Bikepacking-Versuch in Portugal und Spanien

von: joeyyy

Bikepacking-Versuch in Portugal und Spanien - 10.04.18 23:07

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Stabiler Alu-Rahmen von Nicolai aus dem Leinetal, Laufräder von Tune aus dem Schwarzwald, sensible Gabel von Cannondale aus USA, Pinion-12-Gang-Getriebe aus Schwaben mit Riemenantrieb, Tubus-Gepäckträger aus Münster mit Carradice-Leinentaschen aus England, Lenkertasche von Ortlieb aus dem Fränkischen, Brooks-Ledersattel aus England, Nitto-Lenker und Panaracer-Reifen aus Japan. Das Hilleberg-Zelt kommt aus Schweden, die Sigg-Flaschen aus der Schweiz, der Yeti-Schlafsack aus Görlitz und die Leica-Kamera aus Wetzlar im Hessischen.

International das Ganze.


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Ich habe schon viel gehört und gelesen über diese neue Form, mit dem Fahrrad zu reisen: Bikepacking. Eigentlich ist es ja genau das, was ich auch schon immer mache, nämlich Straßen und Radwege verlassen und immer mal wieder in der Natur einkehren.

Wald- und Feldwege radeln, Trails und Pfade mit in die Reiserouten integrieren. Das Problem mit einem Reiserad ist dann halt nur, dass es für fahrtechnisch anspruchsvolle Wege meistens zu viel Gepäck mitführt und ungefedert ist, so dass sämtliche Stöße von unten direkt in die Orthopädie des Fahrers gehen. Und dort Unmut und längeres Unwohl verursachen.

Das brachte mich im Himalaya letztes Jahr auf die Idee, mir ein robustes Fahrrad zu kaufen, das vorne gefedert ist, damit die Handgelenke und die Schultern und der Kopf nicht leiden, wenn der Untergrund ruppig wird.

Denn landschaftliche Schönheit und Abgeschiedenheit gehen in der Regel mit schlechten Straßen und Wegen einher.

Im Winter kaufte ich mir ein solches Fahrrad und baute nur einen kleinen Gepäckträger dran, damit ich nicht in die Versuchung komme, viel Gepäck mitzunehmen.

Ich will mit diesem Fahrrad durchaus noch im Pamir und auch im Karakorum fahren. Zum Ausprobieren erscheint mir die Gegend an der spanisch-portugiesischen Grenze geeignet.

Und so fliege ich Samstag morgen mit dem neuen Fahrrad im Gepäck von Hamburg aus nach Porto, fahre dann am Douro Fluss entlang bis zur spanischen Grenze und dann durch ein relativ abgeschiedenes Gebiet Richtung Süden, Richtung Faro, Richtung Algarve. Rund 25 bis 30 Prozent der Wege sind autofreie Feld- und Waldwege im Hinterland.

Neun Tage, 900 km und rund 18.000 Höhenmeter, ein anspruchsvolles Programm für einen Start in die Saison, die in Deutschland bisher sehr kühl beginnt.

Die Semana Santa, die heilige Woche, verbringe ich zum Teil in Spanien, wo sie wichtiger ist als das Weihnachtsfest. Ich bin überrascht, wie dieses Ritual und der Glaube an den Tod und die Wiederauferstehung von Jesus Christus junge und alte Menschen eint, arme und reiche, helle und dunkle. Dieses Fest scheint mir hier ein echtes Familienfest zu sein. Ja, ein Fest für die ganze Stadt. Gründonnerstag bin ich in Badajoz, alle sind in freudiger Erwartung, alles ist geschmückt und vorbereitet für die Prozessionen, die ihren Höhepunkt dann am Ostersonntag finden werden.

Erst kurz vor Faro empfängt mich dann der klassische Tourismus mit seinen Betonburgen am Strand, mit seinen Einkaufszonen, mit den Urlaubern, die hier die portugiesische Frühlingssonne genießen wollen. Alles gut, nix für mich.

Was soll ich sagen? Ich bin begeistert. Sowohl von den Menschen hier, die durchweg extrem freundlich und gelassen sind als auch von der Landschaft, die mir eines der letzten ursprünglichen Reservate in Europa zu sein scheint als auch von der Technik, von meinem Fahrrad und der Art und Weise wie ich damit reisen kann.

Und der Frühling ist schon hier!



