Dauer:21 Tage
Zeitraum:30.8.2016 bis 19.9.2016
Entfernung:500 Kilometer
Bereiste Länder:itItalien

Vom Vesuv zum Etna

Ein kleiner Bildreisebericht einer Rad- und Zugtour von Neapel nach Sizilien, die 2016 auf dem Sommerfahrplan stand. Allerdings sollten sich nach einer Transalp im Vorjahr die Höhenmeter in vernünftigen Grenzen halten, sodass wir hin und wieder einige Abschnitte mit dem Zug überwinden wollten. Ziel war für den ersten Abschnitt eher, dass jeder Campingplatz quasi direkt am Meer sein sollte zwinker

Der Sound zum Bericht

GPS-Tracks

Die verlinkten GPS-Tracks sind Planungsstände, d.h. sind nicht live aufgezeichnet. Die "Kernstrecken" stimmen jedoch. Allerdings fehlen diverse Verbindungsstücke, d.h. es taugt auch nur als erneute Planungsgrundlage zwinker Den Zettel mit den letztendlich tatsächlichen Kilometer- und Höhenmeterangaben habe ich leider schon vergraben. Die tatsächlichen Etappen lagen i.d.R. zwischen 40 und 80 km bzw. 200 und 1000hm.

GPS-Track Neapel - Vico Equense
GPS-Track Vico Equense - Paestum
GPS-Track Paestum - Tropea
GPS-Track Tropea - Rosarno
GPS-Track Rosarno - Catania
GPS-Track Catania - Enna

An- und Abreise

Tag 1: Anreise Dresden-Neapel

Ein würdiger Abschied vom CNL, dessen österreichischen Nachfolger keine Fahrräder Richtung Rom mehr mitnehmen werden. Die dreißig Stunden Hinfahrt vergehen und eigentlich finde ich erst auf der letzten Stunde vor Neapel, dass das ganze Zuggefahre jetzt auch reicht. Durch eine Stunde Verspätung entfällt das eigentlich geplante Fotoshooting beim Abstecher zum Kolloseum in Rom.



Tag 2: Neapel – Vico Equense

Vor inzwischen fünf Jahren war Neapel der Endpunkt einer Radtour mit einem sehr guten Freund von Bologna nach Neapel. Die drei Wochen Radlerei damals haben sich lange und tief in meinen Kopf eingebrannt,. Neapel hatte damals in seinem explosiven Gemisch eine faszinierende Wirkung auf mich. Es fühlte sich so wunderbar an hier wieder langzurollen! Objektiv gab's dafür aber wenig Gründe – wir wollten erstmal auf der SS18 die Stadt verlassen, um dann über ruhigere Straßen auf die Halbinsel von Sorrent zu fahren.

Ich hatte dafür vorher zwei Routen ausgeheckt, eine hinten um den Vesuv rum, die andere entlang des Meeres (aus Zeitgründen wurde es jene am Meer entlang). Riesige, glatte und nicht gleichmäßig übergehende Straßenplatten waren einigermaßen grauenhaft und nur langsam zu befahren. Neben der notwendigen hohen Konzentration bleiben noch genug Blicke auf die Häuserwände und die Graffitis und Sprüche, die es irgendwie in den Vororten Neapels ziemlich viel gab – ich fühle mich wieder sehr wohl in Italien zu sein und immer ein bisschen nachdenken zu müssen, dann aber doch eine Menge zu verstehen. So zog sich der erste Nachmittag unnötig und es war da anstrengend, wo es nicht zu erwarten war. Auf der Halbinsel selbst finden wir den Campingplatz mit freundlicher Unterstützung zahlreicher Locals ganz gut, endlich Essen, Pizza, Wein, Zelten und am nächsten Morgen wieder Radfahren!



