Re: Jakobsweg mal wieder

von: Fricka

Re: Jakobsweg mal wieder - 05.08.12 07:37

27. Tag

Um 8 Uhr liegt Pamplona immer noch in tiefem Schlaf. Mit den Wanderern zusammen folgen wir der Jakobsweg-Kennzeichnung in Richtung Zezur Nagusia. Die vielen Wanderstöcke klackern über den Boden. Abfälle jeder Art liegen herum. Dummerweise auch ein regelrechter Glasscherben-Teppich. Das Flaschenwerfen ist keine radsportfreundliche Beschäftigung. Kurz bevor wir die Stadt verlassen, finden wir ein geöffnetes Cafe.

Nun scheiden sich die Geister. Der Jakobsweg führt geradeaus weiter. Alle drei Fahrradführer empfehlen nach rechts abzubiegen und dann unterschiedliche Wege einzuschlagen. Wir sind heute eigensinnig und wollen über Campanas nach Eunate fahren. Egal, was die anderen vorhaben. Während also alle Radfahrer abbiegen, folgen wir noch ein Stück den Wanderern bis wir nach links ausbiegen. Es folgt uns eine spanische Radsportgruppe. Die kennen wir aus dem Refugio. Sie standen morgens mit Koffern vor der Tür und warteten auf ihr Begleitfahrzeug. Nun sind sie auf Rennrädern ohne Gepäck unterwegs und natürlich viel schneller als wir. Eine Weile später holen wir sie an einem Kreisel ein. Sie sehen sehr ratlos aus. Sie haben keine Karte dabei und wollten offensichtlich dem Radweg über den Puerto de Perdon folgen, nicht unserer Kultur-Strecke. Nachdem sie sich unsere Karte angesehen haben, telefonieren sie mit ihrem Fahrer und werden angewiesen, wie wir nach Eunate zu fahren.

So richtig haben sie unserer Wegbeschreibung wohl nicht geglaubt. Jedenfalls befragen sie ausführlich jeden Menschen am Wegesrand. Und kehren in jeder Bar ein. So holen wir immer wieder auf und legen die Strecke im Prinzip gemeinsam zurück. Es sind nette Kerle, die uns bei jedem Treffen freudig begrüßen. So stellt sich heraus, dass das „Quaaak“ als Gruß die zweite Hälfte vom „Hola!“ ist.

Bis Campanas fahren wir über eine schmale Asphaltstraße bergauf und bergab durch eine landschaftlich genutzte Gegend, immer mit Blick auf den Perdon. Campanas liegt vor einem Bergmassiv, an dem die Autobahn entlangführt, davor eine Hauptverkehrsstraße, der wir laut Beschreibung ein paar Kilometer folgen sollen. Und um die überhaupt zu erreichen, müssen wir erst mal eine Bahnhauptstrecke überqueren. Danach wird die Beschreibung speziell. Wir sollen an einem bestimmten Kilometerstein rechts in einen Feldweg abbiegen, unter der Bahn durch und über verschiedene weitere Feldwege bis wir wieder an eine Straße kommen. Das ist wohl ein bisschen veraltet. Es gibt eine maximal ausgebaute Straße, auf der bereits Santa Maria de Eunate ausgeschildert ist, unser Ziel.

Die Straße verläuft meist bergab, so dass wir im Nu an der Kirche ankommen. Die romanische Kirche ist achteckig und besonders schön, weshalb wir sie auf jeden Fall sehen wollten. In den meisten Jakobsweg-Reiseberichten steht man vor geschlossener Tür, weshalb ich vorsichtshalber im Internet nach Öffnungszeiten gesucht hatte, so dass wir passend dort ankommen. Noch ist sie geschlossen, aber auf dem Parkplatz steht bereits der Bus einer deutschen Reisegruppe, die neben der Kirche sitzt und diverse Pilger haben sich auch bereits im anschließenden Garten niedergelassen. Alles wartet entspannt. Neben der Kirche steht eine kleine Pilgerherberge.