Fazit und Ausblick: Die Generalprobe für diese Art zu reisen hat gut funktioniert. Ich werde mit diesem Fahrrad diesen Sommer eine längere Reise machen. Wo ich dann lang fahre, weiß ich noch nicht. Aber es wird anders sein als sonst. Und da freue ich mich drauf.

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Mehr Bilder gibt es hier (klick)

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Ende.

Gruß

Jörg.
von: Randonneur

Re: Bikepacking-Versuch in Portugal und Spanien - 11.04.18 07:30

Schöne Tour und wie immer geniale Fotos!

Nur die "einbeinige" Gabel finde ich optisch gewöhnungsbedürftig. zwinker
von: joeyyy

Re: Bikepacking-Versuch in Portugal und Spanien - 11.04.18 08:12

In Antwort auf: Randonneur
Schöne Tour und wie immer geniale Fotos!

Nur die "einbeinige" Gabel finde ich optisch gewöhnungsbedürftig. zwinker


Danke, Dietmar! Ja - optisch ist das schon "anders". Konstruktiv ist die Lefty aber wirklich sinnvoll und konsequent. Durch die Lager in der Gabel ist sie sehr sensibel und filtert ordentlich was weg. Nachteil: Teuer, auch in der Wartung.

Gruß, Jörg.
von: Anonym

Re: Bikepacking-Versuch in Portugal und Spanien - 11.04.18 08:20

In Antwort auf: joeyyy
... Ja - optisch ist das schon "anders". Konstruktiv ist die Lefty aber wirklich sinnvoll und konsequent. Durch die Lager in der Gabel ist sie sehr sensibel und filtert ordentlich was weg. Nachteil: Teuer, auch in der Wartung.

Gruß, Jörg.
Sehr schöne Bilder und sehr schöne Tour - sicher mehr als nur ein Versuch, zumindest ein sehr gelungener. Das Rad ist auch das richtige Werkzeug dafür. Eigentlich ist jede Telegabel auf dem Markt einbeinig - es trägt ja nur eine Seite mit der Luft- oder Stahlfeder die Last.
von: olafs-traveltip

Re: Bikepacking-Versuch in Portugal und Spanien - 11.04.18 08:32

Hey, Du gehst technisch und preismäßig immer in die vollen.

Schöne Fotos, die Tour würde ich in dem Zeitrahmen niemals packen.

Viele Grüße vom Standrand
Olaf

P.S: Sehe gerade das Plakat von Deiner Ausstellung. Leider hätte ich da eh nicht gekonnt.
von: joeyyy

Re: Bikepacking-Versuch in Portugal und Spanien - 11.04.18 08:47

In Antwort auf: olafs-traveltip
Hey, Du gehst technisch und preismäßig immer in die vollen.

Schöne Fotos, die Tour würde ich in dem Zeitrahmen niemals packen.

Viele Grüße vom Standrand
Olaf

P.S: Sehe gerade das Plakat von Deiner Ausstellung. Leider hätte ich da eh nicht gekonnt.


Danke Olaf, na ja - das Rad hab ich mir gebraucht gekauft und da es eine Maßanfertigung ist und ich zufällig die gleichen Geometriedaten habe wie der Vorbesitzer, war es wirklich sehr preiswert und für mich ein Glücksfall.

Die Ausstellung läuft ja noch bis zum 30.6. - kannst also jederzeit schauen. Wir überlegen, ob wir alle zwei Wochen mal eine Führung anbieten. Die Eröffnung war klasse und hat viel Spaß gemacht.

Gruß, Jörg.
von: joeyyy

Re: Bikepacking-Versuch in Portugal und Spanien - 11.04.18 08:51

In Antwort auf: AndreMQ
...Sehr schöne Bilder und sehr schöne Tour - sicher mehr als nur ein Versuch, zumindest ein sehr gelungener. Das Rad ist auch das richtige Werkzeug dafür...


Danke Andre und: Stimmt. Die Mischung aus Stabilität und niedrigem Gewicht haben die Leute von Nicolai richtig gut hinbekommen.

Gruß, Jörg.

