Re: Aufrüstung Reiserad mit vivax assist

von: Anonym

Re: Aufrüstung Reiserad mit vivax assist - 22.04.17 17:39

Das wird länger, bin mal gespannt, ob es es eine "Beitragslängenbeschränkung" gibt.
Ich weiss nicht, von wo aus den Diagrammen eine Trittfrequenz abgeleitet wird. Diese Diagramme sind die Grenzkurven für Dauerbetrieb der Motoren - sonst nichts. Nach welchem Algorithmus und von welcher Sensorik der Drehmomentsollwert für den Motor abgeleitet wird und damit wie viel Schub dazukommt, ist frei. Die Kurve sagt nur: im Dauerbetrieb nicht darüber (so wie bei Fahrdiagrammen für Bahnen, KFZ, Industriemotoren). Wenn bei einer Fahrt in der Ebene nur 20% davon benötigt bzw. gewollt wird, dann findet das entweder der Fahralgorithmus heraus oder der Fahrer wählt es manuell. Aus dem Verhalten eines heutigen Produktes kann keine allgemeingültige Regel abgeleitet wird.
Ja, weil die Nabenmotoren ihre Probleme haben, rüsten sie auf. Einer der wenigen "Tricks", der mit dem BLDC-Motor ohne das Mehrganggetriebe und ohne Feldschwächung unter Einhaltung der 250W-Grenze möglich ist: Motor mit doppeltem Nenndrehmoment, der bei 25km/h 500W liefern würde. Das bedeutet etwa doppeltes Motorgewicht und auch doppelten Motorstrom (nicht doppelten Akku-Strom!). Bei 12,5km/h sind dann 250W erreicht. Gegenüber vorher bei nun doppeltem Motorstrom und doppeltem Motormoment (Dauerbetrieb möglich, da der Motor ja größer ist). Der Akku-Strom erreicht bei 12,5km/h bereits den Wert für eben 250W, was er vorher erst bei 25km/h erreicht hat. Ab dann zieht der Umrichter den Motorstrom runter und hält den Motor zwischen 12,5km/h und 25km/h bei 250W: steigende Drehzahl, fallender Motorstrom, fallendes Drehmoment, konstante Motorleistung, konstanter Akku-Strom. Hier ist zu sehen, dass Motorstrom und Akkustrom nicht identisch sind. Da der Motor - durch die Elektronik verriegelt - nie mehr als 250W abgibt, könnte das Paket als Pedelec-konform mit 250W gestempelt werden.

Der gleiche "Trick" ist auch für den BLDC-Motor mit Mehrganggetriebe möglich, das Ergebnis eingezeichnet. Die Anfangssteigung im 1. Gang wird verdoppelt (!!!!). Weiterhin verschwinden alle Zacken, weil sich die Bereiche benachbarter Gänge, in denen 250W ohne Motorüberlastung möglich sind, bereits überschneiden. Man sieht aber auch, dass beim Mehrganggetriebe der "Trick" nicht mehr notwendig ist, weil schon zuviel Drehmoment am Rad zur Verfügung steht (ein Luxusproblem).
Deshalb können die Vertreter der "Tretlagermotoren" tendenziell abrüsten und vor allem vereinfachen und Kosten reduzieren (entfeinern!!!!). Genau das fürchte ich auch: die Brüder magern so lange ab, bis vom strukturellen Vorteil nur genau das für den aktuellen Markt notwendige übrigbleibt. Das reicht für City, Pendler und (kleinere) Touren, aber nicht für Reiseradler. Und beim Gewicht ist man großzügig, weil da kommt es nicht so drauf an und Leichtbau wäre teuer. Die Kundschaft ist mit den heutigen Pedelecs auf 25kg eingeübt. Die Vertreter der Eingangsysteme sind dagegen ständig am Nachrüsten, um den strukturellen Nachteil zu verringern. Wenn alle Fahrräder Fixies wären, würde man nicht wegen der E-Antriebe jetzt Mehrganggetriebe erfinden und einbauen. Aber weil Fixies eben zu einschränkend sind, haben normale Fahrräder ein Mehrganggetriebe und es ist unsinnig, das dem Motor vorzuenthalten. Schön wären jetzt richtige Getriebe und nicht so etwas wie Nexus und Co. oder gar Kettenschaltungen. Also klar ist, dass die heutige Fahrradmechanik ein Problem hat, dem die Nabenmotoren zwar ausweichen, aber das macht es nicht zum besseren Prinzip, sondern zur Notlösung weil die Antriebsmechanik ungenügend ist und nachrüsten möchte.

