Re: Tadschikistan 2017 – Südroute, Bartang, Wakhan

von: Britta

Re: Tadschikistan 2017 – Südroute, Bartang, Wakhan - 03.10.17 15:09

….Weiter geht’s…
Am nächsten Tag liegt der Endspurt nach Rushan vor uns – knappe 80 km. Die ersten km gehen recht flott - schon um 11 Uhr haben wir die ersten 30km hinter uns gebracht. Bernd und ich kehren in einem Teehaus aus, während Micha und Claudia schon mal vorfahren. Wir schlürfen unseren Tee und radeln dann etwas später weiter. Auf der afghanischen Seite wird die Straße ausgebaut. Mit Presslufthämmern bearbeiten die Männer das Gestein.





Das Tal wird zunehmend breiter und grüner, der Weg ist gut zu fahren. Wir passieren einige Orte mit vielen „HelloHello“ Kindern.









In Rushan sprechen uns ein paar Männer an, ob wir auf dem Gelände des städtischen Parks zelten wollten. Wir nehmen an – so schlagen wir das Zelt mal wieder auf Wiese auf – nicht auf Staub oder Steinen. Es gibt ein kleines Flüsschen und Bäume die Schatten spenden. Dass sie erst am nächsten Morgen wiederkommen und uns um Geld bitten finden wir zwar etwas seltsam – das hätten sie auch gleich sagen können, aber wir geben ihnen ein paar Sumoni und so sind alle zufrieden.



Das Bartang-Tal 29.08. –02.09.
Wir brechen wie üblich früh um halb acht auf. In Rushan finden wir noch durch Zufall eine Bäckerei, wo wir uns nochmal mit allerhand Küchlein und Brot versorgen.



Kurz hinter Rushan biegen wir dann in das Bartang-Tal ab. Die ersten km ist die Straße noch gut asphaltiert. Das Tal ist grün und fruchtbar, die Orte sind richtig hübsch mit vielen Blumen. Die Läden sind noch sehr gut sortiert.




Aprikosen zum Trocknen



Bald aber hört der Asphalt auf und die Piste wird schlechter. Recht schnell zeichnet sich ab, dass Bernd und ich auf dem Schotter schneller unterwegs sind als Micha und Claudia. Wir entscheiden, dass es wohl für alle am stressfreisten ist, wenn ab hier jeder sein eigenes Tempo fährt. Wir werden in Kontakt bleiben uns und schon irgendwo auf der Reise wiedertreffen. Aber ab hier sind wir jetzt also erst mal wieder zu zweit unterwegs. Wir kommen ganz gut voran – mir machen die Pisten richtig Spaß. Uns kommt ein ganzes Rudel Radler auf Mountainbikes ohne Gepäck entgegen. Tschechen, die an einer organisierten Reise mit Gepäcktransport teilnehmen und von Osch nach Khorugh fahren. Sie haben hier im Tal auf jeden Fall die besseren Karten als wir, die wir uns mit unserem Geraffel die Steigungen hochquälen.



Gegen Mittag kommen wir an einem Hof vorbei, wo wir zum Essen eingeladen werden. Uns werden die Teller mit Gemüsesuppe und Fleisch vollgeschaufelt. Eine der Frauen ist Englisch-Lehrerin, und so haben wir mal ein bisschen Gelegenheit, mehr über das Leben im Pamir und das Bartang-Tal zu erfahren. Sie erzählt, dass sie in Khorugh studiert hat, aber noch nie weiter gereist ist, als bis dort. Die meisten Menschen des Bartang-Tals hätten ihr Tal noch nie verlassen – höchstens bis Rushan. Sie selbst hat keine Anstellung als Lehrerin gefunden und arbeitet deshalb hier mit der Dorfgemeinschaft weiter auf dem Feld oder mit den Tieren. Wie noch oft auf dieser Reise wird uns hier besonders bewusst, wie privilegiert wir sind, in einem Land zu leben, in dem das Leben so gut abgesichert ist. Dass wir die Zeit, das Geld und die Möglichkeit haben, solche Reisen zu unternehmen. So häufig kommen wir uns vor wie Ausserirdische, weil die Kluft zwischen uns mit unseren High-Tech Rädern und Ausrüstung und den Menschen hier in den Bergen, die oft nur das notwendigste zum Leben haben, uns so groß erscheint. Aber grade hier im Bartang-Tal treffen wir immer wieder auf eine so unglaubliche Herzlichkeit und Gastfreundschaft, dass diese Kluft schnell in Vergessenheit gerät. Ein Bild, dass ich immer noch im Kopf habe und dass ich unmittelbar mit diesem Tal verbinde ist das Bild lachender, winkender Menschen.



