Re: Fahrraddemo Berlin 2.12.17 ab 14Uhr

von: derSammy

Re: Fahrraddemo Berlin 2.12.17 ab 14Uhr - 04.12.17 16:01

In Antwort auf: Radix

Ich möchte soweit möglich nicht zusammen mit motorisiertem Verkehr auf ein und der selben Fahrbahn unterwegs sein, weder gleich noch nicht gleichberechtigt, denn so oder so kannst Du dort vom motorisierten Verkehr umgekarrt werden, wie mir im April diesen Jahres passiert, beim Versuch gleichberechtigtes "direktes Linksabbiegen" zu praktizieren.

Meines Erachtens muss man klar unterscheiden zwischen Unfällen, die auf menschliche Fehler zurückzuführen sind und welchen, wo vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig in einer Art und Weise gefahren wird, die nicht tollerabel ist.

Ein Grundproblem unserer Verkehrsinfrastruktur besteht darin, dass sie sehr wenig fehlertolerant in Konfliktsituationen mit Radfahrern ist: freie Rechtsabbiegespuren, Radfahrstreifen im Dooringbereich, unerwartet auftauchende Radwege, Radfahrer aus "Geisterrichtung", zu Fehlverhalten "motivierende" Ampelschaltungen, für KfZ unklare Fahrwege von Radfahrern, unvermittelte Enden von Schutzstreifen an Engstellen/Gefahrenstellen, etc.
Sowas muss dringend umgebaut und umgestaltet werden! In der Regel ist das Grundproblem hier, dass Radverkehrsinfrastruktur traditionell nicht für sondern wegen Radfahrern angelegt wurde. Die Begründung, dass es dabei zu weniger Unfällen im Längsverkehr kommen würde, mag zwar stimmen, wird aber durch erheblich mehr Unfällen in den Kreuzungsbereichen "erkauft" und der klassische Hochbordradweg ist in den meisten Situationen aus Sicherheitsgründen nicht im Ansatz mehr zu rechtfertigen, weil wesentlich gefährlicher als Mischverkehr.

Der andere Punkt betrifft PkW-Fahrer, die sich grob fahrlässig oder gar vorsätzlich verkehrsgefährdend bewegen. Radfahrer in disziplinarischer Mission schneiden, Vorfahrt erzwingen, an Engstellen reindrängen usw.
Von diesen PkW-Fahrern geht in der Tat ein signfikantes Unfallrisiko aus und wohl auch das Hauptunfallrisiko im Mischverkehr zwischen Rad und KfZ. Diesbezüglich würde ich mir mal einen Verkehrsminister wünschen, der nicht auf den "Kampfradlern" rumreitet, sondern "motorisierte Gewalt" thematisiert. Hier muss in den Köpfen etwas passieren, denn eine völlig getrennte Infrastruktur zwischen Rad und PkW werden wir nie bekommen. Also muss klar sein, dass man in Begegnungssituationen aufeinander Rücksicht zu nehmen hat. Es gibt viele andere Länder, die vormachen, wie das geht. Auch ohne dichtes örtliches Radwegnetz, sondern im Mischverkehr. Ein wichtiger Punkt ist in dem Zusammenhang sicherlich die Aufklärung über die Rechtslage (Radwegbenutzungspflicht, direktes Abbiegen, etc.), ein zweiter wäre eine wesentlich stärkere Sensibilisierung dafür von Seiten der Polizei in Kombination mit entsprechendem Kontroll- und Sanktionierungsdruck. Auch klare rechtliche Vorgaben (z.B. hinsichtlich Mindestabständen beim Überholen) wären angezeigt.

Die optimalen Voraussetzungen, die ich mir für meine Wege vorstellen könnte, wären diese höhenfreien idealen Radschnellwege, ohne Fußgänger und ohne motorisierten Verkehr (bzw. besser überhaupt kein/wenig Verkehr). Nur sowas wird allein aus Platzgründen (aber auch Kostengründen) wohl immer die Ausnahme bleiben. Mischverkehr bietet eine recht hohe Sicherheit für Radfahrer und ein zügiges Fortkommen ist möglich, der Platzbedarf ist gering und die Straßenumbaukosten ebenso. Deshalb liegt das so als Mittel der Wahl auf der Hand. Die Frage muss nur stets sein, wie man sicherstellen kann, dass Radfahrer als Verkehrsteilnehmer entsprechend respektiert und geachtet werden. Dazu ist sicher ein ganzes Bündel an Maßnahmen nötig. Was auf keinen Fall geht, ist eine Infrastruktur, die die Konflikte eher verschärft als entschärft (z.B. viel zu schmale Schutzstreifen und Restfahrsteifen mit "Durchquetschplatz" daneben). Ich kann dir in Köln direkt mehrere Beispiele nennen, wo man die Situation durch Aufpinseln von "Schutzstreifchen" erheblich verschlechtert hat, gegenüber dem Mischverkehr den es zuvor gab.
Umgekehrt hätte ich aber auch einige Beispiele aus Dresden (St. Petersburger Straße z.B.) wo ein Fahrradstreifen sehr gut funktionierend inmitten einer vielspurigen Straßen (Rechtsabbiger rechts des Fahrradstreifens, teils mehrspurige Rechtsabbieger) geführt wird. Das ist in erster Linie eine Frage der angemessenen Dimensionierung der einzelnen Spuren.