas schade, und so hatte ich zwischendurch mal den Bus genommen.

Landschaftlich war es wunderschön, aber eben wie so oft vor allem dann, wenn man auch mal Nebenstrecken nimmt.

Verkehr war sehr erträglich, die G-Strßen (Hauptverbindungen) können aber auch mit LKW-Verkehr sehr unangenehm sein. Nicht alle G-Straßen sind schon als Autobahn ausgebaut, es gibt immer wieder Abschnitte, wo der gesamte Fernverkehr auf einer engen Bergstraße fahren muss, und das ist für Radfahrer natürlich nicht so toll. Da es aber immer wieder Hindernisse (Tiere) und andere langsame Verkehrsteilnehmer (Lastendreiräder, Handkarren, etc) gibt, haben die Straßen meist einen breiten Seitenstreifen. An Straßenqualität war alles dabei von super glatter Teerstraße bis zur Holperpiste. Straßen, die schon vor einigen Jahren ausgebaut wurden, nehmen in dem steilen Gelände durch Erdrutsche und Steinschläge schnell Schaden, und das wird dann auch Jahrelang nicht mehr ordentlich repariert. Baustellen sind sehr unangenehm und ziehen sich oft kilometerlang hin!

Ich war sehr zufrieden, sprachlich so gut zurechtzukommen schmunzel


Ich möchte diese Tour (thematisch) im nächsten Jahr in Qinghai/Gansu fortsetzen. Mal sehen ob das was wird.




Geändert von wal (04.11.16 06:20)
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#1246756 - 04.11.16 23:17 Re: China (Sichuan): zum Gongga Shan [Re: wal]
iassu
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Beiträge: 24.797
Sehr beeindruckend, nicht zuletzt auch deine sprachlichen Fähigkeiten. Danke für den Bericht!
...in diesem Sinne. Andreas
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#1246913 - 06.11.16 07:04 Re: China (Sichuan): zum Gongga Shan [Re: wal]
Karl der Bergische
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abwesend abwesend
Beiträge: 699
Danke für den tollen Bericht. Diese Region würde mich auch interessieren. Allerdings habe ich keinerlei Sprachtalent und kann mir eine solche Tour realistisch - wenn überhaupt - nur mit Guide/Gruppe vorstellen.
Karl
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