Re: Jakobsweg mal wieder

von: Fricka

Re: Jakobsweg mal wieder - 24.07.12 09:12

16. Tag

Die ganze Nacht über hat der Regen auf den Wohnwagen geprasselt. Am Morgen ist er eher noch stärker geworden. Der Fahrrad-Club packt und reist ab. Wir beschließen zu verlängern. Wir wollen einfach mal einen Tag faulenzen. Und der Regen ist so stark, dass wir wenig Sinn darin sehen, irgendeine nennenswerte Strecke zurückzulegen. Wir packen unser nasses Zelt aus und legen es auch noch im Aufenthaltsraum zum Trocknen aus. Es sind nun außer uns kaum noch Menschen auf dem Platz, so dass nur noch die Winter-Sanitäranlagen geöffnet werden. Was für ein Luxus. Alles blitzsauber, liebevoll gestaltet und – geheizt. Es besteht eine gewisse Nahrungsmittelknappheit, da es im Ort irgendwie keine Einkaufsmöglichkeit gibt. Wir sind trotzdem zufrieden.


17. Tag

Weiter geht’s. Dank Superkompensation sind unsere Beine mal wieder richtig unternehmungslustig und freuen sich auf die nächsten Steigungen. Es regnet nicht mehr. Und ortsauswärts finden wir auch noch einen großen Supermarkt. Der Jakobsweg will jetzt gleich mal runter an den See, um sofort wieder nach oben zu kommen. Da die Wolken tief hängen und sowieso keine nennenswerte Aussicht ermöglichen, lassen wir den Abstecher aus. So fahren wir zunächst auf der Durchgangsstraße abwärts, bis wir an den Abzweig des Sträßchens kommen, das uns nach La Souterraine bringen wird.

Sofort wird es wieder unglaublich ländlich. Aber man merkt, dass der Jakobsweg voranschreitet und sich langsam füllt. Es gibt jetzt durchgängig eine Ausschilderung. Und man überholt immer mal Pilger zu Fuß und trifft auch zunehmend welche auf Fahrrädern. Gleichzeitig taucht auch die notwendige Infrastruktur auf. Fast jeder Ort hat jetzt ein Refuge zum Übernachten. Und am Wegesrand gibt es Bars, in denen Pilger einkehren können. Man sieht bemuschelte Rucksäcke an den Stühlen lehnen und bepackte Fahrräder parken.

So kommen wir nach La Souterraine. Schon ein interessanter Name für eine Stadt. Die Unterirdische. Irgendwie unterirdisch sieht es auch aus. Die Stadt besteht aus diversen Kreiseln, vergammelnden Vororten, einem überdimensionierten Bahnhof, und einer Innenstadt, die im wesentlichen aus einer Baugrube besteht. In der Mitte die Kathedrale, deren berühmte Krypta, die jeder Jakobspilger unbedingt aufsuchen muss, der Stadt den Namen gegeben hat. In der Kirche riecht es muffig. Auf einem Tisch liegt ein Pilger-Gästebuch, wo man sich in diversen Spalten bemüht, die Pilger irgendwie zwecks Statistik in Schubladen zu ordnen. Die berühmte Krypta ist verschlossen.

Wir haben wieder mal Schwierigkeiten, die richtige Straße zwecks Ausfahrt aus der Stadt zu finden. Das kommt von dem Nebenstrecken-Konzept. Je unbefahrener die Straße, desto unscheinbarer oder unvorhandener die Beschilderung. Irgendwann müssen wir uns auch Gedanken machen, wo wir übernachten wollen. Weit und breit ist kein Campingplatz zu haben. Also eine Pilgerherberge? Ständig sind wir an welchen vorbeigekommen. Aber wenn man eine sucht….. In St. Priest en Feuille und Chamborand finden wir sie nicht. Wir suchen aber auch nicht besonders intensiv. In Benevent l’Abbaye wird es klappen. Ein verschlafener Ort mit einer großen Kirche. Es ist kurz vor Ladenschluss. Laut Führer muss man in der Apotheke nach dem Refuge Pelerins fragen. Die Apothekerin lacht. Ja, es gibt eins. Aber nicht das, das im Führer steht. Und sie ist auch nicht zuständig. Es gibt ein Refuge municipal. Mit vier Betten. Heute schon belegt von zwölf Pilgern. Wir könnten sechs km in den Nachbarort fahren und dort fragen. Oder Mme Irgendwie fragen. Die nimmt manchmal Pilger auf. Oder was auch immer. Irgendwo auf Verdacht in die Gegend fahren, liegt uns nicht so. Wir fahren weiter.

Um den nächsten Ort zu erreichen, müssen wir bei bereits einbrechender Dunkelheit die höchste Stelle der Via Lemovicensis überqueren. Also an die Arbeit. Wir treten kräftig in die Pedale und sind schneller oben als gedacht. Solche Steigungen können uns inzwischen nicht mehr schrecken. Oben gibt es eine schöne Aussicht. Vor allem auf eine imposante Bergwelt. Sehr ermutigend. Wir fahren ab nach Chatelus le Marcheix. Dort müssen wir übernachten. Es ist praktisch dunkel und nach dem Ort warten die nächsten Bergketten.

Das ist auch kein Problem. In dem Ort gibt es eine Auberge du Peuple (was immer das sein soll), einen Campingplatz und ein Hotel. Groß ist er nicht. Das erleichtert die Suche. Man sieht keinen Menschen und kein Licht. Als erstes fahren wir an der Auberge vorbei: ferme. Alles dunkel. An der Kreuzung steht das Hotel. Mit Brettern vernagelt. Der Campingplatz ist ausgeschildert und liegt auf einer Kuppe. Sehr schön, aber geschlossen. Das kennen wir schon. Wir suchen uns ein nettes Eckchen neben einer Tisch-Bank-Kombination und lassen uns nieder. Eingekauft haben wir. Auch relativ viel Wasser dabei. Es wird eine sehr ruhige Nacht. Ohne irgendein Geräusch.