Hafen Vico Equense



Nicht ganz um den Vesuv, aber zumindest zu einem Drittel



ohne Titel

Tag 3: Vico Equense - Paestum

Erstmal wieder von Meereshöhe gut 100 hm bergauf, um dann wieder von der Halbinsel runter bis Castellamare zu radeln, von dort weiter bis nach Salerno. Auch hier hatte ich erwartet, dass es nicht allzu anstrengend wird. Allerdings ist es faszinierend – die ersten 30 km wieder auf dem „Festland“ sind quasi ein durchzogenes Stadtgebiet. Die Orte gehen fließend ineinander über und eigentlich vergehen keine 50 Meter, ohne dass irgendein Wohn- oder Industriegebäude rumsteht. Wir essen die erste (und dann noch grandiose!) Mittagspizza und radeln über einen kleinen Pass nach Salerno, wo wir von einer brutal hässlichen Auto- und Lkw-Monsterrampe zum Hafen fahren und dann am Meer entlang bis auf einen Campingplatz kurz vor Paestum. Von der Hässlichkeit der Gegend sind wir überwältigt und enttäuscht. An jedem Kilometer Straßenkilometer südlich von Salerno gibt’s mindestens eine verlassene Hotelanlage, dazu die üblichen Müllmengen und Prostitution...ich bin überrascht. Was müssen hier früher Menschenmassen unterwegs gewesen sein, wenn man sich die alten Kapazitäten anschaut.



Avanti.../i]



[i]Der lokale Fußballclub...




...und dessen Stadion



niedrigschwellige Mülltrennung



Salerno I: Freundlicher Empfang in Salerno direkt nach Einfahrt



Salerno II: Irgendwo zwischen hässlich und bedrohlich. Leider alternativlos. Aber mit genug Seitenstreifen...



Salerno III - Blick auf den Hafen

Tag 4: Paestum - Zug - Tropea

Von unserem Campingplatz rollen wir nach Paestum. Heute wollen ein ganzes Stück der Strecke abkürzen, weil sonst viele Höhenmeter anstünden. Der Bahnhof liegt etwas außerhalb, aber wir finden's trotzdem recht gut. Die drei Stunden Zugfahrt bis Vibo Valentia / Pizzo führen durch wilde und menschenleere Landschaften, vom Bahnhof sind's dann nur ca. 30 km bis Tropea. So ganz ruhig ist der Verkehr nicht, so richtig nervig aber auch nicht, zudem ist's Bilderbuchwetter mit Bilderbuchausblicken. Tropea scheint das letzte Tourizentrum vor Sizilien zu sein. Wir überlegen hier sogar noch einen Tag zu bleiben, der Campingplatz ist direkt am Meer und die Sonne geht hinter dem Stromboli unter. Angeblich kam Herkules nach seinen Abenteuern auch immer wieder zum Chillen nach Tropea zurück zwinker



raus aus dem Zug und 30 km immer am Meer entlang



Pasta mit Aussicht



Sonnenuntergang Stromboli



Tropea abends



Idylle vs. Sonnenschirme

Tag 5: Tropea – Rosarno

Von Tropea aus wollen wir heute den Rest der Halbinsel (oder Festlandsausbeulung?) abradeln. In einem Supermarkt treffen wir eine nette Wienerin, die vorher zwei Monate in Süditalien unterwegs war, wir tauschen ein paar nette Geschichten aus und radeln wenige km zusammen, bis sie wieder zu ihrem Campingplatz abbiegt. Obwohl ich vorher die Routen bei GPSies abgesteckt hatte, so passt es mit den Höhenmetern heute irgendwie nicht. In meiner Schätzung komme ich auf knapp 700-800hm, angeblich hätte es aber nur die Hälfte sein dürfen – irgendwas habe ich da verbockt, obwohl wir immer auf den richtigen Straßen sind. Aber wie's so ist: Wenn man nicht damit rechnet, dann wird’s am schönsten. Traumhafte Aussichten entschädigen für jeden Höhenmeter. Wir lassen uns schon wenige Kilometer vor Rosarno nieder und landen in einer der schönsten Pizzerien der Welt. Nach dem Intermezzo in Tropea gestern eine völlig andere Welt, nur Locals...



immer höher bis zum Mittagessen



unterschätzte Höhenmeter + Mittagssonne vs. „alles war's wert :)“



noch mehr Kalabrien...



