Das 2. Türchen

von: veloträumer

Das 2. Türchen - 01.12.13 23:09

Einführung – Fortsetzung (2)

Krieg & Frieden – Gott & Teufel

Doch ich bin
in der Schleuder der Zeit
nur der Splitter der zerfressenen Steine
der improvisierten Straße
des Kriegs

Mein armes Herz
bestürzt
nicht zu wissen


Giuseppe Ungaretti (1888-1970), aus dem Gedicht „Warum?“

Mit dem Projekt Via Dinarica ist ein Rahmen vorgegeben, der mir noch ein paar Gedanken über das Alltägliche hinaus abverlangt. Wie lebendig die Last des Krieges ist, mögen nicht nur die Minenwarnschilder verdeutlichen, die uns noch Jahre auf Reisen durch den westlichen Balkan begegnen werden, sondern auch die unsichtbaren Schicksale. In Kroatien gelten aktuell noch ca. 1200 Schicksale als ungeklärt, erst jüngst wurde wieder ein Massengrab aus der Zeit der ethnischen Säuberungen der serbischen Armee in Norden Kroatiens zufällig entdeckt. Bis heute sind über 500 Menschen in Kroatien durch Landminen zu Tode gekommen, 60 davon waren Minenentschärfer. Weitere 1400 erlitten Verletzungen. Dabei ist die Anzahl der Minenopfer in den letzten Jahren gegenüber den frühen Nachkriegsjahren angestiegen. Bosnien-Herzegowina hat eine ähnliche Schreckensbilanz vorzuweisen. Das ist eine Warnung an unachtsames Verhalten, die Kriegsfolgen der Vergangenheit zuzuordnen – natürlich auch an Touristen. Derzeit ist zwar die Bereinigung aller Gebiete bis 2019 angestrebt, doch wurden bereits früher anvisierte Termine nicht erreicht, dass auch diesbezüglich Zweifel bleiben.


Minengefahr besteht immer noch vor allem an ehemaligen Kriegsfronten

Grundsätzlich liegen die Schwerpunkte der Minengebiete an ehemaligen Frontlinien bzw. knapp hinter diesen Linien. So durchfährt man beispielsweise inmitten der Herzegowina eine Minenzone zwischen Mostar und Imotski, die die Zerrissenheit des ganzen Kriegsgeschehens widerspiegelt: Während Muslime und Kroaten zunächst gemeinsam gegen serbische und montenegrinische Soldaten in Mostar kämpften, drehte sich die Freund-Feind-Beziehung und kroatische wie muslimische Verbände standen sich alsbald als Feinde gegenüber, wobei Kroatien die westliche Herzegowina einnehmen wollte – von der ursprünglichen Verteidigung zur eigenen Expansion umschwenkte. In der westlichen Herzegowina sind auffällig viele kroatische Symbole präsent. So habe ich Wohnwagen mit kroatischer Flaggenbemalung ebenso gesehen wie Jugendliche mit Kroatenhose auf dem Fahrrad. Obwohl es immer noch Abspaltungsgedanken von Bosnien-Herzegowina gibt, ist diese Region auch für Vorbildcharakter bekannt: Ljubuski gilt heute als Modellstadt für das Zusammenleben von Kroaten, Bosniaken und Muslimen. Allein die wirtschaftliche Bedeutung hält nicht ganz Schritt.

