Re: Jakobsweg mal wieder

von: Fricka

Re: Jakobsweg mal wieder - 08.08.12 06:56

30. Tag

Die Nacht ist etwas ruhiger als in Pamplona. Offensichtlich haben sich alle akklimatisiert. Das Hüsteln und Niesen ist verschwunden. Aber der Klingel- und Knisterterror ab 4 Uhr ist derselbe. Zudem fällt uns auf, dass Laken und Kopfkissenbezüge nicht mehr ab- sondern nur noch glattgezogen werden. Verdächtig. Wir beschließen, doch lieber mehr nach Campingplätzen zu suchen. Offenbar brauchen wir lange Erholungszeiten zwischen den Refugio-Nächten. Die Läden und Cafes sind um 8 Uhr noch geschlossen. Alle müssen frühstücksfrei auf Tour. Wir folgen weiter dem Camino. Bikeline schlägt einen großen Bogen. Näher dran wäre die stark befahrene N120. Da ist auch uns zuviel Verkehr. Das ist kein Spaß mehr. Aber zwischen den Fußgängern gefällt es uns. Das ist gut machbar und sehr nett. In einem Dorf kochen wir auf dem Rastplatz eine Runde Kaffee für alle. Es gibt etliche Fußgänger, die uns immer wieder über den Weg laufen. So ganz mit rechten Dingen kann das nicht immer zugehen. Aber von mir aus….

In Belorado finden wir endlich einen offenen Laden und decken uns mal wieder ein. Ich habe mich längst dran gewöhnt, dass nicht immer Mineralwasser zu haben ist. Morgens fülle ich die beiden Flaschen, die ich am Rad habe mit Leitungswasser auf, da man nie weiß, wann man wieder anderes kaufen kann. Die Wanderer sind überwiegend mit Halb-Liter-Flaschen unterwegs, die sie bei jeder Möglichkeit auffüllen. Nach Trinkwasser sieht das nicht immer aus, was da irgendwo herauströpfelt.

Nun geht es auf die Montes de Oca zu. Auf dem Fußweg scheint das schwierig zu sein. Wenn es in die Berge geht, ist der meist zu steil und zu ausgewaschen. Zudem wird er schmal. Alle Radführer empfehlen, eine Straßenetappe einzulegen. Wir biegen also in Tosantos ab. Hoch müssen wir natürlich trotzdem, nur verteilen sich die Steigungen auf eine längere Strecke und die Straße ist besser befahrbar. Von der N120 wird ebenfalls abgeraten. Es geht durch einsame kahle Hügel nach oben. Weit nach oben. Aber wir fahren das jetzt klaglos und flott. Das Frankreich-Training zahlt sich aus. Es ist völlig einsam. Kein Dorf, kein Straßenverkehr. Dafür ein weiter Blick über das Land. An der ersten Passhöhe machen wir einen Stop, trinken Wasser und frühstücken. Die Vögel zwitschern. Da kommen acht Rennradfahrer angejagt und bremsen neben uns, um sich zu sammeln. Niederländer auf Pauschalreise. Die fahren mit Bus und Fahrradanhänger und picken sich die schönsten Strecken raus. In diesem Fall sind es 28. Als wir weiterfahren, fehlen immer noch etliche. Einige sehen schwer geschafft aus.

Bis Villalomez geht es abwärts und anschließend bis Villalmondar den Rio Oca entlang, also ein Stück eben weiter. Dort biegen wir in ein Tal ein, dass uns noch einmal sehr viel höher bringt, bis es oben gewohnt hügelig, nur nun auf einer höheren Ebene weitergeht. Irgendwann kommen wir „oben“ an und es wird fast völlig eben. Wir haben die Hochebene erreicht, auf der wir nun über Burgos bis Leon weiterfahren werden. Zunächst einmal kommen wir nach St. Juan de Ortega, wo wir den Fußweg kreuzen. Entsprechend belebt ist es hier. Wir treffen die üblichen, die wir überall treffen. Ein Bus hat ein großes Büfett für seine Insassen, diesmal eine deutsche Gruppe, aufgebaut. Es wimmelt regelrecht. Wir statten der Kirche einen Besuch ab, beschließen aber, hier nicht zu übernachten, sondern weiter nach Burgos zu fahren, um den dortigen Campingplatz zu benutzen.

Ein ziemlich direkter Weg wäre die N120, vom Fußweg wird immer noch wegen weiterer Bergstrecken abgeraten, Bikeline schlägt mal wieder die übliche große Rundreise fern des Jakobswegs vor. Wir möchten jetzt eigentlich gerne zügig nach Burgos, da der Tag dem Ende zugeht und beschließen, uns die N120 und eventuelle Seitenstreifen mal anzusehen. Das risikofreudige Radreisebuch schreibt, dass wir einfach den alternativ-Pilgerweg an der Seite benutzen sollen. Mal gucken, ob da einer ist.

Die N120 liegt relativ weit oben. Unsere Nebenstraße läuft drauf zu. In dem Moment sausen die 28 Rennrad-Niederländer an uns vorbei und machen sich auf den Weg, dem Bikeline-Routenvorschlag zu folgen. Wir nähern uns vorsichtig der N120 und entdecken auf der anderen Seite tatsächlich einen Schotterweg, der dem Jakobsweg gleicht wie ein Ei dem anderen. Es sind sogar die gleichen Markierungssteine mit dem Muschel-Zeichen dran. Nur alles etwas vergammelt und zugewachsen. Trotzdem. Da kann man fahren, ohne unter einem LKW zu enden und spart viele Kilometer Umweg. In den Orten setzt dieser Weg regelmäßig aus. Da muss man auf die Straße, was jedes Mal nervt. Und der Weg ist mal links, mal rechts der Straße, also nicht immer einfach zu fahren. Aber kurze Zeit später wird es besser. Der Weg wird breiter und ist gut ausgebaut bis er sich sogar von der Straße trennt und zu einem separaten Radweg Richtung Burgos wird.

Der Campingplatz liegt vor Burgos am anderen Ufer des Arlanzon. Das Radreisebuch liefert eine Wegbeschreibung, die sicher irgendwann mal gestimmt hat, aber diese Randbereiche verändern sich offensichtlich sehr schnell. Wir kreuzen jedenfalls zwei Autobahnen, überqueren die N120 und biegen Richtung Arlanzon ab. Irgendwo finden wir eine Brücke. Und nach einigen Fragerunden kommen wir auf den großen, gut ausgebauten Campingplatz, wo uns auch wieder sofort alte Bekannte entgegen kommen. Hier stehen diverse Radlerzelte. Wir packen unseren nassen Zeltkram aus und stellen erst einmal das Überzelt in die Sonne. Der Platz hat einen Laden, der uns ein üppiges Abendessen und sogar Frühstück beschert. Nette Nachbarn, sonniges Wetter, angenehme Duschen.

Wenn bloß das heftige Schneetreiben nicht wäre. Den Arlanzon entlang stehen Pappeln. Und die haben sich entschlossen, ihre Pollen fliegen zu lassen. Der Rasen ist weiß. Das Zelt ist weiß. Alles ist weiß. An den feuchten Stellen bildet sich eine Beschichtung, die tagelang haftet. Essen und Trinken ist nicht so die reine Freude.