...und noch mehr schönes Wasser...



...der letzte Abend in Kalabrien!


Tag 6: Rosarno – Catania

Rund um Palmi gibt es noch einen mächtigen 500hm-Anstieg, den wir umgehen wollen. Eigentlich wollten wir exakt nur diese paar Kilometer abkürzen, am Ende wird’s dann noch ein bisschen mehr, sodass wir komplette 37 km von Rosarno bis Scilla mit der Eisenbahn fahren. Die Fahrt bis Rosarno durch diesen Teil Kalabriens ist wie vieles auf der Tour – irgendwie unerwartet. Es sieht aus wie das Ende der Welt, allerdings nicht sonderlich schön. Irgendein lausiger Hund will mal wieder irgendein verlassenes Grundstück verteidigen. Es gibt Müllberge am Rand, die wirklich wahnsinnig stinken. Das Müllproblem Süditaliens ist mir nicht neu, dieses Ausmaß aber schon.

Von Scilla sind's dann die letzten 20 km auf dem Festland bis Sizilien – im Kontrast zu den ersten 20 km heute wird’s wahnsinnig schön. Nicht der Straße, aber des Gefühls wegen. Es ist wirklich mächtig, wie sich auf der anderen Seite die größte Insel Europas erhebt. In Messina radeln wir nur noch vom Hafen zum Bahnhof und fahren weiter nach Catania. Der erste Abend in Catania kommt mir komplett unwirklich vor – ein Traum ging in Erfüllung, einfach da, und dann sitzt man da in einer wunderbaren Kneipe zu zweit und freut sich Glas für Glas mehr.



noch etwas bedrohlich...ungerechtfertigt zwinker

Catania

Kurz gehalten, weil quasi nicht radexklusiv...

Eine Stadt mit einem Elefanten als Wappentier, mit wunderschönen Plätzen und brachial düsteren Ecken. Höhepunkt ist die Fahrt um den Ätna mit der letzten Schmalspurbahn Siziliens.



typisch dunkles Gestein...



...aber dank einzelner Elemente doch bunt & lebendig...



klassisches Italienbild...



Wappentier auf dem Piazza del Duomo...



...der sehr schön am Ende des Corsos mit dem passenden Namen Via Etnea liegt.



Catania Borgo – Abfahrt bzw. Ankunftsbahnhof der letzten verbleibenden Schmalspurbahnstrecke Sizilien.



Auf den Gleisen rollt dort Material unterschiedlicher Jahrgänge.



Bahnhof



3,5 Stunden rund um den Ätna, eben jenen meist fest im Blick, inklusive verschiedener Wetterleagen.



...und reichlich abgestellten Güterzügen am Endbahnhof der Strecke, ca. 20 km vor Catania wieder am Meer endet.

Catania – Enna

Nach vier Nächten geht’s nach Enna, von wo aus wir über einen Aggrocampeggio dann weiter nach Caltanissetta wollten. Die Auffahrt zum See von Pergusa ist recht easy, 200 hm und 15 km vom Bahnhof, an einigen Stellen wieder begleitet von furchteinflößendem Gebell, allerdings kommt nie ein Hund angerannt. Der See von Pergusa ist so eine üble Schande: Der einzige natürliche See Siziliens wird von einer Autorennbahn umgeben. Laut griechischer Mythologie entführte hier der Herrscher der Unterwelt seinen Schwarm Kore in eben jene sonnenlose Unterwelt.

Der Aggrocampeggio ist aber wirklich ausgesprochen schön (Wein, Gemüse und Olivenöl vom Hof...) und Pietra, die Hofhündin, weicht keinen Millimeter von uns und übernachtet auch am Zelt. So schön sabbert niemand sonst auf der Welt!




Catania verabschiedet uns mit unvorstellbaren Regengüssen, macht die Radfahrt auch nicht sicherer im Stadtverkehr, aber nun gut, trotzdem eine Erfahrung.