P.S.: Nein, ich werde nicht gesponsert cool Aber es ist schon klasse, die Leute, die dein Rad bauen, direkt um die Ecke zu haben und mit ihnen reden zu können. Und dann schreib ich da auch gerne drüber.
von: velOlaf

Re: Bikepacking-Versuch in Portugal und Spanien - 11.04.18 10:13

Hi Jörg,

die Brücke von Alcantara habe ich auf die Schnelle erkannt, da bin ich auf meiner Extremadura-Tour auch schon drüber gefahren. Die restlichen Bilder genieße ich, wenn etwas mehr Zeit ist.

Was ist das für ein Oberrohr-TÄSCHCHEN? Sieht sehr schmal aus, ich suche noch eins. Der Gas Tank von Revelate Designs ist mir zu breit.
von: joeyyy

Re: Bikepacking-Versuch in Portugal und Spanien - 11.04.18 10:23

In Antwort auf: velOlaf
...Was ist das für ein Oberrohr-TÄSCHCHEN? Sieht sehr schmal aus, ich suche noch eins. Der Gas Tank von Revelate Designs ist mir zu breit.


Das ist so ein Triathlon-Täschchen, in das ich bei den Langdistanzen immer mein Käsebrötchen rein stopfte. Jetzt habe ich meinen Leatherman und das Hunde-Abwehr-Spray für den schnellen Zugriff drin. Funktioniert sehr gut.

So eine Tasche kriegst du in jedem Triathlon-affinen Radladen. Oder du schaust mal im großen Internet-Kaufhaus nach "Triathlon Oberrohrtasche". Da gibts einige Angebote. Die Sachen von Triseven sollen ganz gut sein.

Gruß, Jörg.
von: memy

Re: Bikepacking-Versuch in Portugal und Spanien - 11.04.18 12:47

Hallo Jörg

Vielen Dank für den Bericht!

Leute, die wie du ein so gutes Auge für Motive haben - bzw. ihre Realität so detailliert wahrnehmen... beneide ich immer ein wenig. Schön! schmunzel
Was Farben, Dynamik und Kontrast angeht wirken die Bilder auf meinem bescheidenen Laptop für mein Empfinden etwas überzogen. Ich weiß nicht ob das an der Technik oder meinem Empfinden liegt oder ob es einfach auch einfach etwas Mode ist, die Regler etwas weiter aufzuziehen!?

Meine nächsten Ziele erfordern eigentlich auch fast zwingend, dass ich mein Gepäck massiv reduziere. Würdest du mit dem setup auch auf längere Reise gehen? Dabei war ja sicher nur Kleidung für eine Saison!? Hattest du eine Küche dabei?
2000 Höhenmeter im Schnitt ... Respekt! Ich bezweifle stark dass ich dass 9 Tage in Folge mit Freuden abspulen könnte.

Gruß
Horst
von: joeyyy

Re: Bikepacking-Versuch in Portugal und Spanien - 11.04.18 15:17

In Antwort auf: memy
Hallo Jörg

Vielen Dank für den Bericht!

Leute, die wie du ein so gutes Auge für Motive haben - bzw. ihre Realität so detailliert wahrnehmen... beneide ich immer ein wenig. Schön! schmunzel
Was Farben, Dynamik und Kontrast angeht wirken die Bilder auf meinem bescheidenen Laptop für mein Empfinden etwas überzogen. Ich weiß nicht ob das an der Technik oder meinem Empfinden liegt oder ob es einfach auch einfach etwas Mode ist, die Regler etwas weiter aufzuziehen!?

Meine nächsten Ziele erfordern eigentlich auch fast zwingend, dass ich mein Gepäck massiv reduziere. Würdest du mit dem setup auch auf längere Reise gehen? Dabei war ja sicher nur Kleidung für eine Saison!? Hattest du eine Küche dabei?
2000 Höhenmeter im Schnitt ... Respekt! Ich bezweifle stark dass ich dass 9 Tage in Folge mit Freuden abspulen könnte.

Gruß
Horst


Danke, Horst! In der Tat erhöhe ich die Kontraste und Strukturen immer ein wenig, ist mein Stil und der bleibt auch so. Außer bei Porträts.