Montenegro konnte zwar verhindern zum Kriegsschauplatz zu werden, spielt aber in den Balkankriegen und danach eine problematische Rolle. Dabei mag man die Verbundenheit zum serbischen Nachbarn und die soldatische Assistenz verstehen, da man sich Großjugoslawien als Titos Mutterstube und der Partisanenbewegung verpflichtet fühlte. Den Partisanen Montenegros gelang es als einzigen in Jugoslawien, die faschistische Machtergreifung im Zweiten Weltkrieg auch ohne Hilfe der Alliierten zu verhindern. Allerdings waren auch Montenegriner maßgeblich an den Plünderungen und Kriegsverbrechen in dem jüngeren Balkankrieg gegenüber den Kroaten beteiligt. Dass man sich dann weiter an Serbien kettete, als eigentlich der Schrecken des Krieges in seinem Ausmaß erkannt und das Geschehen vorbei war, bleibt ein seltsamer Zug des Landes. Früh wendete man sich andererseits ganz dem Westen zu, im Tourismus wie auch wirtschaftlich. Erst wurde die D-Mark als Zahlungsmittel eingesetzt, dann 2002 der Euro – ganz als wäre man ein prosperierendes EU-Mitglied. Die illegale Euro-Einführung wurde und wird von der EZB toleriert, ist aber offiziell nicht genehmigt (was einen gewissen Kleingeldmangel generiert). Das ist natürlich ein klares Bekenntnis zur EU und gegen die serbisch-slawische Achse, die durchaus nochmal in Richtung Putins Russland kippen könnte, soweit man die aktuelle Entwicklung in der Ukraine einmal mit einbezieht. Dennoch konnte sich Montenegro erst 2006 per Referendum vom Staatenbund mit Serbien lösen – nicht einmal überzeugend, denn die Mehrheitsentscheidung beruhte auf der muslimischen Bevölkerung, Montenegriner und montenegrinische Serben hätten die Souveränität weiterhin in Mehrheit abgelehnt.


Die Gedenksteine der Toten sind noch jung: Namen von Gefallenen in der Sarajevo-Region

Es war der der slowenische Weinbauer in Gorjanske, der mir bei der Weinprobe den Zusammenhang zwischen der phlegmatischen und teils recht unprofessionellen Haltung vieler Montenegriner zu der Tito-Vergangenheit herstellte. Bosniaken, Albaner und Kroaten machten auf mich einen geschäftigeren, mehr „kapitalistischen“ Eindruck. Der Höhepunkt an montenegrinischer Sturheit war der Campingwart in Crvena Glavica bei Sveti Stefan, der mir die Bezahlung der zwei Campingnächte im Vorhinein verweigerte und auch nach meinem Einspruch den Reisepass einbehielt. Offiziell begründete er das damit, dass er das bei allen so macht und zu jeder Tages- und Nachtzeit anwesend sei (bzw. im Wechsel mit der Chefin) – „alles kein Problem, ich muss mir keine Sorgen machen“, wie er meinte und wedelte dabei stolz mit den Pässen. Als ich schließlich am Morgen des Abreisetages erst mal warten muss, bis er aus irgendeiner Ecke hervorkam, stellte sich heraus, dass er über keinerlei Wechselgeld verfügte, worauf hin er symbolisch in allen möglichen Kästchen mit Altpapier und verrosteten Schrauben herumsuchte. Die Campinggäste schliefen natürlich alle. Ich hätte nun entgegen meiner Fahrtrichtung erst mal in den Ort fahren und zwangsweise etwas kaufen müssen. Nach langem Hin und Her erließ er mir schließlich die ca. 1-2 Euro, die zur vollständigen Bezahlung fehlten. Es sei der Fairness halber gesagt, dass auch im kroatischen Touristenort Podgora mein Wunsch nach sofortiger Bezahlung mit Kopfschütteln und Unfreundlichkeit quittiert wurde.

Dass der Strandzugang, den er auch noch mir empfohlen hatte, durch einen Erdrutsch mit einem entwurzelten Baum geradezu halsbrecherisch gefährlich und offenbar schon einige Zeit ohne Gegenmaßnahmen auf ein Instandsetzung wartete, passt ebenso zu diesem Bild. Tatsächlich konnte man den Strand auf einem Umweg zwar auch etwas mühsam über Steine erreichen, das verriet er mir aber nicht, obwohl es alle Campinggäste irgendwie wussten – wohl aus Erfahrung mit dem ersten Versuch, den Strand aufzusuchen.