Abendstimmung am Campingplatz Baglio Pollicarini in Enna




Abendstimmung II


Wunderschöne Anlage mit nur wenigen Stellplätzen, allerdings brachial hartem Boden...



Blick Richtung Enna (links im Bild) und ins schöne Nichts nach Norden.



Pietra, die unglaublich liebliche Hofhündin.



Mit Kleinstbahnen durch das Inselerinnere...auf der Hauptstrecke Catania – Palermo ist allerdings noch ein bisschen weniger nostalgisch zwinker

Palermo

Ebenso wie Catania und ohne Text, eine quasi radlose Zeit. Palermos Pizzerien sollten ein Weltkulturerbe für sich bekommen. Highlight ist für mich der Besuch des ersten Spiels der Serie A meines Lebens. Wie der Zufall es möchte: Palermo spielt gegen den Neapel, Startort unserer Tour. Die Stimmung ist fantastisch. Es gibt keinen Alkohol, aber ständig laufen „Marktschreier“ umher, um Pistazien zu verkaufen. Mein Fußballfreundesherz lacht ununterbrochen. Nichtsdestotrotz ist unübersehbar, dass die italienische Fußballkultur diversen Repressionen ausgesetzt war – Ergebnis ist die Abschaffung von Stehplätzen, nur personalisierte Tickets, nebst vielen anderen Bedingung, sodass zum Derby des Südens lediglich jeder dritte Platz besetzt ist. Die letzte Woche in Palermo ist durchzogen von drei Besuchen in Cefalù, bevor es dann nach drei Wochen Urlaub zurückging...



Der Dom von Palermo, schier übermächtig von außen & innen, zudem besteigbar und mit großartiger Sicht über die Dächer der Stadt bis zum Monte Pellegrino



Blick vom Dom Richtung Nordosten



Palermo ist geprägt von krassen Gegensätzen – die Fontana Pretoria verzaubern aber schnell schmunzel



Fontana Pretoria II



Fontana Pretoria III



Reichlich Schmelzpunkte diverser Zeiten.



Cefalù – Drehort von Cinema Paradiso, welcher dann wieder zuhause eine schöne Erinnerung war.



Tabellenende gegen Tabellenanfang – Radtouranfang gegen Radtourende – Palermo gegen Neapel



Blick auf die Curva Nord...



...und den Gästeanhang, der sich über drei Tore und einen Auswärtssieg freute.

Palermo – Dresden

Zurück geht’s mit der Fähre von Palermo nach Genua (Radbeförderung unverpackt + kostenlos+Sonnendeck). Nach zwei Tagen in Genua Rückfahrt mit Regionalbahnen nach Chiasso und einem letzten Mittagessen am Comer See, von dort via Zürich Nachtzug.



Fähre Palermo – Genua...



...auf dem Sonnendeck, während die Räder (unzerlegt und unverpackt) im Schiffsbauch neben den abgestellten Pkws kein Tageslicht genießen konnten.



Hafen von Genua



Genua



Comer See



Ausgewählte 23 kg Mitbringsel zwinker


Fazit: Ein Traum ging in Erfüllung – Sizilien auf dem Landweg erreicht. Anders als erwartet, aber wunderschön. Das Inselerinnere ist faszinierend, allerdings kann ich den Grund dafür noch nicht in Worte fassen. Es ist seltsam leer, es ist von der Landschaft her nicht so auf den ersten Blick schön wie die Toskana oder wie die Alpen. Meistens schöne Campingplätze, quasi immer großartiges Essen, ach Mensch, so wunderschön war es gewesen schmunzel

Liebe Grüße,
Martin

PS: Auf die Vorstellungsrunde habe ich mal verzichtet - meine alten Berichte habe ich unter einem anderen Benutzernamen veröffentlicht, dessen Passwörter ich nicht mehr kenne, Mailadressen nicht mehr existieren...so wie es halt ist, wenn man fünf Jahre nichts schreibt zwinker