Re: Wie zuverlässig ist die Magura HS 33

von: derSammy

Re: Wie zuverlässig ist die Magura HS 33 - 06.06.17 23:30

Auch wenn ich grundsätzlich die Bewertung der Stochastik in den Lehrplänen für übergewichtet haltet, so ist doch genau dies so ein typischer Anwendungsfall: Grundsätzlich versagen kann alles. Die eigentliche Frage ist, wie wahrscheinlich ist ein Ausfall (Schadenswahrscheinlichkeit)? Welche Folgen hätte der Ausfall (d.h. wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit eines defektbedingten Reiseabbruchs oder signifikanter Beeinträchtigungen) und zusätzlich: Welchen Aufwandes bedarf es für den Fall der Fälle Vorsorge zu treffen?

Der Ausfall einer V-Bremse ist nicht sehr unwahrscheinlich. Ein Riss des Schaltzuges mag dabei noch das wahrscheinlichste sein, fast genauso häufig sind aber z.B. beschädigte Zughüllen (insbesondere an den Kappen knicken die gern ab, scheuern aber auch mal irgendwo durch). Festgegammelte Drehgelenke der Bremsschenkel hatte ich auch schon und abgebrochene Bremshebel. Neben der Tatsache, dass noch diverse Teile brechen können (wäre ganz blöd, wenn das z.B. die Zuganschläge am Rahmen trifft) können auch die Bremsschuhe selbst versagen/verloren gehen, weil sich z.B. die Sicherungsmutter löst.
Den Ersatzbremszug kannst du einpacken, bei der Hülle werden das wohl nur die wenigsten tun. Ersatzhebel- oder -schenkel hat wohl kaum wer dabei. Ersatz-Cartridge-Bremsschuhe haben wohl auch nur die wenigsten dabei, wenn dann die Belageinschübe. Es ist also längst nicht so, dass du jeden V-Brake-Schaden mit Bordmitteln behoben bekommst.

Bei den hydraulischen Bremsen setzt du per se auf die vermeintlich geringere Ausfallwahrscheinlichkeit. Statistiken hierzu wären in der Tat sehr aufschlussreich, andererseits aber nur bedingt hilfreich. Viele Risiken lassen sich erheblich minimieren, wenn man das Rad gut wartet bzw. warten lässt. Es bringt dir also wenig, wenn du weißt, die z.B. grundsätzlich die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Bremszuges 20mal höher als die einer Hydraulikleitung ist (z.B. aus Werstattdaten), du aber akribisch turnusmäßig die Bremszüge wechselst, bevor einzelne Bremszugadern brechen (und du damit das Bremszugversagen für dich selbst von vorn herein erheblich minierst).

Grundsätzlich lässt sich festhalben, dass man eine V-Bremse oder zur Not auch eine Cantileverbremse (komplett, d.h. Bremszange, -zug, -hebel und -belag) wohl in jedem Fahrradladen weltweit bekommt. Das heißt besagte "Dorfschmiedreparatur" ist überall weltweit möglich, solange der Rahmen nur über Canti-Sockel verfügt (und MTB-Lenker, wobei auch bei einem Rennlenker noch viel geht). Zur Not baut man halt alles zur alten Bremse gehörige ab und lässt das in den Müll wandern oder schickt es heim. Einzig bei einem ausschließlichen Setzen auf Scheibenbremsen (ohne Cantisockel) sehe ich unter sehr ungünstigen Voraussetzungen und in sehr spezifischen Ländern die Möglichkeit, dass sich eine Radreise mit dem bisherigen Rad nicht fortsetzen lässt (bzw. nicht ohne erheblichen Aufwand).

Meine Moral der Geschichte: Die Entscheidung HSxy vs. V-Bremse würde ich nicht von der Reparierbarkeit abhängig machen. Die Möglichkeit des Schaltzugtausches der V-Bremse macht die HSxy durch die höhere Ausfallsicherheit wett. Das gibt sich effektiv nix.
Anschaffungskosten und fast alle Reparaturkosten sind bei der V-Bremse günstiger (bei der HS-Bremse braucht man im schlimmsten Fall halt ein komplettes V-Bremssystem), hingegen ist die HSxy vermeintlich etwas robuster und frostsicher.
Grundsätzlich würde ich bei Wahlmöglichkeit mit Scheibenbremsen losfahren und darauf achten, dass der Rahmen Canti-Sockel hat. Dann stehen einem im Schadensfalle alle Optionen offen (Reparatur der Scheibe, was in sehr vielen Ländern gehen sollte; oder eben Umrüsten auf eine Felgenbremse (i.d.R. wohl V-Bremse)).

Schlauchschäden sind wohl mit Abstand die häufigsten Raddefekte, wer dafür nicht gerüstet ist, ist ziemlich blauäugig unterwegs. Reifenschäden kommen auch vor, dass ist so eine typische Abwägungsfrage zwischen Ausfallrisiko, Aufwand im Reisegebiet Erstatz zu bekommen, Umstände Ersaatzmaterial mitzuführen und Konsequenzen eines Defektes. Da es z.B. recht schwer ist tandemtaugliche Ersatzreifen zu bekommen, habe ich sowas auch schon mitgeführt. Bei einer Tandemweltreise würde ich definitiv dazu raten. Andererseits kann man auch mit einem 08/15-Reifen am Tandem noch sehr weit fahren, so dass ich den Ersatzreifen auch schon oft daheim gelassen habe. Als "Zwischenlösung" käme auch noch ein leichter, schmaler Notreifen mit deutlich geringerer Belastbarkeit und Pannenschutz in Frage, mit dem man zumindest bis zum nächsten Radhändler oder ggf. auch bis nach Hause kommt. Da gehen die Geschmäcker auseinander.