Die weitere Strecke wird jetzt immer anstrengender. Mehr und mehr Schotter- und Sand-Abschnitte. Wir passieren noch ein paar kleine Dörfer bevor wir am Abend ziemlich erschöpft nach knappen 80 km unser Zelt auf einer Sandbank am Fluss aufschlagen.









Unser erster Zwischenstopp am nächsten Morgen ist der Ort Basid. Hier fragen wir nach einem Laden, weil Bernd noch einmal sein Handy aufladen will, da ab hier die Stromversorgung der Ortschaften endet. Ein Mann führt uns zu seinem Laden. Da wir eigentlich sonst nichts brauchen kaufen wir Kekse und Bonbons und mehrere Fläschchen erbärmlich künstlicher, grüner Limonade. Während Bernds Handy am Ladekabel hängt, lädt uns der Ladenbesitzer zum Tee ein.



Als wir den Ort verlassen begleiten uns diese beiden Burschen rechts im Bild mit ihren Rädern noch eine Weile. Das Mädchen links stellt sich uns als Angelina vor – ‚ob ihr Vater großer Angelina Jolie Fan sei‘ fragt Bernd, „Ja“ bestätigt sie lachend.



Die Piste wird zunehmend anspruchsvoller. Es gibt zwar immer wieder auch gut zu fahrende Abschnitte, aber auch immer wieder Abschnitte mit Geröll und großen Steinen, über die man nur sehr mühsam drüberhoppeln kann. Es ist immer noch sehr heiß und wir kommen nur langsam voran.





Die Möglichkeiten Wasser nachzufüllen werden langsam rarer. Es ist früher Nachmittag und wir planen, im nächsten Ort Savnob nochmal alles aufzufüllen und dann nach einem Zeltplatz zu suchen. Was wir irgendwie nicht auf dem Schirm haben ist, dass wir vor Savnob noch über einen ziemlichen Hügel müssen. Wir brauchen letztlich gute 2 Stunden, um den Anstieg zu bewältigen – unsere letzten Getränkevorräte teilen wir uns gut ein.



Ich bin fix und fertig als wir endlich die Passhöhe erreicht haben und auf der anderen Seite wieder runterrollen können. Bernd fährt noch in den Ort rein auf der Suche nach Wasser und Laden. Dort wird er dann auch noch wieder von einem Ende zum anderen geschickt und so is auch er ziemlich fertig als er endlich Wasser und Laden gefunden hat. Wir fahren noch bis hinter die nächste Ecke und schlagen völlig erschöpft nach 66 km unser Zelt auf. Immerhin, die Berge im Licht der tief stehenden Sonne sind eine Entschädigung.



Am nächsten Morgen geht’s weiter bis zum nächsten Dorf. Die Piste bleibt anspruchsvoll – immer wieder Steine und Geröllfelder, die zu passieren sind.



Die nächsten Ortschaften, die wir passieren waren von dem letzten Erdbeben stark betroffen. Wir sehen viele Ruinen und viele nagelneue Häuser. Beim Blick auf die umliegenden Berge wird leicht vorstellbar, welche Gewalten hier ausgelöst werden können und wie machtlos der Mensch dagegen ist.



Hinter den Orten geht es an den nächsten Anstieg. Diesmal sind wir mental besser vorbereitet und langsam gehen wir die Steigung an und machen immer wieder Pause. Bei einer der Pausen sehen wir von weitem einen Reiseradler kommen. Wir warten bis er rankommt, er ist erstaunlich zügig unterwegs, und das obwohl er sicher doppelt soviel Gepäck geladen hat wie wir. So treffen wir Andy allcyclistsarebeautiful.com, der in Göttingen gestartet ist und über Pakistan nach Indien will. Wir plaudern eine Weile bevor wir weiterradeln. Wir werden uns die nächsten Tage immer wieder mal treffen – war schön ihn kennenzulernen. Gute Fahrt nach Indien und sorry, dass wir das mit den e-books nicht mehr hinbekommen haben!



