Re: Gebrauchtes Reiserad überprüfen

von: Behördenrad

Re: Gebrauchtes Reiserad überprüfen - 21.05.17 07:21

Nachstehendes gilt, wenn auch auf das hier diskutierte Rad bezogen, ganz allgemein für den Gebrauchtrad-Kauf:

Ich kann Dir aus meinen "Kellerbeständen" ein Rad zusammenbauen (Rennrad, Randonneur), welches ich dann als "neu, neuwertig, keine 500 km, 1 Monat alt, etc." korrekt anbieten könnte.
Die verbauten, wertbestimmenden Teile (Rahmen, Gabel, Räder, Schaltung, Träger, etc) wären aber zw. mind. 10 - 15 Jahre alt (aber ungefahrene Neuteile). Jetzt könnte man dabei über "Betrug, Lüge, Übervorteilung, etc." lamentieren - oder mal etwas auf dem Boden bleiben und nachdenken.

Wenn ich mir das besagte Rad ansehe, dann ist da ausstattungsmäßig so ziemlich alles dran, was aus der obersten Schublade hinsichtlich Wertigkeit, Haltbarkeit und Gebrauchstauglichkeit kommt:

- Rohloff Disc ext. Ansteuerung (ca. 1200 € NP)
- komplette SON-Lichtanlage (ca. 400 € NP)
- EX 721 Felgen (ca. 120 € NP)
- Magura Gabel (ca. 800 € NP)
- angenommener VT-Rahmen (ca. 600 € NP)
- Chris King Steuersatz (ca. 150 € NP)
- Thudbuster LT (ca. 140 € NP)
- Tubus Smarti + Logo (ca. 160 € NP)
- Magura MT 7 Bremse (ca. 350 € NP - ohne Scheiben)

- plus den ganzen weiteren "Kleinkram" - dann liegt der rechnereische NP für ein derart ausgestattetes Rad bei weit über 4000 €.

Wenn der Zustand des Rades keine wirklich begründeten Zweifel an den genannten Kilometerleistungen aufkommen lässt, in den nicht gut putzbaren Ecken also nicht der Schmodder von 10 Jahren Nutzung steckt, Reifen, Sattel, Kurbel, Griffe, etc. nicht abgenutzt sind, dann ist das Rad als Ganzes zunächst mal kein "Blender-Angebot".
(ca. 2700 € kostet heute in neu allein fast der Rahmen und die beiden Laufräder - den Rest gibt's dann quasi umsonst oben drauf zwinker ). Fahrradteile haben ja den Vorteil, dass sie bei sachgerechter Lagerung weder faulig, noch weich oder sonst schlecht werden, sondern ihre Gebrauchstauglichkeit bleibt vollständig erhalten.

Ausgehend von diesen rein sachlichen Überlegungen kann man das Rad vermutlich problemlos kaufen. Preislich wäre es bei 2000 - 2200 € + x € ein gutes Geschäft - aber auch für 2500 € ist es noch nicht überteuert (außer für Schnäppchenjäjger, aber für die ist ja alles immer zu teuer).
Wenn einem die ganzen Luxusteile nichts bedeuten, muss man sich nach 'nem anderen Rad umsehen - "Ein 30 € VP-Steuersatz funktioniert auch, ich brauche keinen CK für 150 €" ist dann kein Verhandlungsargument. Für das Rad interessiert man sich wegen der Ausstattung - oder man sucht sich ein anderes.
Äußerungen wie "600 € maximal" oder "nicht mal 1000 €" zeugen m. E. eher von wenig Sachverstand, als dass sie realistisch sind - es sei denn, da war 600 nur für die Rohloff oder 1000 nur für das Hinterrad gemeint.

Man kann für 2000 - 2500 € natürlich auch ein Neurad mit Rohloff vom Händler bekommen (z. B. VSF T900 im Angebot), da ist dann aber nicht mal die Rohloff in der hier diskutierten Version dran - vom Rest des Rades mal ganz zu schweigen.

Das Hauptproblem hier scheint mir eher zu sein, dass hier der Interessent, aber auch der Verkäufer, wohl keine ausgewiesenen Experten sind. Gebrauchtkauf ist aber immer Expertenangelegenheit. Ein "ich trau mich nicht" oder "ich glaube das nicht" ist eben ein schwierigeres Verhandlungsargument, als ein konkret belegbares "das taugt nicht" oder "das ist verschlissen".

Auch fehlende Papiere sind solange kein Problem, wie der Verkäufer bereit ist, einen detaillierten Kaufvertrag auszufertigen. Darin kann man, neben der reinen Beschreibung des Rades, auch weitere Eigenschaften (z. B. Eigentum, Vorbesitzer - wenn bekannt) beschreiben / festhalten. Der Rest ist Vertrauen - wie beim Händler auch.

Matthias