Solch kleine, scheinbar harmlose Geschichten verdeutlichen doch, dass es noch heute ein recht postsozialistisches Verhaltensmuster speziell in Montenegro gibt, das sich einerseits als Hemmschuh für nachhaltige Entwicklung entpuppt. So wird auch das Staatsziel eines ökologischen Staates zuweilen zur Farce, wenn man z. B. an die Müllentsorgung denkt. Diesen Unstimmigkeiten begegnet man auch mit einer auffallenden Gleichgültigkeit ebenso wie verschiedenen technischen Mängeln im betrieblichen Alltag. Andererseits wird damit jenen Kräften Tür und Tor geöffnet, die per Korruption sich entgegen der Regeln verhalten können. Man sagt sich dann „Wir können eh nichts ändern“ – eine mangelndes Bewusstsein für Zivilgesellschaft, wie es der Sozialphilosoph und Ökonom Friedrich August von Hayek einmal als Folge sozialistischer Gesellschaften feststellte (Institutionenlehre des Geldes).


Reiche Russen und Korruption behindern Montenegros Verfassungsziel ökologischer Nachhaltigkeit: unschöner Bauboom in der Budva-Bucht

Korruption ist sicherlich eine Ursache für teils unkontrollierten Bauboom an der montenegrinischen Küste. (Es ist aber weniger schlimm als ich von anderen Reisenden berichtet bekommen habe. So ist die Kotorbucht vollkommen von unpassender Bebauung verschont geblieben, betroffen sind eher Bereiche in der Budva-Bucht und zwischen Ulcinj und Bar.) Die Polizei sieht sich teils strukturell, teils willentlich außer Stande Korruption nachhaltig zu bekämpfen. Gefangen werden meistens symbolisch nur kleine Fische, wie jüngst in einem TV-Bericht geschildert wurde. Zum Glück bleibt der Tourist von Kriminalität weitgehend unbehelligt, Montenegro ist wohl für Touristen sogar sicherer als das „freiere“ Nachbarland Kroatien. Insgesamt ist die Sicherheit in den von mir bereisten Ländern für Touristen höher einzuschätzen als in den westlichen Mittelmeerländern – weniger städtische Anonymität, weniger soziale Sprengstoffe etwa durch Migration (Frankreich, Italien).

Bei Preisverhandlungen mit Zimmervermietern (auch Hotel) sieht man sich manchmal einer gewissen Schlitzohrigkeit gegenüber, wie ich zweimal erfahren konnte. Etwas verärgert war ich, als in Cetinje mich ein Privatvermieter mit 20 Euro für die Übernachtung angelockt hatte, mir dann aber nach dem Einschecken eröffnete, das er für das sichere Abstellen des Rades im Hinterhof 10 € extra verlange und dabei betonte: „Dafür ist das Rad dann sicher.“ (Mich erinnerte das etwas an Jamaika, wo Taxifahrer mit der Angst Geschäfte machen, in dem sie zu Fuß laufenden Touristen zu erklären versuchen, dass das gefährlich sei und man besser mit dem Taxi fahren solle – natürlich mit ihrem. Tatsächlich ist das Überfallrisiko sehr gering.) Soweit konnte ich die Situation zu meinen Gunsten lösen, sodass es bei 20 € blieb, derweil ich drohte das Haus zu verlassen – zumal ich zu später Stunde noch hungrig war. Ich glaube, so wie er morgens auf mich als Abreisender geschaut hat, dürfte ihm diese Forderung nach Extrageld als überzogen selbst klar geworden sein – zumal Cetinje seinem ehemaligen Status als Königsstadt heute in keiner Weise gerecht wird. Leider war eine bessere Kommunikation mangels besserer Sprachkenntnisse nicht möglich. Für mich ein Indiz, dass man manchmal keine richtigen Maßstäbe gegenüber dem Touristen hat, was angemessen ist und was nicht (so auch manchmal bei Zeltplatzpreisen = zu billig oder zu teuer).


Kriegsruinen wachsen neben Neuem langsam zu: Stadthaus in Stolac (Herzegowina)

Betrachtet man einmal den Wiederaufbau nach dem Balkankrieg, so fällt auf, dass vielfach Ruinen stehen bleiben und lieber nebenan neu gebaut wird. Das schafft ganz eigenartige Stadtbilder sogar inmitten der Orte. Generell werden auch nur dann Häuser von außen verputzt, wenn Geld da ist. So wohnen viele in noch unfertigen Häusern und manchmal meint man unbewohnte Häuser zu sehen, was aber nicht der Fall ist. Auch sind alte zerschossene Häuser manchmal äußerlich nur notdürftig repariert, sodass sie verfallen und unbewohnt erscheinen. Selbst in Montenegro gleicht das eine oder andere Haus mitten in den Bergen einer Kriegsruine, obwohl es sich ja nicht um Kriegsschäden, sondern schlicht um improvisierte, unprofessionelle Bauweise bzw. Reparaturen handelt.