Gegen Mittag erreichen wir Ghudara, die letzte Siedlung im Bartang-Tal. Wir füllen nochmal unsere Wasserflaschen auf und Bernd muss etwas Luft nachpumpen als wir an einem Haus rangewunken werden. Wir werden ins Haus zum Tee eingeladen. Während wir dort sitzen und uns umsehen denken wir, dass wir die Einladung nicht hätten annehmen sollen. Die Menschen hier haben wirklich nur das nötigste – keins der Kleidungsstücke, die unser Gastgeber trägt, ist intakt, die Schuhe ca. 100 mal geflickt und repariert. Wir haben ein so schlechtes Gewissen als uns Tee, Brot und Kekse serviert wird. Die Schwester des Mannes kommt dazu, sie spricht einige Sätze Englisch und erzählt, dass auch sie noch nie weiter als bis Rushan war. Als wir aufbrechen wollen, packt uns der Mann noch Brot, Plätzchen und Bonbons in eine Tüte zum Mitnehmen. Keine Möglichkeit das abzulehnen, keine Möglichkeit eine Gegenleistung zu geben. Wir sind beschämt. Wie kann es sein, dass diese Menschen hier uns soviel anbieten obwohl sie kaum etwas haben und wir in einem der reichsten Länder der Welt darüber diskutieren ob wir es uns leisten können, Flüchtlinge aufzunehmen? Ich weiß, der Vergleich hinkt, aber trotzdem beschämt mich dieser Gedanke auch jetzt noch zutiefst.

Wir brechen auf und verlassen den Ort, ohne auf weitere Einladungsangebote einzugehen. Wir treffen Andy wieder, der im Ort einen Liter Joghurt geschenkt bekommen hat und froh ist, dass wir ihm davon etwas abnehmen. Hinter dem Ort geht es nochmal eine kurze Rampe hoch, dahinter geht es in leichtem auf und ab weiter. Schon bald kommen wir an einen Grünstreifen mit Bäumen und einem kleinen Bach. Auch wenn es noch früh ist, diesen herrlichen Platz wollen wir nicht ungenutzt lassen. Nach nur 35 km beenden wir den Tag, waschen Wäsche und vor allem uns. Schon kurz später kommt auch Andy vorbei, mit dem wir noch eine Weile zusammensitzen und über Fahrräder und Reisen reden, bis er sich aufmacht auch nach einem Zeltplatz zu suchen.





Die ersten 20 km des nächsten Tages sind erst mal sehr gut zu fahren. Die Piste ist gut und ziemlich eben. Das Tal weitet sich, wir passieren große Viehherden. Das erste mal auf der Reise ziehen ein paar Wolken auf und geben ein paar Regentropfen frei.



Und bald haben wir dann die Wegbiegung Kok Jar erreicht. Hier erwartet uns eine Rampe, in der wir uns auf 5 km von etwa 3200 auf 3800m hocharbeiten müssen. Die Piste ist geröllig und kaum fahrbar. So schieben wir. Ich bin heute nicht sonderlich fit, mein Kreislauf ist irgendwie im Keller – so kommen wir nur mühsam voran. Immer wieder mal muss Bernd auch mein Rad ein Stück schieben, weil ich nicht mehr kann. Wir brauchen letztlich gute 3 Stunden, um die Steigung zu bewältigen und ich bin mehr als einmal ziemlich fertig. Immer wieder kommen Stellen, an denen es so aussieht als wäre man oben – nur um dann zu erkennen, dass es noch ein paar weitere Serpentinen gibt.









Oben angekommen ist es windig und kalt. Nach wenigen hundert Metern passieren wir einen kleinen Bach, wo wir unsere Wasservorräte auffüllen. Dann rollen wir nur noch ein paar Kilometer den Berg runter, um wieder etwas Höhe zu verlieren weil die Wolken schon bedrohlich aussehen, und bauen nach insgesamt 40 km das Zelt auf. Ich krieche in den Schlafsack und verlasse ihn an diesem Abend nicht mehr. Es ist sehr stürmisch, aber das Wetter klart bald wieder auf und am nächsten Morgen scheint wieder die Sonne.



Schon bald nach dem Aufbruch kommen uns 2 deutsche Reiseradler entgegen, die 3 Monate in Kirgistan und Tadschikistan unterwegs sind. Sie erzählen uns, dass die nächsten Kilometer gute und flache Piste vor uns liegen. So ist es auch. Das Tal wird immer weiter und bald finden wir uns auf einer weiten Hochebene wieder. Im Hintergrund reihen sich die 6-tausender aneinander. Es ist ein beeindruckendes Panorama und die Quälerei von gestern ist erst mal vergessen. Es ist herrlich durch diese fantastische Landschaft zu radeln.