Tatsächlich erscheint irgendwann jemand mit einem Schlüssel. Wir dürfen alle Eintritt bezahlen. Wir warten noch, bis der Bus wieder abgereist ist. Das sind doch etwas zu viele Menschen für so eine kleine Kirche. Erwartungsgemäß ist sie von innen so schön wie von außen. Das Warten hat sich also gelohnt. Die Busgruppe war von Puente la Reina hierher gewandert und wurde hier vom Bus abgeholt.

An Obanos vorbei fahren wir nun nach Puente la Reina. Das ist nicht mehr weit. Der Ort hat, wie viele hier, eine lange durchgehende Hauptstraße. Wir kehren hier irgendwo ein und trinken einen Kaffee. Es ist längst Mittagszeit. Während des Kaffeetrinkens sehen wir der örtlichen Müllabfuhr zu. Es sind dabei ausschließlich Frauen am Werk. Und die haben nicht so ein Warmduscher-Müllauto wie bei uns. Die am Rand stehenden Müllsäcke werden in einen LKW gewuchtet.

Die berühmte Bogenbrücke überquert man beim Verlassen des Ortes. Sie ist so schön wie erwartet. Wir bewundern sie ausführlich. Drüben lernen wir jetzt eine neue Jakobsweg-Variante kennen. Am Kreisel geht es nur noch auf die Autobahn. Als wir uns schon wundern, sehen wir noch einen seitlichen Abzweig. Es geht auf die N1110. Da die Autobahn gebührenfrei ist und direkt nebenher führt, fahren hier nur Räder. Der Fußweg ist wie bisher meistens in Sichtweite und immer mal wieder auch mit der Straße identisch. Idylle ist allerdings anders. Es fährt sich ziemlich öde. Die Steigungen tun ihr Übriges, da der Weg immer wieder hoch über der Autobahn herumführt. Die Landschaft ist hügelig braun. Schon ein starker Kontrast zur bisherigen Strecke.

Wir nutzen also jede Möglichkeit, durch eines der Dörfer in der Nähe zu fahren. Endlich ist es auch mal warm. Sogar sehr warm. Mit uns sind hier noch mehrere Radler-Paare unterwegs. Man fährt so ein bisschen von Schatten zu Schatten. Schließlich mündet auch der Fußweg in diese Straße. Sofort gibt es mehr Cola-Automaten, was praktisch ist, da unser Wasser zur Neige geht. Und man fährt wieder an erschöpften Wanderern vorbei, die alle mühsam irgendeinem Ziel entgegenhumpeln. Viele sitzen an den Bushaltestellen oder telefonieren ein Taxi herbei. Typischer Nachmittagsbetrieb am Jakobsweg.

Als wir in Estella ankommen, beschließen wir also, den dortigen Campingplatz zu nutzen. Er liegt überraschend weit vor der Stadt. Um dort hinzukommen, muss man an einer Art Fabrik vorbei. Es stinkt heftig. Die asiatischen Pilger tragen einen Mundschutz. Wir müssen da so durch. Als wir schon umdrehen wollen, kommen wir an den Platz. Hier herrscht überraschenderweise Campingnormalität. Und der Pool ist geöffnet. Das nutzen wir gleich, was auch gut so ist, denn eine Stunde später schließt er, um während unserer Zeit dort nie wieder zu öffnen. Der Platz wird hauptsächlich von Dauercampern genutzt. Aber ein paar Tagestouristen sind auch da.

Frisch gebadet fahren wir in die Stadt, um sie uns in Ruhe anzusehen und irgendwo essen zu gehen. Erstaunlicherweise geht es hier zu wie in Pamplona, nur in überschaubarerem Rahmen. Aber sonst das gleiche Muster. Menschenauflauf, Schreien, Feiern, Flaschen werfen. Ein aufkommendes Gewitter treibt uns zurück zum Zelt. Wir hatten nicht allzu viel abgespannt. Das machen wir jetzt ordentlich. Es blitzt, donnert und weht eine ganze Weile.