Re: Jakobsweg mal wieder

von: Fricka

Re: Jakobsweg mal wieder - 15.08.12 07:10

35. Tag

Über Nacht hat es geregnet. Morgens regnet es auch. Dazu hängt dichter Nebel über dem Ort. Wir müssen einen Rekord aufstellen im Blitz-Zeltabbauen, da das Refugio wie üblich bis 8 Uhr verlassen werden muss. Bis dahin gibt es sogar noch für alle Frühstück. Nicht schlecht bei einem Übernachtungspreis von 5 € pro Person. In Nieselregen und Nebel machen wir uns an den weiteren Aufstieg. Als wir das Dorf verlassen, empfängt uns heftiger böiger Wind.

Bis zum Cruz de Ferro ist es nicht mehr weit. Bis Foncebadon mit der von Paulo Coelho in die Welt gesetzten Legende von den wilden angriffslustigen Hunden kommen wir schnell voran. Verlassen ist das Dorf nicht mehr wirklich. Etliche Häuser sind wieder instandgesetzt und auch belebt. Hinter dem Dorf zieht die Steigung an. Aber während wir gerade überlegen, ob wir das Cruz de Ferro im Nebel nicht vielleicht übersehen werden, kommen wir drauf zu. Es steht direkt neben der Straße. Gegenüber vom großen Parkplatz. Es herrscht ein emsiges Treiben. Es werden Gruppenfotos gemacht, Gegenstände niedergelegt, Bänder, Fahnen und Zettel am Kreuz befestigt. Auf dem Parkplatz warten diverse Kleinbusse voller Rucksäcke auf Pilger, die gepäckfrei nach oben wollten. Einige steigen auch aus Taxis. Eine amerikanische Gruppe feiert eine Messe bei der die Emotionen offensichtlich aufkochen. Alles das in einem geradezu surrealen Ambiente. Der Wind treibt Wolkenfetzen über die Straße.

Die Straße ist wenig befahren und schlecht. Es liegt, wie angekündigt, Rollsplit drauf. Wenn man das so nennen möchte. Mir kommt es eher wie eine Sandauflage vor. So richtig toll fährt sich das jedenfalls nicht. Aber erst einmal geht es noch nicht bergab, sondern oben auf dem Berg entlang. Der Ginster blüht. Dazu eine Art lila Heide. Und noch eine rote Pflanze. Eine richtige Farb-Explosion im Nebel, der sich jetzt auch etwas lichtet. Rundum sieht man auf andere „bunte Berge“. Und auf die unentbehrlichen Windräder natürlich. Wir kriegen gar nicht genug davon.

Nicht weit vom Cruz de Ferro liegt Manjarin. Ein ziemlich verfallener Ort. Vorsichtig ausgedrückt. Es gibt nur noch Ruinen, von denen eine notdürftig instandgesetzt ist, in der der letzte Tempelritter lebt und ein Refugio nebst Cafe betreibt. Davor sind diverse bunte Wegweiser in alle Welt mit Entfernungsangaben angenagelt. Im Vergleich mit ihren Auftritten in diversen Filmen sind sie ziemlich verblichen. Hütten und Freiflächen so vollgestapelt mit allem und jedem, dass man meinen könnte, dass auch der Tempelritter, der gerade in voller Montur eine Rede an sein Volk hält, als wir vorbeikommen, eigentlich Schrotthändler ist.

Die Fußgänger, eingewickelt in ihre Regenponchos laufen dicht neben der Straße her. Und nun geht es auch abwärts. 1000 m geht es nach unten ins Tal. Obwohl die Straße ziemlich steil ist, dauert das ein Weilchen und wir haben jede Menge Aussicht über das Tal vor uns, in dem wir die Kühltürme eines Kraftwerks und das Häusermeer von Ponferrada sehen. Nicht sehr einladend. Das erste Dorf auf dem Weg nach unten ist das malerische El Acebo. Man umfährt eine Kurve und ist mitten in der Dorfstraße, die dicht an dicht bebaut ist. Im ersten Stock haben die Häuser Holzbalkone, die über die Straße ragen. Es ist nicht so, dass wir nicht bremsen könnten, aber es sieht uns zu touristisch für einen Stop aus. Das Dorf ist merkwürdig überfüllt.

Wir durchfahren Riego und kommen bald nach Molinaseca. Hier gefällt es uns. Vor dem Ort am Fluss stehen Bänke, wo wir uns von der etwas anstrengenden Abfahrt ausruhen und die warmen Sachen ausziehen. Hier scheint die Sonne. Reife Kirschen hängen an den Bäumen. Und der Fluss strudelt fröhlich dahin. Über die historische Brücke geht es in den hübschen Ort. Die Fronleichnamsprozession ist gerade durchgezogen und hat einen Blumenteppich hinterlassen, auf dem es sich angenehm rollt. Die Menschen sind in Sonntagskleidern unterwegs. Es ist nicht wirklich Fronleichnam. Aber an dem Tag selbst wurde gar nicht gefeiert. Anscheinend tut man das überall an anderen Tagen, so dass wir es mehrfach erleben.

Da wir am nächsten Tag auf den Cebreiro wollen, können wir hier nicht lange bleiben. Wir wollen in Cacabelos übernachten, wo es nach Meinung unseres niederländischen Bekanntenkreises einen Campingplatz geben soll. Nach Ponferrada ist es erst einmal nicht weit und uns missfällt diese Stadt auf Anhieb. Zu groß. Zu unübersichtlich. Zu viele gesichtslose Neubauten. Zuviel Verkehr. Da reißt die Templerburg nichts raus. Wir sehen zu, dass wir weiterkommen. Eine gefühlte Ewigkeit fahren wir durch Vorstadt und Gewerbegebiete.

Hier ist das Bierzo. Laut Reiseführer eine Gartenlandschaft. Wir haben den dummen Eindruck, dass etwaige Gärten längst von der großen Stadt überwuchert worden sind. Schöner wird es auch nicht, als wir die Stadt verlassen. In Cacabelos erklärt man uns, der Campingplatz habe schon vor Jahren geschlossen. Wir beschließen also, nach Villafranca del Bierzo weiterzufahren. Das liegt sozusagen direkt am Aufstieg zum Cebreiro.

Der Weg dahin wird anstrengend. Wir überqueren eine Anhöhe nach der anderen. Der freundliche Hospitalero aus Cacabelos hatte uns gesagt, man könne den CP sowieso nicht mit dem Fahrrad erreichen. Dazu müsse man von Villafranca aus über die Autobahn fahren. Im Radreisebuch steht eine Anfahrtsbeschreibung. „An der Burg links“ lässt größere Steigungen vermuten, aber diesmal liegt die Burg unten. Wir folgen der Beschreibung und kommen problemlos nach Vilela, wo wir auf Camping-Schilder stoßen.

Der Platz existiert. Sein Betreiber wirkt aber nicht sehr motiviert. Außer uns ist noch ein niederländisches Paar dort. Viel mehr Leute könnte man auch nicht unterbringen. Der Platz ist groß, aber das Gras steht mannshoch. Nur drei Stellplätze sind gemäht. Wasserhähne und Elektrokästen sind zerstört. Das Sanitärgebäude ist riesig und auch durchaus in Ordnung, wirkt nur seltsam unbenutzt und völlig eingestaubt. Auf den Waschbecken werden Elektrogeräte demontiert. Was da gemäht wurde, ist an Ort und Stelle liegen geblieben. Wir bauen unser Zelt sozusagen im Heu auf. Die Nacht ist jedenfalls ruhig.