Für den schleppenden Wiederaufbau vieler Gebäude (Autobahnen und Tunnels werden hingegen schnell vorangetrieben) gibt es allerdings strukturelle Gründe. So steht in Kroatien laut Gesetz Privatleuten nur Reparationsgeld für 35 qm Wohnfläche zur Verfügung, das reicht aber meist nicht für ein ganzes Haus, was die Ärmeren von einer Instandsetzung abhält. Natürlich spielen auch nach wie vor ungeklärte Eigentumsverhältnisse etwa von Kriegsopfereigentum eine gewichtige Rolle, wie mir der Frau der Nationalparkverwaltung in Gospic bestätigte. Wesentlicher seien aber die schlechten finanziellen Verhältnisse, sprich Armut. Auch wandere die Jugend weitgehend vom Lande ab und suche die Beschäftigung in den großen Städten – maßgeblich in Zagreb. (Die Abwanderung an die Küste sei weniger erheblich, weil dort die Arbeit bereits seit Jahrzehnten aufgeteilt ist und nicht wirklich neue Perspektiven gegeben seien.) So bleiben Ruinen (herrenlos) zurück, weil die Bewohner die ländliche Umgebung aufgegeben haben.

Mit eine Rolle spielt, dass die jungen Menschen den Krieg vergessen wollen, nicht ständig von den Spuren des Krieges eingeholt werden wollen. An einer Aufarbeitung von Schuld ist weniger gelegen, man möchte einfach unbelastet neu durchstarten. Auch meinte NP-Verwalterin, dass es dank Korruption einige vergessene Gegenden gäbe. So winkte sie ab, als ich meinen Eindruck aus dem wiederholt besuchten Ervenik schilderte. „Die Region Knin/Ervenik ist besonders schlimm gestraft. Da tut sich nichts, die finden kein Gehör in Zagreb.“ Nicht zuletzt steht ja Knin für gegenseitige Kriegsverbrechen – wobei die Kroaten 1995 sich für die ethnischen Säuberungen und Verwüstungen zu Anfang des Krieges durch die Serben auf besonders brutale und großflächige Weise an den Serben rächten, was die manchmal hochgespielte Weiße Weste der kroatischen Opferrolle arg mit Blut befleckt. Reparationszahlungen in (ehemals) serbisch dominierte Gebiete stehen in Zagreb ganz hinten in der Prioritätenliste. Der Wiederaufbau gelingt auch nicht, weil die Serben nicht wiederkehren (wollen).


Eisernes Grab als Mahnmal in der Nähe von Gospic, einer der am stärksten betroffen Kriegsorte in Kroatien

Von einer geteilten Verantwortung für Kriegsverbrechen wollte der kroatische Pfarrer Jakov Cikojevic in Zagvozd nicht viel wissen. In einem zufällig zustande gekommen (Wassersuche an der Kirche/Friedhof), ungefähr zweistündigen Gespräch erläuterte mir Cikojevic bei Kaffee und Obstsaft die besondere freiheitliche Gesinnung der Kroaten und die völkerrechtliche Überfallsituation des serbischen Angriffs auf die kroatische Souveränität. Dabei lobte er ausdrücklich die Rolle Deutschlands und Helmut Kohls, die letztlich die Rechte der Kroaten maßgeblich im Rahmen der UN-Einsätze zur Durchsetzung verholfen haben und die serbische Besatzung wie auch deren Verbrechen in die Schranken verwiesen haben. Auch erwähnte er die außergewöhnliche Leistung von Franjo Tudjman, der aus Polizeieinheiten innerhalb kurzer Zeit eine wehrhafte Armee organisierte, nachdem das schutzlose weil militärlose Kroatien von Serbien angegriffen wurde.

