Re: Jakobsweg mal wieder

von: Fricka

Re: Jakobsweg mal wieder - 29.07.12 13:56

22. Tag

Die Sonne scheint. Es ist Pfingsten. Wir hängen die frisch gewaschene Wäsche in die Sonne und machen uns auf den Weg in den Ort, um einkaufen zu gehen. Auf dem Kirchplatz hat sich eine regelrechte Menschenmenge versammelt. Wir fahren erst einmal vorbei, auf der Suche nach Einkaufsmöglichkeiten. In dem hübschen Ortskern finden sich Läden jeder Art. Von diversen Spezialitätenläden bis zum Lebensmittelgeschäft. Wir beschließen, mal etwas aufwändiger zu kochen, da wir heute genug Zeit und kein Transportproblem haben.

Dann schließen wir uns den Menschen auf dem Kirchplatz an. In der Kirche geht der Pfingstgottesdienst gerade dem Ende zu. Wir kommen genau rechtzeitig zum Pilgersegen. Dazu reihen sich insgesamt 16 Pilger auf. Die anderen alle in voller Montur. Danach geht es vor die Tür. Vorweg marschiert ein Musikzug mit Querflöten und Trommeln. Die Musikanten in den baskischen Trachten, die wir schon in La Reole erlebt haben. Vor der Tür stehen kleine Jungs auf Stelzen Spalier. Auf sehr hohen Stelzen. Da sie Schaffellwesten tragen, vermute ich mal, dass das irgendeine Hirtentradition ist.

Wir sehen uns die archäologischen Ausgrabungen hinter der Kirche an, finden dort einen hübschen Garten mit Bänken und schöner Aussicht, wo wir einen kleinen Frühschoppen einlegen. Nun ist auch die Kirche zu besichtigen. Der Pfarrer übt inzwischen mal mit den werdenden Kommunionskindern. Die Kirche ist interessant. Wir haben allerdings inzwischen so viele gesehen, dass sie in der Erinnerung nur noch schwer auseinander zu halten sind.

Zurück auf dem Campingplatz packen wir unsere Badesachen aus und gehen in Richtung Pool. Unter der Überdachung ist es so heiß, dass es kaum auszuhalten ist. Das Wasser ist dazu auf Badewasser-Temperatur aufgeheizt. Man fühlt sich also eher wie in einer Sauna. Das Wasser draußen ist dagegen eiskalt.

Nach einer Mittagspause gehen wir noch einmal baden. Inzwischen hat man das Dach weggefahren und nun ist das Baden das reinste Vergnügen, das wir genießen, bis es Zeit ist bei Sonnenuntergang ein Glas Rotwein zu trinken.


23. Tag

Auf der Karte liegt Bazas direkt an der Grenze zwischen Bergland und Tiefebene. Praktisch ist von oben von hier von der Ebene noch nichts zu sehen. Wir gehen aber trotzdem davon aus, dass es heute tendentiell eher bergab bzw. eben zugehen wird. So klein der Ort ist, hier kreuzen sich zwei Hauptverkehrsstraßen und eine Autobahn schlängelt sich auch noch vorbei. Wir brauchen also die übliche Vollrunde, bis wir die richtige Ausfahrt finden. Immerhin finden wir dabei auch noch eine Ansammlung großer Supermärkte, die es nach Beschreibung der Camping-Rezeption nicht gibt. Heute haben sie geschlossen. Gestern war Sonntag, da war vormittags geöffnet. Heute am Pfingstmontag nicht. Da finde mal einer durch. Glücklicherweise sind wir versorgt, so dass uns das nichts ausmacht.

Kurz darauf geht es bergab und weiter durch eine völlig ebene Landschaft. Wir entschließen uns, die Hauptstrecke zu nehmen. Die Straße ist wunderbar ausgebaut. Der glatte Asphalt wirkt fast wie Rückenwind, den wir zusätzlich noch haben. Der Seitenstreifen ist breit und sauber. Es gibt kaum Verkehr, vielleicht feiertagsbedingt. Die Orte liegen bis zu 30 km auseinander. Die Straße geht schnurgeradeaus. Links und rechts ist Wald. Die größten Mücken, die wir bisher getroffen haben, surren in dichten Wolken herum und stürzen sich auf uns, sobald wir anhalten. Diese Rahmenbedingungen verleihen uns regelrecht Flügel. Wir legen die Strecke bis Mont de Marsan in Rekordzeit zurück.

Wir fahren meist mit mehr oder weniger großem Abstand. Jeder in seinem Tempo. Dabei achten wir normalerweise drauf, dass wir uns nicht aus den Augen verlieren. Heute wird der Abstand weit. Man kann weit voraus sehen, da es keine Kurven gibt. Aber aus der Ferne sind die Radfahrer natürlich nicht mehr eindeutig zu identifizieren. Und so gebe ich mir große Mühe, einen Radfahrer einzuholen, der mir, als ich ihm näherkomme, völlig fremd ist. Meinen Mann habe ich längst irgendwo überholt, wo er ein Foto machte, ohne ihn zu sehen.