Bald aber ist die Freude vorbei. Die Piste biegt zu einem Fluß ab und führt weiter entlang des Flusses. Hier wird es auch wieder etwas steiniger und mühsamer zu fahren und auch der Wind frischt auf und kommt natürlich von vorn. Ja, ich weiß, wir haben uns bewusst für Tadschikistan und Bartang-Tal entschieden. Aber trotzdem, gegen einen mal etwas weniger anstrengenden Radeltag hätte ich langsam echt nichts einzuwenden. Aber Wünsche werden vom Wetter nicht berücksichtigt, und so kurbeln wir weiter gegen den Wind an.

Sieht dabei so friedlich aus:





Andy überholt uns mal wieder und uns entgegen kommen zwei Radler aus Spanien und Frankreich die seit 15 Monaten unterwegs sind. Wir unterhalten uns lange (vermutlich wehrt sich das Unterbewusstsein gegen die Weiterfahrt zwinker ), inzwischen wird der Wind immer stärker. Eigentlich haben wir uns heut vorgenommen, noch bis zum Südufer des Karakol-Sees zu fahren. Aber je mehr sich die Fläche weitet, desto heftiger weht uns der Wind entgegen. Ich komme nur noch mit 8 km/h voran und bin erschöpft und genervt.
Die auf unserer Karte markierten Pisten zum Südufer finden wir nicht auf Anhieb. Wir folgen zunächst einer Piste, die sich dann aber in den Bergen verliert. Eine Weile versuchen wir querfeldein zu fahren, aber der Boden ist zu weich und sandig um zu fahren. Auch die eingezeichneten Flüsse sind nicht da. Das ist blöd, weil unsere Wasservorräte zur Neige gehen. Dazu der Wind, ich bin langsam am Ende meiner Kräfte und hab keine Lust mehr. So fahren wir zurück zu dem letzten kleinen See, an dem wir vorbeigekommen sind und dort das Zelt aufzuschlagen. Das Wasser ist aber leider salzig und so macht sich Bernd noch mal auf, um bis zum Fluss zurückzufahren um Wasser zu holen. Abends liegen wir dann beide völlig geschafft im Schlafsack. Langsam sind wir echt platt, die Kraftreserven langsam erschöpft. Jetzt vielleicht bitte doch mal ein etwas einfacherer Tag?!



M41 vom Karakol-See bis Alichur 03.09. – 06.09.
Am nächsten Morgen starten wir diesmal ohne Wind einen zweiten Anlauf zum See. Diesmal finden wir auch die richtige Piste und die verbleibenden 7 km bis zum See-Ufer sind schnell gefahren. So richtig an den Haupt-See kommen wir aber irgendwie nicht, dazu ist hier das Ufer zu undefiniert – viele kleine Seen liegen am Weg, unter anderem mit Quellen, aus denen kontinuierlich das Wasser sprudelt.





Wir fahren zurück und steuern jetzt die M41 Richtung Murghab an. Eine ganze Weile verläuft die Piste noch parallel zur M41 und der Wind hat wieder stark zugenommen. Nur langsam kämpfen wir uns gegen den Wind voran – also wieder nix mit „einfacher Radeltag“. Erst gegen Mittag erreichen wir endlich die M41.



Wir machen eine kurze Pause um uns etwas von dem Wind zu erholen, da fängt es an zu schneien – na super, jetzt kommt nicht nur der Wind sondern auch der Schnee von vorne. Pause machen ist dabei auch nicht sonderlich gemütlich, also fahren wir weiter.



Glücklicherweise wird der Schnee nach einiger Zeit deutlich weniger, zwischendurch kommt sogar mal ein bisschen die Sonne raus. Entgegenkommende Radler empfehlen uns, am Jurtencamp unterwegs auf einen Tee einzukehren, was wir auch gern machen um uns ein bisschen aufzuwärmen. Yakbutter und Yakjoghurt, die zum Brot gereicht werden sind köstlich.





Frisch gestärkt fahren wir noch ein paar Kilometer weiter und beenden den Tag am Anfang des finalen Anstiegs zum Ak-Baital-Pass. Für heute soll es reichen. Morgen sehen wir weiter.



Als wir am Morgen die Zelttür öffnen sehen wir: es hat die Nacht weiter geschneit. Die Berge um uns herum sind weiß gepudert, aber die Sonne scheint. Guter Dinge brechen wir auf zum Pass.



Die Auffahrt zum Pass verläuft ganz gut, die Steigung ist erträglich und die Straße immer wieder gut fahrbar. Und das Panorama um uns herum mit den frisch verschneiten Bergen ist atemberaubend.





Gegen halb 11 haben wir die Passhöhe erreicht. Der Fahrer eines entgegenkommenden Autos darf unser „Pass-Foto“ machen. Geschafft! lach



Fortsetzung folgt…