Gewiss schwang in Cikojevics Position auch Stolz, wenn nicht sogar ein kroatischer Nationalismus mit, der keinen Zweifel an der Gut-Böse-Zuordnung zwischen Kroatien und Serbien zuließ. Ungeachtet aller historischen Verstrickungen des kroatischen Nationalismus und der Kriegsverbrechen, die sich als Folge fast jeden Krieges zu allen Seiten der Kriegsfronten ausbreiten, bleibt die Frage nach Gut und Böse eine Kernfrage. Dass diese Frage unter George Bush jr. ein Geschmäckle bekam, kann uns nicht davor schützen, in kritischen Situationen die Entscheidung über Krieg und Frieden – Freund und Feind – Schwarz und Weiß – zu treffen, um das noch größere Verbrechen zu verhindern. Und da muss ich am Ende Cikojevic Recht geben, wenn in Kroatien am Anfang das Böse gegen das Gute angetreten war, bevor sich die klaren Grenzen des Verbrecherischen vermischten. Neutralität heißt auch immer Wegschauen. Insofern ist die Relativierung und Aufrechnung von Kriegsverbrechen ein Ablenkungsmanöver von der Frage – Was tun, wenn der gewalttätige Angriff auf Menschen und deren freiheitliche Gesinnung erfolgt? Die Gefahr, falsch zu entscheiden und Falsches zu tun ist immer gegeben. Die größte Gefahr ist letztlich, nichts zu tun und Verbrechen durch andere Verbrechen zu relativieren. Oder wie es bereits Hegel formulierte, „dass diese Furcht zu irren schon der Irrtum selbst ist“ (so die Weisheit auch in große Lettern am Stuttgarter Hauptbahnhof gebannt). Das sollte eigentlich jeder verstehen, der die Deutsche Geschichte verinnerlicht hat.

Das Gespräch mit Pfarrer Cikojevic verlief auch deswegen so produktiv, weil er perfekt deutsch sprach und gar zwei Tage zuvor noch in Stuttgart-Zuffenhausen (sic!) weilte und mir das neueste deutsche Pfarrblatt präsentierte. Da konnte ich selbst als Stuttgarter nicht mithalten. lach Cikojevic hat immer wieder in loser Folge und lange Zeit in Zuffenhausen gearbeitet. – Zufall? Gottesfügung? – Da ich mich als Atheist ihm zu erkennen gab, wollte er natürlich auch etwas über die Gründe meiner fehlenden Gottesfurcht hören. Kühn behauptete er, mich in kurzer Zeit bekehren zu können, unterließ diesen Versuch jedoch. Ich warnte ihn u. a. mit meinen Jugenderfahrungen, als mir ein örtlicher Pfarrer meines damaligen Heimatortes Selbiges androhte und mich in schier endlose Diskussionen über Evolution und Schöpfung, über Trinität und Offenbarung und ähnliches Gottes-Geistwerk verwickelte. Dabei fühlte er sich besonders von einem mir sympathisch erachteten Freimaurergedicht herausgefordert, dass er zum Kopieren mitnahm, aber seinem Versprechen nicht folgte, es mir zurückzubringen. Wahrscheinlich roch er in dem Gedicht den ruchlosen Gestank des Teufels und wollte meiner Verderbnis mit dem Satan zuvorkommen. Es war aber schon alles zu spät. schmunzel


Ort eines etwa 2-stündigen Gespräch über Religion, Krieg und Frieden: Pfarrhaus in Zagvozd

Dass ich mit dem Teufel im Bunde bin, mag Cikojevic spätestens denken, sollte er je erfahren, dass ich den Sveti Jure tatsächlich hinauf gefahren bin. Denn, so sagte er mir, da käme ich nie hoch. Cikojevic kennt den veloträumer nicht – und seinen Pakt mit den Bergteufeln! teuflisch Sollte er mal Radreiseforum lesen! lach Was ich denn auf dem Berge wolle, eine elend lange, gefährliche und steile Straße, nur durch Stein – Ödnis, langweilig. „Da ist noch kein Radler rauf gekommen!“ meint er. Na, da habe ich aber schon anderes gelesen, ist der Berg doch einer der wenigen Berge in Kroatien, die so etwas wie ein Pilgerziel für ambitionierte Rennradler und Mountainbiker ist. Ob jemand da aber schon mal als Lastesel hoch ist, entzieht sich meiner Kenntnis – vielleicht ruft demnächst hier aus dem Forum jemand: „Ja, ich auch!“ verwirrt