Spannend. Wir haben für solche Fälle normalerweise Handys dabei. Meins mag aber kein Roaming. Ist jetzt also nutzlos. Ich beschließe, erst einmal bis in den Ort zu fahren und dort vor der Kathedrale zu warten. In der Hoffnung, dass er da auch auftauchen wird. Er denkt, ich sei hinter ihm und wartet am Ortseingang. Als ich nicht komme, vermutet er eine Panne und kehrt um. Ich stelle fest, dass es keine Kathedrale gibt. Auch kein irgendwie definiertes Ortszentrum. Hm. Ich frage in der Touri-Info, ob ich mal zu Hause anrufen darf. Kein Problem. Obwohl man für das Auslandsgespräch erst ein anderes Telefon holen muss. Geld will man auch keines dafür. Meine Tochter schickt meinem Mann eine SMS. Kurz darauf treffen wir uns vor der Touri-Info.

Wir könnten hier übernachten. Es ist aber noch relativ früh und wir sind fit. Bis Saint Jean Pied de Port sind es, wenn man unsere übliche Reisegeschwindigkeit beachtet, noch 2,5 Tage. Wie stark uns das Pyrenäenvorland ausbremsen wird, ist schwer zu kalkulieren. Also auf nach St. Sever. Wir nehmen die Autobahn. Na gut, an sich ist es keine. Man darf hier fahren. Sieht aber aus wie eine Autobahn und fühlt sich für uns auch so an. Der Seitenstreifen ist komfortabel, die vorgeschlagenen Haken zur Autobahnvermeidung sehen umständlich und steigungsreich aus. Wir versuchen das mal. Die Abfahrten sind relativ dicht. Die Strecke verlassen, können wir also bei Nichtgefallen problemlos.

Der Verkehr erweist sich als moderat, was wohl am Feiertag liegt. Die Steigungen sind gut fahrbar. Wir kommen zügig nach St. Sever. Auch da könnten wir übernachten. Wir überlegen und fahren erst einmal in den Ort. Der Campingplatz liegt vor dem Ort unten am Fluss. Der Ort oben auf einer Hügelkette. Wir arbeiten uns da rauf, finden oben einen netten mittelalterlichen Ortskern und sehen uns erst einmal die Kirche an, um dann in der Bar gegenüber einzukehren. Das Pilger-Refuge ist gleich um die Ecke. Die Pilger bevölkern die Bar. Wir quatschen ein bisschen und sitzen bequem.

Schließlich entschließen wir uns aber doch, noch bis Haguetmau weiterzufahren. Für die Übernachtung in St. Sever müssten wir wieder nach unten und am nächsten Morgen wieder rauf. Das ist gegen unser Prinzip. Wir fahren auch nicht wieder runter zur „Autobahn“, sondern nehmen den Weg durch die Hügel über Audignon und Horsarrieu. Als wir die Ausfahrt suchen, stellen wir fest, dass St. Sever größer ist als gedacht. Aber wir finden das richtige Sträßchen und fahren im Abendlicht in die Hügel. Außer uns ist hier praktisch niemand unterwegs. In Audignon sehen wir uns die romanische Kirche an, die allerdings schon geschlossen ist. Aber von außen ist sie auch sehr schön.

Wir biegen auf eine noch schmalere Straße ein und müssen nun noch ganz schön arbeiten für die fortgeschrittene Zeit. Es geht endlos bergauf bis in den nächsten Ort. Von dort aus ist es nicht mehr weit bis Haguetmau. Vor dem Ort stoßen wir auf ein CP-Schild, das uns auf die Umgehungsstraße schickt. Wir umrunden den Ort, finden aber kein weiteres. Wir fragen uns schließlich durch und stehen irgendwann vor dem Eingang des Platzes. „Ferme“ steht dran. Der Platz liegt, ähnlich wie in Auxerre, in einem großen Sport- und Freizeitzentrum. In einem kleinen Häuschen neben der geschlossenen Rezeption ist Licht. Wir klopfen. Abweisen lassen, wollen wir uns nicht mehr. Es ist längst dunkel und zu spät, noch weiterzufahren. Wir sind gerne bereit, auf dem „geschlossenen“ Platz zu übernachten, möchten das aber nicht ohne Einverständnis des Mannes tun, der offensichtlich so eine Art Platzwart ist. Er schlägt uns vor, im Pilger-Refuge des Ortes unterzukommen. Gibt aber zu, dass da jetzt niemand mehr ist. Er telefoniert mit dem Bürgermeister. Nach langem Hin und Her bekommen wir die bürgermeisterliche Genehmigung, zu bleiben. Bürgermeister sind in Frankreich ganz offensichtlich für alles und jedes zuständig. Das haben wir schon öfter erlebt.

Der Platz ist sehr gepflegt. Wir werden auf eine von Hecken umgebene Grasfläche geführt. Ein eigenes Waschhaus steht drauf. Der nette Mann schaltet uns Wasser und Strom ein, probiert noch aus, ob das Duschwasser auch warm genug und alles sauber ist. Schraubt an der Küchenspüle eine neue Glühbirne ein und bringt Clopapier. Alles perfekt. Am nächsten Tag sollen wir uns im Hallenbad anmelden. Wir danken und machen es uns gemütlich.