Re: Laufrad 28-Zoll,32Speichen geeignet bis 160kg?

von: Behördenrad

Re: Laufrad 28-Zoll,32Speichen geeignet bis 160kg? - 10.10.14 21:41

Die Speichenzahl alleine lässt keine endgültige Aussage zum zulässigen Systemgewicht zu. Auch mit 32-Loch lassen sich robuste, haltbare Laufräder aufbauen.
Die reine Angabe eines Systemgewichts bei der Bestellung von Laufrädern hilft daher erstmal wenig. Viel wichtiger sind die zusätzlichen Fragen, die sich mit folgenden Inhalten beschäftigen:
- bevorzugtes Einsatzgebiet des Rades (vorrangig glatter Asphalt oder gerne auch ruppiges Geläuf, schlechte Radwege, Naturpisten, Cyclocross-Einlagen, etc.): Bodenwellen, Wurzelaufbrüche, Schlaglöcher und Randsteinkanten -also die durchschnittliche deutsche Radverkehrsanlage- belasten Laufräder stärker, als zusätzlich 20 kg mehr Systemgewicht , die elegant auf glattem Asphalt dahin rollen;
- welcher Fahrstil (ausdauernder Rouleur oder eher kraftvoller/robuster "Bahnsprinter-Fahrstil"): Harte Sprint- und Wiegetritteinlagen belasten das HR durch die z. T. extremen Zugkräfte und Querkräfte erheblich stärker, als 20 kg mehr Systemgewicht bei eleganter, flüssiger -wenn auch kraftvoller- Fahrweise das jemals könnten;
- Gewichtsverteilung / -anteile (Fahrer/Rad/Gepäck, Lowrider, Gepäcktaschen, Rucksack): Je nach dem, wo das Gepäck sitzt (Radtaschen vorne/hinten oder Rucksack), hat das auch z. T. massive Auswirkungen auf die Laufradbelastung - mit Packtaschen funktioniert das "sich leicht machen" beim überfahren einer Randsteinkante nicht, Wiegetritt mit Packtaschen halte ich persönlich für vorsätzlich herbeigeführten frühen Materialtod.
Ein erfahrener Laufradbauer sollte solche Informationen dem Kunden notfalls einzeln aus der Nase ziehen. Ein Laufrad nur nach Systemgewichtsvorgabe aufzubauen, ohne die konkreten Einsatzbedingungen und bevorzugten Fahrtechniken des Kunden zu berücksichtigen, geht meines Erachtens am Ziel vorbei.

Erst aus der vorstehenden Vorgaben kann man dann, neben der geeigneten Lochzahl, die Zusammenstellung tauglicher Komponenten und deren sachgerechtem Aufbau ableiten:
- Bauart und Robustheit der Felge (Flachprofil zu V-Profil);
- Verwendete Speichensorte (z. B. unterschiedliche Durchmesser am HR links und rechts)
- Anzahl der Speichenkreuzungen (mind. 3 bei 32-Loch);
- Verwendete Nippelsorte (Alu, Messing, selbstsichernd);
- Speichenvorspannung (Härte und Gleichmäßigkeit);
- Sitz des Speichenbogens (die Hauptbruchstelle bei Laufraddefekten) unterfüttern, ausreiben, etc.;
- Nippelsitz ggf. unterfüttern;
- akribischer Aufbau

Ich persönlich fahre am Rennrad bei ca. 110 kg Systemgewicht mit 16-er VR und 20-er HR (Citec), das hält problemlos; am Ranndonneur mit bis zu 140 kg Sys.-Gew. laufen 32-er LR mit Hügi/ DT-Swiss 240-er Naben (die Naben habe ich seit ca. 2002 in verschiedenen Laufrädern ohne jegliche Wartung im Einsatz - auch sowas kann halten). Ich gehöre allerdings auch nicht zu den explosionsartigen Brutaltretern, die auch mit Packtaschen am Rad aus jeder Ecke im Bahnsprinter-Antritt rausbeschleunigen müssen.

Wenn ich mir die Schadensaufzählung (Rahmenbrüche, Kurbelbrüche, zerrissenen Hinterräder, gebrochene Sattelstützen, etc.) vor Augen führe, scheint mir das Problem eher in einem nicht realistisch selbst reflektierten / hinterfragten Fahrstil zu liegen. Wenn für diese Schäden lediglich das Systemgewicht eine Rolle spielen würde, müsste dieses Forum von solchen Schadensmeldungen überquellen.

Matthias