Nun ja, der Cikojevic schien mir etwas weißer, weltoffener und gelassener zu sein als mein alter Dorfpfarrer. Er musste dann das Gespräch etwas abwürgen, weil er einen Termin hatte: Eine Demonstration! Tatsächlich ging es um den neuen Tunnel durch den Biokovo von Zagvozd zur Makarska-Riviera bei Baska Voda. Es ging den Demonstranten und dem Pfarrer jedoch nicht um die Verhinderungen eines Verkehrsprojektes, sondern um die Unglaubwürdigkeit der Politiker. Der Tunnel wurde mit der Vorgabe mautfrei zu sein gebaut. Doch kaum stand der Tunnel, wollte/will man Gebühren erheben. Der Protest richtete sich also gegen Nutzungsgebühren – zumindest für die Hinterlandbewohner, die sich eine Aufwertung ihrer Binnenregion erhoffen. Sollte man die Bayern mal fragen, die wüssten das Problem zu lösen: Maut nur für Ausländer! lach krank


Deutsche Discounter erwarten große Geschäfte, für Kroatien ist die EU zu allererst eine Friedensversicherung

Zwar meinte der Pfarrer, dass Kroatien zwar Europa bräuchte, aber nicht die EU. Nun sind aber einmal die Würfel gefallen und Kroatien wurde im Laufe meiner Reise offizielles Mitglied der EU. Allerdings war ich am 1. Juli noch in Montenegro und konnte keinerlei Festlichkeiten beiwohnen. Die europäische Sehnsucht scheint aber recht ausgeprägt – so seien mal einige Willkommensschildern gar im ländlichen Raum gedeutet. Sicherlich wird der EU-Beitritt von den Nachbarländern kritisch beäugt. Anderseits bleibt die Kleinstaaterei auch ein begrenztes Experiment im Lauf der Geschichte. Synergieeffekte sind ungeachtet regionaler Selbstbestimmung langfristig eine Voraussetzung für Entwicklung. Schon ein Detail macht das deutlich: Bosnien-Herzegowina hat keinerlei Löschflugzeuge, obwohl die Sommerbrände auch im mediterranen Balkan eine stete Gefahr sind. Schon jetzt leistet Kroatien die freundschaftliche Hilfe im Ernstfall – warum braucht es dann überall die vollständige staatliche Autonomie? Müssen nicht ohnehin Kräfte gebündelt werden, die dann auch überregionale, überstaatliche Verwaltung und Budgetierung verlangen?

Eher jedoch überwiegt der des Nachbars Neid, denn alle Ex-Jugoslawien-Staaten streben die EU-Mitgliedschaft letztlich an. Dabei sind die Probleme Kroatiens nicht so verschieden von denen der Nachbarländer wie z. B. die Korruption. Der slowenische Weinbauer meinte, dass er schon eine gewisse Konkurrenz wachsen sehe, weil es in Slowenien manche bürokratischen Hindernisse und höhere Kosten gäbe, die wahrscheinlich den Kroaten nicht obliegen würden. Andererseits sieht er unmittelbar für den Karstwein keine Konkurrenz wachsen, weil dieser eine Einzigartigkeit besitzt. Letztlich entscheidet die erfolgreiche Vermarktung. Jüngst ist aber ein Streit um regionale geschützte Produktnamen entstanden – u. a. die Krainer Wurst und den Teran-Wein. Kroatien und Slowenien in der EU – die ganz große Liebe scheint es nicht zu werden.

Dennoch: Es wächst friedlich zusammen, was einst so brutal getrennt wurde – Jugoslawien kehrt zurück – Titos Vision des Vielvölkerstaates bekommt neue Füße, während die Wunden noch unverheilt scheinen. Nun ja, ein bisschen anders ist es schon. Vor allem aber bedeutet die EU das politische Pandon zum Projektgedanken des Via Dinarica, womit wir wieder auf den Pedalen der Tour stehen. schmunzel

Fortsetzung folgt