Ich werde mit dem gleichen Setup auf eine Sechswochen-Tour gehen. In den Bergen Portugals habe ich bei knappen Minusgraden nachts etwas gefroren, aber es ging ganz gut. Zwiebelprinzip und Daunenklamotten sind angesagt. Ich verzichte zum Beispiel auf zweite Radhose und Trikot indem ich Merino-Unterhosen und -hemden unter die Radklamotten ziehe. Merino ist leichter auszuwaschen und kleiner zu verstauen und es trocknet schneller als eine Radhose mit Sitzpolster. Küche hatte ich nicht dabei, brauche ich nicht, mach mir auch nix draus. Wenn noch Platz ist, könnte ich einen kleinen Gaskocher mit 800-ml-Titantopf mitnehmen. Einen Spork habe ich für Dosenfutter und Joghurt sowieso immer dabei.

Für die Höhen- und Kilometer hab ich ja den ganzen Tag Zeit. Dann passt das schon. Und als ehemaliger "Ironman" hab ich ja noch ganz gute Grundlagen ;-)

Gruß, Jörg.
von: haegar

Re: Bikepacking-Versuch in Portugal und Spanien - 11.04.18 20:47

In Antwort auf: joeyyy
Stabiler Alu-Rahmen von Nicolai

Gute Wahl, Schweissporn pur cool

In Antwort auf: joeyyy
Laufräder von Tune … Pinion-12-Gang-Getriebe

pass bloss auf die Hinterradnabe auf, da soll es in letzter Zeit div. Probleme im Zusammenspiel mit Pinion gegeben haben und z. B. Acros schliesst die Verwendung mittlerweile damit aus.


In Antwort auf: joeyyy
Das Hilleberg-Zelt

Das Enan … ehrlich unsicher willst Du damit auch in den Himalaya?


In Antwort auf: joeyyy
Ich habe schon viel gehört und gelesen über diese neue Form, mit dem Fahrrad zu reisen: Bikepacking. Eigentlich ist es ja genau das, was ich auch schon immer mache, nämlich Straßen und Radwege verlassen und immer mal wieder in der Natur einkehren.

Ich bin immer wieder überrascht, wenn ich "heavy loaded bicycles" unter der Flagge von bikepacking sehe, aber das ist wohl so ähnlich wie bei "UL" passt vieles runter und wichtig ist ja noch mehr, dass es für einen selber passt.

Btw. kann es sein, dass das Rad, die Tour, letztens von Nicolai auf FB gefeatured wurde träller


In Antwort auf: joeyyy
Fazit und Ausblick: Die Generalprobe für diese Art zu reisen hat gut funktioniert. Ich werde mit diesem Fahrrad diesen Sommer eine längere Reise machen. Wo ich dann lang fahre, weiß ich noch nicht. Aber es wird anders sein als sonst. Und da freue ich mich drauf.

Das klingt gut, dann wünsche ich Dir ganz viel Spass und freue mich schon auf den Bericht schmunzel

In Antwort auf: joeyyy

großartige Bilder … da möchte ich direkt gleich wieder hin
von: joeyyy

Re: Bikepacking-Versuch in Portugal und Spanien - 12.04.18 22:00

In Antwort auf: haegar
...pass bloss auf die Hinterradnabe auf, da soll es in letzter Zeit div. Probleme im Zusammenspiel mit Pinion gegeben haben und z. B. Acros schliesst die Verwendung mittlerweile damit aus.


...das Problem scheint sich auf Kettenblätter unter 30 Zähnen zu konzentrieren. Ich fahre Riemen mit 32 und lasse jetzt auf Spider für Kette umbauen, Blätter haben dann auch 32 oder mehr.

In Antwort auf: haegar
Das Enan … ehrlich unsicher willst Du damit auch in den Himalaya?


...ist sicher kein Expeditionszelt, aber robust genug für den Sommer im Hochgebirge ist es schon. Zur Not baue ich mir eine Schneehöhle grins


In Antwort auf: haegar
Ich bin immer wieder überrascht, wenn ich "heavy loaded bicycles" unter der Flagge von bikepacking sehe, aber das ist wohl so ähnlich wie bei "UL" passt vieles runter und wichtig ist ja noch mehr, dass es für einen selber passt.

Btw. kann es sein, dass das Rad, die Tour, letztens von Nicolai auf FB gefeatured wurde träller


...Flaggen sind egal, das Erlebnis ist wichtig. Die Begriffe sind doch nur dazu da, dass man drüber reden kann. Dem Tun ist das herzlich gleichgültig. Und ja - die haben mich bei FB erwähnt.

In Antwort auf: haegar
großartige Bilder … da möchte ich direkt gleich wieder hin


...Danke. Ja - ich auch dafür

Gruß, Jörg.