Mit "heiße" oder "zu heiße" Motoren ist "überhitzte" Motoren gemeint. D.h. außerhalb ihrer Datenblattwerte und damit gefährdet. Ich habe es oben schon mal geschrieben: typische, belüftete und auch unbelüftete Industriemotoren fahren die Wicklung auf etwa 140°C (das ist nicht "überhitzt") und können da ihre Dauerbetriebsdaten/Nenndaten erbringen. Dabei darf die Umgebung meist bis 40°C warm sein. Aber das ist bei diesen Produkten so und keine allgemeine Regel. Bei den Nabenmotoren können es andere Werte sein. Es hängt von der Isolierstoffklasse ab und ob z.B. wärmeempfindliche Teile verbaut sind (Magnete, Elektronik, .....). Faustregel: Betrieb über den Nenndaten führt zu Überhitzung und Ausfall. Wenn nicht, dann ist der Nennbetrieb künstlich zu klein angesetzt und der Motor damit zu groß und zu schwer.

E-Cars mit/ohne Getriebe:
- Tesla S und viele die davon kopiert haben: ohne, aber dafür Überdimensionierung und die Feldschwächung der Asynchronmotoren. Die ersten Tesla-Roadster hatten ein 2-Gang-Getriebe, was aber nicht standfest genug war und aufgegeben werden musste. Getriebeneuentwicklung war zu aufwendig und wenn man sich durch Überdimensionierung helfen kann, warum nicht. Bei 2,1to kommt es nicht mehr darauf an. Außerdem ist der 4WD-Tesla ein 2-Motoren-Fahrzeug und zwei Schaltgetriebe sind problematisch. Es gibt aber zwei Einganggetriebe. So weit hat man seinerzeit schon verstanden, dass E-Motoren hoch drehen müssen (ca. 20.000rpm beim Tesla), um kompakt zu werden. Tesla hat ja nichts mit Energieeffizienz und Umweltfreundlichkeit zu tun - obwohl E-Cars mal dafür gedacht sind. Das technische Prinzip (mehrere, hochtourige Asynchronmotoren mit Feldschwächung) ist Standard bei neuen Drehstromlokomotiven, ICEs, Straßenbahnen seit etwa den 80ern.
- Formel E: Hier bewegt sich innovationsmäßig wirklich was. Es werden 3- bis 5-Gang-Systemen gefahren, aber es gibt auch ein Eingang-System: Link1 Link2 Link3 . Ob die Formel-E bei ihren PM-Synchronmotoren (BLDC-Motoren) die Feldschwächung einsetzt, weiß ich nicht, da das aber kein effizienter Betriebszustand ist, wahrscheinlich nicht. Bei Pedelec-Antrieben sicher heute nicht. Ein Rennfahrzeug hier als Vorbild zu nehmen und den Tesla zu verteufeln, klingt komisch, aber die Verbindung zum Reiserad ist folgende: Das Reglement setzt eine enge Obergrenze für die Leistung und für die mitgenommene Akku-Kapazität (Tankladung). Aufgabe für die Ingenieure: so viel mechanische Energie wie nur möglich aus dem Paket ziehen und auf die Straße bringen und möglichst wenig daneben. Energiemanagement ist alles. Und beim Reiserad: genau die gleiche Aufgabe. Mit der weiteren Schwierigkeit, erhebliche Steigungen zu bewältigen. Und beim Tesla? Egal, Hauptsache Fahrspaß, Komfort und keine spürbaren Nachteile zum Verbrenner. Und wenn Reichweite ungenügend, 100kg mehr Batterien. Wenn Drehmoment nicht reicht, dickeren Motor. Kein Problem. Nach dem Muster arbeiten auch die Nabenmotorsysteme beim Fahrrad und die S-Pedelecs insgesamt.
Beim Reiserad aber auch genauso bei einem schnellen, leichten und nur gering beladenen Trekking-Rad: so wenig wie nur irgend möglich an Volumen, Gewicht dazu bringen und trotzdem in allen Situationen Unterstützung, aber nur was notwendig ist, um Akkuladung zu sparen: stundenlange Anstiege oder Fahrten bei erheblichem Gegenwind oder schwere Böden. Kurzzeitsprints sind nur Energieverschwendung, die werden nicht benötigt.